Keine zusätzliche deutsche Unterstützung für Frankreichs Einsatz in Zentralafrika
Deutschland wird sich voraussichtlich an dem Einsatz Frankreichs in der Zentralafrikanischen Republik nicht mehr beteiligen als bislang und steht auch der französischen Forderung nach einer EU-Finanzierung der Mission ablehnend gegenüber. Bislang unterstützt die Bundeswehr den Einsatz in dem krisengeschüttelten afrikanischen Land mit Lufttransport für die Franzosen im Rahmen des European Air Transport Command (EATC) und fliegt in Nachbarländer der Zentralafrikanischen Republik. Darüber hinaus gehende Planungen gebe es nicht, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer am (heutigen) Mittwoch in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier werden am Mittwochabend zu einem Besuch nach Paris reisen.
Auch der absehbare Vorstoss des französischen Präsidenten Francois Hollande, auf dem EU-Gipfel in dieser Woche eine EU-Finanzierung für den französischen Einsatz vorzuschlagen, kann nicht mit deutscher Zustimmung rechnen. Aus Regierungskreisen hieß es, es gebe bereits Finanzierungsmechanismen für gemeinsame EU-Militäreinsätze und eine entsprechende Aufteilung von Kosten auf die Mitgliedsstaaten. Darüber hinaus gebe es keinen großen Beratungsbedarf. Die französische Mission in Zentralafrika, gedeckt von einem Mandat der Vereinten Nationen, ist allerdings keine gemeinsame Operation der EU und fällt damit nicht unter die vereinbarten Finanzierungsregeln.
Na prima, Merkel und Steinmeier düsen zur Audienz zu Monsieur Hollande, und im gleichen Atemzug tritt man dem Herrn Präsidenten in den A…
Dazu noch die Aufweichung der Vorschläge zum EU-Gipfel…
Dazu noch das Schweigen zu den neuen Iskander-Raketen im Umfeld von Königsberg…
Toller Auftakt der GroKo im Bereich Bündnissolidarität und GSVP.
@LTC007
Kann man so sehen, oder auch nicht. Schließlich werden wir die entstehende Lücke im Kosovo, die durch den Abzug der Franzosen entsteht, schließen.
Beim Rest bin ich absolut ihrer Meinung.
pi
Der FRA Außenminister äußert sich allerdings ziemlich direkt und lehnt sich vielleicht etwas weit aus dem Fenster:
„We will soon have troops on the ground from our European colleagues,“ Fabius told parliament in response to a question on a lack of European support in Central African Republic.
http://www.reuters.com/article/2013/12/17/us-centralafrican-france-idUSBRE9BG0Y020131217
Ja, es scheint Überlegungen der Belgier und der Polen zu geben. Die Bundesregierung sieht sich allerdings offensichtlich nicht gefragt, zumindest gab es auf Fragen auch unter Bezug auf diese französische Äußerung keine weiter gehende Antwort.
Ich kann mir nicht helfen, aber die frz Forderung nach EU Finanzierung spiegelt nicht so sehr finanzielle Nöte Frankreichs wider, sondern primär die französische Auffassung was EU-gemeinsame Außenpolitik zu sein hat: französische Außenpolitik für die andere EU-Staaten blechen/Ressourcen zur Verfügung stellen sollen. Ganz besonders die CAR ist für Frankreich ein ganz schlechtes Beispiel, denn sie selber haben den Murks mit eingerührt, indem sie „genehme“ Leute auf den Chefsessel manövriert haben. Mali ist ein anderes Kaliber, hier würde ich das sogar begrüßen, aber die Suppe die sie sich in der CAR eingerührt haben sollen die schön mal selber auslöffeln.
Nachdem wir AFG gerade so schön verwurschtelt haben und in Afrika die Brunnen auch wieder so schießwütig sind, bin ich mir nicht sicher, ob ich unsere Soldaten dort sehen möchte. Man kann das deutsche Engagement im Ausland sicher auch ganz genau so gut versemmeln, ohne dafür unsere Soldaten zu verheizen.
Die Bereitschaft BEL sich an Seiten der FRA in der CAR zu beteiligen passt ja eigentlich ganz gut in die EUBG-Landschaft. Im 2. Hj 2014 ist BEL die FN der EUBG II/2014 mit DEU und CZE Beteiligung und POL drängt schon seit geraumer Zeit auf einen Einsatz der EUBG. Vielleicht wird es dann einmal etwas mit einem 1. Einsatz einer EUBG….wenn nicht dann, wann dann???
http://www.nzz.ch/aktuell/international/reportagen-und-analysen/die-verteidigungspolitik-als-mauerbluemchen-1.18207521
imho ziemlich zutreffende Lagebeschreibung in Sachen GSVP
@tex: Wie sehen die politischen Voraussetzungen für den Einsatz einer EUBG aus? Einstimmigkeit im Rat?
Reine Verteidigung der europäischen Grenzen würde wohl (hoffe ich jedenfalls stark) funktionieren, die „Vergemeinschaftung“ von Interventionen außerhalb der EUdagegen zunächst eine fühlbar über das Bestehende hinausgehende politische Integration erfordern. Solange alle wichtigen Entscheidungen im Rat getroffen werden müssen, wird es zwangsläufig beim Konsensprinzip der nationalen Regierungen bleiben, was gemeinsame Streitkräfte zu einer reinen Show-Veranstaltung a la DF-Brigade macht. Es würde mich stark wundern, wenn es zum ersten Einsatz einer EUBG käme. Ausgeschlossen ist das aber nicht. Es käme darauf an, was den abgeneigten Regierungen so als Kompensation angeboten wird beim üblichen Kuhhandel.
Wir sollten uns von den Franzosen da nicht hineinziehen lassen. In Zentralafrika haben wir nichts zu suchen!
Kommt es zum Einsatz der EUBG 2/2014 ist Deutschland mit dabei oder leistet den sicherheitspolitischen Offenbarungseid.
@Michael: Es geht nicht um Zentralafrika sondern darum wie wir (d.h. D) zu unseren (auf dem Papier noch) Verbündeten stehen. Wieviel Solidarität erwarten wir von den anderen und wieviel Solidarität sind wir selbst bereits zu praktizieren? Zentralafrika selbst verliert sogar für die Franzosen an Bedeutung, weil es immer stärker unter chinesischen Einfluss kommt.
@csThor
„… die Suppe die sie sich in der CAR eingerührt haben sollen die schön mal selber auslöffeln.“
Die gesamte Lage in der ZAR ist also nur ein Produkt der französischen Regierung? Sie ist also hauptverantwortlich dafür, dass am 5. Dezember bis zu 1000 Menschen systematisch in Bangui von den muslimischen Séléka Rebellen und christlichen anti-Balaka wortwörtlich abgeschlachtet wurden? Ich will keineswegs leugnen, dass Frankreich wirtschaftliche und geopolitische Interessen in der ZAR verfolgt und in der Vergangenheit maßgeblich auf die Innenpolitik des Landes Einfluss genommen hat (Operation Barracuda).
Auf welche Grundlage stützt sich denn aber ihre These, dass Frankreich die Séléka unter Michel Djotodia unterstützt und somit zum Sturz von Bozizé beigetragen hat? Denn das ist nun der Auslöser für die jüngsten Massaker gewesen, auch wenn die politische Lage seit Jahren angespannt ist und es erhebliche wirtschaftliche Missstände im Land gab.
Im Gegensatz zum quasi Alleingang Frankreichs wäre es sicherlich zu begrüßen, wenn Europa in dieser Situation mit einer Stimme sprechen und einheitlich handeln würde. Scheinbar sind wir aber nicht dazu in der Lage, weil der politische Wille fehlt. Frankreich ist das einzige Land, welches sich aufgrund ihres derzeitigen Vorsitz im Sicherheitsrates und ihrer derzeitigen geopolitischen Agenda quasi aufgedrängt/angeboten hat, in der ZAR einzugreifen, was nicht nur durch eine einstimmig angenommene Resolution des SR abgesegnet ist, sondern auch von den einflussreichsten afrikanischen Regierungen (z.B. Südafrika, Nigeria), der Afrikanischen Union und diversen NGOs ausdrücklich begrüßt wurde. Europa muss dringend an einem einheitlichen Konzept arbeiten, sollte dies aber lieber in „Friedenszeiten“ machen und nicht auf Kosten tausender meist unschuldiger Opfer austragen.
Sollte ich falsch liegen, lasse ich mich gerne berichtigen.
@Abdul Iyodo
Vollste Zustimmung meinerseits!
@ Abdul Iyodo
Nein, nicht Frankreich allein, aber sie haben selber kräftigst an dieser Suppe mitgekocht indem sie Einfluß auf die Politik und die handelnden Personen genommen haben, um spezifische wirtschaftliche Interessen Frankreichs zu schützen/fördern. Jetzt einen auf großen Menschenfreund zu machen und die (unverkennbar dramatische) Lage der Zivilbevölkerung herauszustellen ist scheinheilig da aufgesetzt. Frankreich hat in der Vergangenheit seine Wirtschaftsinteressen im zentralafrikanischen Raum auf die beschriebene Weise gefördert und erwartet nun von den anderen Europäern, daß sie die Karre mit aus dem Dreck ziehen. Ich befürchte wenn hier die EU mit ins Boot springt, daß das einen Präzedensfall ergibt, der für Europa und den europäischen Gedanken noch schädlicher ist als die Finanzkrise. Denn so offensichtliche Ursupation von Ressourcen unter der (falschen) Flagge europäischer Solidarität ist tödlich für jedes Vertrauen unter den Staaten was Außenpolitik angeht.
Ich für meinen Teil bleibe dabei: In Mali gab es klares Interesse Deutschlands an einer erfolgreichen Unterstützung der malischen Regierung, in der CAR jedoch sehe ich die Verantwortung primär bei der Afrikanischen Union und Frankreich. Europa kann und sollte sich nicht zum Polizisten 2.0 für Afrika machen lassen, schon gar nicht angesichts der Gemenge- und Interessenlage seitens Frankreichs. Obendrein bin ich ein Verfechter eines generellen Moratoriums auf Auslandseinsätze der BW bis
a) endlich das Denkvakuum in Politik und BMVg aufgelöst und die BW in ein politisches Konzept eingebunden wird
b) die Umgestaltung abgeschlossen und die angelaufenen Probleme durch die laufenden Auslandseinsätze behoben sind
c) die Streitkräfte endlich zu Atem gekommen sind, nachdem man sie fünfzehn Jahre lang wie eine Zitrone ausgepresst hat
@ Zivi a.D.
Wer „Solidarität“ dadurch definiert, daß man sich gefälligst ebenfalls aus dem Fenster zu stürzen hat wenn einer der Partner das tut, dann halte ich von solcher Art Solidarität gar nichts. Ich bin, zugegeben, auch eher kontinental in meiner Denke, ich halte nichts von „global NATO“ oder „weltweite Krisenprävention durch die BW“. Ich fände es deutlich realistischer und auch glaubwürdiger, wenn das framework nation concept von der Misere so ausgelegt wird, daß die BW sich primär als Anlehnungspartner für die osteuropäischen Staaten ggüber Russland aufstellt (was nicht zwangsläufig zu einer Gegnerschaft führen muß – es geht hier primär um Stärkung der kleineren Verbündeten im Osten) und diesen interventionistischen Quatsch denen überläßt, die wirklich an dessen Wirksamkeit glauben (ich tue es nach 10 Jahren Pleiten, Pannen und Fehlschlägen nämlich nicht).
Aber hier ist wieder exakt der Casus Knackus, der alle gloriosen Tiraden von „gemeinsamer Außenpolitik“ und „gemeinsamer Sicherheitspolitik“ ad absurdum führt: die vier Ecken des Kontinents haben völlig verschiedene Sicherheitslagen und -interessen. Die sind nicht unter einen Hut zu bringen, da ist es leichter einen Kreis zu quadrieren.
Bleiben wir in Afrika:
Im Südsudan ist es seit kurzen unruhiger als sonst. Der Befehlshaber Einsatzführungskommando, GenLt Fritz, sitzt nach Ende seiner Besuchstour in Malakal fest.
Und die Bundeswehr schickt angeblich Transall/Global 5000 + KUT + ??? zur „Ausreiseunterstützung“ in den Südsudan.
So meldet es zumindest aktuell SpOn
Wenn wir eine Europäische Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur auf dem Papier und in Festreden haben wollen, sollten wir Folgendes bedenken:
– Frieden und Stabilität in Afrika berührt die europäischen Interessen insgesamt. Die Stichworte sind bekannt: OK, internationaler Terrorismus, unkontrollierte Migration, Drogen- und Menschenschmuggel etc. etc.
– Die Zeiten der Kolonialherrschaft sind seit mehr als einem halben Jahrhundert vorbei. Auch deren Auswirkungen, die oft auch als untaugliche Entschuldigung für Missstände angeführt werden, sollten überwunden sein. Damit verbietet sich ein finger pointing in Richtung auf bestimmte frühere Kolonialherren. Wenn überhaupt, dann steht aus historischen Gründen Europa insgesamt in der Verantwortung.
– Das heißt nicht, dass bei den African affairs eine (politische oder ggf. auch militärische) Führungsrolle innerhalb Europas in die Beliebigkeit gestellt sein sollte. Ganz im Gegenteil: Jeder trägt vor allem dort bei, wo er besondere Fähigkeiten und Expertise besitzt.
– Aber: Es ist und bleibt trotzdem eine gesamteuropäische Herausforderung. Gerade in Afrika mit seiner bewegten Geschichte müssen wir die rein nationalen Belange und Interessen endlich zurückfahren. Und umgekehrt: Niemand darf sich vornehm wegdrehen und so tun, als ginge ihn das nichts an. Auch wir nicht.
Fazit: Das Thema Afrika – exemplarisch verdeutlicht an den Beispielen Mali, CAR, Südsudan, aber ganz besonders auch am gesamten nordafrikanischen Raum – ist die große Herausforderung für die ESVP, an der sich Stillstand oder Fortschritt (oder gar Rückschritt) erkennen lässt.
@all
wg. Süd-Sudan gibt es einen neuen Thread.
@KeLaBe: „Wenn wir eine Europäische Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur auf dem Papier und in Festreden haben wollen, sollten wir Folgendes bedenken:“
…nämlich die Tatsache, daß die Franzosen und die Briten als altegediente Imperialisten mit Sicherheit eine völlig andere Denkweise haben als die Deutschen. Wer Lust hat, sich in die Denkweise von (Ex-)Imperiums-Betreibern reinzufinden lese mal „Das unvollendete Weltreich: Aufstieg und Niedergang des Britischen Empire 1600-1997“ von John Darwin. Dort werden die Handlungsprinzipien des Imperium-Betriebes ziemlich deutlich herausgearbeitet. In unvollständiger Zusammenstellung: extremer Pragmatismus, achselzuckende Inkaufnahme von Unstimmigkeiten und immer, immer, immer der Blick auf das Geld (der natürlich zuerst). Militär bzw. dessen Einsatz war (ist) immer nur eine Taste der Klaviatur, und keine besonders beliebte (weil schon immer sauteuer). Wenn aber das Nachrechnen zeigte, daß der Einsatz sinnvoll sein könnte, wurden sofort und meist sehr konsequent die Schiffe/Bataillone losgeschickt. Rücksicht auf die Wähler mußte man schon damals nehmen, aber Interessen wurden in aller Öffentlichkeit eiskalt analysiert, ebenso die geeigneten Instrumente zur Durchsetzung. Und ich denke, daß die „Gene“ dieses Politikverständnisses bei Briten und Franzosen noch verdammt gut erhalten sind.
Ist alles himmelweit von dem entfernt, was unseren bundesdeutschen Politikbetrieb so auszeichnet. Eine Anpassung von D an die Sichtweise von GB/F sehe ich aus vielerlei Gründen als unwahrscheinlich an. Umgekehrt ist das genauso wenig wahrscheinlich. Fazit: das mit der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik werden die hier Schreibenden nicht mehr erleben. Bis auf ein paar Feigenblätter, die hoffentlich nicht allzu teuer werden.
Wo her auch wie soll Deutschland mehr geben, die sind doch schon am Ende.
Und Leichte Radpanzer hat die BW auch nicht die man da bräuchte, da ist Frankreich schon viel weiter.
Und die Fremdenlegion braucht nicht den Schutz wie deutsche Soldaten, weil einem Legionär das nicht so wichtig ist wie als Deutscher Soldat der Zurückgebracht wird
Das Sah mal in Mali auch die Fuhren alle ungeschützte Gelände Wagen
In Deutschland ist das undenkbar
Weil Frankreich will Zukünftig EU Gelder (die wollen das Zeuges wahrscheinlich über EU Gelder Neu anschaffen was da Verloren geht an Fahrzeuge über 3 Kasse Neu beschaffen und Frankreich Rüstungsindustrie stärken)
Natürlich liegt die Verantwortung in der ZAR primär bei der Afrikanischen Union. Diese hat sich nicht umsonst in Artikel 4h ihrer Charta die Befugnis gegeben, bei „grave circumstances“ militärisch in einem der Mitgliedsländer zu intervenieren. Eigentlich sollte hierfür bis 2010 die African Standby Force aufgestellt worden sein. Interner politischer Zwist in den Regionalorganisationen und die üblichen Finanzprobleme haben dies aber wie bekannt verhindert. De facto sind in der ZAR ja auch bereits Soldaten der Regionalorganisation ECCAS vor Ort und werden heute unter das Kommando der AU gestellt. Hier hat sich nur leider mal wieder gezeigt, dass die logistische und materielle Ausrüstung sowie die finanziellen Mittel unzureichend sind, um einer Situation mit diesen Ausmaßen adäquat gegenüberzutreten. Zudem hat ¼ der Truppen ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem, weil der Tschad mit 850 Mann den größten Truppenanteil stellt und diese von der Bevölkerung milde gesprochen „misstrauisch“ betrachtet werden, weil viele Kämpfer der Séléka aus dem Tschad kommen sollen und nur arabisch sprechen.
In der deutschen Politik wird gerne immer von „Hilfe zur Selbsthilfe“ gesprochen. Mit der Zahlung von einigen Millionen ist in Krisenzeiten aber wenig getan. Die USA haben zwei Transportmaschinen bereitgestellt und burundische Soldaten nach Bangui geflogen. Bislang weiß ich aber noch nicht, woher die restlichen 2500 Mann kommen sollen, um die angepeilten 6000 Soldaten der AU-Mission zu erreichen. Im Übrigen ein Witz, bei einem Land, das größer ist als Frankreich und in dem es an praktisch jeder Ecke brennt. Die vom VN-Generalsekretär vorgeschlagenen 9000 Soldaten sind da schon hilfreicher. Man kann es also drehen und wenden wie man will, die französische Regierung ist mal wieder die einzige, die Handlungsbereitschaft zeigt, egal aus welchen Gründen. Selbst wenn der Einsatz vermutlich auf einen Regimewechsel hinauslaufen wird, wie Holland bereits verlauten lassen hat, zählen doch kurzfristig nur Taten und kein Lamentieren.
Die deutsche Regierung wird sicherlich insgeheim sogar froh sein, dass Frankreich ihre Stiefel auf den Boden setzt und den Einsatz mit ihrem Blut bezahlt, damit man selber nicht eingreifen muss. Das gleiche gilt wohl für die USA und GB. Wenn Frankreich keine zusätzliche Hilfe bekommen soll, gut. Nach der deutschen Doktrin sollte dann aber eventuell verstärkte Hilfe für die AU angeboten werden. Im Bereich Ausrüstung, Logistik und vor allem Kommunikationsequipment gibt es jede Menge zu tun.
Mit der aktuellen Lage im Südsudan sehe ich aber bereits, dass irgendwer erklären wird: Wir sind ja bereits in der VN-Mission im Südsudan aktiv und haben unsere Kapazitäten bereits überschritten. Ich bin ja bei leibe kein uneingeschränkter Interventionsfreund, aber ich vertrete definitiv die Meinung, dass wir international einfach nicht wie die stärkste Wirtschaftsnation Europas auftreten und sich die Parteien aller Couleur zu oft vor der Übernahme von Verantwortung drücken.
@ csThor: Offenbar haben wir da ein Missverständnis. Mir ging es nicht um „Solidarität“ als besonderen moralischen Wert sondern um die schlichte Reziprozität. Wir geben etwas, weil wir umgekehrt erwarten, dass uns im Falle eines Falles gegeben wird. Und damit sind vielleicht schon beim gemeinsamen Punkt: Weil die D-Seite einfach nicht weiß was sie will, kann sie auch keine rationale Kalkulation über den nach eigenen Interessen angemessenen Beitrag zugunsten der Verbündeten bemessen: Weil wir nicht wissen was wir wollen, gibt es auch keine zuverlässige, berechenbare Ansage, was wir bereit sind dafür zu geben. Das macht uns in den Augen der anderen zu unsicheren Kantonisten. Dieses Manko wird dann auch noch mit moralisch klingendem Schwulst (“ alle gloriosen Tiraden von “gemeinsamer Außenpolitik” und “gemeinsamer Sicherheitspolitik” heißt es treffend in Ihrem Statement) zugedeckt.
@ f28
Ich sehe das teilweise anders. Eine imperiale Außenpolitik wird den Franzosen und Briten immer wieder gern untergeschoben, wobei das manchmal auch zu Recht geschieht. Aber oft ist es einfach auch nur ein Vorwand, um sich selbst nicht engagieren zu müssen.
Mein Punkt aber ist ein anderer: Außenpolitische Interessen lassen sich nicht mehr von Mittelmächten wie DL, FR oder UK hinreichend realisieren. Die Globalisierung, die nach wie vor dominante Position der USA, der noch längst nicht beendete Aufstieg einiger sogenannter Schwellenländer wie China und die eigene existenzrelevante Handels- und Rohstoffabhängigkeit verhindern das. Man braucht also enge Partner, um Freiheit und Wohlstand zu erhalten. Was liegt näher für uns, als die Weiterentwicklung einer entsprechend starken EU einzuklagen?
Dazu gehört unter anderem, das ist richtig, eine gegenseitige Anpassung der außen- und sicherheitspolitischen nationalen Philosophien. Ich sehe aber keinen Grund, warum das nicht mit Blick auf die Synergiechancen geschehen sollte, was freilich auch eine entsprechende Risiko- und Lastenteilung (wie etwa mit Blick auf Afrika) bedeutet. Aber wenn sich jeder auf seine nationale Position – die einen durchaus mutig, die anderen extrem zurückhaltend – zurückzieht, werden alle Europäer den Kürzeren ziehen. Unser historischer Vorsprung ist ja schon dahin, aber „ein bisschen was“ bleibt immer noch zu retten.
@KeLaBe: “ Aber wenn sich jeder auf seine nationale Position – die einen durchaus mutig, die anderen extrem zurückhaltend – zurückzieht, werden alle Europäer den Kürzeren ziehen“
ich teile Ihre Einschätzung ohne Einschränkung. Dies allerdings sehe ich anders:
“ Ich sehe aber keinen Grund, warum das nicht mit Blick auf die Synergiechancen geschehen sollte, was freilich auch eine entsprechende Risiko- und Lastenteilung (wie etwa mit Blick auf Afrika) bedeutet“
Sicherlich reizen die Rationalisierungspotentiale (=Lastenteilung) auch unsere Politiker enorm. Allerdings wird die Kehrseite der Medaille (Risiko-Teilung) zumindest nicht öffentlich diskutiert (wäre mir jedenfalls entgangen). Und ohne breite Diskussion mit tendenziell zustimmendem Ergebnis ist eine solche Wendung der Sicherheitsstrategie eine Totgeburt. Bei dieser Diskussion müßte man diverse heiße Heisen anpacken, die jede Politiker-Karriere schlagartig beenden können (siehe Hr. Köhler). Die Politiker, die das Kaliber und den Willen dazu haben, sehe ich bei uns zur Zeit jedenfalls nicht. Also ist das Ganze entweder
a) eine Totgeburt, über die man gar nicht weiter diskutieren sollte
oder
b) eine listige Variante, über diesen Ansatz auch GB und F militärisch auszubremsen (wir schaffen gemeinsame Strukturen, aber machen im Ernstfall niemals mit => ohne uns geht aber nix, also passiert auch nie was). Aber so doof sind die wohl eher nicht.
@ f28
Ihre Einlassung verstehe ich so: Wir hören ab sofort damit auf, das zu fordern, was wir für richtig halten. Und zwar deswegen, weil wir nicht glauben, dass unsere Politiker den nötigen Mumm haben. Dies alles frei nach dem Motto: Eine Diskussion bringt nichts, daher halten wir besser von vorneherein den Mund.
Das Gegenteil ist der Fall: Gerade weil es für die Politik offenbar unangenehm ist, über Risiko- und Lastenteilung unter Partnern zu reden, muss das Thema erbarmungslos immer wieder auf die Agenda gesetzt werden. Sonst weckt uns niemand aus dem Dornröschenschlummer auf, oder viel zu spät. Die Vision Europa ist keine, die sich schlagartig erfüllen ließe. Aber sie braucht immer wieder einen kräftigen Anschub. Ansonsten koppeln wir Europäer uns selbstverschuldet von dem ab, was die Welt von morgen bewegt. Und dann wundern wir uns alle. Aber das tun wir ja eigentlich heute schon.
@KeLaBe: „Ihre Einlassung verstehe ich so: …“
Sie überspitzen ein wenig, liegen aber nicht ganz falsch – liegt aber auch daran, daß die Nachrichten dieses Sommers (NSA usw.) meinen Glauben an die deutsche Politik ziemlich nachhaltig erschüttert haben. Drücken wir es mal so aus: ein Staat, der nicht mal im eigenen Botschaftsviertel seine Interessen durchsetzen kann (oder will) muß wohl auch nicht ernsthaft darüber nachdenken, dies in Afrika oder sonstwo zu tun (Sarkasmus off).
Unstrittig: das Thema „Risikoteilung“ kommt automatisch auf die Agenda, sobald man ernsthaft mit Staaten wie F und GB über Lastenteilung spricht. Jedem, der nur über „Lastenteilung“ fabulieren will, die „Risikoteilung“ aber ausblenden möchte, muß gewaltig auf die Finger geklopft werden.
Aber man braucht nicht viel Phantasie, um sich den eisigen Gegenwind aus den verschiedensten Ecken der deutschen Landschaft vorzustellen. Mal so kurz aufgelistet, was da an Etiketten zu verleihen ist:
– Hilfs-Sheriff für abgewirtschaftete Ex-Kolonialmächte
– Großmacht-Phantast wilhelminischen (wenn nicht schlimmeren) Zuschnitts
– Todesgräber der NATO (aus der konservativen/atlantischen Ecke)
Da ist unendlich viel Prügel zu erwarten, aber keine Zustimmung. Ich sehe keinen Politiker aus der ersten Reihe, der diese Prügel haben will. Horst Köhlers Leiche baumelt noch mahnend auf dem Richthügel der öffentlichen Meinung. Und Ursula will nicht daneben hängen.
@ f28
Leider kein großer Widerspruch. Sie liegen da ja durchaus richtig in Ihrer pauschalen Analyse des deutschen (Mit-)Gestaltungswillens in der Politik. Trotzdem: Nicht vorzeitig aufgeben. Auch dicke Bretter sind irgendwann durchbohrt. Und erwachsen wird man ja auch nicht von einem Tag auf den anderen. Das gilt auch für Staaten, die eine extrem schmerzhafte Geschichte haben, viel später eine Nation wurden als andere und zudem erst vor Kurzem ihre volle Souveränität wiedererlangt haben.
Übrigens: Warum der damalige BPr Köhler zurückgetreten ist, verstehe ich – ehrlich gesagt – immer noch nicht. Persönliche Entscheidungen des Staatsoberhauptes sollte man eigentlich nicht kommentieren, aber meines Erachtens gab es damals keinerlei Anlass zu seinem weitreichenden, völlig überraschenden Schritt – zumindest nicht wegen seiner Äußerungen zu den deutschen sicherheitspolitischen Interessen. Wenn sein damaliger Rücktritt auch heute noch dazu verleitet, heiße Eisen besser gar nicht erst anzufassen, ist das umso bedauerlicher.
@KeLaBe
Der Grund des Rücktritts hat auch nichts mit dieser Äußerung zu tun, sondern mit der erzwungenen Unterschrift zum Rettungsschirm.