De Maizière: …. dann hätten wir gar keine Rüstungsprojekte
Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat in einem Interview zum Debakel um den EuroHawk Stellung genommen – wenn ich nicht etwas übersehen habe, ist das Interview der Woche des Deutschlandfunks die erste etwas ausführlichere Aussage des Ministers gegenüber einem Medium, seitdem in der vergangenen Woche der Stopp des Drohnenprogramms verkündet wurde.
Ob das Problem EuroHawk zu Konsequenzen führt und wenn ja zu welchen, lässt de Maizière – wie zu erwarten war – vor dem Bericht an den Verteidigungsausschuss am 5. Juni offen. Dennoch sind die Aussagen in dem Interview, das der Deutschlandfunk bereits am (heutigen) Freitag in Teilen veröffentlichte, recht interessant:
Wenn wir bei komplizierten Beschaffungsvorhaben bei jedem Problem komplett die Reißleine ziehen würden, dann hätten wir gar keine Rüstungsprojekte. Es gibt kein einziges Beschaffungsverfahren ohne Probleme dieser Größenordnung.
Was sicherlich stimmt und den EuroHawk in eine richtige Perspektive rückt – andererseits allerdings die Frage hervorruft, ob nicht auch bei anderen Projekten die Reißleine hätte gezogen werden müssen und das Scheitern nur bemäntelt wurde…
Verwundert hat mich in dem Interview allerdings, wie der Minister das Drohnen-Debakel auch mit einer unterschiedlichen Kultur in den USA und Deutschland zu erklären versucht:
Jedenfalls ist unsere Anforderung an Dokumentationen für Zulassungen strenger als die in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn Sie eine Lokomotive, wenn Sie ein Auto, wenn Sie ein Flugzeug zulassen, dann muss über jedes Bauteil eine einzelne Dokumentation erfolgen und jedes einzelne Bauteil wird zugelassen, eine Turbine, ein Vergaser, eine Metalllegierung und ähnliches. Da sind wir sehr gründlich, wie wir Deutschen nun mal sind. Die Amerikaner nicht.
Da wird dann die Frage interessant, wie die Unterschiede zwischen Deutschland und Italien, dem Stationierungsland für das NATO-System AGS mit seinen Global Hawk, zu bewerten sind. Da könnte man ja zu dem Ergebnis kommen, dass wir Deutschen sehr gründlich sind, die Italiener nun mal nicht, und deshalb die Stationierung dieser Drohnen auf Sizilien kein Problem wird – und deshalb auch von deutscher Seite keine Schwierigkeiten für AGS gemacht werden?
(Foto: Bundeswehr/Andrea Bienert unter CC-BY-ND-Lizenz)
@J.R – Die werden entwickelt wenn sich genügend potentielle Abnehmer finden. Mit diesem Abnehmern im Rücken rennt der Hersteller zu diversen Banken und verhandelt um Kreditbeträge bei denen es selbst der Deutschen Bank schwindelig wird. Kommt der Hersteller mit den ersten Serienmaschinen in Lieferverzug oder die Kunden springen ab, wird es verdammt eng. So ist es Airbus mit dem A380 ergangen. Aber auch Airbus lässt sich nicht mal 100 Flugzeuge in das Auftragsbuch schreiben und willigt ein erst bezahlt zu werden, wenn die 100 Flugzeuge auf dem Hof des Kunden stehen. Jedes Flugzeug wird bei Übergabe bezahlt.
Das Risiko etwas ins Blaue zu entwickeln/herzustellen und erst dann zu schauen ob vielleicht ein Abnehmer des Weges kommt, geht kein Unternehmen ein und keine Bank gibt für soetwas Fremdkapital – erst recht nicht im sehr speziellen Rüstungsgeschäft.
Das Thyssen Krupp Stahlwerk verfehlt hier den Vergleich. Es handelt sich um eine Investition und damit um einen Sachwert der innerhalb des Unternehmens verbleibt. Es besteht höchstens das Risiko, das Stahlwerk nicht voll auslasten zu können.
bzgl. Puma vs. CV90:
CV90:
-transportiert mehr Soldaten
-wiegt weniger
= weniger Schutz
-CV90 kann Schutzstufe C
Sehr gewagte These bei einem Fahrzeug mit max. 35 Tonnen..
Ich kann Ihnen versichern, dass es schlicht nicht möglich ist die CV90 Wanne vollumfänglich auf das Schutzniveau eines PUMA zu hieven, ohne die Wanne massiv zu verändern – würden man die Wanne verändern, hätten man eine Puma Wanne. Wenn man dann noch die Schutzpakete anhängt, wird dieses Fahrzeug in der Gewichtsklasse wie der Puma rangieren.
Volumenvergleiche sind bei gepanzerten Fahrzeugen nur dann interessant, wenn das Innenraumvolumen angegeben wird. Beide Fahrzeuge dürften etwas das gleiche Innenraumvolumen haben.
Was der Puma toller kann?
-Ein Schutzniveau das bisher unerreicht ist bei Schützenpanzern und auch vielen MBT`s ohne schwere Schürzen. Damit kann er den meisten schultergestützten Waffen auf dieser Welt die Stirn bieten.
-Einen entkoppelten, doppelten Unterboden mit einer zähen Wanne, die selbst schwerste Minen und IED`s aushalten kann (übrigens eine Schwäche des CV90).
-Entkoppeltes hydrodynamisches Fahrwerk.
-Hochauflösende stabilisierte Optiken (mit Ausgabe auf LCD) die mit einer sehr feinfühligen Hauptwaffe verbunden sind.
-ABM Technologie
-Umfangreiche Funk u. Datenübertragungstechnik
usw… usw…
Um es kurz zu machen – wenn man diese Technik in einen CV90 einbaut, wird dieses Fahrzeug auch 7 Mil. kosten. Ich stimme Ihnen in der Frage zu, ob 7 Mil. für einen Spz. wirklich auch den Nutzen wiederspiegeln den man für 7 Mil. erwarten würde.
Zu sagen:
„Der CV90 ist viel günstiger und ist technisch gleich gut“ – halte ich nicht für zulässig.
„Der CV90 hat bei einem geringeren Preis fast den gleichen subjektiven Nutzen wie der Puma“ – halte ich für diskussionswürdig.
p.s Die Niederlande waren nie Teil des PUMA Projekts und konnten damit auch nicht aussteigen. Für die Niederlande war ein schnell verfügabrer Spz. wichtig. PUMA Kapazitäten werden erst nach 2020 frei.
@all
Ja, natürlich kann man die Goldrandlösung anstreben aber man muss immer wissen, dass es bis zur Lösung, Gold kostet und das geht meist auf Kosten der Stückzahl und Verfügbarkeit!
Mir ist ein verfügbares einsatztaugliches Gerät mit geringerer Kampfkraft lieber als ein kampfstarkes, einsatzuntaugliches Gerät, welches nur mit geringer Stückzahl kaum verfügbar ist.
Einsatztauglich ist in diesem Falle aber leider Auslegungssache. Beide Seiten können hier nämlich argumentieren, das der CV 90 sich im Gefecht bewährt hat oder eben nicht wirklich einsatztauglich ist, weil der IED-Schutz grenzwertig ist und bereits Besatzungsmitglieder, sowohl bei Norwegern als auch Dänen, gefallen sind.
>> Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, wir starten Rüstungsprojekte ohne genau zu spezifizieren was wir eigentlich wollen. <<
Bingo. Und genau hier schließt sich der Kreis zur "neverending story" Bundeswehrreform (Take 2014354). Ohne zu wissen wo man eigentlich hin will und was man leisten kann/will, sind doch all diese bombastischen Rüstungsprojekte momentan nur Fischen im Trüben. Wie sollen den spezifische Anforderungen an neu entwickelte Waffensysteme genau definiert werden, wenn nicht mal klar ist welche Art Streitkräfte wir den am Ende dieser Reform (der Reform der Reform der Reform der Reform …) haben sollen.
Aber da auf ne Lösung zu hoffen ist müßig. Dazu müßten unsere Politkasper ja etwas tun, wozu sie gar nicht in der Lage sind: Entscheidungen treffen (ohne ewiges Lavieren und Händekneten) und Verantwortung übernehmen (und zwar nicht nur rhetorisch).
Zitat TdM:
„Wir arbeiten ja nicht nur an einer Chronologie, die die Verantwortung und die Abläufe klarstellt, sondern Gegenstand dieses Berichts wird auch sein, wie sieht es generell mit den Zulassungsverfahren aus.“
Die Zulassung in Frage zu stellen ist glaube ich nicht zielführend. Ohne Zulassung hätte uns z.B. der H&H Lieferant T€copter noch mehr Murks untergeschoben.
In diesem Forum wurden alle Großprojekte richtig genannt und dargestellt, dass sie neben Rüstungsprojekten, Projekte sind, in denen sehr viel Geld in den Sand gesetzt wurde//wird.
Dafür mag formal TdM die Verantwortung tragen. Aber Insider wissen, dass das der Rüstungsprozess vorwiegend im BAAIN ausgetragen wird. Gerade hier erwarte ich, dass nach Schwachstellen geforscht wird und mal kräftig aufgeräumt wird. Die Hoffnung ist allerdings gering – wer leitet noch mal die Revision zum Thema €Hawk? Hier hat die Reform so leider gar nichts vor.
Im Falle TIGER und NH 90 leiden wir nicht nur am Produkt, sondern kämpfen täglich an den Folgen der wundervollen Verträge. Da war es mal erfrischend zu lesen, dass Australien einen NH 90 von €copter geschenkt bekommt!!! Warum wir eigentlich nicht? Für was – als Gegenleistung für die Verspätung oder für die schlechte Qualität?
Die Zulassung aufzuweichen wäre ein Geschenk für €copter, dann kann man endlich ohne Schwierigkeiten dem Kunden alles andrehen. Und last but not least denkt auch mal an die Organisationen wie Nahema und NHI, die ohne Leistung mitverdienen und alles noch verschlimmbessern.
Es bleibt spannend
„Auch die ewige Diskussion um das MG 4 wirft ein Fragezeichen auf das Bewaffnungskonzept, beschwert man sich doch im Einsatz stetig über mangelnde “Durchschlagskraft.”“
Meiner Kenntnis nach, wurde das nur so gemacht, weil das MG3 mittelfristig ausgesondert werden muss. Der MG3-Nachfolger hk121 kann aber ohne große Anpassungen das MG4 im Puma ersetzen. Insofern ist das schon nicht schlecht gemacht.
„der Bedarf für die Nachfolge des SPz Marder und des SpPz Luchs kam wohl nicht so ganz plötzlich aus heiterem Himmel“
Ja EBEN. Und dennoch wieder alles kurz auf knapp mit einem IRRWITZIGEN Zeitplan. Gleiches bei Drohnen, Bedarf seit LANGEM absehbar. Was passiert? Nix….
Das Interview im Volltext:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/idw_dlf/2118463/
apropos Waffen:[Link gelöscht]
[Sie wissen doch, dass hier keine Links auf deutsche Verlagswebseiten stattfinden… bitte ggf. kurz zusammenfassen. T.W.]
@Voodoo:
„Einsatztauglich ist in diesem Falle aber leider Auslegungssache. Beide Seiten können hier nämlich argumentieren, das der CV 90 sich im Gefecht bewährt hat oder eben nicht wirklich einsatztauglich ist, weil der IED-Schutz grenzwertig ist und bereits Besatzungsmitglieder, sowohl bei Norwegern als auch Dänen, gefallen sind.“
Gleiches git ja auch für die Panzerhaubitze… aber wir hatten sie ja im Einsatz und lustig Belauchtung schiessen kann man damit auch, also ist sie ‚Einsatzerprobt‘
Das SPielchen kann man mit einigen System treiben.
Nächste Runde G36-Diskussion… Gähn.
AA und BMVg finanzieren ab 2014 eine Henry-Kissinger-Professur an der Uni Bonn:
http://t.co/rreU4RYED4
Der Bezug auf das Völkerrecht und Kissingers Realpolitik in Südamerika und Vietnam/ Laos sind zumindest spannend.
Interessant wäre zu erfahren, ob Soldaten und Diplomaten dort Aufbaustudiengänge absolvieren sollen.
Wäre überfällig so was.