Deutschland zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen bereit (Nachtrag: O-Ton)
Die Bundesregierung hält eine Vernichtung syrischer Chemiewaffen auch in Deutschland für möglich. „Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass auch Deutschland einen Beitrag leistet“, sagte der Sicherheitsberater der Bundesregierung, Christoph Heusgen, am Dienstag bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Niemand sage, dass „in Deutschland nicht auch nachgedacht wird über bestimmte Produkte, die wir hier vernichten können“.
Heusgen, Abteilungsleiter für Außen- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt, verwies zugleich darauf, dass eine solche Vernichtung in einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik problematisch sei. Dafür müssten passende Orte gefunden werden, vielleicht auch in Zusammenarbeit mit der Industrie. Syrien müsse auch in erster Linie mit befreundeten Staaten wie Russland über die Vernichtung sprechen.
Die mit Zustimmung Syriens vorgesehene und von der internationalen Gemeinschaft überwachte Zerstörung der Chemiewaffenbestände des arabischen Landes stößt auch auf technische Probleme, weil sich die Suche nach einem Land mit dem Willen und den technischen Möglichkeiten zur Vernichtung schwierig gestaltet. Unter anderem Albanien hatte eine entsprechende Anfrage abgelehnt.
Nachtrag: Das Thema ist bislang von anderen Medien nicht aufgegriffen worden – ich vermute deshalb, weil sie es entweder a) verpennt haben, b) nicht interessant finden oder c) einem früheren dpa- und AP-Korrespondenten nicht glauben. Gegen a) und b) kann ich wenig tun, für den Fall c) habe ich mir mal den O-Ton von Heusgens Äußerung besorgt. Der entscheidende Satz fällt ab 01:25.
Nachtrag 2: Sehe gerade, der Deutschlandfunk hat es gestern auch gemacht; auch das hat keinen Eingang in andere Medien gefunden…
Der hat sich aber weit aus dem Fenster gelehnt. Gestern hörte sich das noch anders an:
Kein EU Land hat sich bereit erklärt diese Chemikalien zu vernichten. Das innenpolitische Theater darum wäre auch wohl nicht erträglich. Aber vielleicht möchte Herr Heusgen ja seinen Stichwortgebern in der amerikanischen Botschaft einen weiteren Gefallen tun.
Die Amerikaner haben eine mobile Vernichtungsanlage die in Syrien aufgebaut werden könnte. Warum wird die nicht angeboten?
Was spricht den gegen Munster (GEKA)?
Klar muss man die Stoffe dorthin transportieren, aber das muss man auch bei Vernichtung in befreundeten Staaten.
Klar kann man nicht alles auf ein mal zerstören und muss zwischenlagern. Aber das muss man wohl überall und der Lagerort Munster erscheint mir sicherer als &/§$(/.
Gestern noch wies CDU-Abrüstungsexperte Roderich Kiesewetter im Deutschlandfunkinterview ab, dass syrische C-Waffen in Deutschland (in Munster) vernichtet werden sollten.
Link: http://www.deutschlandfunk.de/syrien-cdu-politiker-schliesst-chemiewaffenvernichtung-in.694.de.html?dram:article_id=269295 (Abruf 19.11.2013)
kann hier mal jemand mit den 2 retorten im abzeichen kurz skizzieren um welche stoffe es dort vermutlich geht und mit welchen technischen mitteln man diese „vernichtet“ ?
Ich vermute mal, die Sicherheitslage könnte daran schuld sein, b.
Im Bereich der ABC-Abwehr und C-Kampfmittelbeseitigung gehört Deutschland zur Weltspitze. Im Rahmen von „Smart Defence“ drängt sich die ABC-Abwehr mit Deutschland als „Rahmennation“ für europäische „Anlehnungspartner“ geradezu auf.
Vor diesem Hintergrund frage ich mich weshalb sich Deutschland bezüglich der syrischen C-Waffen-Sicherung und -Vernichtung nicht stärker engagiert. Dies muss ja nicht in Deutschland erfolgen.
Wäre echt ein Grund, mal wieder stolz auf sein Land sein zu können.
@Nordlicht
Firmen in Deutschland bauen hervorragende ABC-Abwehrausrüstung und wohl auch Anlagen zur mobilen Vernichtung solcher Waffen, aber mir ist nicht klar, dass die Bw solche Anlagen besitzt. Aufgrund vorhandensein stationärer Anlagen in MUNSTER war das wohl auch nie notwendig. Hat der Dienstherr so etwas?
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@Cynic2
Nach meinem Kenntnisstand besitzt Deutschland derzeit keine mobile Anlage zur C-Kampfstoffbeseitigung. Insbesondere die Anforderungen an eine umweltschonende Entsorgung haben erheblichen Einfluss auf deren Größe und damit auch auf deren Mobilität. Nimmt man den Zeitbedarf für eine umweltschonende Vernichtung der relativ großen Menge syrischer C-Waffen hinzu, so wird man ohnehin über den Bau einer ortsfesten Anlage in der Region nachdenken müssen. Auch bei der GEKA-Anlage in Munster kommt am Ende Schlacke heraus, die irgendwo deponiert werden muss. Hier würde ich dann schon Syrien in der Pflicht sehen.
@Nordlicht
Okay, wieder was gelernt. Welche Fähigkeiten hat die Bundesrepublik, in Abgrenzung zur deutschen Industrie, also, mit denen eine stärkere Rolle eingenommen werden könnte? ABC-Aufklärung oder Dekontamination sind meines Wissens nicht gefordert, sondern eher Waffeninspektoren.
Diese Debatte ist doch mal wieder exemplarisch lächerlich. Ein sicherer transport erst auf seeweg und dann per land nach munster ist doch technisch ohne weiteres möglich. da reichen die einschlägigen gefahrgutregeln. es handelt sich hier um chemikalien nicht um irgeneine mystisch unkontrollierbare substanz.
auch auf die gefahr mich zu wiederholen typisch deutsch. erst nach der verhandelten friedenlösung krakeelen und dann die nimby karte spielen. fremdscham faktor 1000. mal wieder
Kann man die Chemiewaffen nicht vor Ort in Israel vernichten? Geringe Transportwege. Danach kann man vielleicht gleich mit den israelischen Chemiewaffen weitermachen.
Der war gut. Auch wenn man derzeit nicht das beste Blatt hat, aber einem Transport syrischer C-Waffen nach Israel dürfte Assad nicht zuzustimmen gewillt sein.
Also, ich bin total begeistert vom Gedanken, syrische Chemiewaffen auf heimischer Scholle zu entsorgen. Denn 1) passt das zur gegenwärtigen politischen Räson, da DEU keine klare Position im Syrienkonflikt bezieht und dennoch mit der Vernichtung der C-Waffen einen medienwirksamen und außenpolitisch unriskanten Beitrag leistet, 2) sowohl unterforderte Castor-Gegner und die Bundespolizei wieder an Bahnstrecken zu tun hätten und letztlich 3) die Entsorgung der zerlegten Munition und Rohstoffe nach dem deutschen Abfallwirtschaftsgesetz erfolgt. So gründlich, wie’s keiner macht auf dem Erdenrund.
Gruß aus dem zum Erbrechen pazifistischen Tübingen!
Handelt es sich nicht in erster Linie um binäre Kampfstoffe? Die Komponenten sind getrennt ja „ungefährlich“, zudem genügt fürs erste auch die Wegnahme / Vernichtung einer Komponente. Die Amerikaner haben übrigens eine (thermische) „Vernichtung auf See“ ins Spiel gebracht.
@ Markus d.Ältere
Vmtl mit masse Haut- und nervenkampfstoffe in flüssiger /fester Form , die nach Öffnung der Granate verbrannt werden. Die Schlacke aus den Filtern muss entsorgt werden.
Heute berichtet der Deutschlandfunk wieder über die C-Waffen-Geschichte. Diesmal allerdings mit der klaren Aussage von Merkel, dass die Waffen nicht in Deutschland vernichtet werden sollen.
Die Argumentation der Bundesregierung bleibt von einem hohen Maß an Schizophrenie geprägt:
Die relativ „neue“ Munition aus Syrien, die im Falle der Binärwaffen auch relativ sicher getrennt transportiert und vernichtet werden kann, ist offensichtlich zu gefährlich für das dichtbesiedelte Deutschland.
Gleichzeitig werden in Munster die verrotteten Chemiewaffen, die seit dem II. Weltkrieg in Nord- und Ostsee vor sich hin korrodieren, selbstverständlich vernichtet.
Wie sagte TdM so schön: Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen.
Reden und Handeln sind bei dieser Bundesregierung schon immer zweierlei Maß gewesen.
Aber ihr habt Mutti ja wiedergewählt. :-(
@K.B.
Dazu gibt’s einen neuen Thread.
@Cynic2
Die Inspekteure der OPCW kommen nicht aus dem Nichts. Chemische und medizinische Expertise reichen dafür alleine nicht aus. Man braucht dazu auch viel militärisches Fachwissen. In der Kombination wird es dann weltweit personell schon deutlich eng. Laborseitig ist nicht umsonst das WIS der Bundeswehr in Munster eines der OPCW-Referenzlabore. Die ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr verfügen über qualifiziertes Personal, dass für den Einsatz als Inspekteur in Betracht kommt. In den Veröffentlichungen der Bundeswehr zur Ausbildung der OPCW-Inspekteure in Hammelburg habe ich deutsches Personal vermisst. Ich habe bisher auch nirgends gelesen, dass Deutschland Inspekteure für den Einsatz in Syrien anbietet bzw. dass deutsches Personal dort präsent ist. Das wäre aber sehr wichtig, um die Fachexpertise Deutschlands in der ABC-Abwehr zu vertiefen und zu erhalten.
ABC-Aufklärungs- und Dekontaminationskräfte werden spätestens dann relevant, wenn in Syrien gelagerte C-Waffen abtransportiert und außer Landes gebracht werden. Da dieses bis Ende 2013 erfolgen soll, wird es jetzt langsam Zeit die hierfür vorgesehenen Kräfte zu informieren und vorzubereiten. Auf die Operation Lindwurm, bei der im Jahr 1990 US-C-Waffen aus Deutschland abtransportiert wurden, hatte man die durchführenden Kräfte monatelang vorbereitet. Auch hier habe ich bislang in den Medien nichts von einem deutschen Beitrag in Bezug auf Syrien gehört. Entweder bereiten sich also derzeit ABC-Abwehrkräfte anderer Staaten darauf vor, oder man verzichtet auf einen entsprechenden Schutz bei den Transporten.
@Nordlicht
Bei der Gestellung von Inspektionsteams ist die ABC-Abwehr wohl zu spät dran. Das Personal ist vor Ort und arbeitet. Ich verstehe, dass die Expertise da hätte eingebracht werden können und dadurch auch hätte vertieft werden können.
Und was die Begleitung der Kampfstoffe außer Landes, so dies denn überhaupt stattfinden soll, betrifft, kann ich mir durchaus vorstellen, dass keine ABC-Kräfte angefordert werden. Ich vermute (!) nicht, dass fremde ABC-Abwehr ins Land gebracht wird, um Transporte zu begleiten, zumal in einer Bürgerkriegssituation. Es wird vermutlich eher darauf gedrängt, dass dies die syrischen SK leisten sollen und dabei nur durch Beobachter begleitet werden, wie es bei der Vernichtung von Nuklearwaffen, z.B. in Russland auch gemacht wurde. Das Risiko trägt dann die syrische Regierung und bekommt die schlechte Presse, wenn etwas passiert.
Hier ist eine weitere Frage, wie viel Kampfstoff denn bereits einsatzbereit, wenn auch noch nicht in Munition eingefüllt, gelagert wurde und wie viel in Komponenten gelagert wird. Letzteres machte den Transport deutlich weniger risikoreich.
@Cynic2
Ich vermute ebenfalls, dass man den Transport bis zur syrischen Landesgrenze nicht mit internationalen Truppen sichert. Von dort an stellt sich die Frage dann aber schon. Die militärische/polizeiliche Sicherung kann durch die betreffenden Staaten gewährleistet werden. Im Bereich ABC-Aufklärung und Dekontamination sind die Anrainerstaaten aber nun nicht so gut aufgestellt. Wählt man den Seeweg und ggf. auch eine Vernichtung auf hoher See, so muss irgendwer auch dieses sichern.