Neuer Anlauf für Zentralafrika, diesmal auf EU-Ebene
Bislang ist es für die deutsche Politik wohl eher ein Merkposten denn eine konkrete Überlegung für eine neue Bundeswehrmission: Auf EU-Ebene gibt es Vorschläge für einen Truppeneinsatz, der die französischen Soldaten in der krisengeschüttelten Zentralafrikanischen Republik unterstützen soll:
The European Union is considering whether to send its own peacekeeping unit to the Central African Republic (CAR), where more than a thousand people have died in recent violence.
Officials proposed on Wednesday the deployment of between 700 and 1,000 troops to reinforce the 1,600 French troops who are already there, amid warnings by the UN of an imminent humanitarian disaster.
EU diplomats will discuss the proposals for the first time on Friday as turmoil sweeps CAR.
The different options for a possible EU military mission were contained in a paper circulated on Wednesday by Catherine Ashton, EU foreign policy chief, who was acting on a request by EU leaders last month.
berichtet Al Jazeera. Nach anderen Berichten will sich Deutschland, wenn es überhaupt zu einem EU-Einsatz kommt, auf logistische Unterstützung beschränken:
Deutschland möchte allerdings, ebenso wie Spanien, Großbritannien und andere Staaten, technische Unterstützung und Transporthilfe beisteuern. Aus welchen EU-Ländern jetzt die Soldaten kommen könnten, ist noch unklar.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier begrüßte Ashtons Vorstoß in Berlin. Zugleich forderte er eine grundsätzliche Vereinbarung darüber, wie auf europäischer Ebenen reagiert werden soll, wenn „ein Partner ohne Absprachen mit anderen in einen innerstaatlichen Konflikt eingreift“ wie in Zentralafrika.
Transporthilfe der Bundeswehr gab es schon – allerdings in Nachbarländer der Krisenrepublik; als rein administrative Maßnahme ohne Kabinetts- oder gar Bundestagsbeschluss noch vom früheren Verteidigungsminister Thomas de Maizière verfügt. Mehr deutsches Engagement hatte die Bundesregierung, schon mit dem neuen Außenminister Steinmeier, kurz vor Weihnachten noch abgelehnt.
Um die Franzosen herum bricht gerade ein Staat zusammen, kein Wunder, dass es vielleicht Hilfe geben wird. Es würde jedenfalls Sinn machen, nachdem sie ja eh schon im Land sind, jetzt dafür zu sorgen, dass es auch richtig gemacht wird.
Wenn man mit den Franzosen etwas gemeinsam in Afrika unternehmen möchte und die EU sogar überlegt „ts own peacekeeping unit to the Central African Republic (CAR)“ zu entsenden, dann bietet sich doch hier vor allem die DF Brigade an.
Kräftemäßig ein ziemlich interessanter Ansatz mit einem eingespielten Team, das für genau solche Aufgaben dauernd in Bereitschaft gehalten wird.
Aber vermutlich gilt hier das alte Bw-Paradoxon: Je spezialisierter eine Truppe ist, desto unwahrscheinlicher der Einsatz.
DF Brigade in Afrika, mit einem europäschen Konzept durchaus denkbar, schließlich sind in DE und FR Sozialisten an der Macht.
Aber erst mal hören was der Arnold dazu sagt.
Was ist mit der EUBG? Wer stellt im Moment die Kontingente?
Oh je, hier wird ja schon wieder ordentlich phantasiert.
Ein umfangreicher Einsatz der D/F-Brigade in CAR ist politisch und militärisch illusorisch.
Es ist politisch nicht erkennbar, dass die Bundeskanzlerin von ihrer bisher ablehnenden Haltung eines Einsatzes abrückt.
Militärisch ist der deutsche Anteil der D/F bei weitem nicht so stark wir es auf PPt-Folien scheint. Entgegen der Behauptungen des Insp H gibt es gerade dort erhebliche Lücken bei den Mannschaften. Das JgBtl 292 ist u.a. deswegen in eine Arbeitsgliederung übergegangen, die nur sehr, sehr wenig Luft für einen zusätzlichen Einsatz läßt. Das JgBtl 291 steht wohl nicht viel besser da.
Und wieviel wurde denn in Bereich Initial-Entry in den letzten Jahren wirklich (!) ausgebildet, geübt und nachgesteuert?
Anspruch und Wirklichkeit.
@Hans
Haben die Griechen nicht schon abgewunken? DF Brigade wäre gut, das paßt vom Dispositiv und der Stärke. Fraglich ist ggf. ob alle Einheiten zur Verfügung stehen oder einige anderweitig gebunden sind.
Ein kleiner Blick in das „human terrain“:
http://www.france24.com/en/20140107-video-chadians-become-targets-christian-militias-bangui/
Unabhängig von einem deutschen Beitrag ist mir noch nicht klar was die EU wirklich erreichen will – und welche Mittel sie bereit ist hierfür einzusetzen.
Die EU als Institution muss wohl einige Fehler der NATO noch wiederholen, bevor sie daraus gelernt hat. Obwohl die Mitgliedsstaaten ja weitgehend deckungsgleich sind.
Präsident Hollande ist ja schon recht zuverlässig, was ein EU-Einsatz angeht:
http://www.france24.com/en/20140109-central-african-republic-inter-religious-violence-summit-chad-djotodia%20/
UNOSOM II war auch voller guter Ideen und Vorsätze…
Wer sagt denn überhaupt, dass DEU in Zentralafrika überhaupt Interessen hat ?
Als Frankreich uns 2006 mit in die Kongo-Mission reinzog, ging es wohl eher darum, dass der richtige Präsidentschaftskandidat siegte und nicht dass die Wahlen fair und ruhig abliefen.
Was ist diesmal das französische Interesse an einem stabilen Zentralafrika ?
Bodenschätze, Handelswege, Einflusszonen ?
Potentielle Rückzugsräume für radikale Jihadisten sperren.
@califax: „Potentielle Rückzugsräume für radikale Jihadisten sperren.“
Sorry, dass ich gerade etwas ‚thick‘ bin, war das sarkastisch?
Nö. Je mehr in Afrika vor die Hunde geht, desto leichter wird es für die Irren, dort den Sprung von der Terrorgruppe zur Miliz mit Territorialmacht zu schaffen. Man kann wie vor 911 glauben, das ignorieren zu können, bis es zu spät ist.
Man kann nach Obamas Methode Drohnenkrieg führen. Oder man kann Stabilisierungseinsätze fahren und hoffen, daß es nicht wie weiland in Somalia ausgeht.
Nebenbei wäre es auch nett, wenn wirklich nicht jede größere Region Afrikas Flüchtlingsströme nach Europa produziert. Wobei es zugegebenermaßen gefahrloser ist, Leichen bei Lampedusa rauszufischen als Kämpfer in Afrika zu erledigen.
Das war jetzt sarkastisch…
Ob das Kalkül nun tatsächlich aufgehen könnte, und wer denn in der Lage wäre, sowas zu machen, ist nochmal eine gesonderte Frage, klar.
Entgegen der Darstellung bei DW.de sieht die Planung – laut Reuters – entweder die Absicherung der Hauptverkehrsstraße im Grenzbereich zu Kamerun oder (!) die Absicherung des Flughafenbereiches vor. Zeitansatz: 4-12 Monate in Brückenfunktion für UN- oder AU-Einsatz. Heute sollen auf Botschafterebene die beiden Optionen diskutiert werden und ggf. eine ausgewählt und bis zum 20. Januar (Ministertreffen) planerisch verfeinert werden (siehe: http://www.reuters.com/article/idUSBREA0716G20140108?irpc=932).
Wie man inmitten eines beginnenden Bürgerkrieges etwas absichern soll – dies aber „kein Kampfeinsatz“ sein soll zeugt ja von Realitätsferne der Planungen.
Wer dafür substantiell Truppe stellen wird, bleibt ebenso spannend.
Frankreich braucht Unterstützung am Boden und keine logistische Hilfe. Anders als in Mali haben die französischen Soldaten mit größeren Ressentiments zu kämpfen, da sie von den Muslimen im Land als reine Unterstützer der Christen und somit der christlichen anti-Balaka angesehen werden. Ende Dezember kam es sogar zu Protesten in Bangui, nachdem am 5. Dezember anti-Balaka-Gruppen Bangui stürmten und die Franzosen trotzdem nur Séléka-Einheiten entwaffneten. Umgekehrt werfen die christlichen Bewohner in Bangui den tschadischen Truppen vor, die Séléka zu unterstützen. Mitte Dezember soll es zur Schießerei zwischen Truppen aus Burundi und dem Tschad gekommen sein, als burundische Soldaten Séléka-Einheiten entwaffneten. Die tschadischen Truppen wurden daraufhin aus Bangui Richtung Nord-Osten verlegt. Es mangelt daher an „neutralen“ Truppen am Boden, vor allem, weil sich hier noch weniger etwas mit konventionellen militärischen Mitteln reißen lässt, da es kaum noch feste Strukturen bei der Séléka zu geben scheint und auch die anti-Balaka über keine geeinte Führung verfügen.
Das sich die Bundesregierung aktiv in den Konflikt einschaltet kann man wohl bezweifeln. 2006 in der DRK ging es nur darum Wahlen zu beobachten. Ein Großteil der deutschen Truppen war nicht einmal in Kinshasa stationiert, sondern blieb in Gabun und Frankreich war größter Truppensteller, auch wenn sich in Potsdam das HQ befand. Der Einsatz diente quasi nur als „Show“ um nach 2003 zu beweisen, dass Europa einen solchen Einsatz stemmen kann. Dabei war alles zeitlich stark limitiert und der Abzug erfolgte unmittelbar nach den Wahlen. Als die Menschen in DRK, vor allem im Osten, wirklich Hilfe gebraucht hätten, schauten die europäischen Regierungschefs in eine andere Richtung.
Ich gehe eher davon aus, dass die Regierung den Einsatz von Soldaten mit dem Wink ablehnen wird, dass man sich ja etwas weiter südöstlich bereits in einem handfesten afrikanischen Konflikt befindet. Nämlich mit rund einem Dutzend im Südsudan.
Ich sehe da keine gangbare Lösung … jedenfalls keine, die realistisch erscheint. In einem Land doppelt so groß wie Deutschland kommt man mit 2000 – 3000 Mann nicht weit, schon gar nicht in der unübersichtlichen Lage die Abdul lyodo beschrieben hat. Aber mehr kann gar nicht herauskommen, da weder politischer Wille noch die Truppenstärke in Europa vorhanden ist. Und die Logistik schon gar nicht.
Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob die Einwohner der ZAR Soldaten anderer europäischer Länder nicht ähnlich denen Frankreichs als „parteiisch“ ansehen und ablehnen würden. Das wäre für jeden Einsatz äußerst kontraproduktiv.
Hier bin ich 100% bei memoria
… und wieder stellt sich die Frage, die jeder drafter zu beantworten hat, der einen Operationsbefehl schreibt: „What´s the desired end state?“
Was will Frankreich erreichen in Zentralafrika?
Was würde die EU erreichen wollen, wenn Sie Frankreich militärisch unterstützt?
Ich habe auch bei diesem (potenziellen) Einsatz nicht das Gefühl, dass strategisch gedacht oder vielleicht sogar vom Ende her gedacht wird.
Wenn man sich mal die Geschichte des Zentralafrikanischen Staates in den letzten Jahrzehnten anschaut, bemerkt man, dass zahreiche Putsche entweder durch Frankreich gesteuert oder sogar selbst durch das französische Militär durchgeführt wurden. Nie wurde die Situation im Lande besser, wenngleich immer ein Auserwählter der französischen Regierung die Führung übernahm. Heute steht Frankreich vor dem Scherbenhaufen seiner Kolonialpolitik und ausgerechnet die EU soll mit Kehrblech und Schaufel zur Hilfe eilen?
@ moi
Volle Zustimmung !
Der Wirt hat bestellt und der Rest soll die Zeche bezahlen !
Bozizé ist 2003 aber primär mit freundlicher Unterstützung der tschadischen Armee und vielen tschadischen Söldnern an die Macht gekommen, während Ex-Präsident Ange-Félix Patassé in den Jahren zuvor aktive Unterstützung von mehreren hundert Soldaten aus Libyen und der Privatarmee vom DRK-Rebellenführer Jean-Pierre Bemba bekam. Das Bild ist demnach etwas komplexer als „Frankreich ist an allem Schuld“.
Zudem: Zu schreiben, dass alle Konflikte in Afrika auf die Kolonialzeit (französische Machtpolitik) zurückgehen spricht jedem Afrikaner ab, eigene machtpolitische, wirtschaftliche oder soziale Interessen zu haben. Brauchen machtbesessene und geldgeile Afrikaner wirklich immer die Unterstützung von Europa oder den USA? Können die denn gar nichts alleine?
„Sarkasmus aus“
@ Abdul Iyodo
Wer ist bzw. war denn im Tschad die Hausmacht, bzw. die Hegemonialmacht ?
Der Tschad war und ist französiches Einflussgebiet und in Mali haben Soldaten aus dem Tschad an der Seite von Frankreich gekämpft.
Wen hat Frankreich bei der Präsidentschaftswahl 2006 im Kongo bekämpft ? Ich meine es war der dann auch unterlegenen Bemba, wenn ich mich richtig erinnere.
Nicht alle Konflikte gehen auf die früheren Kolonialherren zurück, einige aber schon.
Das beginnt mit einer schlechten Grenzziehung der Kolonialherren, so dass ethnische Konflikte in den jungen Staaten bereits in den Geburtswehen angelegt waren und setzt sich dahingehend fort, dass die ehemaligen Kolonialherren die verschiedenen Ethnien gegeneinander aufgehetzt haben um in Ruhe regieren zu können. z.B. Hutus gegen Tutsis und wie war dies nochmal mit den Belgiern im Kongo ?
Ganz wichtig: Never fix the problem, always fix the blame!
@ califax
Dann müssen halt die alten Kolonialherren ihre Volkswirtschaften strapazieren um ihr Einflussgebiet zu wahren.
Die EU ist weder eine internationale Organisation in deren Zuständigkeit Afrika liegt, noch ist sie ein von Zentralafrika angegriffenes Verteidigungsbündnis. Sie ist nicht mehr als die Hälfte Europas. Ich kann auch keinerlei nationales Interesse für Deutschland erkennen, der jenseits aller Verfassungshürden, einen Militäreinsatz rechtfertigen würde. Ohne UN-Mandat geht hier völkerrechtlich nichts. Krieg selbst ist das größte Kriegsverbrechen und der größte Verstoß gegen die Menschenrechte überhaupt. Daran ändern selbst die edelsten Motive nichts.
@ stefan
„ohne UN-Mandat geht hier völkerrechtlich nichts. “
diese ansicht wird auch durch permanente wiederholung nicht richtiger.
Ein UN mandat ist lediglich erforderlich, wenn in einem staat, auf dessen territorium, gegen den willen der amtierenden regierung interveniert werden soll.
authorisiert die regierung des betreffenden landes jedoch die stationierung fremder truppen ist die souveränität des landes nicht tangiert und ein un mandat folglich entbehrlich.
@wacaffe | 10. Januar 2014 – 16:25
Siehe Afghanisan. Die sowjetischen Truppen haben dort mit dem Willen der amtierenden Regierung und die US-Truppen gegen den Willen der amtierenden Regierung interveniert.
Gut das Sie mir in allen anderen Punkten nicht widersprochen haben.
@Georg
Natürlich ist richtig, dass Frankreich Kolonialmacht im Tschad gewesen ist und mehrmals dem jeweiligen Präsidenten zur Hilfe kam. Wenn sich 2008 die Rebellen einig gewesen wären, wer die Macht bekommt, hätte aber auch die französische Hilfe nichts an einem Regimewechsel geändert. Richtig ist aber auch, dass Déby durch seine Truppenentsendungen nach Mali international großes Prestige generiert und internationale Kritiker über seine innen- und außenpolitische Agenda zum verstummen gebracht hat. Dass die machtpolitische Agenda von Déby mit der derzeitigen französischen Machtpolitik in Zentralafrika aber übereinstimmt, halte ich doch eher für gewagt. Ihm geht es wie vielen anderen auch in erster Linie um sein eigenes Wohl. Dass kann man an den Erdöleinnahmen sehen, die in irgendwelchen Regierungstaschen versickern, ohne, dass die Bevölkerung auch nur einen müden Dollar sieht.
Zum Kongo 2006: Konkret bekämpft wurde im EU-Einsatz 2006 ja gar keiner.
Korrekt ist aber, dass sich in der ZAR Patassé 2001 von Frankreich abwendete, obohl diese ihn vorher mit Ausrüstungsgegenstände versorgt hatte. Patassé befand aber, dass Frankreich am Putschversuch gegen ihn beteiligt gewesen sei. Ich bleibe dennoch dabei, dass die regionalen afrikanischen Regierungen eine eigene Agenda fahren, die nicht immer im Interesse Frankreichs liegt bzw. anders, dass viele afrikanische Regierungen genau wissen, was zu tun ist, um sich internationale Gelder und Unterstützung zu sichern und Freiheit für ihre innenpolitischen Handlungen zu bekommen.
Dass viele Konflikte heute auf eine willkürliche Grenzziehung zurückzuführen sind, stimme ich vollkommen zu. Das bedeutet aber nicht, dass es zuvor nicht auch Kriege und Konflikte zwischen den verschiedenen Ethnien gegeben hätte. Der Südsudan ist hier das beste Beispiel, wo großangelegte Viehdiebstähle im Denken der verschiedenen Ethnien (z.B. der Murle und Lour Nuer in Jonglei State) weiterhin vorkommen und hunderte Opfer fordern. Feindschaften können daher schon länger bestehen als die erst kürzlich gezogenen Grenzen. Hutus und Tutsi finde ich übrigens als weniger gut geeignet, weil es nicht wirklich ethnische, sondern viel mehr soziale Gruppen sind, wobei die Kolonialherren (Deutsche und Belgier) einen großen Anteil an der fälschlichen Verwendung hatten. Ausgenutzt wurde dies 1994 aber vor allem durch eine kleine machtgeile Führungsclique der Hutu!
@ stefan
der unterschied ist das die soviets de facto eine unprovozierte okkupation durchgeführt haben, die usa jedoch in reaktion auf 9/11 basierend auf dem selbstverteidigungsrecht aus Art.51 un charta intervenierten.
das selbstverteidigungsrecht gegen terrororganisationen und im zweifel ihre residenzstaaten ist mittlerweile völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.
by the way
Gerade gibt es keine „funktionierende“ Regierung mehr, die ausländische Truppen einladen könnte. Djotodia und Tiengaye (der letzte Politiker, der international noch anerkannt wurde) sind nämlich zurückgetreten.
@Califax
„Potentielle Rückzugsräume für radikale Jihadisten sperren.“
Nachdem man beim letzten Einsatz in Libyen diesen Kräften erst weitere Räume eröffnet hat, die für sie viel günstigerer Nähe zu Europa liegen?
Vor dem Hintergrund könnte man den neuen Einsatz ebenso mit der „Sicherung der strategischen Sandreserven des Sahels“ begründen.
@ wacaffe
So, so die Soviets haben in AFG 1979 eine unprovozierte Okkupation durchgeführt ?
Meiner Erinnerung nach hat der damals amtierende Machthaber in AFG, Nur Muhammad Taraki, die Soviets mehrmals um Hilfe gebeten, nachdem sein Regime ins Abseits gegenüber den anderen Bürgerkriegsparteien geraten war. Der Widerstand gegen ihn wurde auch durch die CIA finanziert und in Hoch-Zeiten des kalten Krieges (Nato-Doppelschluss) hat sich die Sovietunion dann zum Einmarsch entschlossen.
@Georg: Ohja, insbesondere die prompte sowjetische Gesundheitsfürsorge für den afghanischen Machthaber muß man bei soviel Altruismus ihrer Genossen lobend hervorheben.
@ Califax
Natürlich sind mir auch die historischen Fakten bekannt, dass die Sowjets kurz nach ihren Einmarsch den Machthaber ins Jenseits geschickt haben.
Nur, war dies ja überhaupt nicht der Punkt über den @ wacaffe und @ stefan diskutiert hatten. Es war die Frage, ob für den jeweiligen Einmarsch ein UN-Beschluss notwendig war um im Völkerrecht zu bleiben.
Für die USA war es 2001 das Selbstverteidigungsrecht, nachdem die Taliban-Regierung in AFG die Al-Kaida Organisation beschützt hat.
Für die Soviets war dies 1979 tatsächlich die Bitte des kommunistischen Machthabers in AFG um Unterstützung durch die Soviets, weil die kommunistische Partei in AFG und deren Führung, die damals das Regime in Kabul stellten, in Gefahr liefen den Bürgerkrieg zu verlieren. De facto war die kommunistische Regierung in AFG sogar durch die USA 1979 / 1980 offiziell anerkannt. Damit brauchten die Soviets für einen legalen bzw. legitimen Einmarsch in AFG nach dem Völkerrecht kein Mandat der Vereinten Nationen.
@ georg
sie haben ja recht, das eine einladung der taraki administration bestand. wenn man aber das verhältnis der udssr zu seinen klientelstaaten bedenkt ist doch eher wahrscheinlich, dass diese einladung aus moskau souffliert wurde. das intervntionsmotiv lag ja nicht in der volksbeglückung der afghanen sondern in der umgekehrten anwendung der domino theorie (afghanistan muss im sowjet orbit bleiben)
formell liegen sie also richtig trotzdem kann man m.E. mit gutem gewissen von unprovozierter okkupation sprechen.
völkerrechtlich zugegebenermaßen eine grauzone (wieviel restlegitimität muss die einladende regierung nocht haben?)
Mal zum Thema zurück: Wenn Zentrafrika jetzt keine zuständige Regierung mehr hat, wer sichert da was wofür mit wessen Einladung?
Sieht ein wenig aus, als bräuchte man so langsam einen UNO-Beschluß, um irgendwas zu machen, das über Evakuierungen hinausgeht.
@ wacaffe
Natürlich haben wir damals gesagt, „hat da nicht einer gerufen“ wenn wir auf den sowjetischen Einmarsch in AFG angesprochen worden sind, bzw. wenn wir unangemeldet wo reingeplatzt sind.
So widerwillig haben die Soviets diesen Einmarsch während des kalten Krieges sicherlich nicht gemacht ;-)
Nachdem die Flugplätze im Süden von AFG der sowjetischen Luftwaffe die völlig neue Möglichkeit gab die 2400 km bis an den persischen Golf zu überbrücken, konnte man ein Bedrohungsszenario für die westliche Ölversorgung aufbauen und dies ganz ohne Flugzeugträger !
@ Califax
Die Zentralafrikanische Republik ein „Failing state“, der von der Weltgemeinschaft in der neuen Aufgabe „Responsibiltiy to Protect“ stabilisiert werden muss ?
Gibt es dort :
1. Öl, oder
2. andere Bodenschätze, Diamanten, oder
3. seltene Erden wie im Ostkongo für die Handyproduktion ?
Falls nicht, befürchte ich eher, dass sich die UN und die sie tragenden Nationen eher nicht engagieren werden.
@ califax
ich deutete das ja obig schon kurz an. klare kriterien für die feststellung der mindeslegitimität der einladeregierung bestehen nicht.
interims/geschäftsführende regierung? effektive gebietskontrolle? usw.
die entscheidung ob die einladung für ausreichend erachtet wird liegt in letzter konsequenz beim eingeladenen. ein klassischer fall von entstehendem völkergewohnheitsrecht je nachdem wie man im car szenar verfährt
Irgendwas gibt’s immer. Die Verschwörungstheoretiker brauchen ja ihr Futter. Es dürfte für Frankreich aber ein Stunt werden, dort erst Verantwortung übernehmen zu wollen, und dann zurückzurudern.
Was halten eigentlich die Anreinerstaaten von der Unruhe dort?
@wacaffe | 10. Januar 2014 – 16:57
1. Der Anschlag vom 11.09. wurde von Saudis und nicht von Afghanen durchgeführt.
2. Die Vorbereitungen dazu erfolgten zumindest teilweise in den USA und Deutschland.
3. Al Kaida ist eine Gründung der CIA für den Krieg gegen die Sowjetunion.
4. Die Taliban waren bereit Bin Laden und Co., nach Vorlage von Beweisen, auszuliefern, was von den USA ausgeschlagen wurde.
Es waren also eher andere Gründe und das Recht des Stärkeren und nicht das Selbstverteidigungsrecht. Denn sonst hätten sie sich selbst, Saudiarabien und Deutschland angreifen und besetzen müssen. Auch ist bekannt geworden, dass der Krieg gegen Afghanistan bereits weit vor den Anschlägen geplant war.
@califax
Sorry, ich wollt ihnen nicht auf die Fuesse treten.
Der Satz hat so viel moeglichkeiten zu Sarkasmus gegeben, dass ich mir nicht sicher war. (zB koennte man damit auf die europaeische Aussen und Sicherheitspolitik im Mittelmeerraum abzielen; scheinen die kaempfenden Jihadisten nicht auf dem Rueckzug zu sein; Frankreich koennte ebenfalls zum derzeitigen Grad an Stabilitaet beigetragen haben;)
Ich hab dazu eine klare Meinung, das heist ich hab nix verstanden, und gebe keine eigene Meinungsaeusserung ab. Durch die Nachfrage wollte jedoch ihre Position verstehen.
@Abdul Iyodo
Danke fuer den ausfuerhlichen Beitrag.
Die Interessen des Tchad haben sie angesprochen. Ich habe hier die selbe Frage wie Califax, welche Rolle spielen die anderen Nachbarn und Regionalmaechte. Insbesondere Nigeria und Sudan.
Daran anschliessend, wie ausgepraegt sind insititutionalisierte Geheimdienste, mit Taetigkeiten wie Einflussnahme, Agitation, Sabotage durch die interessierten, regionalen Parteien, aktiv?
Die ZAR verfügt im mittleren Osten über einige Diamantenvorkommen, die bisher wohl das größte Einkommen der jeweiligen Regierung gestellt haben dürften. Zudem gibt es etwas Uran, dass von Areva versucht wurde abzubauen, aber wenig wirtschaftlich gewesen ist. Meines Wissens wurde die Produktion im Oktober 2012 wegen geringer globaler Nachfrage und der schlechten Sicherheit eingestellt. An der Grenze zu Kamerun gibt es noch etwas Gold und natürlich den Regenwald, der sicherlich mehr ausgeplündert würde, wenn eine bessere Infrastruktur existieren würde. Letzteres ist aber das große Problem. Der Süden ist durch die Kolonialzeit etwas mehr erschlossen, der Norden mit den Nachbarstaaten Südsudan und Sudan besser vernetzt, als mit der Hauptstadt Bangui.
Zu den Interessen:
Einer der eigentlich größeren Player neben dem Tschad ist Uganda. Die haben rund 2500 in der ZAR und der Grenzregion zur DRK und dem Südsudan auf der Jagd nach Joseph Kony, da einige LRA-Einheiten die ZAR seit 2006 als Rückzugsgebiet nutzen. Durch die Situation im Südsudan hat Uganda gerade aber einen zweiten Krisenherd, wo Soldaten offenbar sogar aktiv im Einsatz sind. Zudem kämpft Uganda mit eine Flüchtlingswelle von rund 2.000 Südsudanesen pro Tag, sodass von hier kaum noch etwas zu hören ist.
Die DRK dagegen ist selbst von den Flüchtlingsströmen aus der ZAR betroffen und strebt eigentlich nach Stabilität im Norden. Auf beiden Seiten der Grenze gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, da Bangui so dicht an der Grenze liegt. Die brüchige DRK kann schnell überfordert werden, wenn noch mehr Flüchtlinge über die Grenze kämen. Als christliches Land, dessen Regierung im Osten mit der ADF-NALU auch immer auf die islamistischen Extremisten hinweist, dürfte eine christliche Regierung eher willkommen sein.
Kamerun hat seine Grenze geschlossen und ist wiederholt in Gefechte mit Séléka-Einheiten gekommen, nachdem einer der führenden Séléka-Kommandeure nach Kamerun geflohen und dort festgenommen worden war. Die Wege über die Grenze zur ZAR sind allerdings schon vorher durch Straßenräuber sehr unsicher gewesen, sodass bewaffnete Zwischenfälle auf der Grenzstrecke „Normalität“ zu sein schienen. Von größerer Besorgnis für die kamerunische Regierung dürfte aber gerade Nigeria sein. Erst im November wurde in Nordkamerun ein französischer Priester von potentiellen „Boko Haram“ Mitglieder verschleppt. Kamerun profitiert zudem von einer Ölpipeline, die unweit der Grenze von der ZAR entlangführt und aus dem Tschad kommt.
Zum Tschad habe ich bereits einiges gesagt. Einige der Séléka-Kommandeure, wie Noureddine Adam, haben in der tschadischen Armee gedient. Viele Tschader leben seit ihrer Kindheit in der ZAR oder waren noch nie in N’Djamena. Aufgrund der vielen Rebellionen im Tschad sind viele über die Grenzen geflohen. Ähnliches gilt im Sudan. Das Grenzgebiet ist aber immer wieder von Rebellen als Rückzugsort genutzt worden, sei es um im Tschad oder dem Sudan einzufallen. Eine muslimische Regierung in Bangui und eine Aufwertung der Muslime im Nordosten würde sicherlich N’Djamena und dem Sudan gut tun.
Der Südsudan hat gerade genug eigene Probleme. Allerdings auch einige hundert Soldaten in der ZAR, wie die DRK auch, auf der Jagd nach Kony.
Die südafrikanische Regierung war bis zum März auch ein großer Player, der sich durch den Schutz für Bozizé mit Diamantenkonzessionen belohnt hat. Durch den Verlust von 14 Soldaten bei der Schlacht um Bangui, ist Zumas Lust auf jedes weitere Engagement in der ZAR wohl vergangen.
Und noch zur Einladung: Wir besitzen ja eigentlich bereits eine VN-Resolution, die den Einsatz von MISCA und der Franzosen legitimiert und wo geschrieben steht: „ further welcoming ongoing discussions within the EU on possible additional support”. Die Türen für einen größeren militärischen Einsatz hat man sich also nie versperrt.
Laut AFP haben die EU-Botschafter gestern einem Einsatz zugestimmt. Die offizielle Entscheidung („gemeinsame Aktion“) soll weiterhin beim Ministertreffen am 20.01. getroffen werden.
Bin mal gespannt für was wir uns im Rahmen der Truppenstellerkonferenz am Ende doch wieder bereit erklären (Log, San, Aufkl). Mal sehen woher die Hauptkräfte kommen.
Denn schon bei der force Protection bei EUTM Mali und EUTM SOM gab es ja wenig Bereitschaft.
Wir könnten als Joker natürlich Ulm als FHQ anbieten…
Das wäre ein Spaß – nach all den vollmundigen Versprechen von dort.
Wenn postmoderne Bürokratie auf prämoderne Milizen trifft…
@Abdul Iyodo:
Danke für die Übersicht.
Die UNSR reicht uns sicher wieder nicht aus.
Wir wollen bestimmt wieder eine explizite Legitimation
Die Begrüßung von Diskussionen ist keine saubere Grundlage.
Nach dem Rücktrit des Präsidenten wird die Lage nicht gerade übersichtlicher und stabiler. Auch der Bereich rund um den Flughafen ist alles andere als ruhig:
http://bcove.me/q4853w1j
Versteht man in Brüssel überhaupt wie die Lage vor Ort ist und welche Maßnahmen erforderlich wären, um die selbst gesteckten Ziele („safe and secure environment“) zu erreichen?
Nach meinem Eindruck dominiert eher die Institutionenlogik der EU (Handlungsfähigkeit der GSVP in Afrika unter Beweis stellen) und französischer Einfluss das Geschehen.
EUFOR DRC war teilweise schon recht glücklich im Verlauf – man stellt das Glück in einem noch schwierigeren Umfeld sehr auf die Probe.
Nachtrag:
Twitter-Meldungen des AJE-Korrespondeten:
http://inagist.com/all/421677604136304640/
Beispiel von gestern:
„Incoming French mortar next door seems to have quietened things down. French tell us they’re intervening.“
Wie gesagt: Ist man sich in Brüssel sich über die Realitäten im Klaren?
Es wäre nicht, dass erste Mal, dass Entscheidungen eher mit der Denkweise von Brüssel zu tun haben als mit der echten Lage vor Ort.
@Memoria & all
Danke für die ausführlichen Ergänzungen – wir werden ja sehen, was rauskommt (oder auch nicht…)
Hier die erwähnte AFP-Meldung aus Brüssel:
EU nations favourable on joint military mission to C. Africa
Eine technische Bitte: So was wie Twitter-Accounts bitte direkt verlinken und nicht auf dem Umweg über Aggregator-Seiten – auf dem iPad führt der obige Link zu unschönen Versuchen eines App-Downloads, den ich gar nicht will.
Also, der Twitter-Account des Al-Jazeera-Producers Tristan Redman, der derzeit in der Zentralafrikanischen Republik unterwegs ist:
https://twitter.com/TristanAJE
@T.W:
Bei mir wurden vorhin bei Twitter nicht alle Feeds angezeigt – daher hatte ich den Umweg gewählt. Sorry.
Hier noch ein BBC-Film-Bericht zur Lage am Flughafen diese Woche:
http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-25694405
(1. eingebettetes Video).
Das Fazit ist interessant: Mit dem Rücktritt ist eine nochmalige Gewalteskalation sehr wahrscheinlich.
Und umso unwahrscheinlicher wird dann ein Einsatz der EU….
Hier noch ein Bericht zu den weiter oben bereits erwähnten Erfahrungen der Südafrikaner in CAR: http://www.defenceweb.co.za/index.php?option=com_content&view=article&id=30286:the-lessons-to-be-learnt-from-the-battle-in-bangui&catid=55:SANDF&Itemid=108
Erinnert mich an EUFOR DRC, da hatte das BMVg ja auch – entgegen der Anträge der LLBrig 26 – auf Waffenträger Weisel verzichtet – es sei ja kein Kampfeinsatz.
Von Afrikapolitikern war zuhören die bewaffneten Gruppen seine ja nur „leicht bewaffnet“, daher sei das Risiko für deutsche Soldaten gering.
Europäer im „Nicht-Kampfeinsatz“ sind glaube ich nicht die richtigen Kräfte für solch eine Lage – hoffentlich merkt man das bis zum 20.01.14. Spätestens bei der Truppenstellerkonferenz werden die Pläne aus Paris und Brüssel in der politischen Realität ankommen. Die militärische Lage folgt dann ggf. vor Ort.
Hier die Sichtweise in Brüssel:
http://euobserver.com/foreign/122690
Zusammenfassung:
Die Lage in CAR ist schrecklich, man will FRA unterstützen, der Einsatz am Flughafen ist sicherer und einfacher als der Einsatz an der Grenze zu Kamerun.
Tja dann…
… aber bitte nicht wieder – wie bei der Vorbildmission (!!) EUFOR RDC – den Feldlagerbau an den billigsten Anbieter vergeben. Und die Bundeswehr bitte nicht wieder die Munition Großteils nicht oder verspätet ins Einsatzland bringen (unnötige Einhaltung von IATA- bzw. Gefahrgut-Vorschriften).
Die Lage ist für so etwas deutlich zu „volatil“ – hoffe man hat knapp 8 Jahre später (!) daraus gelernt.
@ Memoria:
Volle Zustimmung! Ich kann mich noch gut erinnern, dass man die EPAs alle geöffnet hat um die gefährlichen Streichhölzer zu entfernen.
@Abdul Iyodo
Danke für die interessante Einführung. Würde mich freuen, wenn Sie auf dem Blog auch weiterhin kommentieren.
@Abdul Iyodo
Vielen Dank fuer den umfassenden Ueberblick.