Luftwaffeninspekteur hält bewaffnete Drohnen weiter für nötig: „Das hat der Einsatz bewiesen“ (Update: Transkript)

Muellner_20130925

Mit Generalleutnant Karl Müllner, dem Inspekteur der Luftwaffe, habe ich am (heutigen) Mittwoch in Berlin über (Kampf)Drohnen, den EuroHawk und noch ein paar Dinge gesprochen. Müllner setzt sich weiterhin für die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr ein, weil sie für die Auslandsmissionen notwendig seien: Das hat der Einsatz bewiesen.

Das ganze Interview, ungeschnitten, hier zum Anhören:

Muellner_Interview_25sep2013.mp3     

 

Tonprobleme bitte ich zu entschuldigen – der Inspekteur ist zwischendurch ein bisschen leise, aber ich hoffe gut genug zu verstehen.

Mit ein wenig Leserhilfe (vielen Dank!) ist jetzt ein Transkript des Interviews zustande gekommen – hier ist es; meine Fragen kursiv:

Willkommen bei Augen geradeaus!, heute zum Interview der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner. Herr Müllner, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Steigen wir doch direkt ins Thema ein. Was vor dieser Bundestagswahl die Diskussion sehr oft beherrscht hat und zu streitigen Debatten geführt hat: Bewaffnete Drohnen, also unbemannte fliegende Systeme mit Bewaffnung – wie sieht’s da jetzt eigentlich aus für die deutsche Luftwaffe?

Für die Bundeswehr, muss man ja sagen, weil die Luftwaffe betreibt, wenn’s entschieden wird, diese Systeme am Schluss. Ich halte es nach wie vor für zwingend erforderlich, dass wir als Bundeswehr diese Fähigkeiten in der Zukunft haben werden. Alle Erfahrungen aus den Einsätzen, insbesondere aus Afghanistan zeigen: Ohne die Überwachung aus der Luft und die Unterstützung aus der Luft kann keine Patrouille irgendwo mehr rausgehen und ihren Auftrag erfüllen. Und wenn man sowohl die Überwachung als auch die Unterstützung zusammenfasst, dann kann man das am Besten mit einer Plattform, also einer bewaffneten Drohne, also einem unbemannten Flugzeug tun.

Nun hat Deutschland ja bei den USA in diesem Jahr angefragt, ob eine Lieferung von Predator B oder Reaper möglich ist, das wurde auch positiv bestätigt. Allerdings war die Anfrage schon gerichtet auf Maschinen ohne Bewaffnung. Wann sollte/müsste/könnte denn jetzt eine solche Anfrage kommen nach bewaffneten Maschinen dieser Art?

Wir wollen die Fähigkeit die wir in Afghanistan derzeit haben natürlich kontinuierlich weiterbilden, wahren und erhalten …

Aber, Entschuldigung, Sie haben die doch gar nicht in Afghanistan?

In Afghanistan haben wir den Heron I seit etlichen Jahren schon im Einsatz und planen derzeit, und überlegen derzeit, wie lange wir ihn noch dabehalten werden, ob er auch in der Nachfolgemission noch eine Rolle spielen kann. Allein dadurch zeigt sich der Bedarf an unbemannten Luftfahrzeugen. Wir werden natürlich überlegen müssen, wie wir das in der Zukunft machen, und deswegen strebe ich jetzt auch eine Auswahlentscheidung für ein zukünftiges System für möglichst für Frühsommer nächsten Jahres an, damit wir die Zeitlinien erfüllen können, nach 2017 den Auftrag weiterhin erfüllen zu können. Dazu braucht man natürlich Angebote auf dem Tisch, sonst kann man keine Auswahl treffen und die Angebote werden derzeit eingeholt von den Amerikanern, von den Israelis und natürlich wird auch überlegt, ob man vielleicht mit einer Eigenentwicklung die Fähigkeitslücke füllen kann.

Das heißt, es gibt jetzt schon ein Anfrage an die Amerikaner nach einer bewaffneten Drohne dieses Typs?

Wir wollen erstmal das auswerten, was wir als Antwort auf die ursprüngliche Anfrage, die ja die Bewaffnung nicht beinhaltet hat, … das wollen wir erstmals auswerten, ebenso wie die Angebote auch der israelischen Industrie, und ich denke auch bei den Amerikanern wird man noch mal politisch klären müssen, inwieweit die Bewaffnung zur Verfügung gestellt werden kann.

Nun haben ja die Italiener, wenn ich das richtig sehe, diese Anfrage gestellt nach bewaffneten UAVs, haben aber entweder gar keine oder eine negative Antwort, ich bin da jetzt nicht sicher. Rechnen Sie denn jetzt damit, dass es beim guten Verbündeten Deutschland einfacher wird?

Das ist eine politische Frage, die muss vom amerikanischen Kongress vor allem beantwortet werden. Aber offensichtlich ist das eine hochpolitische Angelegenheit, die in Washington geklärt werden muss. In der Tat, die Italiener, soweit ich das weiß, haben bis jetzt noch keine positive Antwort bekommen, aber die Signale sind schon so, dass das letztendlich positiv entschieden wird und da muss man dann sehen, ob das dann auch für uns verfügbar ist.

Nun war ja die politische Diskussion der vergangenen Monate sehr zwiegespalten von Seiten der Union, auch von Seiten des Verteidigungsministers die Aussage: „Wir wollen das zumindest prüfen, wir wollen diesen Weg gehen“ … von Seiten der Sozialdemokraten sehr ablehnend bis abwartend gegenüber bewaffneten Drohnen. Halten Sie es denn für wahrscheinlich oder trauen Sie sich eine Prognose zu, ob eine solche Beschaffung in Angriff genommen wird oder nicht?

Ich bin zumindest hoffnungsvoll, dass eine Entscheidung getroffen werden kann. Ich nehme natürlich die Diskussion und die Argumente sehr ernst und habe mich auch der Diskussion gestellt und versucht meinen Beitrag zu leisten, um vor allem die Sache zu erklären und die Notwendigkeit zu erklären, aber letztendlich ist es eine Entscheidung, die in der Bundesregierung und letztendlich im Parlament gefällt werden muss. Aber ich denke mit einer nüchternen Betrachtung dessen, was die Bundeswehr an Fähigkeiten braucht, sollte man auch in der Lage sein, eine entsprechende Entscheidung zu fällen.

Dann sagen Sie mir doch in zwei Sätzen: Die Bundeswehr braucht bewaffnete Drohnen – weil?

… sie notwendig sind, um den Auftrag zu erfüllen. Wir brauchen diese Unterstützung, die durch diese Plattformen geleistet werden kann, auch was die Bewaffnung anbelangt, weil: der Einsatz hat’s bewiesen.

Nun ist ja noch lang nicht klar, ob künftige Einsätze so ähnlich sein werden wie in Afghanistan und UAVs können Sie eigentlich nur einsetzen in Szenarien, wo die eigene Seite die Luftüberlegenheit hat. Also in dem Moment, wo sie mit einer gegnerischen Luftabwehr, Jägern und ähnlichem rechnen müssen, sind Drohnen nicht so sinnvoll. Bleibt trotzdem die Aussage: Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass wir das brauchen, auch in Zukunft?

Ich sage, es ist immer notwendig, einen Mix an Fähigkeiten zu haben, selbst in einem Szenario, wo es Bedrohung vom Boden aus gibt, wird immer einmal der Punkt kommen, wo der Luftraum auch beherrscht wird. Und dann kommt auch die Zeit der Plattformen, so wie sie heute ausgelegt sind, wobei ich natürlich an die Zukunft denke, und mir dann die Frage stelle, ob nicht die nächste Generation von unbemannten Luftfahrzeugen dann auch Fähigkeiten haben werden, in einem Szenario unter Bedrohung eingesetzt zu werden. Aber das ist Zukunftsmusik.

Soweit sind noch nicht einmal die Amerikaner, oder nur experimentell.

Ja, aber konzeptionell weist der Weg in diese Richtung und das muss jetzt von Ingenieuren untersucht werden, wie man so etwas realisieren kann; da gibt es ja nicht nur die Amerikaner, die dran arbeiten, sondern auch Briten und Franzosen haben ein entsprechendes defence agreement beschlossen, in dem sie sich das vorgenommen haben, und da muss man dann fragen, ob die deutsche Industrie sich dran beteiligt.

Nun haben Sie ja erwähnt, neben USA und Israel, käme auch eine europäische Eigenentwicklung möglicherweise in Betracht. Dann verabschieden sie sich aber vom Ziel 2017, oder?

Also, das ist richtig, man muss das abwägen und auch im gesamtstaatlichen Interesse erwägen. Das ist eine hochpolitische Angelegenheit. Wir werden uns die Frage stellen müssen, ob diese Technologie der unbemannten Fliegerei, vor allem auch was auch die zivile Nutzung anbelangt, nicht so relevant ist, dass man vielleicht auch diesen Weg gehen muss.

Wo wir gerade bei Drohnen sind, springen wir zu einem etwas anderen Thema: Eine Drohne hat, o, auch die Debatte beherrscht, obwohl sie unbemannt ist, nämlich der EuroHawk. Wie geht’s an der Stelle eigentlich weiter? Wird jetzt alles abgewrackt? Rechnen Sie zum Beispiel damit, dass sie die Missionsausstattung, die Aufklärungsausstattung, auch werden nutzen können in absehbarer Zeit?

Also wir haben ja die Entscheidung getroffen im Mai diesen Jahres, dass das Projekt nicht fortgesetzt wird, auch die Serie nicht beschafft wird. Absicht ist natürlich, dass die Entwicklung der Sensorplattform, die auch deutsche Firmen geleistet haben, dass die genutzt wird um in einer alternativen Lösung verwendet und eingebaut zu werden. Das wird derzeit untersucht, um dem Generalinspekteur im Laufe des Herbstes eine Empfehlung geben zu können, wie man unter Nutzung dieser Plattform nach Alternativen suchen könnte.

Sie als Fachmann: Wird das eher bemannt oder unbemannt sein?

Das ist schwer zu sagen, aber ich denke eher, dass es eine bemannte Lösung sein wird.

Und was machen sie mit dem EuroHawk? Stellen sie den hier in Gatow ins Luftwaffenmuseum?

Also darüber ist noch keine Entscheidung getroffen, das Fluggerät gehört auch nicht der Luftwaffe, sondern dem Rüstungsbereich, da wird man eine entsprechende Entscheidung über die Zukunft noch zu fällen haben.

Könnten sie denn, als derjenige, der für die Luftwaffe zuständig ist, sich vorstellen dieses Gerät wie auch immer doch noch weiter zu betreiben?

Wenn man mir das Fluggerät gibt, mit einer entsprechenden Zulassung, so dass ich den Flugbetrieb auch wirklich durchführen kann, dann ist natürlich nichts auszuschließen.

Entsprechende Zulassung heißt: so wie bisher bei den Testflügen, gesperrt aufsteigen, dann im unkontrollierten Luftraum, oder was heißt das?

Das heißt ja nicht nur, dass diese Flugbeschränkungen bestehen, das geht ja weit darüber hinaus, unter welchen Bedingungen das Gerät überhaupt fliegen kann als Prototyp. Wenn ich einen sinnvollen Einsatz fliegen will, dann muss die Zulassung mehr erlauben als was derzeit möglich ist.

Wäre eigentlich denkbar, dass dieses Gerät mit der derzeitigen Zulassung zum Beispiel in Richtung Syrien eingesetzt werden könnte, jetzt unabhängig von den politischen Fragen, also rein technisch gesehen?

Rein technisch gesehen denke ich ist das schon möglich. Die Frage ist, ob man Überflugrechte über andere Nationen bekommt und ob die das erteilen auf der Basis einer Protoypenzulassung. Ich hab‘ da meine Zweifel.

Das führt mich jetzt natürlich zu der Frage, wie Sie das beim Thema AGS sehen mit dem GlobalHawk. Da wird es ja ähnliche Probleme zumindest geben können, wir reden ja über Italien, also auch ein europäisches Land. Hat das, was beim EuroHawk hochgekommen ist, Auswirkungen auf das geplante Alliance Ground Surveillance System?

Ich hab‘ mit meinem italienischen Kollegen darüber gesprochen, und er sieht keine Probleme, es in Italien zuzulassen. Die Bedingungen sind auch völlig anders. Wir reden beim EuroHawk ja über ein Unikat, bei dem wir Schwierigkeiten hatten, den Zulassungsprozess durchzuführen, auch wegen der Dokumentation und ähnlichem. Beim AGS ist das völlig anders. Der hat eine amerikanische Zulassung, auf die die Italiener dann aufsetzen werden. Und mit einem aus Sicht des italienischen Kollegen vertretbaren Aufwand wird das Gerät zugelassen, so wie die Amerikaner ihre AGS heute auch schon fliegen.

Entschuldigung, da bin ich etwas irritiert. Der EuroHawk basiert ja auf dem GlobalHawk Block 20, der in den USA auch eine Art Zulassung hatte, aber, ich sage immer leicht flapsig, so eine Art Kriegszulassung. Und bei dem Block 40, auf dem AGS beruht, ist es doch so viel anders nicht, weil die permanent weiterentwickelt werden.

Sie haben das ja schon richtig mit dem Begriff ‚Kriegszulassung‘ bezeichnet. Das ist eine andere Ausgangsbasis als die, die heute beim Block 40 vorliegt. Und für die Italiener ist das eine ausreichende Basis, auf der sie zulassen können. Sagen sie zumindest, und ich gehe davon aus, dass das stimmt.

Und die dürfen dann auch über Deutschland fliegen?

Das muss dann entschieden werden, wenn’s so weit ist, und dementsprechende Überfluggenehmigungen beantragt werden.

Ich meine, innerhalb der NATO, wenn wir uns mal AWACS angucken, da läuft das ja einmal zugelassen und dann im ganzen NATO-Luftraum ohne Einzelgenehmigung.

Die Flugzeuge, auch die AWACS, brauchen natürlich eine Überfluggnehmigung gegenüber jedem Staat. Sie sehen das ja auch an den Schwierigkeiten, die wir hatten, AWACS in Afghanistan einzusetzen und entsprechende Überfluggenehmigungen zu bekommen. Das liegt in der Souveränität jedes Staates…

Aber innerhalb der NATO ist es doch eine standing procedure, also wenn ein AWACS nach Frankreich fliegt, brauchen Sie dafür keine extra Genehmigung?

Ich brauche schon eine Genehmigung, weil, ich muss einen Flugplan machen, und da muss die Genehmigung auch drinstehen.

Ok. Das übersteigt jetzt mein laienhaftes Verständnis. Kommen wir mal aus der Luft zum Boden. Bodengebundene Flugabwehr. Die Bundeswehr hat Patriot-Flugabwehrsysteme, die ja im Moment auch in der Türkei eingesetzt sind; es gibt Stinger als Man-portable Air Defense System, unter anderem auch auf Ozelot. Beide Systeme habe ein absehbares Ende ihrer Nutzungszeit. Steht die Bundeswehr, steht Deutschland in ein paar Jahren ohne jegliche Flugabwehr da?

Nein, das sehe ich natürlich nicht so. In der Neuausrichtung der Bundeswehr haben wir ja die Verantwortung für gewisse Fähigkeiten in eine Hand gelegt, und die Luftwaffe hat die Verantwortung für die Bundeswehr, die Luftverteidigung sicherzustellen. Was wir tun, ist, wir denken dabei nicht in Systemen und der Frage von Nachfolge von Systemen, sondern im Sinne von Fähigkeiten, und deswegen muss man die Frage, inwieweit wir das leisten, was bisher Ozelot und Stinger geleistet haben, im Gesamtkontext der Gesamt-Weiterentwicklung der bodengebundenen Luftverteidigung [sehen], und da stellt sich das auch im Kontext der Nachfolgefrage Patriot, und wie weit diese Fähigkeit dann auch den Bedarf, ich will mal sagen am unteren Ende abdecken kann. Da sind wir konzeptionell gerade am Arbeiten, da haben wir noch keine Antworten. Sicherlich wäre auch eine Verlängerung von Ozelot und Stinger eine Option, die aber auch finanziert und mit Personal hinterlegt werden muss. Da habe ich noch keine Entscheidung.

Wie viel Zeit haben Sie denn noch, ehe sowohl Ozelot/Stinger als auch Patriot sozusagen das Ende der – auch wirtschaftlich vertretbaren – Lebenszeit erreicht haben?

Das ist unterschiedlich von den Systemen. Aber Ozelot und Stinger werden gegen Ende des Jahrzehnts sowohl das Ende ihrer Nutzung – wenn man nichts tut – erreichen, und bei Patriot werden die Obsolenzenzen dann so zunehmen, dass in der Mitte des nächsten Jahrzehnts in jedem Fall etwas getan werden muss.

Wenn man sich die bodengebundene Flugabwehr im Nahbereich anguckt – war es dann so gesehen nicht doch ein Fehler, zum Beispiel die Gepard auszumustern und zu verkaufen?

Das sehe ich jetzt nicht unbedingt, weil, es geht ja wirklich um die Fähigkeiten. Und wenn man das Spektrum anschaut, das wir auch nach unten abgerundet haben, mit Mantis als Feldlagerschutz, der ja auch eine durchaus veritable Luftabwehrfähigkeit hat, nicht nur gegen Mörser, sondern auch gegen konventionelle Luftbedrohung, ich denke, dann haben wir momentan schon ein gutes Spektrum an Fähigkeiten. Und das wollen wir natürlich in Zukunft erhalten. Aber wie gesagt, da sind wir noch nicht so weit, um zu sagen, wie wir das machen.

Aber Mantis ist ja nicht so richtig mobil, wenn ich mir angucke, da müssen Flächen betoniert werden, damit es dahingestellt werden kann. Das ist ja eher was für den sehr stationären Einsatz.

Sicherlich, das ist jetzt kein Gerät, mit dem wir den beweglichen Einsatz des Heeres unterstützen können. Aber es natürlich auch so, dass unsere Patriot zum Beispiel von jeder danach konzipiert waren, das Heer in der Bewegung zu unterstützen im überschlagenden Einsatz. Dazu sind wir nach wie vor in der Lage, und dann werden wir sehen, ob dieses Konzept auch in der Zukunft weitergeführt werden kann mit einem wie immer gearteten System in der Zukunft oder mit Patriot.

Das Heer haben Sie schon erwähnt, die Marine sollten wir dabei wahrscheinlich auch nicht vergessen: Die F124. Die Niederländer haben ja ihre weitgehend baugleiche Fregatte aufgerüstet und befähigt zur Einbindung in Missile Defense. Ist das ein Schritt, den aus Sicht des Luftverteidigungsplaners Deutschland auch machen müssen.

Territoriale Raketenabwehr gehört natürlich im erweiterten Sinne auch immer irgendwo zur Luftverteidigung. Wir konzentrieren uns als Luftwaffe aber auf konventionelle Luftverteidigung und auf Raketenabwehr zum Schutz eingesetzter Truppen. Und das bezieht sich vor allem auf den Kurzstreckenbereich. Ob die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen von NATO Missile Defense, also NATO-Raketenabwehr, dann auch einen Beitrag leisten will und ob der sinnvollerweise dann mit Schiffen geleistet werden kann, ist erstens eine politische Frage und zweitens eine Frage, die Sie, glaube ich, dem Inspekteur der Marine besser stellen, ob er seine Fregatten in dieser Rolle sieht.

Na ja, ich hab‘ einfach gefragt, was so der Luftverteidigungsplaner dazu sagen könnte.

Also wir sind da nicht in Konkurrenz, um ums gegenseitig im Wettbewerb die Butter vom Brot zu nehmen. Ich denke, man muss das ganz nüchtern betrachten, ob wir einen Beitrag leisten wollen und können und was da der günstigste Beitrag auch politisch ist.

Sind denn noch die, ich glaube 14, Patriot-Systeme, die dafür angeboten werden sollten – steht das noch?

Wir haben unsere Patrioten ja derzeit im Einsatz in der Türkei. Dort bewähren sie sich. Für manche sogar überraschend gut, weil das System sehr stabil läuft. Und insofern kann man sagen, wir leisten dort einen Beitrag zum Schutz eines Bündnispartners, und das ist genau auch das Szenario, das ergänzend zur NATO Missile Defense gefordert sein könnte.

Als letzte Frage… Nein, zwei Fragen habe ich noch, wiederum zu fliegendem Gerät: Zum einen: Wie sieht es denn mit dem A400 aus?

Wir sollen unseren ersten A400M im November, vielleicht Dezember nächsten Jahres bekommen. Und ich gehe momentan davon aus, dass diese Zulieferung auch eingehalten wird. Ich bin am kommenden Montag in Orleans, bei einem Besuch mit meinem französischen Kollegen, der als erster Kunde das Flugzeug von Sevilla nach Orleans überführen wird. Wir werden dabei auch gleichzeitig ein Ausbildungskooperationsabkommen unterzeichnen, so dass meine Botschaft ist: Wir sind bereit, und wir hoffen natürlich, dass die Industrie ihre Zusagen, zu denen sie vertraglich sich verpflichtet hat, auch einhalten wird.

Können Sie mir erklären, warum ein Flugzeug, was eine zivile europäische Zulassung hat, eine militärische französische Zulassung und eine militärische spanische Zulassung, noch eine gesonderte deutsche militärische Zulassung braucht?

Das ist genau das Thema, das auch unser Minister verfolgt, dass wir diese Zulassungsfragen im europäischen Kontext auch harmonisieren, weil in der Tat, auf den ersten Blick macht das nicht viel Sinn, dass jede Nation einen eigenen Musterzulassungsprozess für das gleiche Flugzeug durchführt. Noch sind die gesetzlichen europäischen Regelungen so, dass das erforderlich ist. Aber man muss das harmonisieren, auch aus meiner Sicht.

Sind das europäische Regelungen oder sind es nicht eher deutsche Regelungen?

Wir entwickeln ja gerade erst das europäische Zulassungswesen, und das ist bis jetzt noch lückenhaft. Insofern fehlen im europäischen Kontext die Vorschriften, und wenn sie fehlen, dann greifen automatisch die nationalen. Zweck der Musterzulassungen ist ja sicherzustellen, dass Fluggerät sicher ist und niemandem auf den Kopf fällt.

Das klingt beruhigend… Als letzte Frage nun jetzt noch: Eurofighter air to ground. Wie weit sind Sie da eigentlich? Wann steht der Eurofighter komplett in dieser Rolle zur Verfügung?

Das ist natürlich ein wichtiges Ziel für die Luftwaffe, den Eurofighter, den wir auch gerne als Rückgrat der Luftwaffe in der Zukunft bezeichnen, multirole-fähig zu machen. Ein wichtiger Meilenstein ist erreicht worden im letzten Jahr, im November, als das Parlament die dazugehörige Waffe gebilligt hat zur Beschaffung. Die Beschaffung läuft jetzt an. Wir erwarten, dass die ersten Waffen 2015 zulaufen, so dass wir dann, wenn die Integration abgeschlossen ist und die Ausbildung erfolgen kann, dann auch die ersten Module Multirole-Eurofighter zur Verfügung stehen. Ich dränge darauf, dass das noch in 2015 erreichbar ist, wir werden sehen, ob das auch technisch machbar ist.

Herr Müllner, ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

Gerne.

(Foto: Müllner in seinem Amtszimmer im Kommando Luftwaffe in der General-Steinhoff-Kaserne in Berlin-Gatow; im Hintergrund das Bild ‚3. Dimension‘ von Walter Maurer aus Fürstenfeldbruck)