EuroHawk: Das nächste Mal schauen wir ins Handschuhfach

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Dass Staatssekretär Stéphane Beemelmans (Foto oben) die volle Verantwortung für die Unterrichtung oder Nicht-Unterrichtung des Verteidigungsministers Thomas de Maizière über das gestoppte Drohnenprojekt EuroHawk übernommen hat, wurde am heutigen Dienstag im Untersuchungsausschuss des Bundestages und in den Medien klar verstanden: Der Knappe Beemelmans hat sich schützend vor seinen Herrn geworfen. Und hat noch mal deutlich gemacht, worum es geht: er ist mein Chef.

Jenseits dieser eher für Politik und Wahlkampf bedeutsamen Aussage empfiehlt sich allerdings, auch auf ein paar andere Aussagen in Beemelmans mehr als drei Stunden dauernder Anhörung zu schauen. Denn abgesehen davon, dass er seinen Minister zu wenig und/oder zu spät informierte, konnte der Staatssekretär in seiner Arbeit am Thema EuroHawk keinen Fehler erkennen.

Zum Beispiel bei den ursprünglichen Erwartungen an die Zulassungsmöglichkeiten des EuroHawks. Wir sind davon ausgegangen, dass wir einfach eine US-Zulassung umstempeln. Dann haben wir erfahren, dass es die nicht gibt, sagte Beemelmans. Genau so, zog der Staatssekretär eine Parallele zu einem Autokauf, erwarte man bei einem Neuwagen eine Gebrauchsanweisung im Handschuhfach – auch diese Dokumentation habe es nicht gegeben. Eine Konsequenz sei bei künftigen ähnlichen Beschaffungen, zu fragen, ob es Zulassung und Dokumentation gebe: Dann schauen wir ins Handschuhfach.

Auf der Leitungsebene des Verteidigungsministerium sei dagegen immer so gearbeitet worden, wie es vorgesehen sei. Vorlagen wurden entgegengenommen und, wenn aus Staatssekretärs-Sicht nicht vollständig, mit dem Auftrag zur Nachbesserung zurückgegeben. Probleme mit dem Hinweis, eine Lösung werde gesucht, wurden als Problem der jeweiligen Bearbeiter verstanden und abgewartet.

So zum Beispiel bei einer Rüstungsklausur 2012, als Luftwaffeninspekteur Karl Müllner auch kurz zum EuroHawk und seinen Zulassungsproblemen vortrug. Dabei hatte der Rüstungs-Abteilungsleiter Detlef Selhausen mitgeteilt, das seine Abteilung und die Luftwaffe für eine Lösung im Gespräch seien. Dem Minister sei also vorgetragen worden, und er habe die Information bekommen, dass an einer Lösung gearbeitet werde: Das ist genau der richtige Weg.

Grundsätzliche Zulassungsprobleme bei unbemannten Luftfahrzeugen hätten sowohl de Maizière als auch ihm selbst am Herzen gelegen, betonte Beemelmans mehrfach. Über das Zulassungsproblem EuroHawk sei bei zahlreichen Gesprächen darüber aber nicht geredet worden: Ich habe keinen Anlass gesehen, das zusammenzuführen, sagte Beemelmans. Gebe es doch Zulassungsprobleme bei Luftfahrzeugen aller Art. Und über diese Schwierigkeiten bei Drohnen werde in der Spitze des Verteidigungsministeriums schon seit 2011 nachgedacht – bevor der Leitungsebene das entsprechende Problem bei EuroHawk bekannt sei. Das Beispiel sei da nicht gebraucht worden.

Ausschlaggebend für die Entscheidung, das Projekt EuroHawk nicht weiter zu verfolgen und die geplante Flotte mit vier weiteren Maschinen nicht zu beschaffen, seien nicht allein die Mehrkosten für die Zulassung gewesen, betonte Beemelmans vor dem Ausschuss. Es seien vielmehr verschiedene Risiken zum Tragen gekommen: Neben den erwarteten 600 Millionen Euro Mehrkosten für die dauerhafte Zulassung der unbemannten Flugzeuge seien weitere Mehrkosten von einer Milliarde Euro absehbar gewesen – weil der Flugzeugtyp Global Hawk Block 20 künftig von der US-Luftwaffe nicht mehr genutzt werde und Deutschland dann als einziger Nutzer allein die Kosten für Ersatzteile und ähnliches hätte tragen müssen. Darüber hinaus hätte es noch zwei Jahre gedauert, bis ein eigenständiges deutsches System für die Missionsplanung des EuroHawk verfügbar gewesen wäre und die Bundeswehr die Drohne autonom hätte fliegen können. In dieser Kombination von Risiken sei keine vernünftige Lösung absehbar gewesen.

Doch Rüstungsprojekte, das vertrat der Staatssekretär vehement, seien zwangsläufig mit technischen und finanziellen Risiken verbunden: Die Technologie der Zukunft lässt sich in Preisen der Gegenwart kaum bepreisen. Gerade beim EuroHawk sei es um eine in Deutschland nicht verfügbare Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gegangen. Und solche Risiken seien doch keine Eigenart des Militärs. Die gebe es in vergleichbarer Form in jedem zivilen Entwicklungsvorhaben.

Nachtrag: Die Anhörung des Staatssekretärs dauerte am Ende 6 Stunden, nur unterbrochen von einer kurzen Pause. Als er rauskam, sagte Beemelmans nur knapp: War gut.