Die Nr. 2 der NATO: Sehen Russland als Gegner
Der deutsche NATO-Botschafter Martin Erdmann hatte sich bei einer Veranstaltung in Berlin am (gestrigen) Mittwochabend noch betont zurückhaltend geäußert: Der Gipfel des Bündnisses im September in Wales, hatte der Diplomat gesagt, müsse zu einer neuen Einschätzung des Verhältnisses zu Russland kommen – ob Moskau weiterhin als strategischer Partner, nur als Partner, als Nachbar oder gar als Gegner angesehen werde. Keine 24 Stunden später scheint sich das erledigt zu haben, wie Associated Press am (heutigen) Donnerstag von einer Journalistenrunde mit dem stellvertretenden NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow in Washington berichtet:
„Clearly the Russians have declared NATO as an adversary, so we have to begin to view Russia no longer as a partner but as more of an adversary than a partner,“ said Alexander Vershbow, the deputy secretary-general of NATO.
In a question-and-answer session with a small group of reporters, Vershbow said Russia’s annexation of Crimea and its apparent manipulation of unrest in eastern Ukraine have fundamentally changed the NATO-Russia relationship.
Und Vershbow stellte auch weitere Reaktionen des Bündnisses in Aussicht – zusätzlich zu der bereits erfolgten Aufstockung der Luftraumüberwachung über dem Baltikum (Foto oben) und vor allem dem rotierenden Training von US-Truppen mit Soldaten in Polen, Estland, Lettland und Litauen. Dabei geht’s dann auch ans Eingemachte:
Vershbow, a former U.S. ambassador to NATO, said that among possible moves by NATO is deployment of more substantial numbers of allied combat forces to Eastern Europe, either permanently or on a rotational basis.
Der Knackpunkt ist an dieser Stelle more substantial numbers of allied combat forces – denn in der NATO-Russland-Grundakte von 1997, der Grundlage für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit, wird genau die dauerhafte Stationierung von substantial combat forces in den östlichen Mitgliedsländern ausgeschlossen.
Kündigt die Nummer 2 der NATO damit die faktische Aufkündigung dieses Vertrags mit Russland an? Der deutsche NATO-Botschafter hatte am Vorabend noch betont, aus deutscher Sicht gelte die Grundakte weiter – for the time being.
Auf Seiten der NATO scheinen allerdings die Planungen für eine Ausweitung der re-assurance, der Versicherung für die Ost-Mitglieder der NATO, dass sie auf den militärischen Rückhalt der Allianz bauen können, noch weitere Schritte vorzusehen. Das formal neutrale Schweden, Mitglied der EU aber nicht der NATO, öffnete – wohl erstmals – seinen Luftraum für AWACS-Überwachungsflugzeuge . Und Erdmann sprach, wenn auch in einem Nebensatz, von weiteren Maßnahmen, die derzeit hier in Berlin debattiert werden. Dabei dürfte die Allianz nicht nur auf die Ukraine gucken, sondern auch auf Vorgänge an anderen Ecken – wie von der russischen Staatsagentur RIA Nowosti gemeldet: Russia Starts Combat Helicopter Training Flights on Baltic Border
Nachtrag: Ein weiter Bericht von Vershbows Äußerungen beim Defense Writers Group breakfast.
(Eine Bitte: sinnvollerweise sollten wir uns in den Kommentaren in diesem Thread auf die NATO und ihre Maßnahmen beschränken und nicht aktuelle Lageinfos aus der Ukraine dazupacken, das wird dann sehr unübersichtlich. Und wie immer in diesen Tagen: eine ausdrückliche Bitte um Sachlichkeit.)
(Foto: Maj. Barak Amundson and 1st Lt. Matthew Scott, 493rd Expeditionary Fighter Squadron pilots, fly over Lithuania during a training mission with the Lithuanian air force April 23, 2014. The 48th Air Expeditionary Group has been conducting the Baltic Air Policing mission here since January and will be handing over the mission to the Polish air force at the beginning of May. (U.S. Air Force photo by Airman 1st Class Dana J. Butler)
Putin schafft, woran Bush und Obama gescheitert sind: Die Nato wird auch ohne Kalten Krieg wichtig.
Das mit den Schweden ist schon ein Ding. Man positioniert sich doch recht deutlich in dieser Krise.
Dazu gibt’s auch einen schwedischen Zeitungsbericht, den ich allerdings oben nicht verlinkt habe, weil Gugel-Übersetzer da zickt:
Unikt beslut om Natoflyg över Sverige
Nur mal so eine wahrscheinlich abwegige Frage in den Raum gestellt:
Plant Frau Merkel bei ihrem USA-Besuch eine Rede in Fulton, Missouri? So wie einst Winston Churchill am 05.03.1946 …
http://www.youtube.com/watch?v=PJxUAcADV70
Mal mein Interview mit dem US-NATO-Botschafter angehört?
Im September beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der NATO wird der nächste 4- Jahres-Zyklus des NATO Defense Planning Process (NDPP) eingeleitet. Spätestens da wird sich zeigen, ob die aktuellen Ereignisse eine Neuausrichtung der NATO – eher weg von Out of Area Stabilisierung, hin zu Major Joint Operation + (tendenziell vs Rußland) – nach sich zieht. Der Streit zwischen diesen Zielsetzungen hat auch schon den letzten Planungszyklus überschattet, der als kleinsten gemeinsamen Nenner beide Ziele verfolgt hat. Wobei jetzt zweifelsfrei nachgewiesen ist, dass für eine Vollabdeckung beider Zielsetzungen die Ressourcen nicht (komplett) reichen und zumindest in den bisherigen Planungen nehmen die meisten Verteidigungsetats der NATO-Staaten tendenziell ab.
Osteuropa wird wohl wieder für MJO+ sein, während angelsächsischen Interessen – zumindest bisher – nach Asien zielen. Noch ist da nichts in Stein gemeißelt. Die Ausrichtungsentscheidung dürfte wohl stark durch das russische Verhalten der nächsten 4 Wochen beeinflusst werden, da der abschließende Vorbereitungsgipfel der Verteidigungsminister Anfang Juni ist. Ein kalter Krieg 2.0 kann eigentlich überhaupt nicht im russischen (und auch nicht im deutschen) Interesse sein. Geht die Eskalation aber in diesem Tempo weiter, ist das kein komplett unrealistisches Szenario. Spannend werden auch die zukünftigen Verteidigungshaushalte in Osteuropa. Da dürfte man z.B. in Polen statt Konsolidierung einen echten Aufwuchs sehen.
@Stefan H.:
Aber vdL hat doch schon erklärt, dass bei uns mit der Neuausrichtung bereits alles super ist!?!
Wir sind auf alles spitzenmäßig vorbereitet – das ist der Dauertenor der politischen Leitung und (!) der militärischen Führung.
Die Macht der Autosuggestion verhindert dann bereits die Einsicht in den wirklichen Zustand der Streitkräfte. Von einem Kurswechsel ganz zu schweigen.
Wie lange war noch ‚mal die Vorlauf-/-warnzeit – 10 Jahre, 15 Jahre?
Ob die Ukraine noch 10 Jahre durchhält? Ich weiß ja nicht…
@Memoria
Das kann man auch als wesentliche Lageänderung begreifen. Oder: unverhofft kommt oft.
@Memoria
Man darf jetzt nicht den NATO Planungsprozess und die Neuausrichtung der Bundeswehr in einen Topf werfen und umrühren. Selbstverständlich gibt es zwischen dem multinationalen und dem nationalen Planungsprozess Interdependenzen. Trotzdem sind selbst die Deutschland im Blue Book vorgegebenen NATO Planungsziele nur ein Teilausschnitt der gesamten NATO. Die aktuell neuausgerichtete Bundeswehr muss sich an den politischen Zielen – national VPR 2011 – und multinational des letzten NATO Planungszyklus – messen lassen. Die NATO hat gerade in einem aufwendigen Assessment (Step 3-5 NDPP) Deutschland überprüft und die deutschen Anstrengungen bewertet und so schlecht schneiden wir da nicht ab.
Ob die – inzwischen historisch – getroffenen Zielsetzungen ausreichend für die aktuelle Situation und eine potentiell negative Weiterentwicklung auf der Zeitachse sind, da erwarte ich multinational (bis September) – mein Traum wäre auch national – eine Diskussion. Sollte es zu anderen Zielsetzungen kommen, müsste man selbstverständlich auch die Umsetzung neu überdenken, ohne jetzt aber diesen Schritt nach vorne zu ziehen.
Um auf TWs Blogbeitrag zurück zu koppeln, stellt sich die Frage ob die USA bei den kommenden NATO Zielsetzungen in das Lager der MJO+ Befürworter wechseln, was wohl auch einen Wechsel UK nach sich ziehen würde. Es wird spannend zu beobachten sein und wir werden es recht bald erleben.
Da stellt man sich doch die Frage was wir in zehn Jahren noch so auf die Beine stellen könnten, bzw wann für die deutsche Politik der Punkt gekommen ist, damit zu beginnen.
Vielleicht stationieren die USA in Osteuropa eine kleine Ausbildungseinheit. Sicherlich mehr nicht. Große Truppenstationierungen im Ausland ist halt richtig teuer, und in Osteuropa dürfte es dafür auch keine Zuschüsse geben. Gegen ein Nato Land mit einigermaßen stabilen Regierung wird Putin auch nicht vorgehen können.
@Stefan H.:
Ich rühre nicht um, ich blicke auf die Interdependenzen.
Die Ministerin hat bereits (bim Besuch der norwegischen Kollegin) verkündet, dass auch die aktuellen Entwicklungen die Neuausrichtung bestätigen. Soviel zur nationalen Diskussion.
Ein Nachdenken setzt da auch bis September nicht ein.
@ benedikt
richtig.
größere verbände wären kostenintensiv und die deterrent funktion erfüllt auch eine placebo stationierung als „tripwire“.
das ist allerding nur die rationale ebene. sow wie ich die slawen bisher verstehe geht es auch um eine dislozierung in größerem maße um die berechtigten bzw. unberechtigte Vermutung im osten zu widerlegen man sei nur Nato Mitglied „2. Klasse“.
Eine Befürchtung zu der übrigens Deutschland einiges Beigetragen hat.
„Die glauben ja immer noch gleich kommt der Russe.. hahaha“ und ähnliches.
Solange man im Hinterkopf behält, dass man Putin damit genau das gibt was er will, einen externen Gegner auf den man jedes eigene Versagen schieben kann. Und die orientierungslosen Militärs und Politiker bekommen wieder „handfeste“ unkomplizierte Schablonen: Ostgrenzen und Panzerarmeen statt ökonomischer Krise, ökologische Herausforderungen, undurchschaubare Finanzwirtschaft, soziale Spaltung und Differenzierung, kultureller Wandel und Gegenbewegungen, Leben in der Informationsgesellschaft etc …
Ach war das schön im kalten Krieg …
@ auchmal
man gibt putin hier nichts sondern bewegt sich am unteren ende des gebotenen REAKTIONSspektrums.
die initiative und agressive rolle in diesem konflikt spielt russland. sonst niemand.
ihre argumentation scheint eher von dem Wunsch geprägt sich nicht mit bestimmten realitätsphänomenen (rückkehr der geopolitik nach europa) nicht beschäftigen zu wollen sondern lieber weiterhin nur mit zeitgeistig genehmen Problemen zu beschäftigen (“ ökologische Herausforderungen, undurchschaubare Finanzwirtschaft, soziale Spaltung usw“)
eine haltung die leider sympthomatisch für die deutsche debatte ist. schonhaltung und selektive warnehmung aus unwillen sich der realität zu stellen.
Volkspsychater marsch.
@Memoria
Abwarten: Deutschland neigt nicht dazu voraus zu preschen, also sollte der Impuls multinational seinen Anfang nehmen.
Botschafter Erdmann hat erst einmal alles offen gehalten, während Vershbow Cowboy mäßig m.E. einen Testballon aus der Hüfte hat kommen lassen. Schwer zu sagen ob er da die US Aministrationsmeinung vertritt, oder man sich schnell von ihm distanziert, falls das Statement international nicht gut ankommt.
National wird irgend wann sicher abzuwägen sein, ob Anfangsoperation in Mali oder in Polen erste Priorität – unbenommen MilEvacOp – ist. Der Werkzeugkasten unterscheidet sich naturgemäß erheblich. Die Grundausrichtung der NATO werden wir aber sicher nicht einfach ignorieren.
Jetzt höre ich aber besser auf, sonst wird es nur ein bilaterales Zwiegespräch zwischen uns beiden. ;-)
@wacaffe
Ups. Da kommt doch wieder eine gewisse Schärfe in die Debatte…
(Mal davon abgesehen, das ökonomische Krise und ökologische Herausforderungen alles andere sind als zeitgeistig genehme Probleme.)
@ t.wiegold
es ging darum dsa bestimmte themen satisfaktionsfähig sind andere lieber ignoriert werden. ein bisschen schärfe kann auch belebend wirken ;)
Also die Beteiligung der USA an einer NATO-MJO-Fähigkeit in Europa sehe ich nicht.
Siehe: http://www.kmuinnovation.com/humor/weisheit-dakota-indianer.htm
Und @Auchmal liegt imho nicht völlig daneben:
Siehe: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/11/08.mondeText1.artikel,a0003.idx,0
Das ist natürlich verschwörungstheoretischer Unsinn. Allerdings hab ich persönlich den Eindruck, dass Mega-Konzerne, weltweit operierende Banken und Fonds sowie consulting und rating agencies sowie bestimmte Großmächte und ihre „Dienste“ (USA, RF, China) solche Kategorien wie Völkerrecht, Souveränität und TerrIntegrität als „relativistisch“ betrachten.
Bei etwas größeres müsste gleich für die US Streitkräfte eine quasi Hochgesicherte Kleinstadt in Osteuropa gebaut werden. Das dürfte im sehr hohen dreistelligen Mio. Bereich enden. Die US Politik wird für so etwas keine Kohle freigeben, da man Pleite ist. Die Osteuropäischen Länder haben dafür auch keine Kohle übrig.
Martin Erdmann und Alexander Vershbow spielen imho „good cop and bad cop“ und ansonsten stimme ich @Benedikt zu
Inzwischen ist definitiv etwas in Bewegung geraten:
NATO Countries Planning Comms Mission in Ukraine
Russia’s extreme propaganda, ‚haplessness‘ of Ukrainian military requires strategic fix.
http://www.usnews.com/news/articles/2014/05/01/sources-nato-countries-planning-communications-mission-in-ukraine
Ich Befürchte dass unsere Top Leute danach die Welt nicht mehr Verstehen werden weil unsere Politiker meinen es Aussetzten zu können
Und wenn NATO Schutz Maßnahmen Verabschiedet werden unsere die Welt nicht mehr verstehen
Wohl Deutschland glück hätte aber von überforderte Politiker kann es kaum genutzt werden
2 Ketten Fahrzeuge von Deutschen Hersteller wir könnten 80 % damit abdecken was BW bräuchte ungenutzt
1 Flak Systeme mit die man auf Bauen könnte was wir dringend bräuchten und dann auf einen Kettenfahrzeug Montieren
Genügen Fahrzeugsyteme um einfache Inf. verbände auf zu Bauen
Der Steuer Zahler ist dafür gut aber für Schutz ist er nicht wert
Und Deutschland währe sofort dabei wir sind in Reichweite
@califax
lol….sorry, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass eine STRATCOM Initiative der NATO in dieser Lage noch die geringste Chance hat in der Ukraine. Es wäre nur weiteres Wasser auf Putin’s Mühle.
In diesem Zusammenhang ist auch die SBU-Erläuterung, warum die Ukraine den russischen MilAtt ausgewiesen hat ein wunderbares Beispiel für STRATCOM ins eigene Beinkleid:
„……..Zuvor war ein russischer Militärattaché wegen Spionageverdacht festgenommen worden. Der Mann habe Informationen über die Zusammenarbeit zwischen der Nato und der Ukraine gesammelt, erklärte der ukrainische Geheimdienst SBU. „Am 30. April wurde er auf frischer Tat ertappt, wie er vertrauliches Material von seiner Quelle erhielt“, sagte eine SBU-Sprecherin. Sein Informant sei ein Oberst der ukrainischen Streitkräfte.““
Quelle: N-TV
Ups ;-)
Sehen wir den Tatsachen ins Auge:
Die Krim und die Ost-Ukraine sind verloren und das Tischtuch ist zerschnitten. Schweden wird (höchstwahrscheinlich) seine Neutralität aufgeben und eine neue Blockbildung scheint unausweichlich.
Da jetzt ernsthaft zu behaupten, die Neuausrichtung der Bw wäre klasse und auch der neuen Lage angepasst, entspricht schon fast einer neuen Form der Realitätsverweigerung… Ich frage mich, ob man das noch auffangen kann.
@Stefan H.:
Auf politischer Ebene ist jedoch keine Anpassungsbereitschaft erkennbar.
Die Kanzlerin will an allen Fronten Ruhe, vdL braucht auch keine Reform der Reform (lieber Attraktivität und Vereinbarkeit von Familie und Dienst).
Daher kann man leicht bis 2017 behaupten, die Neuausrichtung ist auch die Antwort auf eine veränderte NATO-Linie (Breite vor Tiefe) – und eine willfährige Generalität für diesen Weg gibt es ja.
wir können uns ja an Polen anlehnen.
wenn die Entwicklung der deutschen Armee so weiter geht wie bisher müssen wir es absehbar wohl.
zum thema friedhofsruhe der deutschen debatte. Wir hatten das doch anfangs der Krise schon häufiger diskutiert.
„was braucht es um die hiesige allumfassende Lethargie/pathologisches Verdrängen/Parallelweltmentalität zu durchbrechen“
mittlerweile muss es wohl so kommen:
Merkel morgens halb zehn Bundeskanzleramt:
„Ja das ist doch Artillerie…..“
Naja
http://www.spiegel.de/politik/ausland/merkel-auf-usa-reise-senator-john-mccain-kritisiert-die-kanzerlin-a-967171.html
wenn Wunderts
@wacaffe
„“die initiative und agressive rolle in diesem konflikt spielt russland. sonst niemand.“
Ich verstehe nicht, inwiefern das ich mit meiner Anmerkung bezweifelt hätte. Dem stimme ich voll und ganz zu und sehe es als geboten an, dass Putins „Gegenspieler“, also auch Deutschland, die Initiative zurückgewinnen! Das setzt ein eigenständiges Agieren voraus, solange man nur re-agiert, spielt man Putin in die Hände.
„ihre argumentation scheint eher von dem Wunsch geprägt sich nicht mit bestimmten realitätsphänomenen (rückkehr der geopolitik nach europa) nicht beschäftigen zu wollen sondern lieber weiterhin nur mit zeitgeistig genehmen Problemen zu beschäftigen (” ökologische Herausforderungen, undurchschaubare Finanzwirtschaft, soziale Spaltung usw”)“
Auch ich bemängele hier ihren Stil und Tonfall und hoffe in Zukunft auf etwas mehr Sachlichkeit. Desweiteren glaube ich nicht dass Geopolitik zurückkehren muss, Geopolitik ist immer da, allein der Begriff ist durch Karl Haushofer in Deutschland vorbelastet – zurecht. Die politische Situation in Europa war, ist und wird auch immer durch seine geographischen Begebenheiten geprägt sein – darum geht es hier nicht, sondern um das Auftauchen von Denkmustern und Verhaltensweisen die in der Vergangenheit liegen. Jede geschichtliche Situation ist einzigartig, auch wenn einzelne Elemente bekannt erscheinen.
„eine haltung die leider sympthomatisch für die deutsche debatte ist. schonhaltung und selektive warnehmung aus unwillen sich der realität zu stellen.“
Realität wird konstruiert, nicht oktroyiert, aber Sie scheinen das anders zu sehen.
„Volkspsychater marsch.“
Einen respektvolleren Umgang würde ich mir schon wünschen. Psychiater schreibt man übrigens mit einem -i- nach dem „ch“ und symptomatisch ohne -th-.
So dann …
nur kurz
„sondern um das Auftauchen von Denkmustern und Verhaltensweisen die in der Vergangenheit liegen. Jede geschichtliche Situation ist einzigartig, auch wenn einzelne Elemente bekannt erscheinen.“
Ideen liegen nie „in der Vergangenheit“ sondern stehen sobald sie kreiert wurden jederzeit für einen erneuten rekurs auf sie bereit.
Sie sind insofern zeitlos wie man an Putins völkischer Lebensraumideologie gut erkennen kann.
das etwas tatsächlich oder vermeintlich „vorbelastet“ ist, sollte den Analytiker aber nicht davon abbringen die jeweiligen Denkschemata nachvollziehen zu können, zumal man Elemente Haushofer’scher Geopolitk bei vielen Großmächten der Vergangenheit wie Gegenwart beobachten kann.
Abgesehen davon ist das Feld zwischen Mackinder/Mahan/Haushofer ohnehin fließend, ein nationales Prisma („alles kontaminiert“) schadet eher als das es der erkenntnis dient.
Die deutsche Hilflosigkeit der Putin’schen Strategie gegenüber ist ein direktes Produkt dieser Unfähigkeit auch für sich selbst abgelehnte Handlungsmuster zumindest für Andere mitzudenken
Da habe ich mich falsch ausgedrückt – was ich sagen wollte: Es ist falsch, einen kalten Krieg zu sehen, wo keiner ist und keiner sein kann. Putin ist Putin. Neue Bedingungen, neue Situation. „Vergangenes wiederherzustellen“ ist unmöglich – es wird nie so sein wie es mal war – gerade Putins KGB-Romantik versucht doch hier die Quadratur des Kreises.
Und zur Geopolitik – ich verstehe sie nicht. Sie holen jetzt zu Haushofer aus, ohne dass ich irgendetwas dazu gesagt hätte. Offenbar neigen auch Sie dazu, sich Gegner zu erschaffen, wo gar keine sind.
Ich verstehe allerdings auch nicht, inwiefern Deutschland nun besonders hilflos gegenüber Russland ist. Welches westliche Land verfügt denn über eine geeignete Strategie für Putin? Was sollte Deutschland denn in der jetzigen Situation ihrer Meinung nach tun?
@Voodoo
Das sehe ich in allen Punkten genauso.
@Memoria
Volle Zustimmung. Dass die Neuausrichtung der Bundeswehr mit der NATO nach Lissabon 2010 nur zeitlich zusammenhängt wird wohl niemand anzweifeln. Ich kenne kein einziges Beispiel für eine nationale Ableitung von den dortigen oder folgenden Beschlüssen oder irgendeine Art von Koordination der deutschen mit den multinationalen Vorhaben.
Während die NATO sich der MJO(+) !!! zuwendet und die Führungsstruktur verschlankt optimieren wir die Bundeswehr (zumindest die Landstreitkräfte) weiterhin auf RC N Stand 2012. Das ist 180 Grad Abweichung. Und die Verschlankung unserer Führungsstruktur wäre ein eigenes Thema, während den Breite-vor-Tiefe Unsinn mittlerweile nur noch wenige erwähnen.
Wir. Dienen. Deutschland
@Sailor1995
Was will man auch national ableiten wenn das Thema Pooling and Sharing noch gar nicht ausdiskutiert ist? Wenn nicht feststeht, wer was macht, in welcher Stärke? Wie die Verfahren zur Einsatzbeteiligung sind (DEU = Parlamentsvorbehalt)?
Z.B. hatte NLD völlig überraschend seine aktiven Panzereinheiten aufgelöst.
Wo es innerhalb der NATO-Staaten Absprachen / Abkommen gibt (z.B. Achse London-Paris)?
@Sailor1995
Es gibt die Koordination national/multinational. Die Ziele fallen auch nicht vom Himmel, da die NATO kein eigenständiges Gebilde ist, sondern die Summe der Staatsinteressen seiner Mitglieder, damit auch der Deutschen. So manches NATO Ziel hat einen nationalen Ursprung. Aber auch die umgekehrte Interdependenz gibt es, was am Beispiel der Anzahl der Tankflugzeuge in ein paar Jahren seinen Niederschlag finden wird.
Eine Optimierung auf „RC N“ entspricht grundsätzlich den NATO Planungszielen des letzten Zyklusses. Bisher hat auch niemand bei der NATO gegen den Kahlschlag bei den Panzern gewettert, oder beispielsweise die NLD an den Pranger gestellt. Bei MJO+ sind Spezialkräfte nicht gerade im Fokus…
Das die NATO sich MJO+ zuwendet, sehe ich noch nicht in Bronze gegossen, wenn auch Putin da viel Werbung betreibt…
@Stefan H.
Bei der NATO wird keiner explizit an den Pranger gestellt, doch interne Kritik gibt es schon, so z.B. DEU / Libyen (AWACS, u.a.), FRA wg. AFG, NLD wg. ihrer PzTr.
Bei all dem Fokus auf Europa, USA und Russland, frage ich mich, wie China die Lage wahrnimmt. Zwar veranstalten Russland und China auch mal gemeinsame Manöver – aber als wie substantiell kann das bezeichnet werden?
China dürfte es in die Hände spielen, dass kurz nach der Verlagerung des amerikanischen Schwerpunktes Russland solch ein Fass aufmacht … China hat allerdings nicht nur in der Finanzkrise gezeigt, dass es ein vitales Interesse an einem stabilen Europa hat.
Das lässt für mich den Schluß zu, dass Russland gleich an mehreren (mehr oder weniger akuten) Fronten unter Druck gerät, oder wie der Amerikaner sagt: between a rock and a hard place
@Stefan H.:
Bei MJO+ stehen Spezialkräfte nicht im Fokus?
Aus dem Sommer 1940 hat die NATO also bisher nichts gelernt.
Was ist denn dann das + an MJO?
Wenn man sich die letzten Wochen anschaut, dann könnte man ja auf die Idee kommen, dass „zeitgenössische“ Bündnisverteidigung sehr viele COIN-Elemente umfasst.
Auch auf NATO-Ebene scheint man noch bipolar zu denken:
StabOp vs. MJO+.
Na dann siegt mal schön.
Wäre da für die USA nicht angezeigt, es sich mit China nicht zu verderben? Oder überlassen uns die USA die Front in Europa, während sie das „Pacific theatre“ übernehmen? Afrika wird dann über Militärhilfe (Hilfe zur Selbsthilfe) stabilisiert oder „contained“.
@Pham Nuwen: Es sagt schon eine ganze Menge, dass Peking in dieser Sache ein äußerst sparsame Kommunikation betreibt und sich kaum auf die russische Argumentationen einlässt und das Vorgehen auch nicht verteidigt. Jedenfalls habe ich von solchen Anwandlungen nichts mitbekommen. Die sind wahrscheinlich nicht besonders erfreut darüber, dass die ganze Ukraine-Geschichte (vor allem die Annexion der Krim) die Unruhen in ihren West-Provinzen legitimieren und anheizen könnte. Von Kashgar aus gesehen sieht die ganze Sache ziemlich beunruhigend aus. Schlechtes Feng Shui sozusagen.
Obwohl es für die Chinesen zunächst einmal nicht schlecht ist, dass Russland im Moment seinen sicherheitspolitischen Fokus auf die NATO legt. Amerikanische Kräfte, die in Europa gebunden sind können nicht im Pazifik mitmischen.
@memoria
Kennen Sie das Gefühl, wenn man es hasst, Recht zu haben….
Kanada zieht die HMCS Regina aufgrund der Ukraine-Krise aus dem arabischen Meer ab um sie an anderer Stelle im Rahmen der NATO einzusetzen. Weiss jemand näheres was Grund und Absicht sind?
[Ja, spielte hier schon mal ’ne Rolle. Und es gehört mitnichten in die Lagebeobachtung Ukraine, sondern in den NATO-Thread, und da schiebe ich es hin. T.W.]
@Ottone
http://german.ruvr.ru/news/2014_05_01/Kanada-schickt-Kustenschutzschiff-ins-Schwarze-Meer-0015/
“„Kanada arbeitet mit der Nato-Führung und unseren Verbündeten zusammen, um zu bestimmen, wie konkret die HMCS Regina genutzt wird. Solange dies nicht entschieden ist, können wir nicht genau sagen, wohin sich das Schiff begeben oder wann es das Arabische Meer verlassen und sich der Nato-Flotte anschließen wird“, zitiert der TV-Sender den kanadischen Premier.”
Steht wohl noch nicht fest ob die Regina ins Schwarze Meer geht oder nur ins östliche Mittelmeer
@TW: Sorry für den falschen thread. Weitere Info habe ich bislang hier nicht gefunden. Die Richtung meiner Frage war: Kanada wird dies wohl kaum im Alleingang machen, was also ist da in Planung bei der NATO?
@Ottone
Es gab da irgendwo was Ausführliches zu dem kanadischen Schiff und zu den Abfangjägern, die nach Osteuropa gehen. Dachte, ich hätte das hier verlinkt, muss aber noch mal danach suchen – im Moment gucke ich allerdings eher auf Sloviansk. (Aber zum NATO-OrBat muss wohl demnächst mal ein Update sein.)
@Sönke Marahrens:
Ja.
@Ottone
Und schon haben die Kanadier ihre Frage erhört:
http://www.forces.gc.ca/en/operations-abroad/nato-ee.page?