Kundus: Flashback 2009
Das gehört noch als Nachtrag zum Kundus-Rückblick: Die Situation in der nordafghanischen Provinz im Juni 2009, gesehen von Al Jazeera. (Und ich hätte gerne die realistische Einschätzung, ob sich die Lage wieder der von damals annähert. Nur, von wem?)
(Direktlink: http://youtu.be/Y6S3OwOLFr8)
Gute Frage.
Woran bewertet man die Lage?
Anzahl der Angriffe auf ISAF/ ANSF (SIGACT/EIA)?
Die geringe Aussagekraft dieser Zahlen wurde hier ja schon öfter diskutiert.
Weder theoretisch noch empirisch eine wirklich gute „metric“.
Diese Lehre ist nicht neu – wurde aber erst kürzlich wieder gelernt:
https://cdr.lib.unc.edu/indexablecontent?id=uuid:2ed34353-d863-46a5-bd90-43d0ae056740&ds=DATA_FILE
Selbst das CSIS (Cordesman), dass bisher sehr zahlenfixiert war, hat dies erkannt.
Was wäre alternativ sinnvoll?
Zum einen – mit Blick auf den Auftrag – der Zugang von Gebieten durch NGOs.
Leider sind die Quartalsberichte von ANSO/ INSO nicht mehr frei verfügbar.
Ein anderes Merkmal (von Daddis, s.o.) wären die Hinweise der Bevölkerung an die ANSF über verbrachte IED. Auch diese sind nicht öffentlich zugänglich.
Die Zahl der Angriffe der INS auf Regierungsvertreter wäre aus meiner Sicht recht aussagekräftig. Da sieht es im Vergleich zu 2009 recht ähnlich aus – oder noch schlimmer?.
Und und am Ende ist eine rein metrische Heransgehensweise (wie in den USA verbreitet) wohl auch nicht hinreichend. Qualitative und quantitative Methode solten ein gesamtbild ergeben, dass aber stets zu einem gewissen Grad subjektiv bleibt.
Denn Krieg ist weiterhin die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Wer macht sich über all das in der Bundeswehr Gedanken?
Memoria | 07. Oktober 2013 – 12:17
„Wer macht sich über all das in der Bundeswehr Gedanken?“
Wir haben doch lauter so Einsatzführungsdinger und so, da wird’s doch wohl jemanden geben….
http://www.youtube.com/watch?v=rm81LSKJC2k
@memoria
“Wer macht sich über all das in der Bundeswehr Gedanken?”
Das mgfa allerdings mit bezug auf eine andere armee
Wie schwer man sich hiermit – auch NATO-weit noch tut, zeigt ein NATO RTO-Bericht über „operational assessment“ aus dem September 2012:
„6.6 (…) Most participants in the interviews and workshops noted inconsistency in the use and production of assessments between nations, regions, command levels and unit/formation rotations. Contributing factors were no or limited prior experience of assessment, the lack of a common lexicon and terminology, limited understanding of the purpose, implementation and exploitation of assessments, a lack of social science
subject-matter expertise and limited understanding of the campaign aims at lower levels. Training in a number of these areas would contribute to a substantial improvement in the quality of assessments.“
http://ftp.rta.nato.int/public/PubFullText/RTO/TR/RTO-TR-HFM-185/$$TR-HFM-185-Pre-Release-ALL.pdf
Aber in jedem Plan stehen MOPs and MOE :-), vielleicht lässt sich ueber deren Varianzen und Variabilitaeten (inkl. der Parameterauswahl zum jeweiligen Zeitpunkt) geteilt durch die jeweilige Politische Stimmung was herleiten…
Das Thema „Operationalisieren und Messen eines Fortschritts“ wäre sehr gut geeignet, durch Methoden des Operations Research / System Analysis bearbeitet zu werden. Leider hat die Bundeswehr nach zögerlichem Anfang nie den richtigen Einstieg in diese nachprüfbare Methodik gefunden. Ohne Ziel und ohne Fortschrittsmessung ist halt alles im Einsatz wie früher von den sogenannten „Expertenmeinungen“, d.h. zum Teil von unstrukturiertem Bauchgefühl abhängig. Aber das ganze Thema wäre doch mal eine Befassung durch zuständige Bereiche der Politik (Vtdg-Ausschuß?) wert.
@Lollo9900
Messbarkeit schafft Transparenz….
Ubd selbst wenn man es operationalisieren koennte, in einem anderen Thread sprach jmd vom Erreichbaren ( auch dies mE leider nur ein ex post cathedra Mass), waere fuer die einen das Glas halbvoll und fuer die anderen halbleer…. Sicherheit und Stabilitaet sind Zustaende…. aber leider nicht immer Endzustaende…. und das Ganze kann beliebig schnell kippen…. Clausewitz hst nicht umsonst die Friktion in sein ansonsten lineares Modell eingebaut…. und da galt immer nur Truppe gegen Truppe…
welche incentive sollte es denn für politische akteure an überprüfbar falsifizierbaren metriken geben?
da könnte sich ja jemand hinstellen und wissenschaftlich fundiert ein scheitern konstatieren.
politik ist die kunst des möglichen. unmöglich=scheitern darf es es nur für die „anderen“ geben
politics 101.
Die Frage ist wer was will:
Militär: Eigentlich eine realistische Aussage, aber eigentlich will ich noch was werden.
Politik: Es war alles in Ordnung und gut so.
Die beteiligten Soldaten: Sagt doch mal die Wahrheit!
Also mein Herr,
für welches Schweinchen würden Sie sich entscheiden?
Werferfehler
Als jemand, der 2009 und 2011 im Einsatz war und heute von Kameraden hört, was passiert,stelle ich die Froschperspektive eines Mannschafters dar:
Nach der Erkenntnis (innerhalb der Führung Eichenlaub aufwärts), dass im Einsatz gekämpft werden muss und dieses 2009/10 endlich mal erlaubt wurde, ist der deutsche Anteil ISAF von ‚clear‘ zu ‚hold‘ gestolpert und dabei hängengeblieben. Die vermeintliche Sicherheit, dank der Inaktivität der (zurrecht) verwirrten insurgents, ob der kämpfenden Deutschen, hat man sich auf verschiedenen Höhen, FOBs oder PHQs niedergelassen und nicht gewusst, ob man weiterhin bei ‚clear‘ bleiben muss (weil die Insurgenten nur ausgewichen und abgetaucht waren) oder der ‚rebuild‘-Part angegangen werden muss. Aus eigener Verwirrung ist man wieder zur „Präsenzpatrouille“ übergegangen, hat sich ansprengen lassen oder den Feind ausweichen lassen; dieser nutzte zusätzlich alternative Taktiken (Innentäter, Ausschalten der Führungs- und Kontaktpersonen), denen man sich nichtgewachsen sah.
Zwischendurch kam vom Außenminister die Erfolgsmeldung „Abzug 2014“, spätestens damit war klar, dass man nichts mehr gewinnen würde, „Eigensicherung“ wurde wieder zur obersten Priorität und den Taliban war klar, wer jetzt noch Feind war – die zurückbleibenden ANSF und politische Gegner.
Seitdem haben sich die Deutschen mehr und mehr zurückgezogen/auf den Abzug vorbereitet, die Taliban sich wieder verbreitet und wir befinden uns Anfang 2009 2.0, mit dem Unterschied, dass ISAF nicht wieder Hauptgegner wird und die Taliban 4 Jahre Erfahrung mehr haben.
Vielleicht nicht die Einsschätzung, die der sachlichen Kompetenz dieses Blogs gerecht wird, aber eine persönliche Alternative. Ein Gedanke noch, der in meinem letzten Einsatz öfter geäußert wurde: „Vielleicht räumt die ANA mal richtig auf, wenn ISAF ihr nichtmehr auf die Finger schaut.“
@Wurzelbert:
Diese BdL zeigt einmal mehr, dass wir eben wirklich „strategische (Oberstabs-)Gefreiten“ haben. Sehr treffende Zusammenfassung.
@Lollo9900:
OR und System Analysis sind aus meiner Sicht in der derzeitigen Auslegung eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Sie verengen die Sichtweise oftmals auf quantifizierbare Variablen und erschweren so teilweise sogar das Gesamtverständnis. Verschiedene Publikationen über die ORSA-Aktivitäten bei ISAF legen dies nahe (http://www.usnwc.edu/getattachment/e8262311-4922-4b8c-b14c-8714992130ba/Operations-Assessment-in-Afghanistan-Is-Broken–Wh).
Selbst bei RAND (den Miterfindern von OR) ist man hier immer kritischer:
http://www.rand.org/content/dam/rand/pubs/monographs/2012/RAND_MG1086.pdf.
Ohne klares Verständnis des Kontextes bleibt man in einem Fehlerkreislauf gefangen, siehe: http://www.usnwc.edu/getattachment/6ed0e5cd-621f-44c3-b40d-913cad7e8c48/Why-Operations-Assessments-Fail–It-s-Not-Just-the, S.95/96.
Eine weitere – aktuelle – Stimme zu diesem Problem:
http://warontherocks.com/2013/10/are-we-winning-yet-led-astray-by-metrics/
@wacaffe:
Das MGFA bzw. ZMSBw könnte hier sicher wichtige Impulse geben, aber zusammen gefasst und vorallem in die Ausbildung integriert werden müßte es von der FüAk.
Genug schlaue Leute hierfür hätte man und kann auch ohne Probleme externe Expertise dazu holen. Es wäre gerade jetzt Zeit dafür.
Aber interessiert sich der GenInsp für Derlei?? Sollte er eigentlich.
@ Soenke Marahrens | 07. Oktober 2013 – 17:07 und @Lollo9900 | 07. Oktober 2013 – 16:45–
Ich denke, dass es diese Personen gibt, die auswerten und Berichte schreiben. Und ich denke, dass diese das auch gut können und machen. Mich treibt denn auch mehr die Frage um, ob und in welchem Umfang Kommandeure diese Informationsaufbereitung für Weiterbildungen nutzen (können).
Ich meine: da gehört es letztlich hin. Mir gefällt das Konzept der SKB -alles in einem (Fähigkeits-)Kommando: Schule, Amt bzw. Stab der Kommandobehörde, Weiterentwicklung und Einsatzgesteller- grundsätzlich gut. Sie bietet konzeptionell wie strukturell und organsatorisch die Möglichkeiten so etwas zu machen und zu nutzen, ohne 120 Umwege gehen zu müssen. Natürlich: dort kann man das, und mein Gedanke soll keine Kritik an die anderen TSK sein, die ganz sicher anderen Zwängen folgen müssen. Allein auch diese sollten sich aber des Grundgedankens bedienen, der hinter dem „Konzept SKB“ steht.
Andererseits sei als Replik auf Ihre Posts nochmal klar benannt: Das Planungsamt der Bundeswehr, als selbsterklärte […]zentrale Stelle für alle Fragen der Weiterentwicklung der Bundeswehr insgesamt und im Speziellen der Streitkräfte.[…], hat einen einsatzerfahrenen Mann an der Spitze. Ich denke schon, dass er weiß, was die Bw von solch einem Amt erwarten darf. Aber auch mal sehen, wie der Generalinspekteur das Amt positionieren wird: als reines „Arbeitsamt“ der Abteilung Planung oder auch als Dienstleister für die TSK.
@Sachlicher:
Das Planungsamt versteht sich wohl weniger als Dienstleister der TSK/ OrgBer, sondern eher als deren Zuchtmeister.
Und das mit Recht.
Leute die das ganze Geschehen umfassend auswerten kann ich bisher nicht erkennen. OR tut dies sicher nicht, das PlgA wohl auch nicht, das EinsFüKdo auch nicht, das BMVg schon gar nicht. Ja irgendwann vielleicht das ZMSBw – aber wie fließt es dann in die Ausbildung ein?
@Sachlicher
Ich denke man kann als Org Form alles schaffen, wenn aber die innerbetriebliche Org Kultur auf „stovepiped“ steht….bleibt es bei der Org Huelse.
Ich denke, es war Memoria der berichtigterweise auf das Fehlen von horizontalen Informationsaustauschplattformen wie Truppenausbildung in Wort und Bild oder die Truppenpraxis hingwiesen hat. Strategie und Technik oder Y dienen der Information abrer foerdern nicht Dialog, den Diskurs oder die Diskussion.
Viele unsere Probleme kommen meines Erachtens nach aus der Desired Endstate Diskussion weil das Verfahren einen verlangt… kreieren wir eben einen…
Ohne Ruecksicht auf die tatsaechlichen systemischen Gegebenheiten.
Und weil es ach so gut funktioniert, benutzen wir napoleonische Stabsmodelle optimiert in symmetrischen Konflikten (der gute alte vaterlaendische Krieg, als militärisch zumindest die Welt noch in stabstechnisch ordner
Sorry sitze im Zug
Vermeintlich ordnerbar war) das Resultat, die Staebe wachsen…. und die Entropie waechst.
Ich glaube dass alle von ihnen beschriebenen Instiutionen Gutes tun…. aber wie verbreitetsich das horizontsl?