Deutsche Eurofighter fürs Baltikum? Noch ein bisschen verwirrend

Das mit den deutschen Eurofightern im Baltikum bleibt noch ein wenig, nun, verwirrend. Jetzt habe ich mir mehrfach die Abschrift der heutigen Bundespressekonferenz durchgelesen. Aber was Jens Flosdorff, der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Außenamtssprecher Martin Schäfer und Regierungssprecher Steffen Seibert dazu zu sagen hatten, klärt für mich noch nicht wirklich die Frage: Schickt die Bundesregierung deutsche Abfangjäger nach Estland/Lettland/Litauen, und sind das – zusätzliche – Trainingsflüge oder eine Verstärkung der Luftraumüberwachung, des so genannten Air Policing, über den baltischen Staaten?

Zum Nachlesen:

Frage: Ich habe eine Frage zu dem „SPIEGEL ONLINE“-Bericht vom Wochenende, wonach die Bundeswehr sechs Flugzeuge in das Baltikum schicken möchte. Können Sie das bestätigen? Ist das im Rahmen der Nato? Können Sie mehr dazu sagen?
Flosdorff: Es gibt regelmäßige Routinemanöver der Nato. Dazu gehört auch Air Policing über den baltischen Staaten, die das ja nicht selber wahrnehmen, rotierend seit vielen Jahren. Auch Deutschland prüft, welche Möglichkeiten es in diesem Rahmen einbringen kann. Wie viele Maschinen das wären und für welche Zeiträume das angeboten würde, steht unter dem Vorbehalt politischer Entscheidungen, aber auch der Planungen der Nato in Brüssel.
Zusatzfrage: Hängt das mit der Krise in der Ukraine zusammen?
Flosdorff: Das ist unabhängig von der Krise in der Ukraine, und zwar seit vielen Jahren. Deutschland hat in den letzten zehn Jahren dort schon mehrfach Maschinen gestellt. Dem wird in der Öffentlichkeit im Lichte der aktuellen politischen Geschehnisse eine andere politische Bedeutung beigemessen. Das haben wir immer wieder gemerkt, auch in der letzten Woche. Aber das wird beschlossen.
Dies fußt übrigens auf einem Beschluss des Nato-Rates von der vorvergangenen Woche. Damals hat man beschlossen, dass man das Air Policing noch weiter verdichten möchte. Es handelt sich ja nicht um eine neue Qualität oder um irgendeine Eskalationsstufe. Vielmehr handelt es sich einfach darum, dass man am östlichen Rand der Nato Präsenz zeigt und dass die Bundeswehr natürlich auch ihre Möglichkeiten prüft und mithelfen kann, wenn der Bedarf dort ist und wenn das angemessen erscheint.
Schäfer: Ich möchte nur ergänzen, dass morgen, wie viele von Ihnen schon wissen dürften, der Außenministerrat der Nato auch zu dieser Frage zusammenkommen wird. Fragen in diesem Zusammenhang können am besten von Ihren Kollegen oder auch von Ihnen, wenn Sie selbst in Brüssel sind, gestellt werden.
Frage: Herr Dünow, hat eigentlich der SPD-Vorsitzende oder der Vizekanzler die Verteidigungsministerin vor wenigen Tagen wegen ihrer vorbeugend geäußerten Aussagen kritisiert, was die Unterstützung im Luftraum angeht? Das ist mir nicht mehr ganz klar.
Dünow: Ob er Sie kritisiert hat, das überlasse ich Ihrer Bewertung. Das Pressestatement, auf das Sie möglicherweise anspielen, fand in den Räumlichkeiten des Willy-Brandt-Hauses statt. Daraus können Sie schließen: Es war der SPD-Vorsitzende.
Frage : Herr Flosdorff, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage betrifft den Entscheidungsprozess. Sie haben gesagt, das stehe unter dem Vorbehalt einer politischen Entscheidung. Müsste der Bundestag darüber abstimmen, oder gibt es schon einen Beschluss, was das Air Policing generell angeht?
Flosdorff: Nein, das ist dafür nicht notwendig. Es handelt sich ja um ganz normale Bündnisverpflichtungen, die im Rahmen der Nato seit vielen Jahren ausgeübt werden, und zwar über Nato-Gebiet; das möchte ich an dieser Stelle betonen.
Zusatzfrage : Die zweite Frage betrifft die gegebenenfalls einzusetzenden Maschinen. Es war zu lesen, dass es sich dabei um Eurofighter handelt. Wie sind die eigentlich bewaffnet?
Flosdorff: Zu irgendwelchen möglichen Bewaffnungen möchte ich keine Angabe machen. Aber es ist nicht das Ziel, auf Feinde einzuwirken, sondern es geht um das Air Policing. Das muss man sich wie Patrouillen vorstellen, die am Boden längs der Grenze stattfinden. Da wird einfach der Luftraum überwacht. Er wird dort abgeschritten in der Kadenz. Es sind ständig mehrere Flugzeuge in der Luft oder am Boden in Alarmbereitschaft. Das findet übrigens nicht nur an der Ostgrenze der Nato statt, sondern ständig über allen Nato-Staaten.
Frage: Ich habe eine Frage an das Außenministerium. Ich habe letzte Woche etwas zum Air Policing gefragt. Da meinten Sie, der Schichtwechsel wäre irgendwann später. Damals haben Sie noch gar nichts von dem jetzt anstehenden Schichtwechsel gewusst. Was hat sich denn seit letzter Woche verändert?
Schäfer: Herr Flosdorff hat gerade schon dargestellt, wie die Sachlage ist. Seitdem die drei baltischen Staaten Mitglied im Bündnis der Nato sind, gibt es Air Policing. Die drei baltischen Staaten verfügen nicht über die Fähigkeiten der Luftwaffe, wie sie im gesamten Nato-Bündnisgebiet vorliegen. Deshalb haben die drei Staaten seit ihrem Beitritt die Nato darum gebeten, ihnen dabei behilflich zu sein, die von Herrn Flosdorff ausgeführten Routinemaßnahmen, Patrouillemaßnahmen durchzuführen. Das geschieht seit vielen Jahren und im Schichtwechsel. Herr Flosdorff, Sie wissen das vielleicht besser. Bis vor wenigen Monaten, zumindest bis Mitte des letzten Jahres, war auch die Luftwaffe an diesen im Schichtwechsel stattfindenden Air-Policing-Maßnahmen beteiligt. Der Schichtwechsel ist abgeschlossen. Es war geplant, dass die Bundeswehr irgendwann in einigen Jahren wieder im üblichen Rahmen einsteigt. Nun besteht die Möglichkeit, die morgen sicherlich auch beraten werden wird, dass Deutschland, dass die Bundesregierung anbieten könnte, sich eher in diesen Schichtwechsel einzuklicken, als dies bisher geplant gewesen ist.
Zusatzfrage: Wird es jetzt, politisch gesehen, einen neuen Schichtplan geben? Legt die Politik einen neuen Schichtplan fest?
Schäfer: Nein. Bei den öffentlichen Äußerungen am Wochenende sollte Ihnen oder auch einigen anderen deutlich gemacht werden – so hoffe ich jedenfalls -, worum es geht. Es geht darum, angesichts der aktuellen Lage, die natürlich auch mit der Ukraine und mit der Krim zu tun hat, unseren Bündnispartnern in der Nato deutlich zu machen, dass wir zu unseren Verpflichtungen im Bündnis stehen. Es gilt das Prinzip der Bündnissolidarität. Es geht darum, unseren Partnern im Osten deutlich zu machen, dass die Solidarität im Bündnis steht. Deshalb überlegen wir zurzeit gemeinsam Maßnahmen, in welcher Weise das geeignet zum Ausdruck gebracht werden kann.
Zusatzfrage: Apropos Solidarität: In Bezug auf die Patriot-Raketen in der Türkei ist das schon praktizierte Solidarität. Da gibt es jetzt ein Gespräch vom Außenministerium in der Türkei, in dem über einen fingierten Angriff auf Syrien gesprochen wird. Wie bewertet die Bundesregierung das?
Schäfer: Darüber haben wir schon am Freitag gesprochen. Zu dieser Frage habe ich selbst Stellung genommen. Ich glaube, darüber hinaus gibt es nichts zu ergänzen.
Frage: Ich habe drei Fragen: Erstens. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung insgesamt dem Reassurance-Programm bei, das die Nato in die Wege leiten möchte?
Die zweite Frage bezieht sich auf die Eurofighter. Wenn ich richtig informiert bin, waren bisher nur AWACS-Flugzeuge im Rahmen des Air Policings eingesetzt. Ist das eine neue Maßnahme, und was genau wird deren Aufgabe sein?
Die dritte Frage: Es gibt routinemäßig Nato-Manöver, an denen sich auch die Bundeswehr immer wieder beteiligt. Herr Flosdorff, könnten Sie uns erklären, was da in nächster Zeit sowieso geplant ist und ob man darüber nachdenkt, sie im osteuropäischen Raum vielleicht etwas größer ausfallen zu lassen, als es ursprünglich geplant war?
Schäfer: Ich beginne mit der ersten Frage und übergebe dann an Herrn Flosdorff. – „Reassurance“ heißt ins Deutsche übersetzt Beruhigung. Das sollte der Kern meiner Antwort auf die Frage von Herrn Jung sein. Es geht in der Tat um Beruhigung. Es geht darum, zum Ausdruck zu bringen, dass auch Deutschland – wie alle anderen Bündnispartner in der Nato – zu seinen Verpflichtungen im Nato-Bündnis steht. Deshalb ist Reassurance ein ganz wichtiger Aspekt.
StS Seibert: Ich bin zwar nicht gefragt worden. Aber vielleicht darf auch ich ganz kurz etwas zum Stichwort „Reassurance“ sagen. – Es ist doch ganz verständlich, dass die Ukraine und auch Nato-Mitgliedstaaten angesichts der Tatsache, dass Zehntausende von russischen Truppen entlang der ukrainischen Grenze massiert zusammengezogen wurden, Zweifel an den russischen Absichten haben. Am Wochenende ist von, ich glaube, Außenminister Kerry gefordert worden – dem kann sich die Bundesregierung nur anschließen -, Russland könnte ein erstes Zeichen der Deeskalation setzen, indem es diese Truppen wieder abzieht. Auch das würde zu Reassurance beitragen.
Flosdorff: Es geht um die Frage der Maschinen. Man muss zwei Sachen auseinanderhalten: Das eine ist das Air Policing über den baltischen Staaten. Wir sind das letzte Mal Januar, April 2012 dran gewesen. Damals waren das Phantom-Flugzeuge, die dort sind. Es ist aber den Mitgliedstaaten selbst vorbehalten, welche Maschinen sie einsetzen.
Das andere sind die AWACS-Flüge. Die finden in erster Linie nicht über den baltischen Staaten statt, sondern zum Beispiel über Rumänien, wo man auch aufklärt. Das ist jetzt aber nichts richtig Neues. Das findet schon seit etwa zehn Tagen verstärkt statt. Darüber ist ja auch berichtet worden.
Zu den ständigen Manövern, also zu dem, was jetzt auch in der Berichterstattung war: Es gibt außerdem ständig vier Nato-Marineverbände. Einer dieser Nato-Marineverbände steht in der Ostsee. Das ist ständig so; das ist jetzt auch nicht neu. Dabei handelt es sich um Minenräumerverbände, die im Augenblick nicht aktiv sind. Man denkt daran, sie wieder zu reaktivieren. Im Moment steht infrage, wer da ein Führungsschiff stellen kann. Auch Deutschland prüft im Moment die Möglichkeiten, ob man da etwas anbieten kann und möchte. Sicherlich gibt es aber auch andere Länder, die da gefragt werden und auch etwas anbieten könnten.

Tja. Und ich habe Air Policing immer so verstanden, dass die Abfangjäger da durchaus auf Feinde einwirken (können) – weil das nämlich der Sinn von Abfangjägern in der Luftraumüberwachung ist. Auch wenn sie nicht gleich schießen müssen.

Unterm Strich klingt das alles nach: Mehr  (unbewaffnetes) Training, nur dann eben über dem Baltikum (wo es übrigens offensichtlich derzeit keinen Mangel an Traingsflügen zu geben scheint). Was es mit dem von Flosdorff zitierten Beschluss des NATO-Rats im März auf sich hat, hatte dessen Vertreter Oberst Ingo Gerhartz bereits am 24. März erläutert:

Schon seit Jahren sind wir im Rahmen des Nato Air Policings unterstützend tätig, also im Rahmen der Luftraumüberwachung. Hierzu hat der Nordatlantikrat am 10. März – das ist im Moment der Status quo; um nichts anderes geht es derzeit – den militärischen Ratschlag des SACEUR angenommen, zum einen im Rahmen von AWACS verstärkt über Polen und Rumänien diese Maschinen einzusetzen und zum anderen die Trainingsintensität im Rahmen des Nato Air Policings in seiner kompletten Area of Responsibility, also in seinem Verantwortungsbereich, zu erhöhen. Das umschließt das gesamte Gebiet der Nato-Mitgliedstaaten Europas, damit natürlich auch die baltischen Staaten und Polen. Das machen wir schon seit Jahren. Dabei geht es nicht – das ist die Qualität, um die es geht – um die Intensivierung der Trainingsaktivitäten des Nato Air Policings und nicht um zusätzlichen Truppen an der Ostgrenze.

Aber wenn’s einfach nur mehr Training ist: Hätte die Bundesregierung, hätte das Verteidigungsministerium das nicht einfach so sagen können, als die Frage angesichts der zusätzlichen Aktivitäten aus Großbritannien und Frankreich aufkam?

Wer weiß. Vielleicht gibt’s ja von den EU NATO-Außenministern am (morgigen) Dienstag einen Beschluss, der das alles wunderbar aufklärt.

Nachtrag: Die Erwartungen an das Außenministertreffen sind offensichtlich hoch. Der norwegische Außenminister Børge Brende twitterte: Most important foreign min[isters] meeting in NATO in a decade. The Crimea sit[uation] is a clear reminder of the fundamental importance of the Alliance

(Archivbild 2009: Eurofighter im Air-to-Air-Einsatz – Bundeswehr/Bicker via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)