‚Null-Lösung‘ für Afghanistan wieder auf dem Tisch
Wenige Tage nach der Billigung eines Sicherheitsabkommens zwischen Afghanistan und den USA durch die Große Ratsversammlung (Loya Jirga) ist die Null-Lösung (zero option) eines vollständigen Abzugs der US-Truppen vom Hindukusch wieder auf dem Tisch – weil der afghanische Präsident Hamid Karsai eine schnelle Unterzeichnung des Abkommens weiterhin ablehnt. Die USA kündigten einen solchen Abzug unverhohlen an, nachdem die Sicherheitsberaterin von Präsident Barack Obama, Susan Rice, bei einem Gespräch mit Karsai in Kabul nicht weiter kam. Aus der Mitteilung zum Besuch Rice‘ in der vergangenen Nacht:
Ambassador Rice stressed that we have concluded negotiations and that deferring the signature of the agreement until after next year’s elections is not viable, as it would not provide the United States and NATO allies the clarity necessary to plan for a potential post-2014 military presence. Nor would it provide Afghans with the certainty they deserve regarding their future, in the critical months preceding elections. Moreover, the lack of a signed BSA would jeopardize NATO and other nations’ pledges of assistance made at the Chicago and Tokyo conferences in 2012. Ambassador Rice reiterated that, without a prompt signature, the U.S. would have no choice but to initiate planning for a post-2014 future in which there would be no U.S. or NATO troop presence in Afghanistan.
Den afghanischen Präsidenten scheint das nicht zu beeindrucken. Im Gegenteil, er erhöht seine Forderungen an die USA, wie der Telegraph berichtet (was zunächst ja nichts über die Forderungen an sich sagt, aber über Karsais Taktik):
In Kabul, Mr Karzai’s spokesman said the Afghan president wanted to the United States to halt all military operations on civilians‘ homes and return Afghan citizens held in the Guantanamo prison camp before the pact is signed.
Interessant ist ja, dass offensichtlich viele im Westen die Situation nicht ganz korrekt eingeschätzt haben: Die Loya Jirga, so die Erwartung, würde den Weg für das Bilaterale Sicherheitsabkommen frei machen – oder auch nicht, jedenfalls die endgültige Entscheidung treffen. Nun wird immer klarer, dass ungeachtet der Entscheidung der Ratsversammlung Karsai alle Karten in der Hand behält. Und ein US-Truppenabzug würde eben auch einen Abzug aller Verbündeten treffen – also auch Deutschland sich dann darauf einstellen, bis Ende 2014 alle Bundeswehrsoldaten aus dem Land abzuziehen.
(Archivbild 2010: Karsai mit dem damaligen ISAF-Kommandeur General Stanley McChrystal auf dem Friedhof in Arlington bei Washington – DoD photo by Mass Communication Specialist Chad J. McNeeley, U.S. Navy)
Frau Rice kuendigt den Beginn fuer Planungen eines Abzuges nach 2014 an.
Was soll sie sonst tun? Ankuendigen, dass US-und NATO-Truppen auch ohne Abkommen im Lande bleiben?
Das waere wirklich eine Nachricht gewesen.
So scheint auch hier das „Nachrichtenmachen“ im Vordergrund zu stehen. Die Option war nie wirklich vom Tisch, ist uebrigens der vielbeschworene „end-state“ und muss auch nicht „unverhohlen“ angekuendigt werden.
Karsai pokert hoch, dabei hat er echt viel zu verlieren, falls das nicht klappt.
Karzai versucht seinen Kopf zu retten !
Ich glaube, ich habe irgendwo gelesen, dass lediglich zwei afghanische Präsidenten, Staatschefs in den letzten 50 Jahren eines natürlichen Todes gestorben sind.
Seine Haltung ist meiner Meinung nach, eine direkte Anbiederung an die Taliban mit in die Regierung nach 2014 zu kommen. Um danach noch eine Überlebenschance im Inland zu haben, legt er wohl dieses Verhalten an den Tag.
@Jan Hoffmann
Ach so, der Abzug aller Truppen bis Ende 2014 ist der vielbeschworene “end-state”? Muss ich übersehen haben. Haben Sie ’ne Quelle dafür?
Ich vermute hier sollte zum Ausdruck gebracht werden dass der komplette Abzug internationaler Truppen „zu einem Zeitpunkt X“ schon immer der „end state“ sein sollte(wie eigentlich überall). Hier würde dieser Zeitpunkt X nur nach vorn verlegt werden da bisher eher mit einem späteren Zeitpunkt gerechnet wurde.
Die Nullösung wird wohl kommen. Nun also eher als später.
Siehe meinen Kommentar im Beitrag von Thomas Wiegold zuvor. Wollen sich hochzivilisierte Staaten von einem brutal korrupten Politiker, der vermutlich zum Zeitpunkt dieser Aktion(en) wieder mal geistig eingetrübt war/ist, wirklich wiederum erpressen lassen. Dieser Typ müsste mittlerweile doch genug Mios auf (ausländischen) Konten haben. Leider auch geduldet/gefördert(?) durch unsere westlichen Führungsmächte. Manchmal bekomme ich echt Brechreiz …
RC N Watch:
In Faryab und Kunduz kommt es zu gezielten Angriffen auf Mitarbeiter des NSP-Entwicklungsprogrammes, ebenso in Uruzgan.
Siehe:
http://www.nytimes.com/2013/11/28/world/asia/attack-on-french-aid-group-in-afghanistan.html
Die Gegenseite ist offenbar entschlossen und in der Lage (weiterhin) das human terrain zu verändern.