Bundeswehr bleibt in Afghanistan bei ihrer Strategie

re:publica bedingt komme ich hier dieser Tage nur zu wenig; aber für die Sammlung: Die Aussagen von Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt am (heutigen) Montag vor der Bundespressekonferenz zum Thema Afghanistan. Kernaussage: So traurig der Tod des deutschen KSK-Soldaten am vergangenen Samstag ist, auf die grundsätzliche Planung hat es keinen Einfluss.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Stefan Paris, und der Sprecher des Auswärtigen Amts, Andreas Peschke, im Wortlaut:

Frage: Ich möchte beim Außenministerium und beim Verteidigungsministerium nachfragen, ob der Todesfall eines deutschen Soldaten in Afghanistan zu irgendwelchen Änderungen der Strategie der Bundesregierung im Hinblick auf Afghanistan Anlass gibt.

Paris: Das ist ein sehr trauriges Ereignis, das wir am Samstag haben erleben müssen. Aber an den Planungen, an den Absichten und auch an den weiteren Schritten, die wir gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft und auch mit den afghanischen Partnern in Afghanistan gehen werden, ändert das nichts.

Frage: Hat sich in den letzten Tagen oder Wochen, auch bezogen auf den Vorfall von vorgestern, etwas an der Einschätzung der Gesamtlage beziehungsweise der Sicherheitslage im Norden Afghanistans geändert?

Paris: Wir haben stets betont, dass die Sicherheitslage in Afghanistan auch im Norden nicht einfach ist. Wir haben in Afghanistan insgesamt eine unterschiedliche Sicherheitslage. Nichtsdestotrotz haben wir eine sehr labile Sicherheitslage.

Es war immer damit zu rechnen, dass durch Aufständische entsprechende Aktionen durchführen – ob sie auf diese Art und Weise oder ob sie beispielsweise im Wege des IED-Anschlags geschehen. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Sicherheitslage mitnichten ein rosiges Bild beinhaltet, sondern dass der Einsatz gefährlich ist. Er ist nach wie vor eine Herausforderung.

Die Gefahr, die es in Afghanistan gibt, hat sich am vergangenen Samstag in dieser traurigen Art und Weise konkretisiert. Damit haben wir nicht gerechnet. Aber man konnte auch nie ausschließen, dass etwas passiert.

Zusatzfrage: Voraussetzung für den Abzug der deutschen Kräfte, beispielsweise aus dem OP North oder aus dem Feldlager in Faizabad, war immer, dass eine gewisse Stabilisierung eingesetzt hat und dass man die Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Kräfte übergeben konnte. Sind aus heutiger Sicht diese Voraussetzungen in den Einsatzgebieten, insbesondere bezogen auf den OP North, noch immer gegeben? Würde man heute noch immer sagen können: „Die Lage dort ist so, dass wir die Sicherheitsverantwortung an die Afghanen übergeben können“?

Paris: Ich denke schon, dass man das so sagen kann und dass wir unsere Entscheidung, die wir getroffen haben, in keiner Art und Weise zu revidieren haben. Sie wissen, dass wir am gestrigen Tag dargestellt haben, wie es zu dem Vorfall gekommen ist. Sie können daraus ablesen, dass das eine Unterstützung, eine Begleitung afghanischer Sicherheitskräfte, auch afghanischer spezieller Sicherheitskräfte gewesen ist. An dem, was wir auf dem Rückverlegungsplan haben, haben wir keine Absicht, Änderungen vorzunehmen.

Peschke: Ich kann das aus unserer Sicht nur noch bekräftigen. In die Gesamtbewertung der Sicherheitslage vor Ort ist immer eingeflossen, dass die Lage schwierig ist und dass der Einsatz gefährlich und riskant ist. Das war schon immer Teil der Gesamtbewertung. Dabei muss es leider auch bleiben.

Dennoch: An der Umsetzung der Gesamtstrategie, die auf dieser Gesamtbewertung fußt, bleibt es. Daran wird weiter festgehalten. Das wird von der internationalen Staatengemeinschaft weiter vorangetrieben. Schon heute sind mehr als 85 Prozent des Landes und fast 80 Prozent der afghanischen Bevölkerung unter der Sicherheitsverantwortung der afghanischen Sicherheitskräfte.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben ihre Sollstärke von 352.000 Soldaten und Polizisten fast erreicht. Das heißt, wir haben eine Sollstärke von 195.000 Soldaten und 157.000 Polizisten. Wir sind da weiter im Plan. Im Sommer soll die fünfte und abschließende Phase der Übergabe der Sicherheitsverantwortung beginnen. Das heißt, die Dinge gehen voran. Aber darüber, dass sie schwierig bleiben, müssen wir hier nicht reden.

Zusatzfrage: Wenn es um den Einsatz über das Jahr 2014 hinaus geht, wofür die Bundesregierung bereits ein Angebot abgegeben hat: Ist ein solcher Einsatz, der jetzt zu dem tragischen Vorfall geführt hat, also eine Ausbildungszusammenarbeit mit afghanischen Sicherheitskräften im Einsatz, auch nach dem Ende des ISAF-Mandats, also in der Fortsetzung, in einem Ausbildungsmandat, noch immer denkbar, oder gäbe es dann solche gemeinsamen Operationen nicht mehr?

Paris: Ich würde diese Frage heute nicht abschließend beantworten. Ich kann sie abschließend auch gar nicht beantworten. Wir haben Mitte April deutlich gemacht, wie die deutsche Bereitschaft in Bezug auf die Gestellung militärischen Personals ab 2015 ist. Die Minister Westerwelle und de Maizière haben einen Korridor von ca. 600 bis 800 Soldaten genannt.

Wir haben auch deutlich gemacht, dass noch nicht abschließend klar ist, wie genau der Auftrag aussehen wird. Wir haben aber den Auftrag deutlich umrissen. Er lässt sich letztendlich nur aus den Beschlüssen von Chicago ableiten. Ein zentraler Beschluss in Chicago ist gewesen: This is not a combat mission. Also: Dies ist kein Kampfeinsatz mehr.

Um genau auf Ihre Frage einzugehen: Inwieweit die Begleitung afghanischer Sicherheitskräfte dann noch unter den Auftrag und damit auch unter das Mandat fallen wird, kann ich heute, im Frühjahr 2013, nicht beantworten, weil der Auftrag insgesamt durch den Operationsplan erarbeitet werden muss, den nicht wir alleine machen werden, sondern er wird im Rahmen der Nato und der internationalen Verbündeten abgestimmt werden.

Klar wird aber sein, dass im deutlichen Vordergrund nicht mehr der Kampf steht, wie dies derzeit im Mandat beziehungsweise im Auftrag abgebildet ist, sondern dies wird eine Ausbildungs-, Unterstützungs- und Trainingsmission sein.

Deshalb muss ich diese Frage ein bisschen offen lassen. Aber der Auftrag wird sich verändern. Damit wird sich auch das Mandat verändern. Damit werden sich letztendlich zwangsläufig auch die Bewegungen und die Aktionen verändern, die auch von deutschen Soldaten durchgeführt werden.