Falsche Zahlen aus Afghanistan

Das kommt nicht wirklich überraschend: Die Statistiken, auf die die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF zum Teil ihre Meldungen über Fortschritte in Afghanistan aufgebaut hatte, stimmen nicht. Nachdem bereits die Bundeswehr Mitte Januar ihre Angaben über die Zahl und Entwicklung der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle korrigiert hatte, zieht ISAF nun nach: Statt eines Rückgangs feindlicher Angriffe (Enemy Initiated Attacks, EIA) von 2011 zum Jahr 2012 um sieben Prozent gab es eine gleichbleibende Zahl dieser Incidents, wie Associated Press unter Berufung auf einen ISAF-Sprecher berichtet.

Für Kenner hatte sich das bereits seit Wochen abgezeichnet: Irgendwann im Januar hatte ISAF die monatlichen Statistiken, die Monthly Trends, ohne Erklärung von der Webseite entfernt – die Links führten nur noch auf eine Fehlermeldung. Nachfragen bei ISAF blieben zunächst unbeantwortet; Mitte Februar teilte mir der ISAF-Sprecher, der deutsche Brigadegeneral Günter Katz, mit:  Bei einer Routineüberprüfung ist aufgefallen, dass im letzten Jahr nicht alle Zahlen korrekt in die Statistik eingeflossen sind. Da wir stets bemüht sind, unsere Webseite auf dem aktuellsten Stand zu halten, wurde entschieden, die Statistik zunächst richtig zu stellen und sie anschließend wieder im Internet zu veröffentlichen. Dies erwarten wir in nächster Zeit.

Die von AP zitierte Erklärung eines ISAF-Sprechers geht in die gleiche Richtung:

„During a quality control check, ISAF recently became aware that some data was incorrectly entered into the database that is used for tracking security-related incidents across Afghanistan,“ said Jamie Graybeal, a spokesman for the U.S.-led coalition known officially as the International Security Assistance Force, or ISAF.
Graybeal said a subsequent audit determined that portions of the data from unilateral Afghan military operations were „not properly reflected“ in the trends ISAF had reported in its monthly updates on security and violence.
„After including this unilateral ANSF (Afghan National Security Force) data into our database, we have determined that there was no change in the total number of EIAs (enemy initiated attacks) from 2011 to 2012,“ Graybeal said.

Jetzt muss man natürlich die Veröffentlichung der neuen ISAF-Statistik abwarten – und sehen, ob die Positiv-Meldungen alle zurückgenommen werden müssen: Nicht nur sieben Prozent EIA-Rückgang über das ganze Jahr, sondern auch:

• EIA levels reported by ISAF and Afghan National Security Forces in December 2012 were 10% lower than in December 2011.
• The December 2012 numbers were 26% lower than in December 2010.
• EIA levels reported by ISAF and Afghan National Security Forces in December 2012 were 19% lower than in November 2012.

Diese Zahlen hatte ISAF für Dezember 2012 veröffentlicht.

Mit dem Wegfall der positiven Zahlen hat die internationale Schutztruppe ein PR-Problem – international, in Afghanistan selbst, aber nicht zuletzt in den Heimatländern der ISAF-Truppen. Denn deren Bevölkerung war im vergangenen Jahr eine stetige Verbesserung vermittelt worden.

Bis ISAF seine neuen Zahlen veröffentlicht, hier noch mal zum Nachlesen die (auf meinem Rechner glücklicherweise gespeicherte) Statistik-Version für den Dezember 2012, veröffentlicht im Januar 2013, aus der auch die oben stehende Grafik stammt: 20130122_nsirp_isaf_monthly_data_release_final (Übrigens scheinen noch einige alte Statistiken auf dem ISAF-Server zu liegen, auch wenn sie auf der Webseite nicht mehr angezeigt werden – zum Beispiel derzeit noch diese hier für den Oktober 2012.)