De Maizière zur Bundeswehrreform: „Ein hartes aber unvermeidliches Zwischenstadium“
Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat sich am (gestrigen) Sonntagabend in der ZDF-Sendung berlin direkt einem Interview zur Bundeswehrreform gestellt. Weil es nicht alle mitbekommen haben dürften, hier das Interview (das auch in der ZDF-Mediathek zu finden ist) noch mal zum Nachlesen. Der Minister verteidigt seine Neuausrichtung und sieht die Härten für die betroffenen Soldaten als hartes aber unvermeidliches Zwischenstadium. Und seine positive Nachricht: An der Sicherheit Deutschlands wird nicht gespart.
Im Wortlaut:
Die Reform sollte die Arbeit bei der Bundeswehr attraktiver machen. Der Bundeswehrverband kommt nun zu dem Ergebnis, die Reform erreiche das Gegenteil. Was läuft da schief?
Nein, die Reform sollte nicht die Arbeit attraktiver machen, sondern einen anderen Auftrag der Bundeswehr möglich machen. Die Neuausrichtung ist die grundlegende Antwort auf die veränderte Sicherheitslage und eine grundlegende Vorbereitung auf denkbare neue Sicherheitsentwicklungen, die wir noch gar nicht kennen. Das ist ein gewaltiger Prozess. (…) Wir sind mittendrin. Ein Beispiel: von 6.400 Einheiten werden 5.000 komplett umgekrempelt. Wir sparen Führungsebenen, wir reduzieren die Stäbe, wir erhöhen den Truppenanteil. Das ist in der Tat mit Versetzungen und allem verbunden. Das ist hart, unausweichlich. Aber die Unsicherheiten liegen an der Prozesshaftigkeit der Reform, nicht am Ergebnis.
(…) Der Bundeswehrverband hat sich das angesehen und kommt zu dem Ergebnis: die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastung hätten sich verschlechtert. Haben Sie da nicht doch etwas falsch gemacht?
Nein, wir sind jetzt noch in der alten Struktur, wir beginnen mit der neuen Struktur. Wir machen das in der Tat bei laufenden Einsätzen. Wir können der Welt nicht sagen, Leute, jetzt müssen wir uns um uns selbst kümmern. Das ist eine Operation am offenen Herzen. Die Belastung, die Dehnung, von der Herr Kirsch vom Bundeswehrverband gesprochen hat, ist geradezu die Analyse dafür, dass wir schnell zu dem Ergebnis der Neuausrichtung kommen müssen. Und deswegen wollen wir in dem Tempo fortsetzen. Und viele in der Bundeswehr fürchten ja eher, dass es eine neue Reform gibt. Die wird es nicht geben, sondern wir setzen die bestehende entschlossen um.
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, der meinte in dieser Woche zur Reform, dass die Soldaten zunehmend daran zweifeln würden, dass die Ziele, die Sie gerade genannt haben, zu erreichen sind. Die müssen es doch wissen.
Viele Soldaten wissen schon, wo ihr neuer Dienstposten ist, viele wissen es noch nicht. Viele sind im Einsatz und glauben, die besten Posten werden ohne sie besetzt. Viele die zuhause sind sagen, die im Einsatz werden bevorzugt. Das ist ein hartes aber unvermeidliches Zwischenstadium auf diesem Wege. Dass die Stimmung bei einem Hauptfeldwebel, der nicht viel verdient, wo die Frau auch Arbeit hat, wenn ich dem sage, er muss 500 Kilometer versetzt werden in den Norden, dass der nicht glücklich ist, ist klar. Aber die Ziele der Neuausrichtung – da bin ich ganz sicher – werden von ganz vielen, den meisten Soldaten geteilt.
Ein Ziel der Bundeswehr-Reform ist das Sparen. Wie viel Geld hat ihre Reform bislang eingespart?
Die Haushalte der Bundeswehr sind stabil und bleiben stabil. Das zeigt die mittelfristige Entwicklung. Wir können also bei verringertem Personal mehr für Material, für Übungen, für Großgeräte ausgeben. Und das ist gut so, und richtig so. Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist auskömmlich finanziert.
Wenn ich das zusammenfasse, gibt es derzeit schlechte Stimmung in der Truppe und gespart haben Sie nach eigenem Eingeständnis bislang auch nicht. Haben Sie die Reform (…) übers Knie gebrochen?
Wieso ist das ein Eingeständnis, wenn ich mitteilen kann, dass an der Sicherheit Deutschlands nicht gespart wird? Ich finde, das ist eine gute Nachricht. Übers Knie gebrochen – es ist wahr, die Vorbereitung war knapp, wir machen alles gleichzeitig, aber deswegen, damit es nicht so lange dauert mit der Umstrukturierung. Bei dem hohen Tempo, das wir jetzt haben, dauert es immer noch bis 2015, 2017. Wären wir langsamer, wäre die Unsicherheit der Umstrukturierung noch viel größer. Und das wollten wir vermeiden.
Es wäre ja schön wenn man den Wortlaut irgendwie einrücken könnte, so ist es nicht eindeutig, was jetzt Blogtext und was Zitat ist
Info: Donnerstag, 16. Mai … 0900 – ca 1110 Uhr, unter TOP 3b
Regierungserklärung zur Neuausrichtung der Bundeswehr: Der Sitzungstag beginnt um 9 Uhr mit der Abgabe einer 20-minütigen Regierungserklärung durch Verteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) zu Stand und Perspektive der Neuausrichtung der Bundeswehr. Im Verlauf der sich anschließenden anderthalbstündigen Aussprache diskutieren die Abgeordneten auch über die Antwort der Bundesregierung (17/13254) auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion (17/9620). Darin verweist die Regierung unter anderem darauf, dass die Einbindung der Bundeswehr in multinationale Bündnisstrukturen “fester Bestandteil der Neuausrichtung ist”. So sei etwa die Aufgabe, im Rahmen der eingegangenen Verpflichtungen in der Nato Ressourcen für einen Beitrag zur Nato-Raketenabwehr bereitzustellen, in den Leitlinien zur Neuausrichtung der Bundeswehr vorgegeben, schreibt die Bundesregierung …
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2013/44675519_kw20_vorschau/index.html
Tagesordnung BT: http://www.bundestag.de/dokumente/tagesordnungen/240.html
Deutscher Bundestag Drucksache 17/13254
24. April 2013 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD
– Drucksache 17/9620 – Bundeswehr – Einsatzarmee im Wandel
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/132/1713254.pdf
Bei diesem Beitrag stellten sich mir als gerade
ausgeschiedenem Berufssoldat die Nackenhaare.
Ist TdM eigentlich nicht bewusst, dass die Bw
aus Menschen besteht, ohne die die Bw nicht funktioniert ?
Das ist und war die schlimmste „Reform“, die ich in meiner über Dreißigjährigen
Dienstzeit erleben bzw. über mich ergehen lassen musste.
Der gestrige Beitrag des Ministers war einfach nur zynisch und menschenverachtend!
Selbst als „Ruheständler“ verfolgt mich dieser
Minister noch mit seiner unsäglichen Reform!
Siehe Umgliederung der WBVen und die damit verbundene
schleppende Bearbeitung von Beihilfeanträgen.
Aber alles wird gut!
Die Hoffnung stirbt zuletzt, hoffentlich damit auch diese Reform
mit der diese Bw gegen die Wand gefahren wird.
Wann hört dieser Minister eigentlich endlich damit auf die konstruktive Kritik an verschiedenen Systemen und Mechanismen seiner Bw als Rumgeheule über Einzelschicksale abzuwälzen. Natürlich findes es der besagte HFw es eher unspannend 500km durch die Republik zu tingeln, wenn das weder sozial noch wirtschaftlich positive Auswirkungen hat. Jedoch sage ichnals Offizier, dass aus meiner persönlichen Erfahrung (und die ist gelinde gesagt etwas regelmäßiger als die des Ministers) sogut wie alle Soldaten erstmal um „ihre Einheit“ oder „ihren Verband“ „Truppengattung“ und „Armee“ kümmern und sorgen bevor sie Persönliches anbringen.
Und genau da(!) liegt die große Unzufriedenheit und Unsicherheit. Seien es herrenlose Kompanien ohne Nachwuchs, ein großes „Wegsterben“ von erfahrenen Mannschaften weil es irgendwie keiner schafft diese zu halten, ausgeplante Strukturen ohne finanzielle Hinterlegung über denen latent das Damoklesschwert kreist, hirnrissige Prognosen und Quoten im derzeitigen Personalmanagement ( ich nenne es mal das reissen systematischer Lücken) oder die Erkenntnis dass für viele Einheiten die Größen Auftrag und Befähigung – unabhängig ihrer Gewichtung – sich immer indirekt proportional zueinander verhalten.
Und dann beschleicht mich das Gefühl (ohne groß zu recherchieren) das der IBUK einfach mal lügt, gerade im Bezug auf die „Ziele der Reform“. Denn ich kann mich sehr wohl erinnern die Ziele „Attraktivitätssteigerung“ und „Sparen“ von ihm gehört zu haben.
Welche „neuen Aufgaben“ der Minister meint, die ich erst mit einer fähigkeitsdezimierten und materiell systematisch unterversorgten Bundeswehr (70% Auslastung Mat) erst warnehmen kann hätte ich gerne gewusst.
Das Ziel von „stabilen Haushalten“ in allen Ehren aber das ist mega bullshit. Erstens wollte er sparen, schafft es aber kurzfristig nicht und flüchtet sich im Wahljahr nun auf diesen Euphemismus um das verfehlte Ziel zu verschleiern. „Mission Accomplished“ ;)
Zweitens wäre der Haushalt ohne Reform viel „stabiler“ und planbarer gewesen, ohne die ganzen Ungewissheiten und Variablen. So oder so wirft jeder zusätzliche Einsatz einen stabilen Haushalt über den Haufen, unmittelbar oder mittelbar.
Und dass nicht an der Sicherheit gespart wird ist ein Luftargument, da unmessbar. Allerdings machen so einige Reduzierungen (Tiger/NH90/A400M) mit ihren grandiosen Spareffekt bei gleichzeitigem Bedarf in der Truppe schon einen fahden Beigeschmack im Hinblick auf die Auswirkungen im Einsatzgebiet. Aber wurscht denn eines macht die Reformumsetzung mal wieder ganz deutlich: geplant, gespart und reformiert wird auf dem Papier mit 185000 Soldaten im Land – persönlich anwesend – zu Fuß.
Der Einspieler vor dem Interview brachte einige Dinge auf den Punkt. Wenn auch nach meiner Vorstellung zu zahm. Auffällig war für mich die Teilnahmslosigkeit mit der er als Begleiter der Kanzlerin in Afg gezeigt wurde. Die gleiche Teilnahmslosigkeit drückte er bei dem Interview aus. Spassig war seine Folgerung, dass wenn von 6500 Dienststellen 5000 umgekrempelt werden, man das im Sinne der Soldaten alles gleichzeitig machen müsse, da sonst die Unsicherheit noch länger dauere.
Herr Minister, die Bundeswehrangehörigen sind nicht unsicher über das, was mit ihnen passiert. Sie wissen es. Deswegen wollen so viele von ihnen nur noch weg. Die Bundeswehrangehörigen haben erlebt, wie wenig ihre Anliegen bei der Reform eine Rolle gespielt haben. Deswegen wollen so viele von ihnen nur noch weg. Die Bundeswehrangehörigen haben erwartet, dass sie nunmehr behaupten, ein Ziel der Reform sei nicht die Steigerung der Attraktivität. Deswegen wollen so viele von ihnen nur noch weg. Diese Reform ist nicht nur vor die Wand gefahren, sie steckt mitten in der Mauer und die Bundeswehrangehörigen haben keine Angst vor einer neuen Reform, denn es liegt außerhalb der Vorstellungskraft, dass die neue Reform noch schlechtere Ergebnisse bringen könnte als die jetzige.
Also der durch Deutschland pendelnde Hauptfeldwebel ist meines Erachtens nichts neues, sondern war auch schon ein prägendes Element der „alten“ Bundeswehr. Warumd das ZDF nicht nach einem wirklich kritischen Thema fragt, sprich der „Vernichtung“ der Heeresflieger, ist mir ein Rätsel.
@ Sascha Stoltenow
Das ZDF hat das noch gar nicht mitbekommen, denke ich. Und so ein Beispiel eines Hauptfeldwebels ist auch durchaus verständlicher für die Bürger.
Aber es wäre nett gewesen, wenn das ZDF gefragt hätte, woher er die Zuversicht nimmt, dass unter seiner Führung die Totalreform der Bundeswehr gelingt, wenn er es nicht einmal schafft, dafür zu sorgen, dass die Beihilfeanträge der Beihilfeberechtigten in einer angemessenen Zeit bearbeitet werden.( Ich stelle mir dazu vor, wie er vor dem Bundestag einräumt, dass ein Gefecht 4 Wochen länger dauerte, weil einige Spezialisten erkrankt waren und er es versäumt hatte, für solche Fälle Vorsorge zu treffen.)
Als ich die Bw vor 5 1/2 Jahren als SaZ15 /A11 verliess war ich ziemlich angefressen, dass es für mich dort keine Zukunft geben sollte.
Die die den Rock anbehielten spendeten Mitgefühl.
Mittlerweile bin ich so froh daüber, nicht mehr dabei zu sein, dafür hat unsere Sprache keine Worte, ich danke nachts meinem Schöpfer.
Mein Mitgefühl gilt all denen, die immer noch bereit sind, klaglos ihre Knochen für so etwas hinzuhalten, um sich dann als „Einzelfall“ oder (sinngemäß) „Annerkennungsgeil“ bezeichnen zu lassen.
Für die paar mit denen ich noch Kontakt habe ist dieser Ministerpostenverwaltungsbürokrat auch schon gar kein Thema mehr. Als momnetaner Mittelbau des Offizierkorps warten sie nur noch, Prinzip Hoffnung, auf den nächsten IBuK, was schleppi so schön bildhaft ausgedrückt hat.
Zum Interview:
Es tut einfach nur noch weh….
@ Sascha Stoltenow
Der Soldat ist dann in der Lage die dienstlichen Ungeschicke und Ungereimtheiten zu kontrollieren und abzustellen, wenn sein privates Umfeld sicher und stabil ist. Ist das nicht der Fall wird der Dienst beeinträchtigt. Insofern schon eine gute Frage vom ZDF.
Auslöser und Grundlage für die diese Reform (neusprech: Neuausrichtung) war die Finanzkrise und geplante 8 Mrd Einsparungen und nicht wie TdM behauptet die veränderte SiPo Lage!
„Die Haushalte der Bundeswehr sind stabil und bleiben stabil. Das zeigt die mittelfristige Entwicklung. Wir können also bei verringertem Personal mehr für Material, für Übungen, für Großgeräte ausgeben. Und das ist gut so, und richtig so. Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist auskömmlich finanziert.
…und warum fehlt dann genau dafür kurz und mittelfristig das Geld?
Sind dem Ministerium die Kosten, welche durch die Neuausrichtung entstehen bekannt?
Auswandern…Kriege Augenkrebs vom Lesen…
…nicht von den Kommentaren, sondern von den Peinlichkeiten des TdM…
Schade,
daß es immer noch nicht einen Ruck in der Öffentlichkeit gibt, wo ist die Presse wenn man Sie braucht????
Es muss einfach deutlicher gemacht werden das dieses Reform nichts gerechtes und Vernünftiges hat.
Wir stehen jetzt auch wie viele andere Bereiche in der Deutschen Arbeitswelt im
Kampf ums überleben, und angesichts dieser Tatsache sollte auch der Bundeswehrverband langsam aber sicher die der Situation angepasste Schärfe und Kampfbereitschaft an den Tag legen.
Es wir Zeit das wir uns wehren
Sollten wir nicht alle „mitgenommen“ werden?? Sollten wir nicht alle bis Ende des Jahres (2011) wissen wie es mit uns ´weitergeht??
Ist das Vergesslichkeit bei TdM oder schlicht und einfach eine zurechtgebogene Wahrheit??
KT zu Guttenberg hat „mal eben so“ versprochen jene besagten 8 Mrd € einzusparen und anschließend handstreichartig die Wehrpflicht abgeschafft. TdM hat auf dieser verkorksten Basis die Bundeswehr zu Grunde reformiert und zwar so gründlich, wie das eben nur ein Verwaltungsbürokrat kann.
Gleichzeitig fährt sein StS immer noch durch BY und verkündet den Erfolg dieser Reform, besonders für die von vielen Dienststellen befreiten BY. Schauderhaft!
Andererseits: dies zeigt auch, was die Generalität für ein Sternchen mehr alles mitmacht anstatt mit Fachkompetenz zu beraten und zu überzeugen!!
Im Sinne meiner Vorredner bin auch ich froh, dass der 31.10. 2013 mein letzter Tag als BS sein wird.
Ausser bei den von ihm angeführten 5.000 Einheiten von 6.400, die „umgekrempelt“ werden, unterlegt der IBUK seine Feststellungen nicht mit Zahlen.
Zitat: „Wir sparen Führungsebenen, wir reduzieren die Stäbe, wir erhöhen den Truppenanteil.“ Ein guter Planer bzw. Change Manager verfügt über differenziertes Zahlenmaterial der vom Umstrukturierungsprozess bzw. -maßnahmen betroffenen Organisationselemente.
Zitat: „Viele Soldaten wissen schon, wo ihr neuer Dienstposten ist, viele wissen es noch nicht.“ Darf davon ausgegangen werden, dass es auch über die bereits erfolgten Eröffnungen von Kommandierungen / Versetzungen sehr konkretes Zahlenmaterial gibt? Oder liegen diese Zahlen derjenigen Führungsebene, die den gesamten Umstrukturierungsprozess leitet und steuert, gar nicht vor? Der IBUK nennt noch nicht einmal vage Größenordnungen wie „etwa ein Drittel“ oder „Mehr als die Hälfte“.
Auch bei der für jedes Executive Board einer Grossorganisation zentralsten Frage – der Akzeptanz der Ziele der Umstruktierung bzw. der Maßnahmen und Folgen des Change Process durch die Mitarbeiter aller Strukturebenen – verschwiemelt der IBUK im Ungefähren: „Aber die Ziele der Neuausrichtung – da bin ich ganz sicher – werden von ganz vielen, den meisten Soldaten geteilt.“ Gab es da nicht diese Umfrage beim Führungspersonal der Bw vom Anfang des Jahres? Oh – da fielen die Zahlen über die Zustimmung zur „Reform“ nicht so schmeichelhaft aus.
Na, lassen wir uns halt weiter im Gewaber der Bendlerblock-Nebelwerfer bewahlkämpfen.
Zitat: „Wir können also bei verringertem Personal mehr für Material, für Übungen, für Großgeräte ausgeben.“ Auch diese Aussage liesse sich mit konkreten Zahlen hinterlegen. Hat der IBUK diese Zahlen und nennt sie nicht, sollte er (zB vom Parlament) ins Obligo genommen werden und seine Aussage belegen. Ansonsten bliebe sie eine aus naheliegenden, wahlkampf-„taktischen“ Gründen unwahre Aussage bzw. Behauptung. Zudem bedeuten mehr Ausgaben „für Material, Übungen und Großgeräte“ nicht zwingend, dass die durch verringerte Personalstärken freiwerdenden Mittel auch tatsächlich für einsatz- und ausbildungsrelevante Vorhaben genutzt werden. Unter „Großgeräte“ fallen ja wohl auch EuroHawk und andere schicke Spielsachen, für die man entsprechend neues Material braucht und an denen ausgebildet und beübt werden muss.
Lieber Dr. jur. de Maizière…Ihre Aussagen sind für mich nicht überzeugend. Und ich bin vermutlich eher einer von Vielen als Teil einer Minderheit. In Bundeswehr UND Gesellschaft. Und Transparenz und Überzeugung sind entscheidende Elemente in jedem Wandlungs- und Veränderungsprozess, mit dem Organisationen, Unternehmen, grundlegende Strukturen, legislative Fundamente und vor allem Gesellschaften eine bessere Zukunft ermöglicht werden soll. Und darum sollte es im Kern doch in jedem Wahlkampf gehen – oder nicht?
Zitat: „Aber die Unsicherheiten liegen an der Prozesshaftigkeit der Reform, nicht am Ergebnis.“ Gut geplante Prozesse – und insbesondere Change Prozesse grosser und breit diversifizierter Organisationen – schliessen Verunsicherungen aufgrund unklarer Kommunikation bzw. nicht erfolgter oder nicht erfolgreicher Überzeugungsarbeit ja gerade aus.
Zitat: „Die Neuausrichtung ist…/…eine grundlegende Vorbereitung auf denkbare neue Sicherheitsentwicklungen, die wir noch gar nicht kennen.“ Analysiere ich diese Aussage, entspricht der Kern einem der schrägsten Sätze aus einem deutschen Kinofilm der frühen 80er-Jahre. In „Der Mann auf der Mauer“ (Regie: Reinhard Hauff) springt Hauptdarsteller Marius Müller-Westernhagen in ein Taxi und befiehlt dem Taxichauffeur mit fester Stimme: „Fahren Sie mich irgendwohin – ich werde überall gebraucht.“ Vorlage ist übrigens die Erzählung „Der Mauerspringer“ – lt. „Film-Dienst“: „Eine Tragikomödie über die Absurditäten der deutschen Teilung.“ Und wie man sich auf „Sicherheitsentwicklungen, die wir noch gar nicht kennen“, vorbereitet – bleibt wohl ein Geheimnis der höchsten sicherheitspolitischen Strategen in Staat und Politik.
Rette sich wer kann!
Schade, dass es so gekommen ist.
@klausk: wenn man über 30 Jahre gedient hat,
tut es trotzdem weh, dieses alles, und sei es auch im
Ruhestand, mit zu erleben! :-/
Die Sicherheitslage selbst hat sich seit dem Amtsantritt des jetzigen Ministers nicht grundlegend geändert – zumindest nicht so, dass es eine Reform rechtfertigt. Und eine Neuausrichtung auf etwas zu gründen, was man noch gar nicht kennt, ist auch hinterfragbar. Bei genauem Hinsehen haben nur 3 Dinge zu einer Lageänderung geführt: Erstens die Unvereinbarkeit sündhaft teurer Beschaffungsprojekte mit dem rigiden staatlichen Sparzwang, zweitens die Aussetzung der Wehrpflicht und drittens eine neue politische Leitung. Alles andere ist weder neu noch überraschend, und hätte folglich auch bei früheren Reformen Berücksichtigung finden können/müssen. Und dieses Rad wird sich wohl auch nach der Wahl genau so weiterdrehen.
Was mich aber insgesamt am meisten ärgert, ist dies: Deutschland gibt pro Jahr immerhin mehr als 33 Mrd (!!!) Euro für Verteidigung aus. Das sind rund 11 % am Bundeshaushalt eines nicht gerade armen Landes. Und was ist das Ergebnis? Unter dem Strich stehen im wesentlichen
– einige mittlere und kleinere Einsätze (ISAF, KFOR, UNIFIL, ATALANTA, Mali etc.), von denen sich der weitaus größte (AFG) gerade in der Auflösung befindet,
– die Erkenntnis, viel zu viel zu wollen und letztlich nur wenig wirklich zu können,
– ein politischer Wille, der militärischen Machtprojektionen ohnehin skeptisch gegenübersteht,
– und eine miserable Stimmungslage unter den Soldaten selbst.
Nun könnte man sagen: Erfolgreiche Sicherheitsvorsorge muss Reserven bilden, sie ist eine Investition für Unvorhergesehenes. Sie kann sich also nicht nur am aktuellen Ergebnis messen lassen. Aber andererseits: Haben wir nicht seit Jahren das Gefühl, mit unserer Armee bereits am Anschlag zu stehen? Wo bleibt da ein Handlungsspielraum?
Wenn die Bundeswehr sich einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb stellen müsste, stünde sie vermutlich seit Jahren vor dem Konkurs. Aufwand und Nutzen stehen leider in keinem adäquaten Verhältnis. Das wiegt umso schwerer, wenn man die Opportunitätskosten beachtet: Was könnte man mit 33 Mrd. Euro nicht alles zum Beispiel zur Lösung unserer Bildungsmisere – und Bildung ist die allerwichtigste Ressource, über die wir Deutschen (noch) verfügen! – erreichen? Oder andere Beispiele gefällig (Kinderbetreuung, Verkehrsinfrastruktur, Gesundheitspolitik, Kriminalitätsbekämpfung etc.)?
Die Bundeswehr muss davor bewahrt werden, tatsächlich und gefühlt zu einer gigantischen Fehlinvestition zu werden. Das hat sie nicht verdient. Also ganz hart formuliert: Entweder more bang for the bucks, oder no more bucks.
@Jas
@Schleppi
Vielen Dank für Ihre Beiträge. Ich kann dies auch aus meiner Sicht nur bestätigen.
Mir scheint, dass der Minister uns Soldaten es einfach nicht zutraut, dass wir tatsächlich im Sinne der Sache, also der Bundeswehr, unsere Bedenken kundtun.
Anscheinend ist es für ihn absolut unverstellbar, dass es Menschen gibt, denen es nicht in erster Linie um das eigene Wohl, um das eigene Fortkommen geht, sondern um die Organisation, der sie sich verpflichtet fühlen. (Loyalität nennt man das wohl.)
Dies muss ein Verhalten so außerhalb der Norm sein, dass es nicht nachvollgzogen werden kann.
Ich möchte aber auch etwas Positives loswerden, ein Beispiel aus meinem unmittelbaren persönlichem Umfeld. Dieser Soldat empfindet die Auswirkungen der Reform als positiv, da er dann „nur“ noch 450 Kilometer zu pendeln hat.
Herr Minsiter, ich bin sicher, dass dieser brave Soldat kein Einzelfall ist. Seien Sie froh, dass Sie die noch haben aber glauben Sie nicht, dass eine solche Personalresource unbegrenzt zur Verfügung steht.
…“Dass die Stimmung bei einem Hauptfeldwebel, der nicht viel verdient, wo die Frau auch Arbeit hat, wenn ich dem sage, er muss 500 Kilometer versetzt werden in den Norden, dass der nicht glücklich ist, ist klar…“
Er hat dabei vergessen zu erwähnen, dass viele Soldaten bereits zum x-ten male versetzt werden! Und diese Soldaten sind dann etwas mehr als nur unglücklich! Loyalität hin oder her! Irgendwann ist dann auch mal gut!!! Es ist ein absolutes Armutszeugniss für den Dienstherrn, wenn manche Soldaten eine Strecke unter 400 Kilometer schon als Heimatnah empfinden… Traurig, aber leider wahr!
Eigentlich müßte das Bundeswehrlogo heißen: „Diene willenlos, erkunde das gesamte Bundesgebiet, sei so oft Du kannst im Ausland, fühl dich wie ein Heimatloser und komm erst gar nicht auf die blöde Idee dich fest an einen Partner zu binden!“
@Verox
Sie übertreiben nach meiner Empfindung.
Wenn man Soldat wird, weiß man, dass man nicht die gesamte Dienstzeit in einer Kaserne verbringt. Wenn man Ruhe, Stabilität und Immobilität will, sollte man nicht Soldat werden.
Man kann den Soldaten viel zumuten, aber es ist die Aufgabe der Politik die Belastung zu mindern. Probleme beim Schulwechsel Schulsysteme? Versorgungsausgleich? Alimentation von Soldaten gemäß Gesetz? Uvm
Ach Leute, was ärgern wir uns. Im Herbst sind Wahlen, das bedeutet, spätestens nächsten Frühling wird diese Reform sowieso wieder „nachgebessert“, das haben beide Parteien schon angekündigt. Und ich gehe davon aus, dass die Bundeswehr bei dieser „Nachbesserung“ nicht besser wegkommen wird, als jetzt…
@Hannes
Bitte, Sie machen meines Erachtens den gleichen Fehler wie es in der Leitung geschieht. Es geht eben nicht in erster Linie um das Umziehen oder den häufigen Standortwechsel an sich.
Das weiß nun wirklich jeder, der sich für den Beruf des Soldaten entschieden hat, das Auslandseinsätze, Versetzungen und häufige Abwesenheiten dazu gehören. Problem
atisch wird es aber, wenn die zur Verfügung stehenden Standorte nur noch solche sind, die die aufgrund ihrer Struktur als zukünftiger Wohnort für die Familie ausscheiden und jemand zum Pendeln gezwungen wird.
Ich rede nicht davon, dass Kasernen nur in Hamburg, München oder Berlin zu sein haben aber warum verlässt, z.B. das Heer all die attracktiven „Mittelstädte“?
Da tauscht man Hannover gegen Oldenburg, Regensburg gegen Stadtallendorf, Koblenz gegen Strausberg….
Attraktivität oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind eben nicht in erster Linie davon abhängig ob oder wie viele bunte Eltern-Kind-Zimmer zur Verfügung stehen. Sie ist eher davon abhängig ob die Familie ( und es gibt Gott sei Dank noch Soldaten, die sich dieser Herausforderung stellen) in einem Umfeld ist, dass den Ansprüchen genügt (Schulen, Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsplatz für den zweiten Verdiener).
Wieso ist dies eigentlich so schwer nachzuvollziehen? Nach fast zwei Jehrzehnten gönnt sich noch eine ganze Anzahl anderer Staatsbediensteter die Vorzüge des
Bonn-Berlin-Gesetzes, um die unglaublichen Härten des Hauptstadtwechsels ertragbar zu machen.
Eine vergleichbare Regelung für die Versetzung in „die Fläche“ würde mit Sicherheit vielen Angehörigen der Bw helfen.
Irgendwie bleibt es frustrierend. International war die Bw bereits anerkannt. Das hat nicht nur mit den Leistungen in AFG, sondern auch mit dem Engagement der Truppe in anderen Einsatzgebieten zu tun. Leistung hängt auch von Motivation ab und diese wird gerade zerstört. Für mich ist noch nicht klar, wieso und wie die Bw nun definitiv besser werden soll. Man versucht auf Effizienz zu machen, schadet aber der Effektivität. Was kommt unter dem Strich nun wirklich dabei rum – außer viele frustrierte Menschen in der Bundeswehr samt Familien? Vermutlich nicht viel. Da fällt mir ein Zitat ein, was zuletzt vom DBwV mit Bezug zur Reform genannt wurde.
http://www.enodo.de/downloads/Wir_uebten_mit_aller_Macht.pdf
Es trifft erneut zu! Igenwie werden hier doch alle für dumm verkauft oder täuscht mich der Eindruck. Und weil die Probleme sind wie sie sind, lenkt man angeblich mit Veteranendiskussionen (die kein Mensch braucht) und so etwas wie einem neuen Leitbild ab.
[Einmal der Link reicht, oder? T.W.]
@ T.W.: Klar ;-)
Mein Eindruck dieses Interviews ist desaströs. Bereits der erste Kommentar ist äußerst treffend. Der Minister scheint überhaut kein Fingerspitzengefühl insbesondere bezüglich der extrem geforderten und vergelichsweise schlecht bezahlten Klientel der Soldaten zu haben. Sehr traurig.
Ich gebe (ungern) zu, dass ich mich ab und an auch Worten bedienen deren Bedeutung sich nicht unmittelbar erschließt. Kann mir bitte jemand helfen und erklären was mit „Prozesshaftigkeit der Reform“ gemeint ist?
@ ex-soldat
Vermutlich kann es auch der Minister nicht. Es ist eine der Platitüden, die sich in Interviews immer gut machen, weil sie den Anschein von Expertise erwecken. Vielleicht sollte er zukünftig hinzufügen, welchen Prozessbegriff er denn meint. Letzlich ist ein Prozess ein Ablauf von Handlungen,Ereignissen und Bewegungen. Wenn man die Neuausrichtung der Bw als prozesshaft bezeichnet, dann hat man vermutlich den stochastischen Prozess vor Augen :-))
Es tut mir leid, für alle BWler sich von TdM „führen“ lassen zu müssen.
Wie man eine Reform für Aufgaben plant, die man noch gar nicht kennt, muss mir mal einer erklären.
Wenn er sich bei einem Interview so wachsweich und faktenfrei darstellt, über die Belastung seiner ausgelaugten Mitarbeiter noch ironische Bemerkungen macht „nicht glücklich..“ und sie dann noch für seine eigenen das Fiasko verursachenden Ziele vereinnamt („ganz viele“) – dann kann einem jeder/jede die ihn als Dienstherren hat nur leidtun.
Und er scheint nicht mal zu wissen, was er da anrichtet.!
Ich warte jetzt erstmal auf das Update der Umfrage des DBWv, dann auf die weichgespülte Antwort des BMVg, dann auf meinen Kaffee und danach wird es sich immer noch nicht lohnen für diesen Minister meinen Blutdruck hochzufahren.
Wir haben seine Vorgänger überlebt – auch seine Amtszeit ist endlich, wird aber nachhaltig in (schlechter) Erinnerung bleiben ;)