Afghanistan: 25 Prozent mehr Gewalttaten gegen Frauen – und die Rückkehr der Steinigung
Am (heutigen) Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen muss Afghanistan mit einer bedrückenden Bilanz aufwarten: Die Zahl der – registrierten – Gewaltakte ist in diesem Jahr um ein Viertel gestiegen, wie die Unabhängige Menschenrechtskommission des Landes vorrechnet:
The Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIHRC) on Monday announced a 25 percent jump in reported cases of human rights violations against women in Afghanistan in 2013.
November 25 is the International Day for Elimination of Violence Against Women. The AIHRC released a report that stated 4,154 cases of human rights violations had been filed by Afghan women in only six months of the current solar year.
The report comes as many have expressed concerns about the future of women’s rights in Afghanistan, an issue which saw marked improvement since the fall of the Taliban but has since seen setbacks with 2013 seeing a spike in violence against women, according to the United Nations.
berichtet der afghanische Sender TOLO News. Und die Befürchtung, dass es für Frauenrechte am Hindukusch künftig noch viel schlimmer aussehen könnte, stützt eine Warnung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch: Die anscheinend geplante Rückkehr der Steinigung als Instrument des normalen afghanischen Strafrechts.
A working group led by the Justice Ministry that is assisting in drafting a new penal code has proposed provisions on “moral crimes” involving sex outside of marriage that call for stoning. (…)
The draft provisions, seen by Human Rights Watch, provide that if a couple is found by a court to have engaged in sexual intercourse outside a legal marriage, both the man and woman shall be sentenced to “[s]toning to death if the adulterer or adulteress is married.” The provisions state that the “implementation of stoning shall take place in public in a predetermined location.” If the “adulterer or adulteress is unmarried,” the sentence shall be “whipping 100 lashes.”
(Foto: UNAMA/Fraidoon Poya)
Das kann eigentlich für niemanden eine Überraschung sein. Und noch schlimmer: Die Dunkelziffer dürfte eher noch steigen, wenn Frauen bei einer Anzeige zunehmend Nachteile erleiden oder zu erleiden glauben.
Es klingt jetzt vielleicht hart und herzlos: Uns bleibt kaum anderes übrig, als diesen negativen Trend zähneknirschend zu verfolgen, ohne im Grundsatz etwas ändern zu können.
Wenn dieses das Ergebnis von 12 Jahre (Kampf)Einsatz der BW ist, ist es kein Wunder, dass der Soldatenberuf in der Bevölkerung und insbesondere an den Schulen kritisch betrachtet wird, auch wenn die Soldaten selbst eigentlich nichts dafür können.
@ autostaedterin
Das ist genau der Trugschluss, der unseren Afghanistan-Einsatz von Anfang an belastet hat: Die völlig unrealistische Erwartung, wir könnten dem afghanischen Volk volle Menschen- und Frauenrechte, eine Demokratie nach Westminster-Vorbild und überhaupt quasi westlichen Wohlstand bringen. Leider sind diese Thesen viel zu oft geäußert worden, auch von offizieller Seite. Die Enttäuschung ist nun umso größer.
@KeLaBe
Wenn der Westen schon das Geld in Tüten zu dieser Regierung bringt, sollte er doch wenigstens in gewissem Maße beispielsweise die Gesetzgebung im Sinne der allgemeinen Menschenrechte beeinflussen können, oder ist selbst das zu viel verlangt? Eigentlich bestimmt doch der die Musik, der bezahlt. Das ist ziemlich beschämend.
autostaedterin | 25. November 2013 – 17:27
Naja, Auftrag der Bundeswehr ist und war ja nicht, unser christlich-abendländisches Gesellschaftsmodell in die Welt zu tragen. Die „Aghanen“ kehren wieder zurück in ihre traditionellen Gesellschaftsstrukturen … das muß uns nicht gefallen; wir sollten es aber akzeptieren. Mir tun die Frauen und Mädchen auch leid und auch die Strafmethoden (Steinigen etc.) halte ich für verwerflich und falsch … allerdings auch die Vollstreckung der Todesstrafe in aufgeklärten Staaten. Also, die Bundeswehr hat zusammen mit anderen Streitkräften dafür gesorgt, dass die „Afghanen“ in einem sicheren Umfeld ihre Gesellschaftsstrukturen wieder einnehmen können.
@ autostaedterin
Wir sind frei in unseren Entscheidungen, wen und was wir bezahlen. Und die afghanische Regierung ist frei, die Zukunft ihres Landes souverän zu gestalten. Beides muss nicht unbedingt ein Widerspruch sein. Also: Finanztranfer ist nicht „alternativlos“, sondern Ergebnis unserer jeweiligen Interessen. Und genau über diese muss man nüchtern und ohne Wunschdenken sprechen.
@KeLaBe
Eine Regierung, die in diesem Umfang nur durch ausländische Intervention an die Macht gekommen und an ihr geblieben ist, gibt in meinen Augen einen Teil der Souveränität ab.
Und als Frau kann ich das Schicksal anderer Frauen, denen grundlegendste Rechte und medizinische Versorgung versagt bleiben, nicht völlig nüchtern betrachten (zumal die Verteidigung dieser Rechte in der dt. Einsatzbegründung eine so große Rolle spielte).
Jetzt ist die Frage ob die Zahl der Gewalttaten steigt oder die Zahl der Erfassungen von Gewalttaten..
Ersteres wäre ein Zeichen für Fehler im System, zweiteres ein Zeichen für die Wirksamkeit des Systems.
@autostaedterin
„Wenn dieses das Ergebnis von 12 Jahre (Kampf)Einsatz der BW ist,“
Ihre Aussage berührt ein Grundproblem des Einsatzes militärisches Mittel durch unsere Gesellschaft.
Die Gesellschaftsordnung Afghanistans inkl. seiner barbarischen Behandlung von Frauen ist ein Ergebnis der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umstände des Landes. Militärische Gewalt kann solche Herausforderungen kurz- bis mittelfristig einfrieren. Lösen kann man sie jedoch, wenn man überhaupt will, nur mit politischen und wirtschaftlichen Mitteln. Daher ja die Idee von ISAF, dass Soldaten für das Sichere Umfeld sorgen und dann zivilgesellschaftliche Mittel (IGOs, NGOs, IOs, …) den Kern des Problems verändern.
Sie erwarten vom Werkzeug Militär Dinge, die es nicht leisten kann (befinden sich darin aber in bester Gesellschaft von vielen Mitgliedern der Exekutive und Legislative). Wir können Menschen erschießen oder sie im besten Falle davon abhalten andere zu töten/misshandeln. So lange auf jemanden zu schießen, bis er seine Weltanschauung oder sein Wertesystem ändert funktioniert nicht.
Leider hat der vielbeschworene ressortgemeinsame Ansatz in AFG nicht funktioniert. Die Streitkräfte haben einen Anteil geleistet, die nicht-militärischen Mittel sind dahinter weit zurück geblieben. Daher hat sich auch die ganze Betrachtung der letzten Jahre auf die Streitkräfte fokusiert und jetzt stehen diese als „Verlierer“ dar. Wenn jemand verloren hat, dann doch die politischen Entscheidungsträger, die den Einsatz zu verantworten haben aber nicht die (nicht-militärischen) Mittel zur Verfügung gestellt haben.
Fazit: Wenn Sie ein Haus bauen wollen und bestellen nur einen Klempner, dann hat dieser doch hoffentlich keine Schuld, wenn das Haus hinterher nicht steht…
Wenn Frauenrechte ein sicherheitspolitisches Problem Deutschland sein sollen, dann wäre die Liste der Staaten, in denen man Kriege führen müsste ohne von diesen bedroht zu werden, sehr lang.
afghan good enough.
genau das wollte die vereinigte anti-imp fraktion doch immer. einbindung der taliban, abzug der „besatzer“ und vor allem FRIEDEN. dann würde ganz bestimmt das hindukusch utopia entstehen ,mit kita und frauenquote. das kommt wohl davon wenn man aus blindem ressentiment gegen den „westen“ jedweden gegner desselben zum wackeren freiheitskämpfer stilisiert.
für alle realpolitiker ist der ganze komplex ein exempel bei der legitimation von einsätzen keinen moral mission creep zu betreiben. hätte sich von vorneherein auf die betonung des nationalen interesses an einer unterbindung von safe havens für internationale jihadis konzentriert hätte der einsatz schon vor geraumer zeit leidlich erfolgreich abgeschlossen werden können.
Vielen Dank an St.Michael – ich unterschreibe vollkommen was Sie angemerkt haben und hätte selber „autostaedterin“ gefragt, ob sie es wirklich bevorzugen würde, wenn die Bundeswehr mit militärischen Mitteln (für alles unterhalb der Schwelle militärischer -und somit im Zweifelsfall auch tödlicher- Gewalt, gibt es besser geeignete Akteure…) für die Durchsetzung unseres westlichen Wertekanons in AFG gesorgt hätte.
@ autostaedterin
Nüchtern betrachten kann man das Schicksal vieler Frauen in AFG nicht, keine Frage. Niemand kann und sollte das. Das habe ich auch nicht gemeint. Aber bei der Bewertung unserer Einflussoptionen haben wir gar keine andere Wahl, als „nüchtern“ im Sinne unserer eigenen Interessen zu handeln. Unsere Vorstellungen von Recht und Freiheit gewaltsam durchzusetzen, verbietet sich selbstredend. Gutes Zureden und ein Anpreisen unserer westlichen Kultur scheinen aber auch nicht sonderlich erfolgversprechend, wie wir sehen.
Bleibt also unter anderem das finanzielle Instrument. Und selbst da sind alle Optionen zweischneidig. Denn niemand weiß, ob ein denkbares Zudrehen der Geldquelle für die Afghanen sich nicht sogar lageverschärfend im Sinne der Menschenrechte vor Ort auswirkt. Einerseits verlieren wir mit diesem Druckmittel endgültig jeglichen Einfluss, der vielleicht noch geblieben ist, andererseits aber dürfen wir auch nicht zum automatischen Zahlmeister werden, der alles blind akzeptiert.
Insgesamt ist das alles ein Balanceakt mit lauter schlechten Lösungen und ohne jede Erfolgsgarantie. Traurig, aber wohl wahr. Und eine Lehre für die Zukunft und unsere beschränkte Macht, die Probleme dieser Welt zu beheben.
@ St. Michael
Ich stimme Ihnen in den meisten Punkten zu. Vor allem in der Einschätzung des Versagens des ressortübergreifenden Ansatzes in AFG.
Nur: Die einseitige Schuldzuweisung an die nicht-militärische Seite trifft den Kern nicht ganz. Auch dort wurde und wird gute Arbeit geleistet, dies z.B. von GO- oder NGO-Mitarbeitern, die über Jahre vor Ort verbleiben und mangels eines ständigen Kontingentwechsels über eine unglaublich tiefe Erfahrung verfügen. Da kann die militärische Seite, die übrigens einen Großteil ihrer Anstrengungen auf sich selbst (Unterbringung, Schutz, Versorgung) konzentriert, nicht mithalten. Mal ganz abgesehen davon, dass auch bei ihr Fehler gemacht wurden.
Der entscheidende Punkt ist nicht die Frage, wer nun mehr oder weniger als andere leistet. Diese Debatte führt nicht weiter. Entscheidend ist, dass es der so vollmundig behaupteten „Vernetzten Sicherheit“ in Wirklichkeit an Koordination, an übergreifender Führung und an einer glaubwürdigen, realistischen Strategie fehlte (und trotz einiger Fortschritte noch immer fehlt). National wie international. Da müssen wir ansetzen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen und damit Verantwortung bequem wegzuschieben.
Den Frauen in Afghanistan hilft das jetzt freilich recht wenig.
@ St. Michael
„Wir können Menschen erschießen oder sie im besten Falle davon abhalten andere zu töten/misshandeln.“
Gerade letzteres kann die Bundeswehr doch nicht, und hat sie auch nicht als ihren Auftrag in Afghanistan gesehen.
Genau dieses fehlende Interesse an der Sicherheitslage der Bevölkerung spielt doch genau hier rein. Die vielzitierten Mädchenschulen stellen ja nicht ihren Betrieb ein, weil die Bevölkerung dagegen wäre (das Gegenteil ist der Fall), sondern weil gewalttätige Fundamentalisten mit ihren Einschüchterungkampagnen Erfolg haben.
Und das gleiche greift doch auch oben: Fundamentalisiert sich innerhalb von 1-2 Jahren „die afghanische Gesellschaft“, oder gewinnen die Fundamentalisten angesichts des rasanten Wegbrechens der internationalen Unterstützung politisch-militärisch an Einfluss?
@ KaLeBe
„Uns bleibt kaum anderes übrig, als diesen negativen Trend zähneknirschend zu verfolgen, ohne im Grundsatz etwas ändern zu können.“
Wie kommen Sie auf das „nicht können“?
„Nicht wollen“, weil die BW den Einsatz nie ernst genommen hat und jetzt satt hat, ok.
„Nicht wollen“, weil die Bundesregierung endlich die Chance ergreifen kann sich die Resourcen und negative Presse zu sparen, die ihr ein wirtschaftlich und politisch eher nachrangiges Land und dessen Menschen nicht wert sind, ok.
Aber das „nicht können“ bedarf dann doch einer Begründung.
@ J.R.
Es geht in diesem Thread um die Rechte von Frauen in Afghanistan. Darauf war meine Aussage über unsere weitgehende und zugleich bedauerliche Machtlosigkeit bei der Wahrnehmung des negativen Trends (in dieser Frage) bezogen.
Die Begründung habe ich um 18:29 Uhr (s.o.) bereits geliefert. Ob wir immer das Richtige und davon genug tun, darüber lässt sich in der Tat streiten.
@KeLaBe
Wenn ich alleine den Finanzumfang sehe, der in zivilen Wiederaufbau investiert wurde und wenn ich diesen mit den Mitteln vergleiche, die der militärische Einsatz gekostet hat, so sehe ich einfach ein Ungleichgewicht in AFG.
Eine Schuldzuweisung gegenüber den Mitarbeitern der IOs, NGOs wtc. wollte ich sicher nicht vornehmen. Gute Arbeit hilft nur nicht, wenn sie nicht mit entsprechenden Mitteln hinterlegt ist.
@ J.R.
Ich glaube sehr wohl, dass wir 2009/2010 im Char Darreh gezeigt haben, dass wir (d.h. die Streitkräfte) kämpfen können und die Sicherheitslage auch beeinflussen wollen. Fehlendes Interesse konnte ich da nicht erkennen. Aber was hilft der Einsatz von militärischen Mitteln, wenn nach „Clear“ und einer aufgrund der wenigen Truppen nur sehr kurzen „Hold-Phase“ sich für die Bevölkerung mittel- bis langfristig nichts ändert.
Und aus Sicht derjenigen, die die letzte Meile zu Fuß gehen stellt sich dann schnell die Frage „Mourir pour Kaboul?“
Das ist aber nun bei weitem kein Afghanistan-spezifisches Problem, sondern eines, das mit den religiösen Gegebenheiten in der arabischen Welt zu tun hat. Seitens der Bundeswehr wurde leider immer wieder medienwirksam der Eindruck erweckt, dass die Rechte der Frauen ein Grund für den Einsatz seien. Kopflos rein….?
Wenn der Westen der Meinung ist, den Islam im Hinblick auf Menschenrechte und Frauenrechte grundlegend ändern zu können, dann ist das mehr als blauäugig und sowieso zum Scheitern verurteilt. Das klappt in Europa nicht und in den arabischen Staaten erst recht nicht. Das soll jetzt nicht nach einem schwarz-weißen Weltbild klingen, weil die Gegebenheiten im arabischen Raum auch sehr unterschiedlich sein können, aber annehmbar oder gar akzeptabel sind sie nach westlichen Maßstäben nirgendwo.
@ KeLaBe
Ihr Denkfehler ist, dass Sie die gerade stattfindende Fundamentalisierung als Phänomen der breiten afghanischen Gesellschaft sehen. Auch wenn Frauen in Afghanistan wenig zu lachen haben: Dem ist nicht so.
Vielmehr findet gerade eine schleichende aber stetige „feindliche Übernahme“ durch fundamentalistische Kräfte statt, die eben auch in Afghanistan nicht die Mitte der Gesellschaft stellen. Und die internationale Staatengemeinschaft schaut dieser Machtübernahme mit einem „So sind sie halt, die Afghanen“ zu. Oder eben eher weg.
Aber dieser Einfluss fällt nicht vom Himmel, der wird mit klassischen Mafia-Methoden erarbeitet: Präsenz vor Ort (auch durch das Erkaufen von Einfluss oder das Unterstützen von Randgruppen), Spitzelnetzwerk, Einflussnahme auf die Richter, Priester, Dorfältesten und Polizisten (Einschüchtern, Bestechen, „Weiterbilden“ oder gleich durch eigene Leute ersetzen), Erreichen des Gewaltmonopols.
Und die eigentliche Frage sollte doch sein: Warum sind einige dahergelaufene, verhaßte Pakistanis dabei besser als einige der resourcen- und bildungsreichsten Staaten der Welt?
Die knappe Antwort wäre wohl: Weil sie sich Mühe geben.
Den Deutschen ist das Treiben und die Situation der Dorfpolizei egal, die schulen keine Mullahs und Richter, die kümmern sich nicht um Landreform oder das Unterbringen von Heimkehrern, die unterstützten nicht bei katastrophalen Dürren und Fluten und erzwingen keine nicht ganz so korrupte Verwaltung. Nicht dass die deutsche Geschichte da nicht reich an Erfahrungen und Lösungsansätze wäre – aber das war halt hier, da war es wichtig. Drüben ist man halt nicht zuständig. Und hinterläßt wissentlich ein enormes Vakuum, das von der nächstbesten dahergelaufenen Deppentruppe gefüllt werden kann, wenn die nur für örtliche Verhältnisse ein klein wenig mächtiger ist.
Tatsächlich dürfte die sich verschlechternde Situation für Frauen doch schon die zweite Phase sein: Nachdem man halbwegs sicher im Sattel sitzt wird begonnen die eigene Ideologie umzusetzen. Das hat die Taliban schon einmal unbeliebt gemacht, und den Takfiris im Irak hat das damals das Genick gebrochen. Hätte man nicht soviel Vertrauen verspielt wäre das eigentlich noch ein Ansatzpunkt mehr.
@ St. Michael
Die Bundeswehr hat ein Jahr lang gekämpft (gegen wen eigentlich?). Aber sie hat eben nicht geschützt. Wie sie ja selbst schreiben, „Clear“ allein bringt nichts. (Wobei man bestreiten kann, dass es sich beim militärischen „Freikämpfen“ um „Clear“ handelt, das ist in der Theorie schon etwas mehr.) Schon beim „Hold“, was ja auch Aufgabe der Sicherheitskräfte ist, und erfahrungsgemäß ernstgemeintes Mentoring erfordert um erfolgreich zu sein, war die BW schon nicht mehr zuständig.
Das ist (oder sollte) jedenfalls eine Lehre für zukünftige Einsätze sein: Realistisch gesteckte Ziele mit den dafür erforderlichen Mitteln. Wer sich völlig überzogene Ziele setzt (und diese dann noch für die Begründung des Einsatzes vorschiebt), dazu aber nur unzureichende Mittel (Truppenstärke, robuste Ausstattung, RoE’s etc.) zur Verfügung stellt kann gar keinen Erfolg erwarten.
Die Truppe hat unter den gesetzten Bedingungen ihr bestmögliches getan (obwohl auch nicht ohne Fehler), ebenso die zivilen Kräfte.
Wenn ich eine ganze Gesellschaftsordnung, die jahrhundertelang einigermaßen funktioniert hat, von heute auf morgen ändern, muss ich halt damit rechnen, auf Widerstand zu stoßen…
@ xyz
„Das ist aber nun bei weitem kein Afghanistan-spezifisches Problem, sondern eines, das mit den religiösen Gegebenheiten in der arabischen Welt zu tun hat.“
An der Stelle sollte man sich vielleicht an die Bundesrepublick in den 50er erinnern. Durch Diktatur und Krieg bis in die gesellschaftlichen Grundfesten, erzkonservativ und sowas von spiessig-fassaden-christlich. Konfessional getrennte Kindergärten, Mädchenschulen mit Schwerpunkt Haushaltsführung, Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar, Kuppelparagraph, Unzuchtsparagraph etc.
Manchmal hat man hier den Eindruck, dass sich einige schon nicht mehr die Zeit vor den 68ern vorstellen können…
@Stephan L.
Wo wurden denn „völlig überzogene Ziele“ gesetzt? So wie ich das mitbekommen hab ging es in Afghanistan immer „nur“ um das Absichern des Nach-Taliban-Friedens, einen Minimalstaat der sich irgendwann selbst weiterentwickeln kann, und ein bisschen wirtschaftlichen Aufschwung und damit ein langsamer Anstieg an Wohlstand. Selbst das hat man nicht hingekriegt, und dann halt die Ausrede mit den „schweizer Zuständen“ erfunden.
Mehr als zehn Jahre nach dem Ende der Taliban fragen sich die Menschen in Afghanistan, ob es ihnen jetzt besser geht, und warum von den vielen Milliarden an internationaler Hilfe so wenig bei ihnen angekommen ist. Um Utopien geht es dabei gar nicht. Sehr wohl aber um enttäuschte Hoffnungen (die meist sehr niedrig angesetzt waren) .
„erzkonservativ und sowas von spiessig-fassaden-christlich“
Verletzt das die Menschenrechte?
“ Konfessional getrennte Kindergärten, Mädchenschulen mit Schwerpunkt Haushaltsführung“
Mädchenschulen gibt es heute ebenfalls noch, genauso wie Knabenschulen. Wir reden hier von Frauenrechten und nicht irgendeinem Gender-Zeug. Konfessional getrennte Kindergärten? Echt schlimm… Passender Kontrast zur Scharia.
„Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar, Kuppelparagraph, Unzuchtsparagraph etc.“
Steht davon was in der Bibel? Wurde man bei Verstoß gesteinigt? Man sollte schon vorher überlegen, ob und wie diese Paragraphen in einem Rechtsstaat (!) angewendet wurden und dann von ziemlich unangemessenen Vergleichen absehen. In Saudi-Arabien steht auf Homosexualität die Todesstrafe. Bloggen Sie lieber wieder über „Wehrmachts-Traditionalismus in der Bundeswehr“…
@ xyz
Sie können auch gerne zum 30ig-Jährigen Krieg oder den Bauernkriegen zurückgehen, wenn sie’s unbedingt blutig und barbarisch haben wollen. Aber auch dort beriefen sich beide Seiten auf das Christentum, aber eigentlich ging es was deutlich anderes.
Nur bezweifel ich, dass sie mit den Zuständen damals vertraut sind oder eine emotionale Verbindung damit herstellen können. Daher das deutlich zeitnahere Beispiel, das heutzutage eben auch schon wie aus einer anderen Welt erscheint.
Und analog sehen sich die Menschen in Afghanistan als gläubig, und es ist gesellschaftlich extrem wichtig als Gläubiger wahrgenommen zu werden. Jetzt ist die afghanische Gesellschaft, gerade auf dem Land, zwar stockkonservativ. Aber der Hanafi-Islam gibt gemeinhin als ziemlich gemäßigt, und die in Afghanistan prä-taliban verbreitete Auslegung als eher pragmatisch denn fundamentalistisch.
An der Stelle könnte man dann auch fragen, woher eine fundierte Koranauslegung denn bitte kommen soll. In den wahabitischen Koranschulen in Pakistan wird der Koran auf Arabisch auswendig gelernt, ohne dass Arabisch gelehrt wird. Und in Afghanistan, wo der Koran auf auf Persisch erlaubt ist, beträgt die Analphabetenquote unter Männern um 60%.
Das wird wohl niemand entschlossenens davon abhalten, Gott und Islam vor sein Weltbild und seine Agenda zu spannen. Aber ein Glaubenskrieg ist es eben eher nicht (auch wenn die Taliban-Propaganda das anders verkauft).
Aber hier wird man halt nicht müde, alles durch die „die Araber“-Brille zu sehen. Nicht dass Afghanen Araber wären, aber naja…
@ xyz
Und noch ein kleiner Nachtrag, der Vollständigkeit halber:
„Steht davon was in der Bibel? Wurde man bei Verstoß gesteinigt? […] In Saudi-Arabien steht auf Homosexualität die Todesstrafe.“
3. Mose 20.10:
„Wer die Ehe bricht mit jemandes Weibe, der soll des Todes sterben, beide, Ehebrecher und Ehebrecherin, darum daß er mit seines Nächsten Weibe die Ehe gebrochen hat.“
Recht im deutschen Raum bis 1794 (danach in Preußen Umwandlung in Gefängnisstrafe mit Prügel und anschließender Verbannung) :
„Strafe für Unzucht, so sie wider die Natur geschieht.
116. Ferner, wenn ein Mensch mit einem Vieh, Mann mit Mann, Frau mit Frau, Unzucht treiben, haben sie auch das Leben verwirkt, und man soll sie nach allgemeiner Gewohnheit mit dem Feuer vom Leben zum Tode richten.“
Jetzt könnte man sogar anmerken, dass im Osmanischen Reich Homosexualität schon 1852 straffrei war (von der Religion her nebenbei Hanafiten), während sich in Deutschland noch Wilhelm II gegen eine Straffreiheit wehrte und die Nazis Schwule ins KZ steckten. Nur sagen solche Stichpunkte über die tatsächlichen gesellschaftlichen Realitäten ziemlich wenig aus (und für Homosexuelle in der „islamischen“ Türkei dürfte die Situation nicht viel rosiger sein als im „christlichen“ Russland).
Ich muss zugeben, ich hab diese simplistische Religions-Schablone ziemlich satt, die jedesmal ausgekramt wird wenn es um den Nahen Osten oder Zentralasien geht. Weder hat Europa Aspekte wie die Aufklärung oder die Trennung von Staat und Kirche dem Christentum zu verdanken (sondern aus Notwendigkeit gegen das Gottesgnadentum durchgesetzt), noch sind die meisten Probleme in Konfliktregionen religiös motiviert.
Aber anstatt dass man ehrlich in der eigenen Geschichte nach Lösungen für das „Getting to Denmark“-Problem sucht, wird sich lieber auf ein hohes Ross gesetzt, von dem aus dann bestenfalls wohlwollend einem Karl May-Orientalismus mit Edlen Wilden gefrönt wird, und im Worst Case der Kampf der Kulturen/Religionen/Völker heraufbeschworen wird.
Statt dass wir den Menschen helfen, die die Probleme angehen, die die sich für uns in Europa zum Glück nicht mehr in der Form stellen, schmeißen wir sie lieber mit den ideologisierten Betonklötzen und skrupellosen Gewaltmenschen in einen Topf, gegen die sie eigentlich angehen. Aber ist vermutlich bequemer so.
Zitat J.R.: „Schon beim “Hold”, was ja auch Aufgabe der Sicherheitskräfte ist, und erfahrungsgemäß ernstgemeintes Mentoring erfordert um erfolgreich zu sein, war die BW schon nicht mehr zuständig.“
Das erzählen Sie mal all denen, die die Combat Outposts in den Provinzen Kunduz und Baghlan gebaut und später ergänzend zur ANA bemannt haben. Alle COPs dort wurden durch die Bundwehr gebaut und die Masse der Gefechte zum freikämpfen des Geländes und später zum halten geführt.
Sind nach Ihrer Meinung deutsche Mentoren beim nicht ernst gemeinten Mentoring gefallen oder verwundet worden?
@autostaedterin
Ja, prinzipiell sollte man das meinen. Um aber nicht wie eine Kolonial- oder Besatzungsmacht zu erscheinen, eine bessere Presse zu bekommen und die Fortschritte im Land größer erscheinen zu lassen, als sie waren (man wollte ja schließlich schnell abziehen), wurde eine machtlose afghanische Zentralregierung mit dysfunktionalen Regierungsorganen für souverän erklärt. Finanzmittel wurden in großem Umfang überwiesen, sollten aber mit „afghan face“ über afghanische Kanäle verteilt werden. Und als dies aufgrund von nicht funktionierenden Strukturen, Vetternwirtschaft, Korruption und Inkompetenz nicht funktionierte, wunderte sich die internationale Gemeinschaft, dass die afghanische Regierung sich jede Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten verbat und doch tatsächlich als souveräner Staat auf Augenhöhe behandelt werden wollte.
Da man selbst immer vom souveränen Afghanistan gesprochen hatte, konnte der Westen nun nicht zur Bevormundung ansetzen. Da das Gesamtprojekt sonst zusammengebrochen wäre, konnten auch die Finanzmittel nicht gestrichen werden, also wurde in dem Wissen weiter gezahlt, dass es keine Kontrolle über den Verbleib der Mittel gab und viel versickern würde. Aufgrund der eskalierenden Sicherheitslage und der enormen Finanzmittel wurde der Westen natürlich trotzdem als Besatzungsmacht und die Regierung Karzai als Marionette gesehen. Nun hatte man alle Nachteile einer Besatzungsmacht aber keine Vorteile – eine diplomatische lose-lose Situation.
Und das setzte sich von der politischen Ebene bis in den letzten Winkel Afghanistans fort:
– ein seit Monaten vom Gegner kontrollierter Raum wird durch ISAF und ANSF frei gekämpft und mit starken Kräften gehalten. Die zuständige afghanische Distriktregierung sieht keine Notwendigkeit Verbindung zur Bevölkerung aufzunehmen. Die Sicherheitskräfte sind vor Ort, GIRoA bleibt unsichtbar.
– ISAF schafft es nach monatelanger Sammlung von Erkenntnissen zu Korruption, schlechtem Management, mangelnder Kooperationsbereitschaft und Verbindungen zur organisierten Kriminalität unter Aufbietung aller Druckmöglichkeiten, dass ein Provinzgouverneur seines Amtes enthoben wird. Er wird als Gouverneur der Nachbarprovinz eingesetzt.
– and the list goes on and on…
Fazit: Nicht nur wurden zu geringe Kräfte und Mittel eingesetzt, um eine dauerhafte Verbesserung der Situation zu erreichen, auch die militärischen Kräfte und politischen Druckmittel, die vorhanden waren, wurden unentschlossen und ohne klare politische Überzeugung genutzt.
Mit Religion haben die Barbareien doch gar nichts zu tun. Religion wird zu allen Zeiten lediglich als Vehikel benutzt um engstirnigen Ungeist in die ungebildeteren Gesellschaftskreise zu transportieren und eben als Keule gegen Andersdenkende. Darum ist die Art der Religion auch vollkommen egal (Buddhismus vielleicht ausgenommen), sie soll das eigene Denken durch fremd Vorgedachtes ersetzen. So einfach ist das und so schwer zu ändern, denn man muß die Lizenz zum Selberdenken nicht nur besitzen, sondern auch nutzen.
Wahrscheinlich ist die Unterdrückung von Frauen wenig mehr als die Möglichkeit für machtlose Männer ihren Frust an den noch machtloseren Frauen abarbeiten. Ein bißchen religiös eingefärbte Sauce drüber und fertig. Wenn man den Unsinn dann auch noch lange genug durchhält, wird es zur Tradition und die muß dann noch heftiger verteidigt werden.
Man muß einen kleinen Teil der Schuld aber auch den Frauen zurückgeben, auch wenn sie das Ergebnis vermutlich so nicht wollten. Als Chomeini im Iran die Macht übernahm, waren die Straßen beinahe über Nacht voll von Frauen, die den Chador freiwillig und als Signal für ihre religiöse Rückbesinnung trugen. Und als das als Signal nicht mehr nötig war, wurden sie das Ding nicht mehr los. Ähnliches erleben wir ja auch hier bei uns, wenn Musliminnen ihr Kopftuch als Teil ihrer freien Lebensgestaltung in der Öffentlichkeit und vor Gericht verteidigen ohne zu sehen, daß sie am Deckel von Pandoras Büchse herumspielen.
Fortschreitende Bildung für die breite Masse war bei uns der Schlüssel zu einer freieren Gesellschaft, denn dadurch denkt es sich leichter selbst. Für einen solchen Prozeß sind die Jahre in AFG bei aller anzuerkennenden Bemühung einfach zu kurz und Dichte der Besatzungstruppen viel zu gering gewesen. Was nun folgt ist der Pendelausschlag zurück in Richtung MIttelalter und es kommt darauf an, daß die Frauen in den muslimischen Gesellschaften den nächsten Schwung in Gegenrichtung mitnehmen.
Eines eint uns mit den Fundamentalisten in Afghanistan und anderswo, sie sind genau so überzeugt von ihren Menschenrechten, wie wir auch.
Sehe ich genau so, Afganistan ist auf dem Weg zurück ins Mittelalter und die meisten dort wollen das wohl auch so, sonst würden sie was dagegen machen und sich nicht nur auf Ausländische Kräfte verlassen.
Die Gesellschaft muss den Wechsel wollen, Die Geschichte zeigt das immer wen die Menschen in einem Land zu sehr geknechtet wurden gab es Aufstände.
Das fehlt mir in Afganistan. So lange die Menschen dort die Herrschaft der Taliban inklusive ihrer, für uns abstrusen, Gedanken und Ansichten, solange wird sich auch nichts ändern. Da helfen auch keine ausländischen Militärs im Land.
@iltis
„Wahrscheinlich ist die Unterdrückung von Frauen wenig mehr als die Möglichkeit für machtlose Männer ihren Frust an den noch machtloseren Frauen abarbeiten.“
Historisch betrachtet sind komplementäre Geschlechterrollen (vulgo „Unterdrückung der Frau“) eher die Norm als unser Modell, und es ist alles andere als eindeutig, ob sich unser Modell als überlegen herausstellen wird. Zumindest demographisch und kulturell ist die Zukunft Afghanistans weitaus sicherer als die Deutschlands. Viele afghanische Frauen wollen zudem gar nicht so leben wie Frauen in Deutschland und empfinden aufrichtiges Mitleid mit kinderlosen, unverheirateten Bundeswehrsoldatinnen. Veranstaltungen der Bundeswehr, bei denen man die deutschen Soldatinnen gegenüber relativ gebildeten Afghaninnen als Vorbilder präsentieren wollte um die Afghaninnen zu stärkerem Einsatz für mehr Emanzipation zu motivieren, waren grandiose Fehlschläge. Auch in Deutschland fühlen sich kopftuchtragende Musliminnen meist nicht unterdrückt, sondern beziehen aus ihrer hohe Ansprüche stellenden Religion oft ein Gefühl der Überlegenheit und des Stolzes gegenüber von Laxheit gekennzeichneten Christen oder Atheisten. Vielleicht wird also auch diesmal die Welt nicht an unserem Wesen genesen.
@Westfale
Grandios, wie sie den Bogen von von Steinigung bedrohten Frauen zur Kopftuch tragenden Muslimin in Deutschland schlagen… Auch sehr hübsch die Bezeichnung komplementäre Geschlechterrollen für Umgang mit Frauen bis hin zum Mord…
@T.Wiegold vers. Westfale
Wenn ich es richtig lese, entrüsten sie sich erheblich, Herr Wiegold. Warum eigentlich?
Die Äußerungen von Westfale zeichnen, meiner Meinung nach, nur ein differenziertes
Bild auf. Das aber ohne die schlimmen Entgleisungen gut zu heißen. Menschen können völlig unterschiedlich denken und vor allem fühlen. Wer bin ich, einer afghanischen Frau
zu erklären, Kopftuch ist doof, um viele Kinder kümmern ist doof und uns
eben noch so an Vorurteilen einfällt ist ebenfalls doof. Es gibt sicherlich auch afghanische Frauen die gerne nach westlichem Vorbild leben wollen. Ob das besser oder schlechter ist
erlaube ich mir nicht abschließend zu bewerten.
@BausC:
Ich denke der westliche Grundsatz ist der der Wahlfreiheit. Um frei wählen zu können muss man beide Systeme kennen (oder derer mehr sofern vorhanden).
Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Aussage von Westfale ebenso wie eine von Ihnen so wahrgenommene ( und von T.W. so gemeinte? ) Entrüstung. Wir tendieren eben dazu, die Dinge vor unserem subjektiven Erfahrungshorizont zu betrachten.
Das dies mal weg vom Frauenbild durchaus gefährlich ist zeigen der Versuche der UN in Afrika den Menschen mit der Demokratie das Allheilmittel zu präsentieren – wohl gemerkt regelmäßig Nationen, die mit Demokratie wenig oder keine Erfahrung hatten. Das ging regelmäßig deutlich daneben.
Ungeachtet dessen hat das Frauenbild neben der Gesellschaftlichen Rolle insbesondere in Afghanistan und vergleichbaren Ländern objektiv ein paar Fehler, die vor den Vereinbarungen im Bezug auf Menschenrechte nicht tolerabel sind. (Zum Beispiel wenn in entsprechenden Kulturen die vergewaltigte Frau als Ehebrecherin tituliert wird und wir uns im aktuellen Kontext auch mit der Strafe für Ehebrecherinnen befassen.)
Das sollten zwei Bereiche sein, die man tunlichst trennen sollte, denn ansonsten sind wir hier vielleicht nicht im O.T., doch wohl im Bereich der moderativen Schwerstarbeit für T.W. ;)
So, ich bin raus… genug Verwirrung gestiftet für heute.
Ja, ich entrüste mich. Denn der Ausgangspunkt waren nicht verschiedene Kultur- und Gesellschaftsnormen, sondern die Meldung über einen deutlichen Anstieg der Gewalt gegen Frauen und die anscheinend beabsichtigte Wiedereinführung der Steinigung im normalen afghanischen Strafrecht.
Und da geht’s nicht um die vergleichsweise läppische Frage, ob Frauen freiwillig das Kofptuch tragen oder nicht. Sondern, wie es Kerveros dankenswerterweise auf den Punkt gebracht hat: Ungeachtet dessen hat das Frauenbild neben der Gesellschaftlichen Rolle insbesondere in Afghanistan und vergleichbaren Ländern objektiv ein paar Fehler, die vor den Vereinbarungen im Bezug auf Menschenrechte nicht tolerabel sind.
Zitat: „Ungeachtet dessen hat das Frauenbild neben der Gesellschaftlichen Rolle insbesondere in Afghanistan und vergleichbaren Ländern objektiv ein paar Fehler, die vor den Vereinbarungen im Bezug auf Menschenrechte nicht tolerabel sind.“
Die Frage ist doch, können die westlichen Staaten das ändern? Mit militärischen Mittel offensichtlich nicht. Sonst hätte sich inn den letzten 12 Jahren etwas geändert. Hat sich aber nicht, ganz im Gegenteil.
Bleibt nur sich zu entrüsten wie schlimm das alles ist. Selbts auf der politischen Schine ist eine Änderung der Situation kaum Möglich. Wie also sollen die Ümstände und Zustände in Afganistan geändert werden?
Wäre interessant zu erfahren, wie die männliche afghanische Bevölkerung zu motivieren wäre, mehr im Interesse ihrer Frauen zu tun. Vieles was zunächst nur die Frauen betrifft, erreicht die Männer indirekt später auch, z.B. die schlechte medizinische Versorgung (v.a. bei Schwangerschaft).
Sie wollen gar nicht wissen, wie manche Bedingungen in den Dörfern für die Frauen sind. Da schafft man es, den Dörfältesten zu überzeugen, dass eine Ärztin Frauen untersucht. Die stellt bestimmte Krankheiten fest und gibt Medikamente. Manches überträgt sich / es aber durch den Mann. Der widerum lässt sich natürlich nicht untersuchen, schon gar nicht von der Ärztin, ausserdem ist er ja gesund … meint er zumindest. Seine Frau auch, bis zum nächsten Verkehr …
Und wenn Sie stirbt, heiratet er die nächste, ist dann ja auch jünger.
In den Städten sieht es wiederum teilweise deutlich besser aus. Ist ja nicht so, dass ganz Afghanistan schon immer Mittelalter war. Machen sie sich mal schlau, wie es in Kabul in den 70ern war, moderne Stadt, kurze Röcke etc., glaubt man heute gar nicht.
@autostädterin: Ihre Frage ist relativ einfach zu beantworten: Bildung – und Zeit, denn das dauert. Der Vater einer Kollegin ist Afghane, hat sich aber seit Jugendjahren in aller Welt umschauen können (sicher privilegiert). So hat er ein Frauenbild, das dem Durchschnitt bei uns nicht unähnlich ist und entsprechend hat seine Tochter alle Möglichkeiten des deutschen Bildungsbürgertums.
@Westfale: Frauen sind in der Regel rein körperlich unterlegen, dafür sorgt schon alleine die traditionelle Bekleidung. Da stellt sich die Frage, ob eine Muslimin sich der Tradition unterwerfen möchte oder nicht erst gar nicht. Sie will entweder oder sie wird gewollt. Afghanistan ist voller Steine…
@autostädterin:
Auch wenn ich mich jetzt selbst wiederlege indem ich mich heute zu einem zweiten Posting hinreissen lasse.
Aghanistan war vor 40-50 Jahren sehr deutlich auf dem Weg zu westlichen Verhältnissen. Damals liefen in Kabul Afghaninnen zwar vielleicht noch mit Kopftuch, gleichzeitig aber durchaus auch im Minirock herum. Bildung war nicht unbedingt Exklusivrecht der Männer. Was hat das geändert? Ein paar Dekaden des Krieges und der Radikalisierung.
Was will ich damit sagen? Umkehrschluss: Frieden und Wohlstand führen oftmals zu einer Liberalisierung.
Wie man die erreicht? Sicherlich nicht mit Waffeneinsatz… die Zuständigkeit läge gem. vernetztem Ansatz bei AA, BMI und BMZ…
Schlechte Versorgung bei Schwangerschaft? (jetzt bitte nicht missverstehen, aber:) Wenn ich 30 Kinder mit 4 Frauen habe und davon 20 überleben, dann sind das immer noch genug. (Ende des zynistischen Einwurfs)
„Bildung – und Zeit“ selbst das würde ich nicht unterschreiben. Sehen sie sich doch nur mal unter den Migranten in DEU um, nicht den Neuankömmlingen, sondern der 3ten Generation. Wie einzelne plötzlich in traditionelle Verhaltensmuster zurückfallen, sobald die eine eigene Frau haben. In der Regel funktioniert das nur, wenn ich auch komplett aus meiner alten Struktur weg bin, und nie wieder zurückgehe und mich dem sozialen Druck der Familie und Gemeinschaft entziehe.
Hier in der dritten Generation leben oder im Gastland ankommen sind zwei Paar Stiefel. Damit sind wir beim Thema Integration und zwar einer, die mengenmäßig die aufnehmende Bevölkerung nicht überfordern darf. Das wissen wir zwar inzwischen, können aber die Fehler der letzten 50 Jahre kaum korrigieren. Weder die mißlungene Integration noch das Mengengerüst.
Es ist wie auf Malle, als die ersten Germanen kamen. Als Urlauber gern gesehen, brachten sie Geld ein und Ansehen im Ausland und vor allem: Sie gingen auch wieder. Inzwischen ist die einheimische Bevölkerung in solchen Gebieten überfordert und sie haben abzüglich des Wohlstandsgefälles ähnliche Desintegrationsentwicklungen.
@Kerveros: Zustimmung – Die zugewanderten Afghanen aus der Zeit der sowjetischen Besatzung sind in hohem Maße integrationswillig (nein, nicht assimiliert), bzw. haben diesen Prozeß weitgehend abgeschlossen.
@diba:
„Sehen sie sich doch nur mal unter den Migranten in DEU um, nicht den Neuankömmlingen, sondern der 3ten Generation.“
Auch das ist relativ einfach erklärbar – inbesondere wenn man zum Beispiel mit modernen Türken aus der heutigen Türkei spricht.
Seinerzeit wurde ja nicht die geistige Elite importiert, sondern billige Arbeitskräfte. Eine weitergehende Integration war nicht geplant. Immerhin hatte diese Generation den Willen sich zu bewegen und in der Fremde Fuß zu fassen – gleichzeitig aber auch eine Heimat.
Die zweite und noch mehr die 3. Generation ist ist Deutschland eher isoliert, regelmäßig aber auch in den entsprechenden Herkunftsländern nicht wirklich akzeptiert – und da verfällt man eben in bewährte Muster.
Das ist nicht nur in Deutschland so. Hinzukommt, dass man dann Subkulturen bildet, in denen man ’seine‘ Kultur pflegt und äußere Einflüsse ausblendet.
Einfaches Gedankenspiel ‚im Kleinen‘: Abiturjahrgangstreffen nach 20 Jahren – zu wem setzen Sie sich an den Tisch? Zu denen, mit denen Sie schon zu Schulzeiten gut konnten oder zu ‚den anderen‘?
20 Jahre ABI 2014 – zu meiner Ex Freundin – die ist heute noch eine heisse Braut …
Und genau deine Argumetntation trifft auf die Masse der afghanischen Bevölkerung zu.
Aber interessanterweise nicht ausschliesslich, auch die „geistige Elite“ ist davor nicht gefeit.
@J.R. Abgesehen von „alttestamentarischen“ Bezügen in der Rechtsprechung, die es bei uns noch vor wenigen Jahrhunderten gegeben haben mag, gilt für die Christen das „Neue Testament“, was bekanntlich einen anderen Tenor hat, der aber auch nicht „jedem“ in Deutschland gefiel:
„Wir haben eben überhaupt das Unglück, eine falsche Religion zu besitzen. Warum haben wir nicht die der Japaner, die das Opfer für das Vaterland als das Höchste ansieht? Auch die mohammedanische Religion wäre für uns viel geeigneter als ausgerechnet das Christentum mit seiner schlappen Duldsamkeit.“
A. H., zitiert in Speer, Erinnerungen, Frankfurt 1969/89, Seite 110
@Diba:
„auch die “geistige Elite” ist davor nicht gefeit.“
Sonst hätte ich ja auch mit Hauptschulabsolventen argumentiert ;)
Ungeachtet dessen sind die Gebildeteren regelmäßig aufgrund des auch größeren Erfahrungshorizontes ein wenig geistig flexibler. Sicherlich sind die Problemstellungen ohnehin auch komplexer, als ich sie gerne in meiner simplizierenden Art und Weise darstelle.
Man kann aber durchaus die Analogie zum arabischen Frühling sehen und im Hinblick auf die Verfügbarkeit moderner Medien, der Erweiterung des Horizontes und dem damit wachsenden Anspruch.
Bitte ohne das man mir etwas reindichtet wird. Gibt es eigentlich Erkenntnisse darüber wie weit die Gewalt gegenüber Männern zugenommen hat?
diba | 26. November 2013 – 15:05
Ja, ich habe den Artikel über die siebziger Jahre bei Spiegel Online gelesen. Offensichtlich wollten zu wenige diesen Fortschritt verteidigen.
Kerveros | 26. November 2013 – 15:14
Ich unterstelle mal, dass auch afghanische Männer gelegentlich Gefühle für ihre Frauen (vielleicht sogar Zuneigung und Liebe) entwickeln und unglücklich sein dürften, wenn sie im Kindbett stirbt oder verletzt wird. Die medizinischen Möglichkeiten sollten doch bekannt sein, warum nicht mehr Solidarität mit ihren Frauen? (Auch wenn es in Mitteleuropa nicht so ist, eine Schwangerschaft ist lebensgefährlich).
@BausC:
„Bitte ohne das man mir etwas reindichtet wird. Gibt es eigentlich Erkenntnisse darüber wie weit die Gewalt gegenüber Männern zugenommen hat?“
Mal rein ohne konkrete Quellen in den Raum gestellt – ich meine mich an diverse Fälle zu erinnern, die teilweise auch hier angesprochen wurden, in denen Andersdenkende oder eher westlich orientierte Männer genauso Opfer wurden; neben den klassischen Gründen wie Vorwurf der Kollaboration etc.
Ebenso war ja auch jüngst (siehe dieses Blog) etwas zum allgemeinen Anstieg der Gewalt zu lesen der sicherlich auch die Männer betrifft. Ungeachtet dessen ist Gewalt gegen Frauen kulturell anders verankert als gegen die Männer, soll heissen:
Die Gründe aus denen man dabei gegen Männer vorgeht wären 1:1 auf die Frauen übertragbar – umgekehrt gilt dies wohl nicht.
O.T.: Was sollte man da denn reindichten?