Unter dem (Wahrnehmungs)Radar: Indien will Airbus-Tanker
Ein Airbus A330 MRTT bei der Luftbetankung einer F-16 (Foto: EADS via flickr)
Die Diskussion über Rüstungsexporte ist in Deutschland bisweilen schon etwas merkwürdig. Ein möglicher Export von rollenden Chemielaboren auf einem geschützten Transportfahrzeug nach Saudi-Arabien sorgt hier zu Lande für aufgeregte Debatten über die Frage Spürpanzer für die Saudis (obwohl Spür-Dingos mit dem Aufregerbegriff Panzer herzlich wenig zu tun haben und die Dinger für offensive Operationen ebenso wenig taugen wie zur Aufstandsbekämpfung) – Rüstungsdeals von weit reichender strategischer Bedeutung werden dagegen praktisch nicht wahrgenommen.
Zum Beispiel der Wunsch Indiens, vom europäischen (und signifikant deutschen) Luftfahrtkonzern EADS Airbus-Tanker des Typs A330 MRTT (Multi Role Transport Tanker) für seine Luftwaffe zu ordern, wie die Times of India Ende vergangener Woche berichtete:
India has selected the European Airbus-330 MRTT over the Russian Ilyushin-78 mid-air refuelling aircraft in an Rs 8,500-crore contract.
Defence ministry sources on Thursday said the European Aeronautics Defence and Space Company (EADS) „is now being called for the final commercial negotiations“ for acquisition of six Airbus-330 MRTT tankers.
Nun sind Tankflugzeuge in der Wahrnehmung vielleicht nicht so kriegerisch wie Kampfpanzer, das ist allerdings ziemliches Kalter-Kriegs-Denken. Fliegende Tankstellen geben der indischen Luftwaffe eine strategische Reichweite, die aus Sicht Neu Delhis insbesondere an einer sich entwickelnden Konfliktgrenze von Bedeutung wird: IAF’s Sukhoi-30MKI fighters, which have a cruising speed range of 3,200-km, for instance, can strike high-value targets deep inside China with in-flight refuelling.
Dazu passt auch der Blick von der anderen Seite:
In recent Chinese CCTV military news report, China has develop a new air combat simulation system for PLA Air Force. It is interesting that TV screen show that the single unit of simulation is marked with Chinese and Indian national flags. This may indicate that Chinese Air Force has eyed Indian air power as its main counterpart.
Das kommt, weil die Berichterstattung in Deutschland über militärische Fragen vor allem davon lebt, beim Konsumenten Emotionen zu schüren. Das macht man mit Semantik:
Man gebe die Begriffe »Rüstungsexport«, »Panzer« und »Chemie« in einen Behälter, rüttele und schüttele sie kräftig durcheinander, mache ein paar vage Andeutungen zur besonderen geschichtlichen Verantwortung der Deutschen, und schon hat man die Grundlage für einen echten Aufreger. Über kurz oder lang werden sich dann alle gesellschaftlich relevanten Gruppen zu Wort melden, um ihre Besorgnis, Betroffenheit und Empörung zu Protokoll zu geben.
Ein Tankflugzeug ist da zu abstrakt. Da müsste man schon knackige Begriffe wie »Luftkrieg«, »Flächenbombardement« oder »Erstschlag« einbauen.
Stimmt, habe ich vergessen. Überschrift wäre dann so was wie Deutsche Hilfe für indischen Luftkrieg gegen China oder so.
Ich werd’s wohl nie lernen.
Funktioniet aber auch in de andere Richtugn. Sieht man doch auch an Syrien: Unterhalb von „Giftgas“ wird vom deutschen Militär und der deutschen Politik alles ignoriert, egal wie brutal der Krieg ist.
Und „High-Tech“ für Indien ist immer für ne Schlagzeile gut, siehe Eurofighter (allein die Teilnahme an der AERO INDIA 2009 bekam damals 4 Artikel von der Luftwaffe). Drohnen-Lieferungen wären das auch. Der Kaschmir-Konflikt hingegen ist mal wieder zu unbequem.
Ist also nicht so, als würde die „plakativen“ Themen nicht auch von den „Verantwortlichen“ gesetzt – sei es um sich aufzuspielen, oder als Manöver um von den realexistierenden Problemen abzulenken.
Das mit signifikanten Deutschen Anteil stimmt aber so nicht!
Die Tanker stellen die Französischen und Spanischen Töchter einer Niederländischen Kapitalgesellschaft her. Die Niederländische Kapitalgesellschaft wird vom Französischen Staat und von einer Privaten Deutschen Kapitalgesellschaft, die dies als reine Finanzbeteiligung ansieht, kontrolliert. Der gesamte Verkauf unterliegt damit den Französischen und Spanischen Regeln für Rüstungsexporte. Die Politische Diskussion darüber muss ebenfalls in diesen Ländern geführt werden.
Bei EADS galt immer in Deutschland Privat vor Staat. Der Staat hat gezahlt, und man hat EADS maximale Entscheidungsfreiheit gegeben. EADS hilft den Chinesen auch bei der Entwicklung von Hubschraubern. Und liefert den Saudis ebenfalls diese Tanker.
@Ben
Danke für den Hinweis. Bin allerdings davon ausgegangen, dass ein Teil der MRTT-Fertigung auch in Deutschland stattfindet?
„Airbus Military has revealed the fifth Airbus A330 to be converted under the UK’s Future Strategic Tanker Aircraft programme will be modified at its Getafe site, near Madrid, and not by Cobham Aviation Services as previously planned.“
http://www.flightglobal.com/news/articles/schedule-concerns-drive-uks-next-voyager-conversion-to-spain-372111/
Airbus Military hat seinen Sitz in Spanien, und keine eigenen Werken in Deutschland.
Hm. Möglicherweise bin ich auf dem Holzweg, weil die Bundeswehr-MRTT in Deutschland um/ausgerüstet wurden:
http://www.europaeische-sicherheit.de/alt/2004/2004_11/Umschau/2004,11,umschau.html
Die Tanker werden (zumindest A310 MRT / MRTT) nicht gefertigt sondern umgerüstet. Und das machen oft nationale Luftfahrtunternehmen, zB Lufthansa und Quantas. Dass die Exporte / technische Zusammenarbeit dabei über Airbus Military in Spanien läuft schließt sich ja nicht aus..
Spontaner Gedanke: Es geht auch um einen möglichen Einsatz dieser Waffen. Ich halte es jetzt für nicht so wahrscheinlich, dass Indien etwa die Atommacht China angreift. Dass Saudi Arabien die Leos etwa zur Unterdrückung eines Aufstandes einsetzen würde, halte ich für deutlich wahrscheinlicher.
Außerdem sollte man nicht vergessen: Indien ist eine Demokratie, Saudi Arabien eine Diktatur. Das macht einen gewaltigen Unterschied.
@geheim
Es ist durchaus wahrscheinlich. Wir reden hier nicht von einem Vollkrieg. Sondern einem regional begrenzten Konflikt der lokalen Einheiten und der vielleicht so 24-72h Stunden dauert. So lange können sich die Truppen „austoben“, ehe die Diplomatie eingreift. Oder es gibt latente Konflikte, die mal mehr mal weniger hochkoche. Als Beispiel dienen hier die japanischen-russischen oder chinesisch-russischen Grenzkonflikte. Aber auch der Kampf um die Falklandinseln zeigt, das zwei unterschiedlich starke Mächte in einem Regionalkrieg aneinander geraten können und nur in einer Region auf See/Land/Luft einen Konflikt mit begrenztem Kräfteinsatz austragen können. Die Risiken sind wahrscheinlich sogar annehmbar (in Relation zu einem möglichen Erfolg). Und Lufttanker spielen dabei immer eine entscheidende Rolle.
Der Verweis auf die Staatsform ist nicht zielführend. Die USA sind auch eine Demokratie und haben zahlreiche Länder überfallen. Beim letzten Einmarsch im Irak mit vielen anderen Demokratien zusammen. Selbst wir Deutschen, nach deren besonders demokratischer Verfassung ein Angriffskrieg verboten ist, haben ein anderes Land vor nicht allzulanger Zeit überfallen und in die Kniee gezwungen.
Ben | 06. Januar 2013 – 13:41
„Das mit signifikanten Deutschen Anteil stimmt aber so nicht!
…
Bei EADS galt immer in Deutschland Privat vor Staat.“
Das würde ich so nicht sagen.
In Deutschland werden große Teile des Rumpfes und das Seitenleitwerk der A330 gebaut. Das macht schon einen ansehnlichen Anteil aus. Die Endmontage des Flugzeuges findet dann in Frankreich statt und die Einrüstung der Tankausrüstung in Spanien (bzw. im Empfängerland).
In welchem Maße die so exportierten A330 unter deutsche Rüstungskontrolle fallen, weiß ich nicht (wüsste ich aber gerne).
Dass in Deutschland beileibe nicht „Privat vor Staat“ bei EADS gilt, hat man doch insbesondere bei der gescheiterten Fusion mit BAE Systems gesehen. Die Bundesregierung behält sehr wohl ihre strategischen Industrien im Blick und im Griff.
Dieses Argument wird zwar immer wieder genannt, ist aber grundfalsch und zeigt, wie wenig man sich in Deutschland mit dem saudischen Sicherheitsapperat befasst. Nach allen vorliegenden Informationen sind alle bisher georderten Fahrzeuge (Boxer, Dingo, Leopard 2) für die Royal Saudi Land Forces (RSLF) bestimmt. Diesen setzen sich überwiegend aus ausländischen Söldnern, Küstenbewohnern und Schiiten zusammen, denen das saudische Regime nicht vertraut. Aus diesem Grund sind sie an den Landesgrenzen in Großstandorten (z.B. King Khalid Military City) stationiert und ausschließlich mit der Landesverteidigung betraut. Für den Schutz des Regimes, wichtiger Infrastruktur und für die Aufstandsbekämpfung sind die Saudi Arabian Royal Guard (SARG, weitgehend autonomer Teil der RSLF), Saudi Arabian National Guard (SANG) und paramilitärische Verbände des Innenministeriums (u.a. die Special Emergency Force / SEF) verantwortlich. Die SARG und die SANG rekrutieren sich bevorzugt aus loyalen Stämmen des Landesinneren. Die SANG und die SEF, und nicht etwa die RSLF, wurden auch in Bahrain eingesetzt. Die SANG (zur SARG fehlen mir genaue Informationen), sind entsprechend ihrer Aufgabe auch als motorisierte Infanterie mit LAV ausgerüstet, selbst wenn sowohl SARG und SANG ein erheblicher Fähigkeitsausbau zu beobachten ist, so u.a. die Ausstattung mit Kampf- und Transporthubschraubern.
Just my 5 Cents.
Ein A330 MRTT dürfte schon als Kriegsgerät einzuordnen sein. Wenn man dafür Komponenten fertigt, dürfte das als Rüstungsgut einzuordnen sein. Jeder Export von Kriegsgerät muss von der Bundesregierung genehmigt werden. Bei Rüstungsgüter dürften die Regel um einiges laxer sein.
Den A330 MRTT kann Airbus auch mit USAF Betankungssystem ausstatten. Einen normalen A330 dürfte man dafür wohl nicht verwenden können.
Mit der EADS BAE Fusion wollte Enders DE ausbooten. Da ging es um den Transfer von Deutschen Rüstungsunternehmen an Ausländer. Das ist schon etwas anderes, als sich ins Tagesgeschäft einzumischen.
@Boots on the Ground:
Ihre Argumentation ist präzise und in sich schlüssig.
Allerdings schreiben Sie ja selbst: „Nach allen vorliegenden Informationen sind alle bisher georderten Fahrzeuge (…) für die Royal Saudi Land Forces (RSLF) bestimmt.“
Das heißt anderherum: Wir wissen nicht, an wen die Fahrzeuge schlussendlich gehen.
Und im Falle Mexikos sind die HK-Gewehre für die südlichen Provinzen ja auch direkt im Drogenkrieg an der Grenze zu den USA gelandet.
Das muss uns nicht vom Export abhalten. Wir dürfen später nur nicht sagen: Das war so nicht geplant, das haben wir nicht gewusst.
@TW:
Ihr gewähltes Bild ist nicht ganz korrekt. Laut dem indischen MilBlogger Shiv Aroor ( http://livefist.blogspot.de/ ) bekommen die Tanker keinen Boom, sondern nur Probe-and-drogue-Systeme.
@K.B.
Die Auswahl an A330-MRTT-Bildern ist nicht so irre groß…
@TW:
Stimmt. Die meisten Bilder des A330-MRTT sollen ja auch den Boom zeigen, auf den man bei Airbus Military so stolz ist.
Aber hier hätte ich eines (was auch Copyright-technisch gehen müsste):
http://www.defenceimagery.mod.uk/fotoweb/Preview.fwx?&position=7&archiveType=ImageFolder&archiveId=5046&albumId=5046&sorting=ModifiedTimeAsc&search=voyager&fileId=A81D8793137680C0E66D08E8E606BD1F11732CAD1490F960D1DA871986B1F9663B985DAF6425EE16CAAA2B3AA2B030D852712EB1B11DAC16910A2D0D9AC01DBDFD4FF8B88BBB8DFBC19D01D136BBE6AEDAA63ED067BE226EEEC63C0C4CB5BD2E0FDE266FEF542CF28F520F8793EC953D2DA57A9E508AD3FC984BAEAB73CEFE376DCD9536269EEC927F18B8F10F168F658D4F9AD6123FD271DCB721C0EF1E7DE1B51C2E1C15F431FAA4304A9D557E89FA
PS: Die Briten scheinen das gleiche Content Management System zu verwenden wie das BMVg. ;-) Läuft das schon unter smart defence?
@K.B.
Und schon kommt bei dem Link „llegal parameters“ ;-)
Leo und Dingo sind für die Armee bestimmt, Boxer für die königliche Garde.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/saudi-arabien-will-hunderte-boxer-panzer-kaufen-a-870459.html
Wobei es dabei unerheblich ist, woher das Gerät kommt. Einen Aufstand kann man mit jedem Panzer niederschlagen, und ob sich der Boxer dazu besser eignet als ein LAV? Ich denke nicht…
Wobei man nochmal klar festhalten sollte: Einen Aufstand schlägt man nicht mit Panzern nieder. Sie sind sicherlich ein psychologisches Element, aber sonst eher sinnlos. Besonders beim Verhältnis Kosten /Nutzen. Einen Aufstand schlägt man mit gut ausgebildeten und zahlreichen Infanterietruppen und Polizeiverbänden sowie einem effektiven Geheimdienst nieder.
@Roman
Siehe wie in Syrien
Assad forces unleash tanks, warplanes against Syria rebels
http://www.middle-east-online.com/english/?id=55494
Libyen
Gaddafi tanks and planes attack rebel towns
http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-12673956
DDR
17.Juni
http://www.dw.de/germany-marks-55-years-of-gdr-uprising/a-894998-1
China
The Tiananmen Square Massacre, 1989
http://www.theatlantic.com/infocus/2012/06/tiananmen-square-then-and-now/100311/
Israel
Israel Sends Tanks Against Civilians–Again.
http://www.topix.com/forum/afam/TIV60TG35D9EHVD9P
und auch im Krieg auf dem Balkan 41-45 und 94-99 wurden Panzer eingesetzt!