Die Endspurt-Woche: Alles muss durch

de Maiziere vor Verteidigungsausschuss

Die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause des Bundestages ist in jedem Jahr eine Endspurt-Woche: Bevor sich das Parlament für zwei Monate abmeldet, werden die wichtigsten Dinge noch schnell abgearbeitet. In diesem Jahr ist es für vieles ein finaler Endspurt: Abgesehen von einer Sondersitzung zum Haushalt Anfang September sind die kommenden Tage die letzte Arbeitswoche des Parlaments vor der Bundestagswahl. Und entsprechend vollgepackt ist das Programm, in allen Politikbereichen, aber auch in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik – und das nicht nur vom Bundestag selbst:

Den Auftakt in der öffentlichen Wahrnehmung von Bundeswehr und Verteidigung in der bevorstehenden Woche setzen nicht die Parlamentarier, sondern der Deutsche Bundeswehrverband. Am Montag will er seine aktuelle Zielgruppenbefragung  vorstellen, der angekündigte Titel:  Militärische Führungskräfte bewerten die Neuausrichtung der Bundeswehr. Eine ähnliche Befragung hatte der Verband schon im vergangenen Jahr veröffentlicht, und das Ergebnis fiel für das Verteidigungsministerium, nun, nicht so berauschend aus:  Fast 90 Prozent der damals Befragten verlangten eine Nachbesserung der Bundeswehrreform (siehe hier, hier und hier). Die Neuauflage, das ist zu vermuten, dürfte für die Spitze des Ministeriums (Foto oben v.r: Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Staatssekretär Stéphane Beemelmans, Staatssekretär Rüdiger Wolf und Parlamentarischer Staatssekretär Thomas Kossendey) nicht so viel erfreulicher ausfallen.

Theoretisch kann der Verteidigungsminister darauf sehr schnell öffentlich eingehen: Wenige Stunden nach der Pressekonferenz des Bundeswehrverbandes liefert de Maizière die Keynote beim Deutschen Forum Sicherheitspolitik in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik  (BAKS) in Berlin-Pankow. Allerdings steht diese Tagung unter der Überschrift Sicherheitspolitik in Zeiten  der Globalisierung – strategische Konsequenzen für Deutschland. Und da dürfte der Minister die großen strategischen Linien ziehen – und sich weniger auf das Heimatfront-Thema Neuausrichtung der Bundeswehr einstellen. Auch von den anderen Kabinettsmitgliedern, die bei der BAKS auftreten – Finanzminister Wolfgang Schäuble am Montagabend, Außenminister Guido Westerwelle am Dienstagmorgen – wird zu diesem Aspekt vielleicht nicht so viel zu hören sein.

Die Bundestagsabgeordneten kommen beim Thema Verteidigungspolitik dann am Mittwoch groß heraus: Nicht nur der Verteidigungsausschuss, sondern auch der Haushaltsausschuss, der in dieser Endspurt-Woche noch ein paar wichtige und damit recht teure Rüstungsvorhaben beschließen soll.

Im Verteidigungsausschuss geht es allerdings zunächst um den geplanten Untersuchungsausschuss zum gescheiterten Drohnen-Projekt EuroHawk. Dafür soll sich das Gremium, wie im Grundgesetz vorgesehen, selbst als Untersuchungsausschuss konstituieren. Die Arbeit dieses Untersuchungsgremiums wird sich dann über die zwei Monate der Sommerpause hinziehen – und schon diese Zeitplanung macht klar, dass die ganze Arbeit, nun, ein wenig in den Wahlkampf hinein spielen wird. Jede Seite, Opposition wie Koalition, dürfte darauf achten, dass die Zeugen, die sie im Auge haben, möglichst öffentlichkeitswirksam vernommen werden können. Und natürlich werden immer wieder scheibchenweise Details ans Licht der Öffentlichkeit kommen, die entweder den Minister oder den Apparat des Ministeriums nicht gut aussehen lassen.

Sowohl im Verteidigungsausschuss als auch im federführenden Haushaltsausschuss gibt es ebenfalls am Mittwoch die Rüstungsprojekte, die noch schnell vor dem Ende der Legislaturperiode und der Bundestagswahl vom Tisch sollen:

• Für rund 800 Millionen Euro soll das neue Satelliten-Aufklärungssystem SARah beschafft werden, das die derzeitigen deutschen Radar-Aufklärungssatelliten des Systems SAR-Lupe ersetzen soll. Als Bedarf nennt die Bundeswehr die Sicherstellung des Erhalts der nationalen Fähigkeit zur weltweiten abbildenden Aufklärung ab Ende 2017; der Großteil der Kosten fällt so auch erst in den Jahren ab 2017 an: von jenem Jahr an sind 670 Millionen Euro vorgesehen, in in diesem und im kommenden Jahr 15 und 20 Millionen Euro.

• Die Spezialkräfte, also konkret: Das Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw bekommen ihre eigenen Hubschrauber. Für 194 Millionen Euro sollen 15 leichte Transporthelikopter beschafft werden, Typ EC145 der EADS-Tochter Eurocopter. Für diese SOF-Air(Special Operations Forces Air)-Komponente hatten sich nicht zuletzt Parlamentarier eingesetzt: Durch den Umbau der Hubschrauberflotte, nicht zuletzt durch den geplanten Wegfall der Bo105-Verbindungshubschrauber, drohte dem KSK die Möglichkeit zum schnellen Einsatz aus der Luft verloren zu gehen.

• Langfristig bis zu 12.733 neue Maschinengewehre für die Bundeswehr sieht ein Beschaffungsprojekt vor, das ebenfalls zur Entscheidung ansteht: Von dem neuen MG5 im Kaliber 7,62mm will das Verteidigungsministerium zunächst 65 Nachweismuster im Wert von 2,76 Millionen Euro bei der Oberndorfer Waffenschmiede Heckler&Koch bestellen – eine kleine Kehrtwende, den zunächst war gleich die Beschaffung mehrerer tausend Stück vorgesehen gewesen. Nach Abnahme dieser Muster soll ein Rahmenvertrag mit Heckler&Koch über die 12.733 MG5 geschlossen werden, zunächst ist als Mindestausstattung der Kauf von 7.114 Waffen zum Preis von 118,4 Millionen Euro geplant. Wegen der langfristigen Planung überschreitet dieses Projekt die Schwelle von 25 Millionen Euro, ab der das Parlament zustimmen muss; für die ersten 65 Maschinengewehre wäre das nicht erforderlich gewesen.

• Als grundlegende Änderung eines Beschaffungsvertrages und nicht als neues Großprojekt wird sich der Haushaltsausschuss (und parallel auch der Verteidigungsausschuss) mit der zwischen dem Verteidigungsminister und Eurocopter ausgehandelten Hubschrauber-Großbestellung für die Bundeswehr befassen: Die Truppe soll weniger Transporthubschrauber NH90 und weniger Kampfhubschrauber Tiger abnehmen, dafür werden 18 neue Marinehubschrauber ebenfalls bei Eurocopter bestellt. Allerdings, und da hat die Opposition schon lautstark Kritik geübt, spart die Bundeswehr trotz deutlich weniger Helikoptern unterm Strich gerade mal gut 200 Millionen Euro – bei einem Gesamtvolumen von mehr als 10 Milliarden Euro.

Was übrigens nicht mehr in der Endspurt-Woche auf dem Beschaffungsprogramm steht, sind weitere Drohnenprojekte. Für Kampfdrohnen, das hatte de Maizière ja bereits mehrfach klar gemacht, wird es vor der Bundestagswahl keine Entscheidung geben. Aber auch der geplante Kauf von Hubschrauber-Drohnen des Typs Schiebel Camcopter, die auf den Korvetten der Deutschen Marine eingesetzt werden sollen, gibt es bis zum Ende der Legislaturperiode voraussichtlich keine Beschaffungsvorlage mehr.

Die Umfrage des Bundeswehrverbandes, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses, die zum Teil – aus wirtschaftlichen Gründen – umstrittenen Rüstungsprojekte: Der Minister dürfte in dieser Woche nicht ganz so viel Grund zur Freude haben. Allerdings ist absehbar, dass gleich zwei Entscheidungen des Bundestages zu Auslandseinsätzen in dieser Woche ohne größeres Aufsehen durchgehen werden: Die Verlängerung des UN-Einsatzes der Marine vor dem Libanon ohnehin. Aber auch das inzwischen dritte Mandat für den Einsatz im westafrikanischen Mali – ebenfalls unter dem Blauhelm bei der Mission MINUSMA. Beide Mandate stehen am Donnerstag zur endgültigen Entscheidung an.

Vermutlich habe ich noch irgendwas übersehen. Aber da nehme ich Hinweise in den Kommentaren gerne entgegen.

(Foto: Die Spitze des Verteidigungsministeriums im Verteidigungsausschuss des Bundestages am 5. Juni 2013 -©Thomas Trutschel/photothek.de)