RC N Watch: OP North gehört jetzt den Afghanen (update)
Der Abzug der Bundeswehr aus der – nach wie vor recht unruhigen – afghanischen Nordprovinz Baghlan geht weiter: Der Observation Post North (OP North) nördlich der Provinzhauptstadt Pul-e Khumri ist am (gestrigen) Samstag, wie schon lange angekündigt, an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben worden. Die (jetzt etwas ausführlichere) Meldung der Bundeswehr dazu:
Am 15. Juni 2013 übergab die internationale Schutztruppe ISAF, in Anwesenheit des Kommandeurs des Regionalkommando Nord, Generalmajor Jörg Vollmer, den Observation Post North (OP North) an die afghanische Regierung. Damit schreitet, achtzehn Monate vor dem Ende der ISAF-Mission, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte voran.
„Der OP North wird der afghanischen Armee die Möglichkeit eröffnen, zukünftig mit stärkeren Kräften und praktisch ohne Zeitverzug ihre taktisch-operativen Aufgaben am Verkehrsknotenpunkt hier im Kunduz-Baghlan-Korridor wahrnehmen zu können.“, sagte Oberstleutnant Oskar Baumeister während der gemeinsamen Zeremonie zur Übergabe des OP North. Als letzter Kommandeur des Beobachtungspunktes überreichte er eine Plakette als Symbol der Verantwortung an den Kommandeur des 3. Kandak des 209. Korps der afghanischen Armee.
Zukünftig soll der OP North den afghanischen Soldaten als wichtiges Camp dienen. General Zalmai Wesa, der die afghanischen Truppen in Nordafghanistan kommandiert, sagte in seiner Ansprache: „Die Afghanen sind erneut Zeuge davon, dass die Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wird. Das ist die Erwartung der afghanischen Bevölkerung und diese wird auch von den nationalen afghanischen Sicherheitskräften erfüllt.“
Die Bundeswehr hatte den, rund 70 Kilometer südlich von Kunduz gelegenen, OP North im Jahr 2010 eingerichtet und war seit dem für die Sicherheit in der Region verantwortlich.
Die Schließung des Observation Post North ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur vollständigen Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Sicherheitskräfte.
Nach einem Bericht der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok zogen am Samstag rund 700 deutsche Soldaten vom OP North ab. Die Afghanen würden sich jetzt bemühen, trotz schlechterer Ausrüstung als die Bundeswehr die Sicherheit in dieser Region zu gewährleisten, berichtet die Agentur unter Berufung auf die afghanische Armee:
Provincial police chief Col. Mohammad Sadiq Muradi said the presence of German forces had been crucial to the security in Baghlan.
He said Afghan forces who replaced German troops should be provided with more weapons and equipment. He said police would increase their coordination with army personnel during joint operations.
A tribal elder of the area, Mohammad Aziz, said German forces had a major role in keeping security by dealing with insurgent activities.
“Afghan soldiers also can maintain security when they are loyal to their duties and honest to the people,” he added.
(Foto: Der letzte deutsche Kommandeur des OP North, Oberstleutnant Oskar Baumeister, besiegelt die Übergabe des Stützpunkts an die afghanische Armee mit einer Urkunde – Bundeswehr/EKT)
Nächster Schritt: Übergabe KDZ im September/Oktober und dann ganz schnell weg aus dieser von Gott verlassenen Gegend. Das letzte Kontingent KDZ ist wirklich nicht zu beneiden. „Mourir pour Kunduz“ muss hoffentlich nicht mehr sein.
Zum Abschluss noch ein Hinweis auf das tiefgründige Landesverständnis der Bw:
„den Observation Post North (OP North), im Distrikt Baghlan“
Gemeint ist wohl die Provinz Baghlan, denn den District Baghlan gibt es seit 8 Jahren nicht mehr (siehe: http://en.wikipedia.org/wiki/Baghlan_District).
Sehr professionell. Fällt selbst mir beim schnellen Durchlesen auf…
Weitaus wichtiger:
Nun müssen die ANSF den Kräften in KDZ den Rücken freihalten.
Die Rückverlegungsreihenfolge (erst OP-N, dann KDZ) ist operativ für mich nicht nachvollziehbar.
Die Folgen könnten erheblich sein (FOM am Highway-Triangle??).
That’s what winning looks like…
Kdr PATF MeS:
„Der OP North wird der afghanischen Armee die Möglichkeit eröffnen, zukünftig mit stärkeren Kräften und praktisch ohne Zeitverzug ihre taktisch-operativen Aufgaben am Verkehrsknotenpunkt hier im Kunduz-Baghlan-Korridor wahrnehmen zu können.”
Entscheidend wird, ob die ANSF dies auch wirklich können und vorallem wollen.
@Memoria:
DIe Reihenfolge ist für mich nachvollziehbar. KDZ bietet die Möglichkeit den Abtransport auch mit Flugzeugen durchzuführen und OP-N nur mit Drehflüglern.
@bonk:
Der Abtransport von Großgerät von KDZ erfolgt auf dem Landweg, die Landebahn in KDZ kann keine Antonow u.ä. aufnehmen. Daher kamen PzH2000 und SPz Marder auch auch auf dem Landweg nach KDZ – über Baghlan.
Ihr Argument kann ich auch für Personal nicht nachvollziehen.
Warum muss ich deswegen zunächst das kleinere Lager aufgeben, das die Rückverlegung an entscheidender Stelle (Highway Triangle) absichert?
Der OP war, wie der Name schon sagt, ein Beobachtungsposten und ist daher keine Liegenschaft wie Kunduz. Den Rückzug aus Kunduz auf den OP-N abzustützen wäre eine äusserst riskante Angelegenheit (Sanität, Logistik, Technik, usw.).
@Topper Harley:
Es geht ja auch nicht darum das Personal am OP-N zu stationieren, sondern VPs im Kunduz-Baghlan-Korridor weiter offen zu halten. Bisher war ja am OP-N genau hierfür die PATF MeS in der Vorausstationierung (mit Sanität, Logistik, usw.). Daher war es auch mehr als ein OP.
Und zum Thema OP-N und keine Liegenschaft sag ich besser nicht mehr – Bürokratie im Einsatz.
@T H
Wer auf dem OP North, der Name wurde nie abgelegt, da man politisch und militärisch gewollt diese Lager vom Namen her so klein wie möglich halten wollte, bereits war, der würde niemals behaupten, dass dieser ein „Beobachtungsposten“ gewesen ist.
Der OP North ist nicht aus der langen umständlichen Planung irgendwelcher hochgerüsteteten Stäbe in Deutschland entstanden, sondern einzig und allein aus der taktischen (strategischen) Lage der beiden MSR sowie der entstandenen Bredrohungslage vor Ort.
Allein teilweise deutlich über 500 Soldaten in einm Beobachtungsposten sollte Augenöffnend genug sein!
Die Männer und Frauen an der Grasnarbe werden diesen strategischen, aber im Schwerpunkt symbolischen Abzug auch weiterhin nicht verstehen…
Richtig, der OP war deutlich mehr. Es waren zeitweise auch über 700 Männer und Frauen am Berg. Aber halt noch keine Liegenschaft wie Kunduz. Ich gebe als Beispiel die Zahnärztliche Versorgung. Mit dem Hubschrauber zum Zahnarzt nach Kunduz war durchaus nicht unüblich. Weiterhin hat die Verkleinerung 2011 nicht unbedingt zu mehr Gemütlichkeit, sprich Platz, geführt. Das die Kameraden am Berg die Reihenfolge der Übergabe in Frage stellen kann ich absolut nachvollziehen. Aber Kunduz ist in den deutschen Medien nun mal Afghanistan, nicht der OP. Ich will mir gar nicht vorstellen welches mediales Interesse auf Kunduz im Herbst diesen Jahres gelegt wird.
@Crosswind + Topper Harley:
„Das die Kameraden am Berg die Reihenfolge der Übergabe in Frage stellen kann ich absolut nachvollziehen. Aber Kunduz ist in den deutschen Medien nun mal Afghanistan, nicht der OP. Ich will mir gar nicht vorstellen welches mediales Interesse auf Kunduz im Herbst diesen Jahres gelegt wird.“
Was hat das mediale Interesse mit der Reihenfolge der Übergabe von Infrastruktur zu tun?
Zentraler Punkt der Überlegungen müssen die operativen Notwendigkeiten sein – ander Basis/ Grasnarbe ist man hierüber wohl einig.
Ich habe den Eindruck man hat weitgehend aus logistischer Perspektive (Rückbau PRT vs. OP-N) gedacht, aber wohl weitgehend verdrängt, dass es weiterhin einen aktiven Gegner gibt (hat man über geschönte SIGACT-Zahlen ja versucht zu verdrängen).
Selbstbetrug fällt auf einen selbst zurück.
Das Argument „politisch so gewollt“ seh ich hier nicht – welches Lager im Sommer aufgelöst wird, konnten die militärischen Planer bestimmen.
@Memoria
„Wer auf dem OP North, der Name wurde nie abgelegt, da man politisch und militärisch gewollt diese Lager vom Namen her so klein wie möglich halten wollte, bereits war, der würde niemals behaupten, dass dieser ein “Beobachtungsposten” gewesen ist.“
Das Argument „politisch gewollt“ hatte ich eigentlich im Bezug Namensgebung fallen lassen. Der OP North im Herzen des ungarischen PRT konnte nicht feierlich mit neuem schönklingenden NATO-Begriff, welcher auch die eigentliche Bedeutung hätte widergespiegelt, versehen werden, da er ja eigentlich nie wirklich mehr als ein kleiner Beobachtungsposten sein durfte und daher auch genauso, für deutsche Verhältnisse“ behelfsmäßig und zeitversetzt erichtet/ausgebaut wurde. Das die Ungarn ab 2009 wenig vor Ort im Griff hatten, hatten bereits die Amerikaner frühzeitig erkannt und ODA/B/Cs in vstk KpStärke vor Ort. Die FOB Khilagay war als eigentliche afghanische Kandakkaserne, zwar taktische schlecht gelegen, aber ins positive Aufbaubild „afghanische Streitkräfte“ besser integrierbar und daher „Zuhause“ besser zu verkaufen.
Aber das ist eine andere Geschichte…
Aber wer mit wem, bei einer schlechten Tasse Kaffee, aus welchen Gründen auch immer entschieden hat, welche Übergabereihenfolge befolgt wird, hat ganz bestimmt andere Beweggründe als irgendeine dämliche Bedrohungslage im „Highway Triangle“. Das die logistischen Faktoren dabei berücksichtigt wurden, wenn nicht sogar, wie so oft, vorgeschoben wurden, war m.E. zu erwarten.
@ memoria.
Bezüglich der politischen Struktur muss ich Sie /Wikipedia verbessern.
Es gibt die Province Baghlan sowie den District Baghlan der den Zusatz e-Jadid trägt.
Dieser verfügt über alle gängigen staatlichen Strukturen wie Distriktgouverneur, Distrikt Polizeichef, etc.
@ G.Junge –
und um das ganze nochmal zu verkomplizieren – es gab einmal die Siedlung Baghlan, die dem Distrikt Baghlan und der Provinz Baghlan (die ursprünglich mal zu Qataghan gehört hat, das waren noch Kunduz und Takhar) den Namen gegeben hat. Im Distrikt Baghlan wurde dann in den 1950er Jahren die Siedlung „Neu Baghlan“ (Dari: Baghlan-e Jadid) gegründet und die ursprüngliche Siedlung Baghlan hieß jetzt „Alt Baghlan“ (Baghlan-e Kohna). Wenn man von PEK kommt das kleine Nest zwischen dem Distriktzentrum und den spaßigen Gebieten bei Jar-e Khushk und Charshanbe Tappa. Aufgrund der gestiegenen Bevölkerung wurde dann der Distrikt „Baghlan-e Jadid“ von Baghlan abgespalten (ich meine in den frühen 1980ern, müsste ich aber noch mal nachfragen) – und dann wurden in den 1990er Jahren die beiden Distrikte zusammengelegt, wobei „Neu Baghlan“ mittlerweile viel größer war als „Alt Baghlan“ und darum der Sitz der Distriktverwaltung dorthin verlegt wurde. Entsprechend hieß auch der wiedervereinigte Distrikt jetzt „Neu Baghlan“. Die meisten Afghanen sprechen aber einfach nur von Baghlan (oder sogar „Baghlanha“ – d.h. „die Baghlans“), insofern ist memorias Bezeichnung durchaus in Ordnung…
(sorry, war ein bisschen klugscheißerisch, ich sehs ein – konntes mir aber nicht verkneifen)
Aber zu der Reihenfolge – in der Theorie stimmt es dass der Material-Abzug von Kunduz am OP Nord vorbei laufen wird, insofern wäre es schlauer gewesen den OP aufrechtzuerhalten. Vielleicht haben aber auch die Planer, die wahrscheinlich nie draußen waren, auf den Karten die penetrant eingezeichnete Kholm-Kunduz-Straße (also die direkte Verbindung von Mazar nach Kunduz, die aber nur eine Wüstenstrecke ist) gesehen und gedacht man müsse ja gar nicht durch Baghlan… könnte ich mir glatt vorstellen, habe auch schonmal beim Dänischen Kontingentmarsch in Feyzabad einen nicht ganz unwichtigen Stabsoffizier gehört, wie er überrascht bemerkte „Ist ja ganz schön bergig hier“. Naja, in der Praxis wird Baghlan aber m.M.n. eh nicht durch die deutschen Truppen gesichert sondern dadurch dass quasi alle Aufständischen ostwärts des Flusses, mit wenigen Ausnahmen abgesehen jetzt als ALP/ arbaki auf der Gehaltsliste der Regierung stehen. Die werden die Seiten wahrscheinlich erst deutlich nach dem Kunduz-Abzug wechseln, vermutlich sogar erst nach 2014. Insofern ist für mich die Reihenfolge der Schließung auch wieder in Ordnung.
@G.Junge:
Danke. Der Distrikt Baghlan-e-Jadid ist mir bekannt, turan saheb hat das Übriges gesagt.
War ja nur ein Beispiel für die herausragende Vertrautheit der Bw mit AFG.
@turan saheb:
Danke für die Einschätzung.
Auch die Operationsplanung baut offensichtlich auf dem rheinischen Grundgesetz auf.
Kann funktionieren – muss aber nicht.
Vielleicht für den ein oder anderen hier interessant, die Lageentwicklung in Uruzgan.
Einige Elemente sind aus Sicht des Autors landesweit zu beobachten:
http://www.aan-afghanistan.org/index.asp?id=3449
Never underestimate the enemy…
never overestimate your capabilities …
@diba:
Oftmals leider 2 Seiten einer Medaille…
@T.W.:
Hier noch ein Filmbeitrag zur Auflösung des OP North:
http://www.youtube.com/watch?v=CbkacHwHBqA
Interessantes zur britischen Rolle bei resolute support:
Laut Cameron will sich UK auf die Unterstützung der Offizierschule (Vorbild Sandhurst und Lieblingsprojekt von Gen Karimi) beschränken.
Die Generalität sieht jedoch weiter Bedarf bei Schlüsselfähigkeiten (CAS, MedEvac, Log).
Siehe: http://www.guardian.co.uk/world/2013/jun/29/david-cameron-army-afghanistan
Wir hingegen steigen mit bis zu 800 Mann ein – ohne zu wissen was man in der nördlichen Speiche machen will.
Naja, aber Einsatz ist ja offenbar eh kein Thema mehr.