Auf TdM folgt vdL: Keine 100 Tage Ruhe (Update: Parlamentarische Staatssekretäre)

Ursula von der Leyen

Am Sonntagabend wurde es offiziell, was am Tag zuvor schon bekannt (und hier ausführlich debattiert) wurde: Ursula von der Leyen, CDU, bislang Ministerin für Arbeit und Soziales der vergangenen schwarz-gelben Koalition, wird neue Verteidigungsministerin und damit die erste Frau in Deutschland auf diesem Posten. Die 55-jährige Ärztin löst Thomas de Maizière ab, der ins Innenministerium zurückwechselt. Ungeachtet der Tatsache, dass von der Leyen mit der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bislang in ihren Funktionen nichts zu tun hatte, wird sie einen fliegenden Start hinlegen müssen – und ich bezweifele stark, dass sie sich, wie sonst bei neuen Ministern üblich, auf 100 Tage Schonfrist einstellen kann. Denn dieses Amt erfordert in diesen Zeiten vollen Einsatz von Anfang an. Ein – vermutlich unvollständiger – Überblick:

• Umbau der Ministeriumsspitze: Die neue Ministerin startet mit einer fast komplett neuen Leitungsebene des Ministeriums. Die Posten der beiden bisherigen Parlamentarischen Staatssekretäre mussten neu besetzt werden: Thomas Kossendey, CDU,  aus Niedersachsen war nicht wieder als Abgeordneter angetreten; Christian Schmidt, CSU, wechselt als Parlamentarischer Staatssekretär ins Entwicklungsministerium. Neu auf diesen Posten bringt von der Leyen ihren bisherigen Parlamentarischen Staatssekretär im Arbeitsministerium, Ralf Brauksiepe, mit. Den zweiten Posten übernimmt der baden-württembergische CDU-Abgeordnete und Reserveoffizier Markus Grübel – der gelangte zu gewisser Bekanntheit über Fachkreise hinaus durch seine Arbeit als Unions-Obmann im EuroHawk-Untersuchungsausschuss.

Außerdem scheint denkbar, dass der beamtete Staatssekretär Stéphane Beemelmans mit de Maizière zurück ins Innenministerum wechselt, wo er zuvor ebenfalls unter diesem Ressortchef gearbeitet hat. Sollte das so kommen, wird interessant zu sehen, wie die laufende Neuausrichtung der Bundeswehr und das schwierige Thema Rüstungsbeschaffungen neu organisiert wird.

• Einsätze in aller Welt: Da kommt einiges auf die neue Ministerin zu. Nicht nur, weil Frankreich immer lauter fragen dürfte, ob sich die anderen Europäer an schwierigen Missionen in Afrika mehr beteiligen wollen. Nach wie vor ist unklar, wie es in Afghanistan nach dem Auslaufen der ISAF-Mission Ende 2014 weiter geht – so lange das bilaterale Abkommen zur Stationierung von US-Truppen vom afghanischen Präsidenten Hamid Karzai nicht unterzeichnet ist, gibt es auch kein grünes Licht für die Stationierung der Soldaten anderer Nationen, also auch der deutschen, mit der geplanten Folgemission Resolute Support am Hindukusch. Die deutschen Soldaten der EU-Trainingsmission Somalia haben ihre Ausbildungsarbeit in Bihanga in Uganda beendet – für die geplante Fortsetzung der Mission in Somalia fehlt der Bundeswehr bislang das Mandat, das die neue Bundesregierung dem Parlament vorschlagen müsste. Und im Hinblick auf eine Verlängerung des Anti-Piraterieeinsatzes vor Somalia muss die neue Ministerin, auch wenn da noch ein bisschen Zeit ist, bald das Gespräch mit dem Koalitionspartner SPD suchen.

• Rüstungsbeschaffung: Zwei Altlasten ihres Vorgängers muss von der Leyen schnell angehen: Nach dem EuroHawk-Debakel soll dem Generalinspekteur bis zum Ende dieses Jahres (faktisch vermutlich irgendwann Anfang Januar) ein Vorschlag vorliegen, was mit dem für die Drohne entwickelten Aufklärungssystem ISIS passieren soll – damit die paar hundert Millionen Euro für diese Technik nicht umsonst ausgegeben wurde. Interessant wird die Frage, ob es eine wirtschaftliche Alternative zur Nutzung gibt. Und das große Paket Hubschrauberbeschaffung, in einem Memorandum of Understanding zwischen dem Verteidigungsministerium und Hubschrauber-Hersteller Eurocopter festgehalten (und hier schon ziemlich ausführlich diskutiert) soll Anfang des Jahres erneut in eine parlamentarische Befassung – wie auch immer die aussehen wird. Hinzu kommt das Thema Drohnen – ob bewaffnet oder nicht, in absehbarer Zeit werden auch Entscheidungen getroffen werden müssen, wie die unbemannte Fliegerei der Bundeswehr aussehen soll, und sei es ausschließlich zu Aufklärungszwecken.

• Bundeswehrreform: Die Neuausrichtung erbt die neue Ministerin ebenfalls von ihrem Vorgänger – und wird dann seine Zusagen einlösen müssen: Attraktivität des Soldatenberufs, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Klarheit über Arbeitsplatz und Standorte. Wie glatt das geht, wird nicht nur von ihr abhängen, sondern genau so von der neuen Führungsspitze des Ministeriums.

• Bündnispartner: Auch da muss von der Leyen einlösen, was ihr Vorgänger gegenüber den Partnern in NATO und EU angekündigt hat. Zum Beispiel das von Deutschland angeregte Framework Nations Concept, die Gestaltung von Anlehnungspartnerschaft.

Was fehlt in der Aufzählung? Ergänzungen in den Kommentaren willkommen.

(Archivbild: von der Leyen im Januar 2013 – ©Thomas Imo/photothek.net)