Transatlantische Freundschaft und das Merkelphone

Schaeuble + Merkel

Die Abhöraktionen des US-Geheimdienstes NSA (auch) gegen Deutschland spielen hier im Blog, themenbedingt, nur am Rande eine Rolle. Dennoch dürfte die Dokumentation mit verschiedenen Details des heutigen Mittwochs hier interessieren:

Am frühen Nachmittag, in der Bundespressekonferenz, kam die NSA und ihre Aktivitäten zur Sprache. Allerdings war da der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Knut Jens Teschke, noch ganz auf Entspannungskurs.

FRAGE: Ich hätte ein paar Fragen zum Thema NSA, und zwar wollte ich wissen, ob es noch laufende Anfragen gegenüber den USA und Großbritannien gibt. Wenn ja, welche? Weiß man schon abschließend, ob diese Berichte über das Ausspähen von EU-Vertretungen in Washington, New York und Brüssel zutreffend waren?
TESCHKE: Dazu kann ich Ihnen zumindest sagen, dass wir nach wie vor im Gespräch mit den amerikanischen und auch mit den britischen Behörden sind. Wir hatten ja schon vor einiger Zeit einmal Zwischenergebnisse bekommen, nämlich dass die USA keine Industriespionage betreiben, dass es keine wechselseitige Beauftragung der Nachrichtendienste zur Ausspähung der eigenen Staatsbürger gibt und dass Inhaltsdaten nur zielgerichtet erhoben worden sind, wenn es sich um Terrorismus, Kriegswaffenkontrolle oder organisierte Kriminalität handelt. Aber wir sind, wie gesagt, nach wie vor im Gespräch.
Wir haben erste Gespräche geführt, bei denen es dann auch um die Deklassifizierung von Dokumenten ging. Für diesen Freitag war im Grunde ein Treffen mit der EU-Gruppe vorgesehen. Dabei wäre es um das Thema „EU-Ausspähungen“ gegangen. Das hat die amerikanische Seite allerdings noch einmal verschoben, und zwar mit Verweis auf den „government shutdown“, der jetzt zwar beendet ist, aber wegen dessen einiges liegen geblieben ist. Es soll nun ein weiteres Treffen am 6. November geben.
ZUSATZFRAGE: Habe ich das richtig verstanden, dass die Bundesregierung bisher davon ausgeht, dass den Geheimdiensten dieser Länder kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist?
TESCHKE: Wir befinden uns, wie gesagt, in Gesprächen. Aber wir haben teilweise erkennen können, dass etliche Vorwürfe, die von Herrn Snowden in den Raum gestellt wurden, nicht mit Substanz anzureichern sind, und hinsichtlich anderer Themen haben wir auch herausgefunden, dass es keine massenhafte Ausspähung von unbescholtenen Bürgern gab.
ZUSATZFRAGE: Wie bewerten Sie jetzt, wo Sie mehr Informationen haben, im Nachhinein die Empörung, die es hierüber anfänglich in Deutschland gab, auch vonseiten der Bundesregierung, natürlich mit dem Vorbehalt der Klärung der Tatsachen? War die verfrüht oder vielleicht etwas zu hoch gestachelt? Das kam ja auch von der Bundesregierung und von der Kanzlerin.
TESCHKE: Ich glaube, es gab vor allen Dingen eine mediale Aufregung, die stattgefunden hat. Die Bundesregierung hat von vornherein immer klargemacht, dass man mit den amerikanischen und britischen Partnern sprechen muss. Sie erinnern sich: Der Bundesinnenminister ist dann auch sehr schnell in die USA gefahren. Minister Friedrich hat außerdem immer klargemacht, dass es natürlich aus Sicherheitsgründen auch einen engen Austausch mit den Diensten geben muss und dass wir immer davon ausgegangen sind, dass das auf rechtlich völlig einwandfreier Basis stattfindet.
ZUSATZFRAGE: Dieser Austausch mit den Diensten ist nicht beeinträchtigt worden?
TESCHKE: Wir arbeiten nach wie vor selbstverständlich mit den amerikanischen, den britischen und anderen befreundeten Diensten zusammen. Wir müssen auch einfach mit den Diensten zusammenarbeiten, weil das für die Sicherheit in Deutschland und in Europa sinnvoll und gut ist.

Dieses Abwiegeln, es handele sich überwiegend um eine mediale Aufregung, schien dann später am Tag nicht mehr am Platz. Als nämlich der Spiegel berichtete, es gebe Hinweise, dass US-Nachrichtendienste das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört hätten. Auf diese Meldung reagierte am Abend Regierungssprecher Steffen Seibert mit einer vage gehaltenen, aber hinreichend deutlichen Erklärung:

Die Bundesregierung hat Informationen erhalten, dass das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin möglicherweise durch amerikanische Dienste überwacht wird. Wir haben umgehend eine Anfrage an unsere amerikanischen Partner gerichtet und um sofortige und umfassende Aufklärung gebeten.
Die Bundeskanzlerin hat heute mit Präsident Obama telefoniert. Sie machte deutlich, dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht. Unter engen Freunden und Partnern, wie es die Bundesrepublik Deutschland und die USA seit Jahrzehnten sind, dürfe es solche Überwachung der Kommunikation eines Regierungschefs nicht geben. Dies wäre ein gravierender Vertrauensbruch. Solche Praktiken müssten unverzüglich unterbunden werden.
Im Übrigen äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Erwartung, dass die US-Behörden Aufklärung über den möglichen Gesamtumfang solcher Abhörpraktiken gegenüber Deutschland geben werden und damit Fragen beantworten, die die Bundesregierung bereits vor Monaten gestellt hat. Als enger Bündnispartner der Vereinigten Staaten von Amerika erwartet die Bundesregierung für die Zukunft eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit.
Der Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister Ronald Pofalla, ist heute Nachmittag mit dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann, und dem stellvertretenden Vorsitzenden, Michael Grosse-Brömer, zu einem Gespräch zusammengekommen und hat sie über die im Raum stehenden Behauptungen informiert.
Daneben fanden in Berlin hochrangige Gespräche mit Vertretern des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums statt, mit dem Ziel, die Sachverhalte aufzuklären. Diese Gespräche müssen fortgesetzt werden.

Auch vom Sprecher des Weißen Hauses gab es eine Stellungnahme. Die allerdings, wie die Kollegen von der Washington Post anmerkten, die entscheidende Frage offen ließ:

White House Press Secretary Jay Carney told reporters that Obama told Merkel during a Tuesday phone call – initiated by the German chancellor – that the United States „is not monitoring and will not monitor“ her phone conversations. Asked whether the statement left open the possibility that the NSA has swept up Merkel’s calls in the past, Carney said he did not have an answer to that question.

Das Thema bekommt damit, vielleicht, eine neue Qualität. Und wird von der Bundesregierung nicht einfach für beendet erklärt – wie es ja schon mal versucht wurde.

 (Foto: Merkel und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit Mobiltelefon auf der Regierungsbank im Bundestag, Januar 2013 – Raphael Huenerfauth/photothek.net)