Ukraine: Lagebeobachtung 7. März
Weiterhin Unklarheiten, fragliche Alarmmeldungen, zum Glück aber vor allem Gespräche, Gespräche, Gespräche bestimmen das heutige Bild der Situation in der Ukraine (und auf der Krim). Eine zunächst sehr alarmierend klingende Meldung über 30.000 auf der Krim präsente russische Soldaten weist zumindest nicht auf eine aktuelle Lageverschärfung hin, wenn man die Erläuterung der BBC dazu liest:
Ukrainian border guards say Russia now has 30,000 soldiers inside Crimea. Serhiy Stakhov, an aide to the head of the border guards service, tells Reuters the figure is an estimate and includes both troops who arrived since last week and Russia’s Black Sea Fleet, permanently based in the Crimean port of Sevastopol.
Mit anderen Worten: Die sind schon ein paar Tage länger da – was natürlich nicht ausschließt, dass Russland zusätzlich Truppen auf die Krim verlegt.
Gespräche gab es auch in Dublin, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rand von EU-Beratungen mit den ukrainischen – wie sagt man jetzt? Ex-Oppositionspolitikern? Julia Timoschenko und Vitali Klitschko posierte (Foto oben).
Die am Vortrag gestrandeten OSZE-Militärbeobachter machen derweil einen neuen Versuch, auf dem Landweg auf die Krim zu gelangen. Vorher haben sie noch eingekauft (danke für den Leserhinweis).
Zur aktuellen Lageentwicklung wieder der Verweis auf die Ticker der Redaktionen, die das schneller und besser können als ich:
Und noch ein Nachtrag – zum Nachlesen vom IISS: Crisis in Ukraine – military dimensions
(Aus gegebenem Anlass ein Hinweis: Ich versuche, das als Informations- und Diskussionsmöglichkeit der Entwicklung in der Ukraine anzubieten. Was sich in den vergangenen Tagen hier in den Kommentaren zu diesem Thema abgespielt hat, war teilweise nicht besonders schön – vor allem die heftigen persönlichen Angriffe bisweilen sind hier nicht der Stil; und auch einfach nur Ein-Satz-Infofetzen in einen Kommentar zu werfen, bringt alle nicht weiter. Ich möchte noch mal dringend darum bitten, dass es bei einer sachlichen Debatte bleibt. Sonst sehe ich den Sinn solcher Einträge nicht mehr… )
(Foto: Bundespresseamt via Twitter-Feed des Regierungssprechers)
@RioAmazoco
Ein bisschen pathetisch und ziemlich vereinfacht, gell? Zum Beispiel gab und gibt es genug Briten, die z.B. den Vertrag mit Polen für reichlich Banane halten/hielten, da man niemals in der Lage war, den Polen wirklich beizustehen.
Europa war darüber hinaus in den späten 1930ern alles andere als bereit für einen Krieg, was wäre also die Alternative gewesen?
@wacaffe | 07. März 2014 – 23:27
Ich sagte ja schon, dass man sich über rechtliche Fragen streiten kann. Recht hat aber stets seine Gültigkeit verloren, wenn es von einer Bevölkerung nicht mehr getragen wird. Recht entwickelt sich ständig weiter. Das kennen wir doch aus Deutschland. Das ist angelsächsisches Rechtsprinzip. Die Abtrennung des Kosovo war auch ein Verstoß gegen die serbische Verfassung und erfolgte durch militärische Gewalt.
Welche Verfassung der Ukraine meinen Sie? Die von 1992 (zu deren Rückkehr die Krim verlangt und die ihr die außenpolitische Souveränität zurück gibt), die von 2004 (die von den neuen Machthabern, ohne die notwendige Zustimmung, des vom Volk direkt gewählten Präsidenten, wieder eingeführt wurde), die von 2010 (deren Annulierung rechtlich sauber ohne die Unterschrift Janukowitschs gar nicht möglich ist) oder gar die aus der Sowjetzeit (nach der die Übergabe der Krim von Russland an die Ukraine durch Chrustschow verfassungswidrig war)?
Ich hoffen Sie verstehen, dass eine Diskussion über Recht und Unrecht in dieser Frage uns noch Jahre beschäftigen würde. Und deshalb auch wenig Sinn macht.
ich sagte ja bereits, der verweis auf tatsächliche bzw. vermeintliche juristische komplexität soll nur den blick auf das evidente verschleiern.
russland annektiert fremdes territorium ohne jedwede rechtsgrundlage.
(exkurs in kosovo wurde auf ethnische säuberungen reagiert. gab es die,oder irgendwelche andersgearteten übergriffe auf russen? nein. ergo sind beide situationen nicht vergleichbar.
kosovo ist kein präzedenzfall für die krim.
dialektisch von russland auch merkwürdig jahrelang zeter und mordio zu verantstalten sich dann aber in legitimatorischer absicht auf kosovo zu berufen. der jurist nennt das „venire contra factum proprium“ der laie „schwachsinnig“
N24 Berichtet auch Stefan aber Morgen wissen wir mehr
@wacaffe | 08. März 2014 – 0:05
Ungeachtet der Tatsache, dass eine Invasion für mich etwas anders aussieht (ich denke da an die Bilder von Prag 1968) und noch vor 2 Tagen selbst ein Vertreter der neuen Macht in Kiew bestätigt hat, dass die vertraglich vereinbarte russische Truppenstärke auf der Krim (25.000 Soldaten) noch nicht erreicht ist (kam im deutschen Fernsehen), können wir ohnehin nicht wirklich einschätzen, ob es sich nun wirklich um eine Invasion handelt. Die Meldungen dazu sind auch recht gegensätzlich. Das Vertauen in die Medien habe ich sowieso verloren, nach den unzähligen nachgewiesenen Desinformationen. Klar ist aber Putin will die Krim zurück. Ob die Bevölkerung der Krim nach Russland will, oder „nur“ zur außenpolitischen Souveränität nach der Verfassung von 1992 innerhalb der Ukraine, wird sich bei der Volksabstimmung am 16. März zeigen. Weniger steht nicht zur Entscheidung.
Die Situationen Kosovo und Krim sind in der Tat nicht gleichartig, aber vergleichbar. Auf der Krim leben mehrheitlich Russen und ein russischer Militärstützpunkt mit vertraglich bis zu 25.000 Soldaten, aber im Kosovo lebten keine Amerikaner. Jetzt ist das anders. Dort befindet sich jetzt der zweitgrößte US-Miltärstüzpunkt in Europa. Die serbische Minderheit im Kosovo leistet Widerstand.
Richtig ist, dass von Übergriffen auf Russen auf der Krim nichts bekannt ist. Es ist aber auch nichts bekannt über einen mehrheitlichen Widerstand gegen eine vermeintliche „Besatzungsmacht“. Dort schwenkt und hisst man eher russische Fahnen. Und dies in einem Land, welches für seine Partisanenmentalität bekannt ist. Die Wehrmacht konnte ein Lied davon singen.
Zu Ihrem letzten Absatz. Sie haben recht. Es ist aber ebenso schwachsinnig den Russen, vor dem Hintergrund von Kuba, Grenada, Irak und Libyen eine Invasion vorzuwerfen. Ich weiß, da gibt es auch wieder Unterschiede. Aber wo gibt es diese nicht. Es ist halt alles in der Geschichte einzigartig und nicht gleich, aber durchaus vergleichbar.
Gute Nacht!
@stefan
Also diese Darstellung des Kosovo ist vorsichtig gesagt gewagt. Aber das führt wirklich zu weit ins offtopic. Die Darstellung der Krim und der Spezialeinheiten vor Ort geht mir ebenfalls ein wenig zu sehr in Richtung Propaganda. Dass es keinen Widerstand gäbe ist zudem völliger Unsinn. Da haben Sie wohl die Ukrainischen Besatzer vergessen, von denen b hier berichtete. Und diese Kollaborateure die zuweilen Essen vorbeibringen sollen.
Außerdem ist die logische Konsequenz ihrer letzten Ausführung dass die USA sich hinstellen könnten und Guantanamo damit verteidigen, dass Deutschland mal KZs unterhalten hat. Völlige Übertreibung aber Sie verstehen sicher worauf ich hinaus will.
drd | 08. März 2014 – 1:46
Also 1. bin ich nicht „b“. Und 2. habe ich weder von Guantanamo, noch von KZ’s gesprochen. Feiern Sie noch Aschermittwoch?
Mal etwas lustige Unterhaltung zum Thema. Die ersten 15 Minuten. ;-)
heute-show vom 07.03.2014
http://heuteshow.zdf.de/
Die Ukrainische Expres zeigt derweil Bilder von Menschen mit russischen Fahnen, die Bücher der Ukrainischen Armee bzw. Staatssymbole verbrennen. Kluft und das jeweilige Erscheinen mit dem Hiterlgruß unterstreicht das Ganze. Leider lässt sich aber die tatsächliche Herkunft und vorallem der zeitliche Zusammenhang für mich nicht ganz erschließen.
@KeLaBe, Zeitzeuge, Thomas Melber, Stuttgart et al
Die wirkliche Aufwuchsfähigkeit wurde ja nicht erst mit Wegfall der Wehrpflicht verloren, sondern bereits im Rahmen der Transformation. Eine strukturelle und materielle Aufwuchsfähigkeit besteht somit spätestens seit 10 Jahren nicht mehr.Mittlerweile ist sie auch personell nicht mehr gegeben.
Selbst die Erfassung ist auf die Nachwuchsgewinnung beschränkt. Die Planungen zur Bündnisverteidigung sind eine reine Farce (verminderte PzDiv als Gesamtbeitrag des Heeres für ein Jahr, nichtaktive Truppenteile ohne Material).
Potemkinsch-kaßdorfsches Heer.
Wir haben eben 2003 eine Wette mit der Weltgeschichte abgeschlossen: Der Russe marschiert nicht.
Das wird er auf NATO-Gebiet auch nicht.
Wobei die Perzeption in Estland mit großer russischer Minderheit, da sicher anders ist.
EU besteht auf Ermittlung zu den Morden auf dem Euro-Maidan in Kiew, die bis heute nicht erfolgt sind.
Der Chef der ukrainischen rechtsradikalen Gruppe Rechter Sektor soll, laut einer Information aus dem ukrainischen Verteidigungsministerium, die Regierung in Kiew aufgefordert haben, Militärlager für radikale Gruppen zu öffnen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Prawyj_Sektor
Ein ranghoher ukrainischer Offizier teilte mit, dass duzende tragbare Flugabwehr-Raketensysteme vom Typ Igla aus Waffenlagern im Westen des Ukraine, Raum Lwow (Lemberg), gestohlen worden. Die neue Leitung des Verteidigungsministeriums versuche, den Vorfall zu verschleiern, indem sie die betroffenen Munitionslager mit veralteten Waffen auffülle.
Die ukrainischen Behörden haben nach Angaben des russischen Außenministeriums mehreren Journalisten aus Russland die Einreise verweigert.
Außer den vertraglich vereinbarten Kräfte der Schwarzmeerflotte und den zu ihr gehörigen verstärkten Sicherheitskräften befindet sich angeblich kein russisches Militär auf der Krim, , sagte Kreml-Sprecher Peskow im russischen Fernsehen.
@ Stefan
Zur Info:
In DL wurde die derzeitige Rechtsprechung und das geschriebene Recht an Hand des Code Napoleon und des Preussischen Landrechts zum heutigen Stand weiterentwickelt.
Angelsaechsisches Recht galt seit Charlemagne nicht in ‚DL‘ (allgemein, dem hl. roem. Reich dt. Nation) .
Kurzzeitig gab es angelsaechsische Einfluesse nach 1945, aber nur in US/GB-Zone/Sektor, die sich jedoch nicht durchgesetzt haben.
Zur Lage in der Ukraine:
Die von Berlin geförderte Kiewer Umsturzregierung weitet ihre Zusammenarbeit mit den ukrainischen Oligarchen aus. Zwei von ihnen sind zu Gouverneuren der wichtigen Regionen Donezk und Dnipropetrowsk ernannt worden; ein dritter, der bislang als Unterstützer des gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch galt, tritt nun an der Seite der Regierung gegen prorussische Kräfte auf.
http://www.german-foreign-policy.com/de/news/
@MikeMolto | 08. März 2014 – 15:29
Danke! Ich bin kein Jurist, sondern ein alter Militär und hatte das mal irgendwo gelesen. Ich glaube sogar in diesem Blog wurde ich dahingehend belehrt und als unwissend hingestellt, weil ich auf den geschriebenen Gesetzestext verwiesen hatte. Aber das Recht wird wohl auch unabhängig davon ständig weiterentwickelt.
Die BBC hat eingeräumt das bewaffnete Rechtsradikale an der Spitze der »Revolution« in Kiew standen.
BBC Newsnight’s Gabriel Gatehouse investigates the links between the new Ukrainian government and Neo-nazis
https://www.youtube.com/watch?v=5SBo0akeDMY