Hochwasser: Hier fliegt die Öl-Do
Neben der politischen Diskussion über Verteidigungsminister Thomas de Maizière und das EuroHawk-Debakel gibt’s auch eine andere öffentliche Wahrnehmung der Bundeswehr in diesen Tagen: Als Helfer im Kampf gegen das Hochwasser, vor allem an der Elbe.
Zum Mitplotten aus den aktuellen Meldungen des Kommandos Territoriale Aufgaben, das ja jetzt für solche Inlandsaktivitäten zuständig ist – interessant nicht zuletzt: Zur Kontrolle von Deichen wurde am Sonntag erstmals die Öl-Do, das Turboprop-Flugzeug Do228 eingesetzt, das die Bundeswehr im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums vor allem zur Jagd auf Umweltsünder auf der Nordsee einsetzt:
Ergänzend zum bisherigen Einsatz von Soldaten und Material der Streitkräfte ist seit heute ein Ölaufklärungs-/Transportflugzeug vom Typ Dornier DO 228 für die Überwachung von Deichen eingesetzt. Dieses soll mit spezieller Infrarotsensorik gefährdete Stellen entlang der Deiche in den Hochwassergebieten ausfindig machen, um schnell geeignete Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung einleiten zu können. Dazu befindet sich zusätzlich ein Luftbildauswerter des Aufklärungsgeschwader 51 „Immelmann“ aus Jagel/ Schleswig-Holstein mit an Bord.
(Wurden früher in solchen Fällen nicht immer Recce-Tornados eingesetzt?)
Und zur Gesamtlage – kommende Woche sollen weitere Reservisten aktiviert werden:
Die Bundeswehr unterstützt auf Bitte der Bundesländer Bayern, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein im Rahmen der Katastrophenhilfe die Einsatzkräfte im Kampf gegen das Hochwasser.
Insgesamt stehen rund 19000 Soldaten für den Hochwassereinsatz zur Verfügung. Am heutigen Tag waren über 12000 Soldaten aktiv im Einsatz. Die Mehrzahl der Kräfte ist direkt in den Krisengebieten der Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt eingesetzt. Andere Kräfte befinden sich in der Regeneration oder als Reserven in einsatznahen Verfügungsräumen, um zeitnah zu den Hochwasserschwerpunkten verlegt werden zu können.
Zum Einsatz kommen neben Soldaten aus aktiven Truppenteilen auch Reservisten, mit Schwerpunkt in den Bezirks- und Verbindungskommandos zu den regionalen Behörden. (Auch Teile der neuaufgestellten Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskompanie (RSUK) Thüringen sind eingegliedert in ihren Patenverband Führungsunterstützungsbataillon 383, zudem sollen am Anfang der Woche Reservisten aus Niedersachsen aktiviert werden).
Auch Soldaten der verbündeten Streitkräfte aus Frankreich und den Niederlanden stehen den Einsatzkräften zur Seite. Neben einem niederländischen Pionierbataillon (101 Geniebataljon, knapp 200 Soldaten) unterstützen auch französische Soldaten der Deutsch-Französichen Brigade im Hochwassergebiet.
Die Unterstützungsleistungen umfassen u.a. den Einsatz von Soldaten bei der Deichsicherung (Befüllen und Verbauen von Sandsäcken, Abwurf von Sandsäcken/Big Packs an gefährdeten Deichstellen und Überwachungsflüge mit Hubschraubern), die Unterstützung bei der Evakuierung gefährderter Personen und der medizinischen Notfallversorung, die Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung für die Einsatzkräfte sowie erste Aufräumarbeiten in Bayern. Zur Deichüberwachung wurde heute ein Aufklärungsflugzeug (Dornier DO 228) mit Infrarotsensorik eingesetzt.
Die Kräfte vor Ort werden in Bayern durch die Gebirgsjägerbrigade 23 aus Bad Reichenhall und die Panzerbrigade 12 aus Amberg, in Sachsen durch die Panzergrenadierbrigade 37 aus Frankenberg, in Sachsen-Anhalt durch die Panzerbrigade 21 aus Augustdorf, im nördlichen Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg durch die Panzergrenadierbrigade 41 aus Torgelow und in Niedersachsen durch die Panzerlehrbrigade 9 aus Munster geführt.
(Foto: Pressestelle Havariekommando)
@ Sascha W.
Herr Dreist (Ministerialrat im BMvg) geht auf auf S. 65f explizit auf verfassungswidrige Einsätze ein, auch explizit auf die Ölsuche (S. 66):
„3.Marine-Einsätze
Dasselbe gälte für den Einsatz von Ölsuchschiffen und einer DO 228 der Marine in der Nordsee zu Zwecken der Aufklärung von und Entdeckung der Umweltstraftäter, soweit
der Einsatz bereits im Küstenmeer (12-Meilenzone) der Bundesrepublik stattfände.
Denn das Küstenmeer gilt als Bestandteil des Territoriums des Küstenstaates und
unterliegt damit ebenso wie das Territorium selbst unmittelbar den Regelungen des Grundgesetzes. Da ein solcher Einsatz eindeutig zu Zwecken der Gefahrenabwehr
und der Strafverfolgung erfolgte, müsste er als verfassungsrechtlich unzulässig betrachtet werden.“
@iltis – 12. Juni 2013 – 21:46
Sie haben Recht. Aber es gibt halt einen winzigen Unterschied zwischen Handeln von staatlichen Stellen und Privatpersonen. So bindet s der Grundrechtekatalog nur den Staat direkt, den Bürger nur über den Umweg eines expliziten Gesetzes.
Dazu kommt dann ua auch noch, dass es hier um planmäßige und gegenüber anderen Tätigkeiten überwiegende Handlungen und nicht um Zufallsprodukte geht.
Und die Bundeswehr wird dank GG auch nochmal extra an die Leine gelegt – Art 87. Abs. 2 GG.
@Sascha W.:
Schade, ich hatte ernsthaft auf eine Grundlage für Ihre Aussage („Verwendung von nur bis zu 3 Soldaten zeitgleich bundesweit […] und da der Geringe Ansatz an Kräften nicht … die Schwelle zum Einsatz … überschritten würde.“) gehofft. So bleibt mir nur zu vermuten, dass Sie § 4 ParlBG vor Augen hatten und die Materien vermischt haben.
@J.R.: Und Dreist führt auch in der dazugehörigen Fußnote die abweichende Auffassung Schmidt-Jortzigs, der eine etwas bedeutendere Vita und insbesondere akademische und publizistische Leistungsreihe vorweisen kann als Dreist, an, die er ohne Begründung verwirft. Ich habe an anderer Stelle bereits angemerkt, daß es – anders als zur Existenz – zur Höhe der Einsatzschwelle unterschiedliche Meinungen in der Literatur gibt.
@Tom: Warum hätte ich ausgerechnet §4 ParlBG vor Augen haben sollen, der eben nicht zwischen Einsatz und unterhalb der Einsatzschwelle liegender Verwendung von Streitkräften unterscheidet, sondern Einsätze in solche geringer Intensität und Tragweite und nicht geringer Intensität und Tragweite unterteilt. Ihre Verkürzung meiner Aussage betrachte ich als mindestens unglücklich, da der Eindruck entsteht, ich würde eine Grenze bei 3 Soldaten ziehen – die Anzahl der Soldaten war lediglich eine Erläuterung der Rahmenbedingungen unter denen ich eine Gleichartigkeit Ihres Beispiels mit dem vorliegenden Fall zu akzeptierenbereit bin. Ein geringer Ansatz von Kräften ist der unterhalb der Einsatzschwelle liegenden Verwendung beinahe unabdingar, denn es dürfte unbestritten sein, daß eine große Masse von Soldaten – gnaz gleich ob mit oder ohne Waffen und Zwangs-/Eingriffsbefugnissen – in jedem Fall eine eigenständige Macht- und Drohkulisse der Streitkräfte bei einer Verwendung im Innern aufbaut und damit fast immer – die Gestellung von Ehrenformationen z.B. bei Staatsbeesuchen dürfte eine Ausnahme bilden – die Schwelle zum Einsatz überschreitet. Zu Einsatzschwelle und Macht-/Drohkulisse verweise ich auf meine Ausführungen von 12. Juni 2013 – 22:01.
Es war nur eine Vermutung, worauf Sie Ihre Ansicht stützen. Aber Sie haben Recht, dass es hierbei in den Feinheiten durchaus unterschiedliche Herangehens- und Sichtweisen gibt.
Ja, es ist schade, dass Dreist zwar auf Schmidt-Jortzig (Aufsatz hier: http://m.joerg-van-essen.de/files/jvanessen/uploads/schmidt-jortzig.pdf) verwiesen hat, seine Ablehnung aber nicht begründet hat.
Ich versuche es mal selbst:
Schmidt-Jortzig will nur dort einen „Einsatz“ Bw sehen, wo neben den sonstigen Bedingungen auch Merkmale hinzukommen die „allein und im besonderen die Streitkräfte auszeichne[n]„. Er fordert, dass dies nur erfüllt sei, wenn ein „spezifisch militärischer Handlungsverband in Anspruch genommen wird, d.h. für unmittelbare Zwangsanwendung ausgebildet, kadermäßig gegliedert und bei der Führung auf Befehl und Gehorsam setzend.“ Nicht nur, dass auch dies (theoretisch) auch auf die Polizei zutrifft. Ich vermag eine solche Einschränkung auch nicht herzuleiten. Ferner setzt es für mich die Schwelle zu hoch, da die Umgehungsmöglichkeiten exorbitant sind.
Anschließend vermengt er wieder verschiedene Gebiete, weil er das, was nicht Einsatz ist, pauschal als Amtshilfe legitimiert. Amtshilfe darf jedoch nur dann gewährt werden, wenn die ersuchte Behörde von sich heraus zur Durchführung der Maßnahme berechtigt ist. Die Pauschalität ist daher falsch. Ebenso der Rückschluss (kein Einsatz = erlaubte Amtshilfe) als solches.
Abschließend charakterisiert Schmidt-Jortzig die Öl-DO als „technisch-karitative Hilfe„. Zum Einen schreibt er danach selbst von der „Fahndung nach Öl-Sündern“, was unstreitig den gewählten Oberbegriff sprengt – im Gegensatz zum ebenfalls erwähnten SAR, Opfersuche, Krankentransport, Räumgerät- und in die Strafverfolgung fällt. Zum Anderen kann die Bw eigentlich nicht unterstützen, wird ihr das Material und die Aufträge doch erst von ziviler Seite genau dafür zur Verfügung gestellt und sie erst dadurch befähigt.
@Tom: Mir ist durchaus bewußt, daß Schmidt-Jortzig innerhalb des Interpretationsspielraumes, den die Verfassung und deren Interpretation durch das BVerfG lassen, eine mutmaßlich kaum konsensfähige Maximalposition einnimt, die in erster Linie auf das Ermöglichen und nicht auf das Verhindern gerichtet ist – und innerhalb des Spielraumes gibt es neben moderaten Positionen auch noch das andere Extrem, die Auffassungen beiderseits außerhalb des Spielraumes, den das BVerfG läßt, kommen noch hinzu. Der Schutzgedanke hinter der Beschränkung des Einsatzes der Streitkräfte soll doch nicht davor schützen, daß irgendwo 3 Soldaten ein Flugzeug des BMVBS bedienen – was ich durchaus als technische Hilfe betrachte, da diese nicht nur technische Mittel, sondern auch Expertenunterstützung beinhaltet – sondern vor dem Mißbrauch der Streitkräfte zur innerstaatlichen Unterdrückung (ich schreibe bewußt nicht Repression). Es stellt sich die Frage, was sich – real und rein rechtlich – ändern würde, wenn die Lfz-Mannschaft a) als Soldaten an das BMVBS abgestellt würde (wie es ja auch mit Soldaten an den BND gemacht wird), b) aus Zivilisten aus dem Bereich der Wehrverwaltung oder c) aus Zivilbeschäftigten aus dem Bereich der Streitkräfte bestünde? Und würde mit einer dieser Optionen der Schutzgedanke besser erfüllt?
Die Diskussion (ich meine vor allem die außerhalb von AG!) wurde ja durchaus lebhaft geführt und flammt anlaßbezogen stets wieder auf. Ich denke, das BVerfG wird sich in Zukunft noch mehrfach mit dem Gesamtkomplex – jenseits der Bedienung der Öl-Do durch Soldaten – befassen müssen und den Einsatzbegriff noch weiterentwickeln – ähnlich wie ja auch beim Verteidigungsbegriff geschehen. In welche Richtung hängt wohl auch von der Besetzung ab. Wünschenswert wäre möglicherweise aber auch eine Konkretisierung durch den Gesetzgeber, denn eine eineindeutige Formulierung durch den Gesetzgeber ist aus meiner Sicht immer besser, als eine Interpretation des Willens des Gesetzgebers durch ein Gericht.
Ein schönes Schlusswort.