Neuer Anlauf für Zentralafrika, diesmal auf EU-Ebene
Bislang ist es für die deutsche Politik wohl eher ein Merkposten denn eine konkrete Überlegung für eine neue Bundeswehrmission: Auf EU-Ebene gibt es Vorschläge für einen Truppeneinsatz, der die französischen Soldaten in der krisengeschüttelten Zentralafrikanischen Republik unterstützen soll:
The European Union is considering whether to send its own peacekeeping unit to the Central African Republic (CAR), where more than a thousand people have died in recent violence.
Officials proposed on Wednesday the deployment of between 700 and 1,000 troops to reinforce the 1,600 French troops who are already there, amid warnings by the UN of an imminent humanitarian disaster.
EU diplomats will discuss the proposals for the first time on Friday as turmoil sweeps CAR.
The different options for a possible EU military mission were contained in a paper circulated on Wednesday by Catherine Ashton, EU foreign policy chief, who was acting on a request by EU leaders last month.
berichtet Al Jazeera. Nach anderen Berichten will sich Deutschland, wenn es überhaupt zu einem EU-Einsatz kommt, auf logistische Unterstützung beschränken:
Deutschland möchte allerdings, ebenso wie Spanien, Großbritannien und andere Staaten, technische Unterstützung und Transporthilfe beisteuern. Aus welchen EU-Ländern jetzt die Soldaten kommen könnten, ist noch unklar.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte Ashtons Vorstoß in Berlin. Zugleich forderte er eine grundsätzliche Vereinbarung darüber, wie auf europäischer Ebenen reagiert werden soll, wenn „ein Partner ohne Absprachen mit anderen in einen innerstaatlichen Konflikt eingreift“ wie in Zentralafrika.
Transporthilfe der Bundeswehr gab es schon – allerdings in Nachbarländer der Krisenrepublik; als rein administrative Maßnahme ohne Kabinetts- oder gar Bundestagsbeschluss noch vom früheren Verteidigungsminister Thomas de Maizière verfügt. Mehr deutsches Engagement hatte die Bundesregierung, schon mit dem neuen Außenminister Steinmeier, kurz vor Weihnachten noch abgelehnt.
Bei Vice wird in einer Kurzbericht-Serie aus Bangui berichtet – hier der derzeit letzte Teil:
http://www.youtube.com/watch?v=v_rVSqBiyXc
Welchen wirklich sinnvollen Beitrag hier die EU erbringen kann, ist zumindest mir noch nicht klar.
Schöner Bericht aus CAR:
http://www.france24.com/en/20140112-video-central-african-republic-disputed-bridge-militias-seleka-french-army/
„Everybody will be treated the same: Those who attack will be wiped out – is that clear?“ (1:55).
Also ich finden den France24-Bericht etwas unglücklich. Das Zitat hört sich ziemlich gut an und macht für die französischen Soldaten einiges her, vor allem, weil der Einsatz in Frankreich immer unpopulärer zu werden scheint. Gerade gestern war aber bei OHCHR zu lesen, dass in einigen Fällen die Entwaffnungen von Ex-Séléka Kämpfer durch die französischen Truppen zur Schutzlosigkeit der Ex-Séléka und zu Angriffen von anti-Balaka bzw. aufgebrachte Mops führte. [http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/Media.aspx] Offenbar sehen viele Muslime die Operation Sangaris nicht völlig Grundlos als Unterstützung der Christen, was aber auch damit zu tun hat, dass zu den anti-Balaka-Gruppen so ziemlich jeder gehören könnte. Die Ex-FACA-Soldaten aus dem Beitrag sind nur ein Teil. Ich denke sogar der Kleinste. Ansonsten soll es sich bei diesen um viele Jugendliche und junge Erwachsene, Teilweise Bozizé-Anhänger, teilweise „normale“ Farmer etc., die wirklich ihren Besitz verteidigt haben, handeln und die nun von religiösen Ressentiments angetrieben werden. Diese Bewaffneten sind für jede Friedensmission schwer unter der Zivilbevölkerung auszumachen, schwer zu entwaffnen und sind die eigentliche Herausforderung für die afrikanischen und französischen Truppen.
Der Anschein, den das Video erzeugt, dass sich zwei konventionell bewaffnete „Streitkräfte“ gegenüberstehen und Territorien verteidigen, trügt daher. Dass es in diesem Falle um finanzielle Vorteile durch die Checkpoint geht, liegt auf der Hand. In vielen anderen Teilen des Landes sind es aber gerade umherziehende Banden, die ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellen. Viele Flüchtlinge gehen Berichten zufolge nicht nach Hause, weil sie befürchten wieder angegriffen werden zu können und nicht, weil ihr Dorf fest in der Hand einer der bewaffneten Banden ist. [http://www.irinnews.org/report/99465/reconciliation-a-tall-order-in-car-s-bossangoa]
Was in diesem Fall wichtig ist, ist die Präsenz von Soldaten und Polizisten auf der Straße. Gestern wurde davon gesprochen, dass viele Ex-FACA-Soldaten dem Ruf des CoS gefolgt seien und zurück zu den Kasernen kämen. [http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-25716153] Ob dies wirklich der Fall ist, oder nur eine erste „Erfolgsmeldung“, die demonstrieren soll, dass nun alles aufwärts geht, weiß ich nicht. Es täuscht aber meiner Meinung nach vor, als ob Djotodia das große Problem gewesen sei. Das wirkliche Problem ist aber aus meiner Sicht nicht seine Person, sondern Djotodias Machtlosigkeit über seine ehemalige Rebellenkoalition gewesen, deren Individuen sich ihre finanzielle Entschädigung durch Plünderungen holte. Ich glaube nicht, dass dieses Sicherheitsgefühl mit der Vertreibung Djotodias automatisch wiederkehren wird, da ich bezweifel, dass es gerade irgendeinen Politiker in der ZAR gibt, der alle bewaffneten Gruppen gleichermaßen erreicht und die nötige Akzeptanz für deren freiwillige Aufgabe hat.
@Abdul Iyodo:
Wie sehr die Franzosen als parteiisch gelten und wie groß das Machtvakuum ist zeigt ja auch obiger VICE-Bericht.
Der France24-Bericht zeigt auch wie hilflos die Franzosen eigentlich sind. Denn eigentlich müßten sie ja die Seleka entwaffnen.
Für mich weiterhin unklar, welchen praktischen Mehrwert eine EU-Truppe haben soll und kann.
Zumal mit ängstlicher Führung, zahlreichen Caveats, etc.
Eigentlich müssten die Franzosen ALLE Bewaffneten entwaffnen, nicht nur die Séléka. Denn das ist ja gerade das Problem, dass sie nicht als neutral gelten.
Ich denke, jeder Soldat und jeder Polizist am Boden ist allein von der Präsenz her ein Fortschritt. Die USA wollen weitere 800 ruandische Soldaten einfliegen. Allein der Transfer könnte aber rund einen Monat dauern. Logistische Kapazitäten sind bei vielen afrikanischen Streitkräften halt stark limitiert, wohingegen die meisten europäischen Staaten eine solche Luftbrücke „einfacher“ und vor allem kurzfristiger hinbekommen sollten. Der Einsatz 2003 in der DRK könnte als Grundlage dienen, mit stark begrenztem Auftrag und Zeitlimit (6 Monate).
Die Amerikaner wollen noch diese Woche mit dem Transport beginnen: http://www.defensenews.com/article/20140114/DEFREG04/301140045/US-Fly-Rwandan-Troops-Central-Africa-Republic .
Logistisch wäre das vergleichbar nur von den Briten leistbar.
Wenn das alles Sinn machen soll, dann müßte man alle Milizen entwaffnen und für Ruhe und Ordnung sorgen.
Der notwendige Personalansatz und die erforderliche Entschlossenheit bringen die Europäer wohl nicht mal mit afrikanischer Hilfe auf (zumal die Afrikaner ja auch ihre Interessen haben und insbesondere der Tschad als parteiisch gilt). Da ist die EU nur ein Tropfen auf den heißen Stein – mit erheblichem Risiko. Man rutscht hier in etwas sehr gefährliches hinein. In DEU interessiert man sich nicht dafür, aber im Ausgleich ist ein größeres Engagement in Mali bereits absehbar.
Den gefährlichen Einsatz nicht mitmachen und zum Ausgleich beim – vermeintlich – ungefährlichen mehr machen.
Das Ergebnis: Deutscher Einsatz in Kunduz.
Nur als Hinweis auf die aktuelle Debatte in der EU: Der Bloggerkollege von Bruxelles2 hat ein paar mehr Details dazu:
La mission EUFOR RCA restera centrée sur Bangui. La France Nation-Cadre
Was Bruxelles2 schreibt hört sich genau an, wie die Mission 2003 in der DRK, die auch nur eine Brückenmission bildete. Mehr kann man wohl auch gerade nicht verlangen, auch wenn ich denke, dass über kurz oder lang ohnehin die VN einspringen werden. Schon alleine wegen des finanziellen Aufwands.
Zur Logistik und zur EU Mission 2003: Zugegeben, auch damals hatte die EU logistische Hilfe von Kanada und Brasilien, obwohl Frankreich den Einsatz bereits Monate geplant hatte. Zudem hatte Schweden rund 80 Elitesoldaten auf dem Boden, die bei den wenigen Zwischenfällen offenbar eine sehr gute Leistung brachten. Damals hat sich bereits gezeigt, dass wenige gut ausgebildete Soldaten einen Unterschied machen können.
Ich bleibe aber dabei, dass ich derzeit auf dem afrikanischen Kontinent keine zusätzliche Bereitschaft und Möglichkeit sehe, dieses Problem alleine zu lösen. Südafrika hat sich im März selber eine blutige Nase in der ZAR geholt. Zuma steht intern massig in der Kritik und hat mit der FIB in der DRK zumindest teilweise außenpolitisch für sich punkten können. Dies aus Spiel zu setzen, halte ich für unwahrscheinlich. Nach den Unmutsbekundungen gegen ihn auf der Trauerfeier zu Mandela, sehe ich zudem ein neues militärisches Engagement für die südafrikanische Regierung für wenig erstrebenswert.
Uganda kämpft dagegen aktiv im Südsudan (Zahlen unbekannt, aber wohl zwischen 1.500 bis 1.800 Mann). Zusätzlich mit AMISOM (über 6.000 Soldaten) dürften die auch langsam an ihre Grenzen kommen. Das Gleiche gilt für Ruanda und Burundi. Die einen sind stark im Sudan vertreten und die anderen in Somalia (Burundi mit fast 5.500 Soldaten). Die burundischen Soldaten die gerade in die ZAR eingeflogen worden sind, sollten ja eigentlich auch nach Somalia gehen. Ein solcher Einsatz ist nur von Einsatzintervallen von sechs bis zwölf Monaten zu stemmen.
Im Westen sind die Staaten mit Mali beschäftigt, wobei die dortige Mission immer noch nicht die volle Einsatzstärke erreicht hat. Dies liegt nicht zuletzt am Tschad und Nigeria, die ihre Truppen im vergangenen Jahr aus verschiedenen Gründen abgezogen haben. Nigeria hat aber mit Boko Haram genug eigene Probleme, sodass Jonathan gestern sogar die gesamte Führungsetage ausgetauscht hat.
Ägypten, immer einer der größeren Truppensteller auf dem Kontinent, hat derzeit innenpolitisch genug zu tun. Aufständische auf der Sinai-Halbinsel, gestern und vorgestern das Referendum, für das 160.000 Soldaten eingesetzt wurden, demnächst eine anstehende Präsidentschaftswahl und ein international etwas beflecktes Image des Militärs.
Ghana, zweitgrößter VN-Truppensteller des Kontinents mit nicht mehr als 15.500 Soldaten (2011), hat zwischen 1992 und 2011 dauerhaft fast 2.000 Mann für die VN bereitgestellt und verfügt wieder über eines der größten Kontingente in Mali.
Was ich damit sagen möchte ist, dass die Kapazitäten nicht nur bei uns überstrapaziert werden, sondern bei vielen unserer im politischen Jargon gerne als „Partner“ dargestellten indirekten Nachbarstaaten auch. So sehr man auch „African Solutions for African Problems“ unterstützen mag, alles ist dann doch nicht selbst zu leisten, wobei die europäischen Staaten und die USA bei den Krisen in Mali und Somalia ja nicht ganz unschuldig gewesen sind.
Nun sieht man auch bei der UN die wachsende Gefahr eines Völkermordes:
http://www.tagesschau.de/ausland/zentralafrika160.html
Ob das Auswirkungen auf die europäischen (und deutschen) Pläne hat?
Und noch ein Blick nach CAR:
http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-25772828
Die Verhältnisse sind wohl nicht mehr „ortsüblich und angemessen“.
Estland wird wohl Teile der Infanterie stellen:
http://www.bruxelles2.eu/zones/tchad-soudan/lestonie-confirme-une-participation-notable-a-eufor-rca-bangui.html
Am Montag kommt dann wohl das offizielle grüne Licht aus Brüssel.
DEU wird sich in Sachen CAR wohl weiter stark zurückhalten – und wird sich dann aber – mal wieder – anderswo (Kosovo, Somalia, Mali, etc) stärker engagieren?
Als Ausgleich auf dem politischen Parkett?
Die Franzosen geben nun sogar offiziell zu, die Lage in CAR und das Eskalationspotential unterschätzt zu haben: http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-25755073
Und nun die EU als Joker…
Die Bundesregierung will offenbar den Mali-Einsatz erheblich ausweiten:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/regierung-weitet-bundeswehr-einsatz-in-mali-und-zentralafrika-aus-a-944189.html
Noch vor 11 Monaten sagte General Wieker mit Ausbildung der 4 Gefechtsverbände sei der Auftrag erfüllt – der 4. Gefechtsverband ist im März fertig ausgebildet.
Und im Mai gibt es nun einen neuen OPlan und wir stellen zusätzlich noch die Schutzkomponente.
2003/ 2004 reloaded.
Zur allgemeinen Lage in (Nord-)Mali – Sicherheitslage auf S.3/4:
http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Report%20of%20the%20SG%20on%20the%20situation%20in%20Mali.pdf
Aber ist ja „nur“ eine Ausbildungsmission und kein Kampfeinsatz.
The enemy has a vote.
@Memoria
SZ hat ähnliches; neuer Thread in Arbeit..