Deutsche Unterstützung für Mali: Leicht chaotische Diskussion
(Foto: Französische Armee/EMA)
Nach Beginn des französischen Kampfeinsatzes in Mali am vergangenen Freitag ist in Deutschland eine Debatte über eine wie auch immer geartete Unterstützung in dem westafrikanischen Land in Gang gekommen – und diese Diskussion wird von der deutschen Politik recht chaotisch geführt, ob bewusst oder nicht, ist gar nicht so leicht zu beurteilen. Die Franzosen haben von den USA und mehrere europäischen Ländern Zusagen für Unterstützung oder auch schon konkrete Hilfe für ihre laufende Operation Serval erhalten, wie die britischen C-17-Transportflüge, da geht es in Deutschland noch munter durcheinander: Über Unterstützung für welche Mission in Mali reden wir eigentlich?
Zur Erinnerung: Es gibt inzwischen drei internationale Handlungsstränge, deren einziges gemeinsames Ziel ist, die Vorherrschaft islamistischer Rebellen über den Norden Malis zu beenden und vor allem eine Ausweitung auf ganz Mali zu verhindern.
Zum einen: eine von den Vereinten Nationen autorisierte Militäraktion der afrikanischen Staaten, die rund 3.500 Soldaten umfassen soll und im Wesentlichen in der Verantwortung der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS liegt. Die bisherigen Planungen gingen von einem Beginn dieser Aktion nicht vor September dieses Jahres aus.
Zum zweiten: Zur Unterstützung dieser afrikanischen Mission ist die Europäischen Union zur Ausbildungshilfe für die Armee Malis bereit; dazu hat auch Deutschland seine Bereitschaft erklärt.
Zum dritten, und damit wird es kompliziert: Die französische Operation Serval, sozusagen eine Notoperation, um die Islamisten am weiteren Vordringen in Mali zu hindern. Diese rasche Aktion in der vergangenen Woche hat wiederum einen Einsatz afrikanischer Truppen – unter ECOWAS-Führung – in unmittelbare Nähe rücken lassen.
Vor diesem Hintergrund bleibt es zu Beginn dieser Woche hinreichend unscharf, was die deutsche Politik meint, wenn von Unterstützung für Mali oder Hilfe für die Franzosen die Rede ist. Unterstützung für die französischen Truppen in der laufenden Operation? Unterstützung für einen demnächst anlaufenden ECOWAS-Einsatz? Oder Unterstützung für eine Ausbildungsmission der EU, die noch eine Weile auf sich warten lassen wird, ungeachtet aller Beschleunigung?
Obwohl es derzeit nicht so laut gesagt wird, dürfte es zunächst um einen schnellen Einsatz gehen, also um Hilfe und Unterstützung für die Franzosen in der laufenden Operation. Das war am (heutigen) Montag auch Thema einer Unterrichtung der Obleute des Bundestags-Verteidigungsausschusses – da sagte nach Informationen von Augen geradeaus! Verteidigungsminister Thomas de Maizière, logistische Unterstützung für Truppen aus Frankreich und den afrikanischen Ländern werde geprüft, bis hin zu der Frage, ob dafür ein Bundestagsmandat erforderlich sei. Über die Wünsche der Franzosen wollen de Maizière und sein Pariser Kollege Jean-Yves Le Drian am kommenden Donnerstag in Berlin reden. Und natürlich wird das auch ein Thema bei den Gesprächen des ECOWAS-Vorsitzenden und ivorischen Präsidenten Alassane Outtara am Mittwoch in Berlin.
Das scheint zu Beginn dieser Woche noch das Konkreteste in der, wie gesagt, leicht chaotischen Diskussion. Die allerdings von Regierungskoalition und Opposition gleichermaßen chaotisiert wird: Die Aussage Wir könnten den Franzosen helfen wird ein paar Sätze später mit der Folge verbunden …und über die Ausbildungsmission nachdenken. Wie diese beiden Dinge zeitlich einzuordnen sind, habe ich oben zu erklären versucht.
So äußert sich zum Beispiel der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler:
Unterstützung der Franzosen in Mali denkbar
Der Einsatz der französischen Streitkräfte ist sowohl durch Beschluss des VN-Sicherheitsrats als auch durch die ausdrückliche Bitte der malischen Regierung gedeckt. Eine Beteiligung deutscher Soldaten an dem französischen Militäreinsatz steht nicht zur Debatte. Eine Zustimmung zur Beteiligung der Bundeswehr im Rahmen einer EU- Ausbildungs- und Unterstützungsmission schließen wir jedoch nicht aus.
Hm. Ja. Eine Beteiligung der Bundeswehr an einer EU-Ausbildungsmission wäre eben nicht die Unterstützung der Franzosen. Sondern einer EU-Mission.
Allerdings: Was die Sprecher von Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium heute in der Bundespressekonferenz sagten, klärt die Lage auch nicht so richtig. Über welchen der drei Stränge, siehe oben, reden wir nun konkret? Im Wortlaut Regierungssprecher Steffen Seibert, Andreas Peschke vom Auswärtigen Amt und Stefan Paris vom Verteidigungsministerium:
Peschke: Sehr verehrte Damen und Herren, ich wollte kurz zur Lage im westafrikanischen Land Mali Stellung nehmen. Wie Außenminister Westerwelle und auch der Bundesverteidigungsminister ja bereits deutlich gemacht haben, ist das französische Eingreifen in Mali aus Sicht der Bundesregierung richtig. Das ist aus Sicht der Bundesregierung ein schwieriger, aber ebenso wichtiger Einsatz, den wir politisch unterstützen. Deutschland empfindet auch tiefes Mitgefühl mit Frankreich für den bei dem Einsatz bereits gefallenen französischen Soldaten.
Für die Bundesregierung und für Außenminister Westerwelle ist klar, dass Deutschland Frankreich in dieser schwierigen Situation nicht allein lässt. Deswegen hat Außenminister Westerwelle mit dem Verteidigungsminister und in Abstimmung mit der Bundeskanzlerin verabredet, dass jetzt innerhalb der Bundesregierung rasch geprüft wird und mit den französischen Partnern besprochen wird, wie Deutschland Frankreich jenseits militärischer Kampfhandlungen konkret unterstützen kann. Eine solche Unterstützung kann zum Beispiel im Bereich der Logistik, im Bereich medizinischer Unterstützung oder im Bereich humanitärer Unterstützung erfolgen. Das ist die konkrete Verabredung, die getroffen wird, und diese Prüfung wird jetzt umgehend eingeleitet.
Des Weiteren setzt sich Außenminister Westerwelle dafür ein, dass die Planungen für eine EU-Mission zur Unterstützung und Ausbildung des malischen Militärs beschleunigt werden. Zu diesem Zweck würde Außenminister Westerwelle auch eine Sondersitzung der EU-Außenminister zum Thema Mali befürworten. Es ist in unser aller Interesse, dass die Lage in Mali möglichst schnell stabilisiert werden kann. Das hat die Bundesregierung von Anfang an deutlich gemacht, und dafür werden wir uns weiterhin mit ganzer Kraft einsetzen.
Frage: Weshalb gilt für die Unterstützung eigentlich der Grundsatz „jenseits von Kampfhandlungen“?
Zweitens: Ist diese französische Aktion im Vorfeld innerhalb der EU abgestimmt worden? Ist darüber informiert worden? Wie ist der Informationsfluss verlaufen? Oder war das jetzt eine separate französische Entscheidung?
Peschke: Zu der zweiten Frage kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung jedenfalls vorab über das französische Vorgehen unterrichtet wurde. Es wurde ja auch von anderen europäischen Staaten deutlich gemacht, dass sie vorab unterrichtet wurden. Insofern gibt es einen engen deutsch-französischen und auch europäischen Abstimmungsprozess.
Zu der Einschränkung „jenseits militärischer Kampfhandlungen“: Der Bundesaußenminister hat schon am Wochenende klargestellt, dass ein Einsatz kämpfender Truppen nicht zur Debatte steht. Ich denke, das ist auch eine Frage der unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten. Frankreich ist in der Region bereits mit zahlreichen Fähigkeiten vertreten und hat bereits in zahlreichen Nachbarländern Malis – in der Elfenbeinküste, in Niger, im Tschad – eigene Kräfte stationiert. Auch in Mali gab es immer wieder französische Kräfte, sodass es, glaube ich, richtig ist, dass Frankreich der Unterstützungsbitte der malischen Regierung, die auch explizit an Frankreich gerichtet war, gefolgt ist. Für uns ist der Punkt, dass wir uns natürlich mit unseren französischen Partnern solidarisch zeigen wollen und deswegen im Rahmen praktikabler Möglichkeiten natürlich auch konkret unsere Unterstützung zeigen möchten.
Frage: Herr Peschke, können Sie etwas Genaueres zum Zeitrahmen einer möglichen EU-Mission sagen?
Herr Paris, Herr Peschke, können Sie etwas zum Umfang der deutschen Beteiligung sagen, dazu, was das konkret bedeutet, wie viele Ausbilder dorthin gehen würden und wohin es konkret geht – nach Mali selbst oder in umliegende Länder?
Peschke: Da muss ich Sie vermutlich leider etwas enttäuschen, weil man zu vielen dieser konkreten Punkte, die Sie angesprochen haben, schlichtweg noch keine verlässlichen Aussagen treffen kann. Auch bisher schon ist der Stand, dass die Planungen für eine EU-Mission laufen und dass Umfang und Art der deutschen Beteiligung dann festgelegt werden, wenn diese Planungen abgeschlossen sein werden. Soweit die Planungen in Brüssel bisher beobachtet werden konnten, war hin und wieder von einem Gesamtumfang von bis zu 200 Ausbildern die Rede. Aber das sind Zahlen, die ich Sie unter Vorbehalt zu betrachten bitte. Das wird von der Finalisierung und Konkretisierung der Planungen abhängen. Das wäre eine Gesamtzahl, und diese Zahl wird dann natürlich auf verschiedene EU-Staaten aufgesplittet werden, die sich dann an der Mission beteiligen. Wie gesagt: Wie groß, ob und in welcher Form sich Deutschland daran beteiligen wird, wird festgelegt werden, wenn die Planungen abgeschlossen sind. Die Bundesregierung hatte ja immer deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich zu einer Beteiligung bereit ist, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Angesichts der aktuellen Lage in Mali ist es so, dass die Planungen aus Sicht der Bundesregierung – deswegen habe ich das für den Außenminister deutlich gemacht – jetzt mit einer noch mehr erhöhten Dringlichkeit betrieben werden müssen. Wir hätten möglicherweise eine Entscheidungsreife der Mission innerhalb der kommenden zwei oder drei Monate erreichen können. Dann wäre noch einmal Zeit vergangen, bis eine solche Mission vor Ort hätte sein können. Wir glauben jetzt, dass über diese Mission, sofern das möglich ist, möglichst schneller entschieden werden sollte – das heißt, nicht in den kommenden Monaten, sondern, so es auf Grundlage der Zuarbeit der Experten möglich ist, in den kommenden Wochen.
Paris: Ich kann das vielleicht unter Bezugnahme auf die voherige Frage insoweit ergänzen, als sich der Diskussionsstand, den wir in den letzten Wochen und Monaten hatten, in einem Punkt verändert hat, nämlich darin, dass die Franzosen jetzt richtigerweise und konsequent in das Land gegangen sind, um ein Vorrücken der Terroristen aus dem Norden in den Süden zu verhindern. Das ist, so scheint es zu sein, durchaus gelungen. Hätte man das nicht gemacht, hätte sich die Lage in dem Land Mali noch verschlechtert. Die Lage war schlecht und wäre noch schlechter geworden, wenn man dieses Vorrücken nicht unterbunden beziehungsweise verhindert hätte. Es hat sich auch gezeigt, dass die malischen Kräfte allein nicht in der Lage gewesen wären, dieses Vorrücken der Terroristen aus dem Norden in den Süden zu unterbinden. Deswegen war es richtig und konsequent, dass die Franzosen dort auf Bitten der malischen Regierung geholfen haben.
Wir haben aber in den letzten Wochen und Monaten nicht nur allein über eine mögliche EU-Unterstützungsmission im Sinne von Ausbildung gesprochen, sondern wir haben sehr intensiv auch darüber diskutiert, welche Rolle der afrikanischen Staatengemeinschaft zukommt, Stichwort ECOWAS. Dazu gibt es entsprechende Beschlüsse der Vereinten Nationen. Sowohl die Beschlüsse der Vereinten Nationen als auch die Beschlüsse der Europäischen Union setzen immer dabei an, dass ein gesamtpolitischer Prozess in Gang kommt und auch realisiert wird und dass dann erst in zweiter Reihe, sage ich einmal, auch eine militärische Unterstützung Malis gefahren wird. Dabei war immer klar, dass ein kämpferisches Handeln in Mali mit der Unterstützung von ECOWAS erfolgen soll. Das hat vornehmlich den Grund, dass dort das „afrikanische Gesicht“, wie ich es einmal nenne, gezeigt werden muss.
Es war auch immer klar, dass eine mögliche Mission der EU darauf abzielte, im Wege der Ausbildung zu unterstützen, also Fähigkeiten bei den eigenen malischen Kräften zu erzeugen, damit diese ihren Auftrag besser als bisher wahrnehmen können. Ich werbe also noch einmal sehr dafür, das – trotz der jüngsten Ereignisse durch die Intervention Frankreichs – heute nicht nur darauf zu reduzieren, sondern dies ist ein wesentlich weiteres Feld, das in der Diskussion der letzten Wochen und Monate das Bild aufgezeigt hat: Ja, die Lage ist ernst, sie ist sehr schwierig. Ja, es muss etwas getan werden. Das sind die Beschlüsse der Vereinten Nationen und auch der Europäischen Union.
Wir haben aber stets deutlich gemacht, wo wir unsere Rolle sehen, nämlich im Rahmen einer Europäischen Union mit Blick auf eine mögliche Ausbildungsunterstützung für malische Kräfte. In welcher Anzahl, wann, wo und wie das genau stattfinden wird, ist Gegenstand der Diskussion innerhalb der Europäischen Union. Sie wissen, dass die Europäische Union – auch deutlich auf unser Betreiben hin – eine sogenannte zivilmilitärische Konzeption erstellt hat. Das ist die Grundlage für jegliche weitere Form der Planung. Das Stichwort ist, den Operationsplan zu entwickeln, also den Plan dafür, was man dann vielleicht tatsächlich machen kann. Dabei sind wir. Das ist der Stand der Dinge. Aber ich werbe – letzter Satz – noch einmal dafür, dass man die Dinge, die sich um das Thema Mali ranken, insgesamt betrachten muss, und ich glaube, dass der Afrikanischen Union und insbesondere auch der ECOWAS dabei auch eine herausgehobene Rolle zuteilwerden muss.
Zusatzfrage: Herr Paris, das war ja auch der Stand der Dinge, nachdem die Bundeskanzlerin zum ersten Mal die Möglichkeit der Beteiligung deutscher Truppen bei der Ausbildung der malischen Armee ins Spiel gebracht hat. Bei der damaligen Debatte wurde genau das gesagt, was Sie jetzt wiederholt haben. Ist das denn in der Planung seitdem nicht konkretisiert worden, wenn man immer noch dabei ist, zu planen, wer wann wie und in welchem Umfang wohin geht?
Paris: Das sehe ich anders. Die Bundeskanzlerin hatte auf der Kommandeurtagung in Strausberg deutlich gesagt: „Wir können uns beteiligen, wenn die Voraussetzungen dafür geklärt und gegeben sind.“ Das Maß der Dinge der Klärung und der Gegebenheiten ist, dass ein klarer politischer Prozess, der Aussicht auf Erfolg hat, auch seitens der malischen Regierung – natürlich durchaus mit Unterstützung der Vereinten Nationen – zu Tage tritt und dass man auch genau weiß, wohin die Reise in Mali gehen soll. Bei den Leuten, die derzeit in Mali an der Macht sind – der Minister hatte das ganz schön in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beschrieben -, gibt es Abstufungen von Zuverlässigkeit. Man muss einfach einmal wissen, wen man ausbildet. Das ist ziemlich klar, nämlich die malischen Kräfte. Aber bei der Frage, für wen man das tut, besteht ein ziemlich großes Fragezeichen. Die Antwort auf die Frage „Für wen?“ muss man aus einem erfolgreichen politischen Prozess ableiten, einer sogenannten Roadmap. Nicht dass es einem passiert, dass man Kräfte ausbildet, aber letztlich für den falschen Empfänger. Das ist das, was sehr intensiv sowohl innerhalb der EU als auch innerhalb der Vereinten Nationen diskutiert wird, und das ist auch vollkommen richtig. Deshalb würde ich nicht sagen „Dabei sind wir keinen Schritt vorangekommen“, sondern ich glaube, auch durch die Aufforderung an die malische Regierung sind dabei einige Schritte erreicht worden, sodass sich die Frage der Entsendung von Ausbildern dabei hinten anschließt. Aber die prioritär zu klärende Frage ist, wie sich Mali selbst auf einen gedeihlichen politischen Weg hinbewegt.
Peschke: Wenn ich das kurz ergänzen darf: Ich wollte auch noch einmal unterstreichen, dass es völlig richtig ist, dass eine nachhaltige Stabilisierung Malis natürlich im Rahmen eines politischen Prozesses erfolgen muss und insofern alle Maßnahmen, über die wir sprechen – Ausbildungstraining, Unterstützung einer afrikanischen Eingreiftruppe -, auch von der erfolgreichen Einbettung in einen politischen Prozess abhängen, der am Ende sowohl die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung für Gesamtmali beinhalten muss als auch für den Norden eine Berücksichtigung der berechtigten Anliegen des Nordens im Sinne von politischer Gleichstellung und wirtschaftlicher Gleichstellung beinhalten muss. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.
Aber um auch noch einmal dem Eindruck entgegenzutreten, es sei nichts passiert: Seit der Rede der Bundeskanzlerin ist eigentlich schon viel passiert. Die Experten in Brüssel arbeiten natürlich auch jetzt schon mit hoher Intensität an den konzeptionellen Überlegungen für den Einsatz, um das möglichst schnell auch praktisch relevant werden zu lassen. Schon vor Weihnachten wurde ein Konzept für einen möglichen Mali-Einsatz beim Außenministerrat besprochen und auch verabschiedet. Auf dieser Grundlage wird jetzt natürlich mit Hochdruck an den weiteren Konkretisierungen gearbeitet, die dann in Richtung eines Operationsplans, eines Operationskonzeptes gehen müssen.
Das, was wir jetzt sagen, ist, dass diese Arbeiten, die stattfinden, an denen auch die Experten täglich arbeiten und die auch im europäischen Kreis – in den regelmäßigen Sitzungen der zuständigen Gremien – ständig abgestimmt werden, noch einmal beschleunigt werden müssen. Möglich ist, dass es bis dahin noch einmal ein Sondertreffen der Außenminister geben wird, um diesen Planungen auch noch einmal politisch weiteren Rückenwind geben zu können. Es ist nämlich ganz klar: Die Lage hat sich aufgrund der jüngsten Entwicklungen, des versuchten Vorstoßes von islamistischen Kräften in den Süden Malis, noch einmal verändert, und auf diese veränderte Lage müssen wir natürlich auch reagieren.
Frage: An das Letzte anknüpfend, muss man eigentlich ohne Bewertung sagen, dass Ihr Fahrplan, erst den politischen Prozess zu bewältigen, komplett über den Haufen geworfen worden ist – schon durch den Putsch im Dezember kurz nach der Reise von Westerwelle und natürlich erst recht durch das Vorrücken der Terroristen. Das, wie Sie es sich in Deutschland und in der EU vorgenommen haben, hat also überhaupt nicht funktioniert und lag auch nicht in Ihrer Hand. Ist das so?
Zweite Frage: Am Mittwoch wird ja der Präsident der Elfenbeinküste hier sein. Wird Deutschland einer eventuellen Bitte nach logistischer Hilfe im Bereich von Flug- oder sonstigen Kapazitäten nachkommen, nachkommen können, nachkommen wollen? Das umfasst dann ja mehr als die Ausbildung. Ich habe gesehen, dass der Verteidigungsminister das zumindest nicht ausschließt. Ich wüsste gerne, ob der Außenminister dazu ähnliche Positionen vertritt.
StS Seibert: Ich will nur ganz kurz etwas sagen, weil das Treffen der Bundeskanzlerin mit dem Staatspräsidenten der Elfenbeinküste, Herrn Ouattara, angesprochen wurde. Das Thema Mali wird mit Sicherheit ein Thema dieser Begegnung sein. Es gibt bisher keine Anfragen an die Bundesregierung, auch nicht vonseiten der ECOWAS, sich in irgendeiner Weise am Einsatz zu beteiligen. Deswegen hat es keinen Zweck, darüber zu spekulieren. Das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium haben eben vorgetragen, dass die Ressorts jetzt prüfen wollen, in welcher Form und wo Deutschland denn unterstützen könnte. Aber eine ECOWAS-Anfrage liegt nicht vor. Die Bundeskanzlerin und Herr Ouattara werden anschließend in einer Pressekonferenz darüber informieren, wie das Gespräch verlaufen ist und welche Themen zur Sprache kamen.
Peschke: Zum ersten Teil der Frage: Es ist so, dass die Bundesregierung hier nicht im luftleeren Raum gehandelt hat, sondern immer in enger Abstimmung mit unseren europäischen Partnern und mit unseren internationalen Partnern, also innerhalb der Europäischen Union, im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und auch in Abstimmung mit afrikanischen Partnern, sprich ECOWAS und Afrikanische Union. Diese verschiedenen Säulen des Engagements – die Notwendigkeit von Fortschritten hat Herr Paris gerade noch einmal sehr schön geschildert – wurden sozusagen in einer großen gemeinsamen Absprache der internationalen Staatengemeinschaft entwickelt. Die erste Säule ist sozusagen der Weg zu einer afrikanisch geführten Mission – der Sicherheitsrat nennt sie AFISMA, und die ECOWAS hat sich jetzt dieser Planungen angenommen -, die zweite eine EU-Ausbildungsmission zur Ertüchtigung der malischen Streitkräfte, über die in Brüssel beraten wird, die dritte humanitärer Beistand und die vierte die Vermittlung eines politischen Prozesses, hinsichtlich dessen es ja auch Gespräche unter afrikanischer Vermittlung, unter ECOWAS-Vermittlung, gab, nämlich in Ouagadougou unter Leitung des Präsidenten von Burkina Faso beziehungsweise zwischen Vertretern der malischen Regierung und Vertretern aus dem malischen Norden. Das sind diese Säulen, die natürlich auch weiterhin Bestand haben.
Die Lage ändert sich und hat sich die ganze Zeit über immer wieder geändert. Natürlich müssen diese Planungen auch an die sich ändernde Lage angepasst werden. Die ECOWAS, also die westafrikanische Gemeinschaft, hat das getan, indem sie die Planungen für die Aufstellung einer afrikanischen Mission, die ursprünglich bestanden, sehr beschleunigt hat. Es war ja ursprünglich die Rede davon, dass eine afrikanische Mission möglicherweise erst im Herbst einsatzfähig sein könnte, nämlich nach Abschluss der Trocken- und Hitzeperiode auch in der Sahel-Region. Diese Planungen wurden beschleunigt. Jetzt wird darüber beraten, erste Teile dieser Mission möglicherweise schon in den nächsten Wochen in die Region und nach Mali zu schicken. Das ist ein Vorgehen, das in der Natur der Dinge liegt, das aus unserer Sicht auch richtig ist und das, glaube ich, auch so gefahren werden muss. Genauso, wie klar ist, dass sich die ECOWAS und die Afrikanische Union mit der veränderten Lage auseinandersetzen, ist natürlich auch klar, dass sich die Europäische Union mit der veränderten Lage und damit auseinandersetzt, wie ihre Planungen sozusagen in Hinsicht darauf beschleunigt werden können, wie die malischen Streitkräfte möglichst schnell ertüchtigt werden können, um ein wirksames Gegengewicht zur Bedrohung der Islamisten sein zu können. Das liegt in der Natur der Dinge. Das wird betrieben. Aber dabei gibt es natürlich immer wieder aktuelle Ereignisse, die in eine neue Lagebewertung einfließen müssen.
Hinsichtlich des Punktes der Unterstützung für ECOWAS haben, soweit ich weiß, sowohl der Verteidigungsminister als auch der Außenminister deutlich gemacht, dass wir die Aufstellung einer afrikanisch geführten Truppe durch ECOWAS, aber auch durch andere Kräfte, natürlich mit großem Nachdruck politisch unterstützen. Denn ein Einsatz in Mali sollte, soweit es geht, natürlich ein afrikanisches Gesicht tragen; das hat Herr Paris ja gesagt. Wir unterstützen das also politisch. Weitere konkrete Zusagen stehen derzeit nicht im Raum – das hat Herr Seibert deutlich gemacht -, einfach weil es auch keine konkreten Anfragen gibt. Darüber kann natürlich allenfalls dann beraten werden, wenn die Eckdaten einer solchen Mission feststehen und wenn – das wiederum hat Herr Paris deutlich gemacht – auch die Einbettung in einen politischen Prozess geklärt ist.
Frage: Herr Paris, ich habe Ihre Minister heute in den Agenturen so verstanden, dass es zumindest sehr schwierig werden würde, weil die Lufttransport-Kapazitäten gebunden seien. Heißt das, dass es nicht geht, oder heißt das, dass es zur Not doch ginge?
Paris: Das heißt das, was Herr Peschke eben gesagt hat: Wir prüfen intensiv und zeitnah, was wir machen können. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, was der Minister sagte: Wir sind in unterschiedlichen Einsätzen sehr engagiert, und deshalb schauen wir, was wir machen können. Am Ende der Prüfung wird ein Ergebnis stehen, und das kann ich Ihnen jetzt noch nicht nennen, weil es das Ergebnis noch nicht gibt. Aber ich denke einmal, bezüglich der drei Bereiche, die Herr Peschke nannte – humanitäre Unterstützung, medizinische Unterstützung und logistische Unterstützung -, werden wir zu einem sinnvollen Prüfergebnis kommen. Wenn wir die Prüfung abgeschlossen haben werden, werden wir bestimmt auch Sie wissen lassen, mit welchem Ergebnis.
Ich würde auch noch eine weitere Facette einführen wollen: Jegliche Maßnahme, die daraus erwachsen könnte, müsste natürlich auch hier in Deutschland noch einmal besonders mit dem Parlament diskutiert werden. Dementsprechend werden wir auch zeitnah auf der Grundlage dieses Prüfungsergebnisses an das Parlament herantreten und das Parlament einbinden. In welcher Art und Weise das erfolgt, hängt auch vom Ergebnis dieser Prüfung ab. Aber ohne den Deutschen Bundestag werden wir nichts tun. Das ist so in unserem Land, und das ist auch gut so. Das sind die weiteren Schritte, die wir gehen werden.
Frage: Das wäre meine Frage gewesen. Müsste eine Bundestagszustimmung also auch für die Ausbildungsunterstützung erfolgen?
Paris: Ich habe ganz bewusst gesagt: Wir werden den Deutschen Bundestag einbinden, informieren. Was sich dann daraus ableitet, hängt davon ab, was wir überhaupt in der Lage zu tun wären. Herr Seibert sagte: Es gibt keine Bitte. Herr Peschke sagte: Wir prüfen das jetzt in Abstimmung mit den Häusern. Am Ende der Prüfung wird es ein Ergebnis geben, und dann wird es – ich sage ich einmal neutral – eine Einbindung in welcher Form auch immer geben. „Zustimmung“ ist ein besonderer Terminus technicus. Aber wir werden sicherlich den Kontakt mit den Parlamentariern und dem Parlament herstellen. Dort gibt es Obleute, den Auswärtigen Ausschuss, den Verteidigungsausschuss etc. pp. Ich glaube, wir haben in letzter Zeit gut unter Beweis gestellt, dass wir einen heißen Draht dorthin haben, und den werden wir auch nutzen.
Frage: Herr Peschke, liegen Ihnen Informationen darüber vor, was eigentlich das Ziel der französischen Aktion ist? Soll also nur dieser Vorstoß zurückgeschlagen werden, oder soll eventuell auch der Norden wieder unter Kontrolle gebracht werden? Das wäre ja ein wichtiger Unterschied.
Die zweite Frage geht an Herrn Seibert: Ist die Kanzlerin denn bemüht, ein ähnliches Szenario wie im Frühjahr 2011 zu verhindern, dass sich Deutschland sozusagen wieder etwas von den westlichen Partnern isoliert und plötzlich an der Seite von China und Russland steht? Ist das sozusagen auch ein Motiv dafür, dass man jetzt doch signalisiert, man mache auf jeden Fall mit?
Peschke: Zu der ersten Frage: Dafür bin ich jetzt sicherlich nicht der richtige Ansprechpartner. Es ist, glaube ich, eher die Aufgabe der Franzosen selbst – darüber berichten die französischen Stellen ja auch regelmäßig -, öffentlich mitzuteilen, was die konkreten Einsatzziele sind. Ein Einsatzziel – das ist auch schon eingetreten – ist, den Vormarsch der Islamisten – ausgehend vom Städtchen Kona am Mittellauf des Nigers – in Richtung Süden zur nächsten größeren, strategisch wichtigen Stadt Mopti aufzuhalten. Das ist gelungen. Der Vormarsch konnte aufgehalten werden. Die Dynamik konnte umgedreht werden. Das ist eine Entwicklung, die wir aus Sicht der Bundesregierung natürlich sehr begrüßen.
Zum Zweiten: Ich will Herrn Seibert nicht vorgreifen, aber hier wird jeder Einzelfall auf Grundlage seiner eigenen Sachlage geprüft und bewertet. Dass wir solidarisch mit unseren Bündnispartnern sind, habe ich bis jetzt nicht extra erwähnt, aber das ist ja ohnehin selbstverständlich.
StS Seibert: Ja, das will ich gerne aufgreifen. Sie bringen Libyen und Mali sozusagen zusammen. Die Bundesregierung lehnt diese Anschauung ab. Aus dem einen ergäbe sich dabei ein Automatismus in Bezug auf das andere. Es ist verantwortliche Politik – ganz besonders, wenn es um mögliche Auslandseinsätze deutscher Soldaten geht -, jedes Land, jede Situation und jeden historischen Zeitpunkt gesondert zu untersuchen, zu prüfen und auszuwerten. So machen wir das in der Bundesregierung. Dabei kann es keine einfachen Ableitungen geben.
Im Übrigen weise ich zurück, dass die Bundesregierung oder die Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 2011 isoliert gewesen seien. Es gab eine erhebliche Zahl europäischer Partner und auch Nato-Partner, die damals die gleiche Haltung eingenommen haben.
Frage: Herr Peschke, Sie sprachen von einem politischen Prozess und gleichzeitig von dem Vormarsch der Terroristen in den Süden. Werden diese Terroristen irgendwie in den von Ihnen genannten politischen Prozess eingebunden? Wenn nicht, wie will man die dann von dem Problem trennen?
Wenn wir schon beim Terrorismus sind: Nehmen die Bundesregierung beziehungsweise die Sicherheitsbehörden jetzt, wo deutsche Bündnispartner gegen Terroristen in Nordafrika vorgehen, irgendwelche besonderen Maßnahmen vor?
Peschke: Zu dem ersten Teil Ihrer Frage: Für einen erfolgreichen politischen Prozess kommt es natürlich darauf an, die gesprächsbereiten Kräfte in Nordmali zu finden. Das ist eine Aufgabe, die wir von außen am allerwenigsten leisten können. Wir können dabei vielleicht unterstützend tätig werden. Aber das ist eine Aufgabe, die natürlich zuallererst von den Afrikanern, also von Mali selbst und von den afrikanischen Nachbarn, geleistet werden muss. Es gab Vermittlungsbemühungen der ECOWAS. Unter Leitung des burkinischen Präsidenten gab es Gespräche in Ouagadougou. Dort waren verschiedene Gruppen aus Nordmali vertreten. Es ist natürlich eine der wichtigen Aufgaben, im Rahmen so eines Prozesses, für den man allerdings auch einen längeren Atem braucht, diejenigen zu identifizieren, die tatsächlich gesprächsbereit sind. Das ist eine Aufgabe, die wir von außen weder vorwegnehmen noch ersetzen können.
Auf die Frage nach der Sicherheit muss, glaube ich, der Kollege antworten. Ich kann nur sagen, dass wir vom Auswärtigen Amt natürlich stets und immer die Sicherheit unserer Auslandsvertretungen prüfen und sie mit Blick auf die aktuelle Situation natürlich auch noch einmal mit besonders großer Sorgfalt prüfen. Dort, wo es notwendig ist, ergreifen wir auch entsprechende Maßnahmen, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten.
Teschke: Ich kann nur ergänzen, dass wir die Sicherheitslage in Deutschland derzeit als nicht verändert ansehen. Das heißt also, es gibt eine abstrakte Gefahr von Anschlägen. Natürlich steht Deutschland im Fokus und im Visier des islamistischen Terrorismus. Deswegen sind wir natürlich im Gespräch mit dem französischen Sicherheitsbehörden und sehen Deutschland im Zuge dessen natürlich als interessantes Ziel für islamistische Terroristen an, die eventuell als Vergeltungsmaßnahme für die Aktion in Mali in Deutschland tätig werden wollen.
Frage: Herr Seibert, hat der französische Präsident Hollande die Bundeskanzlerin vor oder nach dem Einsatz Frankreichs persönlich unterrichtet?
Eine weitere Frage an das Außenministerium und das Verteidigungsministerium: Schließen Sie einen deutschen Militäreinsatz aus?
StS Seibert: Ich denke, wir haben, um mit der zweiten Frage anzufangen – ich glaube, damit nehme ich die Äußerungen von Herrn Paris jetzt etwas vorweg -, mehrfach gesagt, dass ein Kampfeinsatz ausgeschlossen ist. Das ist die Haltung der Bundesregierung.
Zu der ersten Frage haben wir auch am Anfang gesagt: Die deutsche Regierung und die französische Regierung befinden sich dabei in einer sehr engen und partnerschaftlichen Abstimmung. Die Bundesregierung hat alle Informationen über alle französischen Schritte gehabt. Über Details gebe ich jetzt keine Auskunft.
Frage: Ich habe eine Frage zu den Prüfungen, von denen die Rede war. Spricht man jetzt von Tagen oder von Wochen? Von welchem Zeitraum spricht man, bis man Ergebnisse erhält oder bis das Parlament informiert wird?
Vielleicht noch eine Frage nach den Feierlichkeiten anlässlich des Élysée-Vertrags: Könnte es sein, dass die jetzigen Entwicklungen in diesem Gebiet in Afrika irgendwie auch dabei einbezogen werden, eine deutsch-französische Einigung zu unterstreichen?
Peschke: Zu der ersten Frage: Möglichst schnell! Das hängt natürlich auch davon ab, was unsere französischen Partner sagen. Wir sprechen ja auch mit unseren französischen Partnern, und es hat keinen Sinn, dass wir prüfen, ohne zu fragen, was gebraucht wird. Wir sprechen mit unseren französischen Partnern. Das hängt natürlich auch sehr davon ab, was im Rahmen des Möglichen zu welchem Zeitpunkt gebraucht und gegebenenfalls angefordert wird. Das ist also ein dynamischer Prozess, den wir natürlich möglichst schnell zu Ergebnissen führen möchten. Aber Genaueres kann ich Ihnen dazu nicht sagen.
Zum Zweiten: Das sind, glaube ich, voneinander getrennte Dinge. Das eine ist Mali und die Notwendigkeit, das Problem in Mali zu lösen und die Lage zu stabilisieren. Das andere sind Feierlichkeiten, die einer in Europa einzigartigen, fünfzigjährigen Partnerschaft Ausdruck verleihen möchten. Das sind Dinge, die man, glaube ich, nicht so miteinander vermischen kann.
StS Seibert: Ich sehe es genauso wie Herr Peschke: Da ist nicht miteinander zu vermischen, und das hat auch keinen Einfluss auf die Feierlichkeiten. Man könnte höchstens sagen, dass das noch einmal ein Schlaglicht darauf wirft, dass wir eben nicht nur Freunde sowie Handels- und Wirtschaftspartner sind, sondern dass wir auch international für die gleichen Werte eintreten, dass wir auch Bündnispartner sind und uns einander auch in diesen Fragen verbunden fühlen.
Frage: Herr Seibert, da Sie eben dankenswerterweise noch einmal eindeutig klargestellt haben, dass ein deutscher Kampfeinsatz in Mali ausgeschlossen sei, würde ich gerne noch einmal daran anschließen und um eine ebenso klare Antwort auf die Frage bitten, warum er ausgeschlossen ist. Das, was uns Herr Paris und Herr Peschke bisher gesagt haben, ist nämlich sozusagen, dass geprüft werden müsse, für wen die Ausbildung erfolgen soll. Diese Grundlage für die bisher geltende Aussage, dass es keinen deutschen Kampfeinsatz gibt, galt ja auch für die Franzosen. Jetzt gibt es aber einen französischen Kampfeinsatz. Das heißt, die Franzosen sind offensichtlich kurzfristig zu einer radikalen Neubewertung der Situation gekommen. Warum gibt es die bei uns nicht? Was sind aktuell für Sie die Gründe dafür, das kategorisch abzulehnen?
StS Seibert: Ich denke, auch das ist eigentlich vorhin mit beantwortet worden. Ich will noch einmal anfangen: Es ist doch offensichtlich, dass Frankreich aus Gründen der Tradition, der Geschichte, der Verknüpfung mit diesem Teil Afrikas, der aktuellen Stationierung von Truppen in verschiedenen Nachbarländern Malis sowie auch der Anwesenheit einer, soweit ich weiß, vierstelligen Zahl von Franzosen in der Hauptstadt Bamako eine ganz andere Verbindung und auch andere Kapazitäten hat, um dort jetzt in der Weise tätig zu werden, in der es tätig wird. Deutschland ist nicht ansatzweise in einer solchen Situation. Deutschland unterstützt dies politisch. Deutschland und die Bundesregierung denken jetzt darüber nach, und zwar zügig, ob man in einer anderen geeigneten Weise das, was die Franzosen dort machen, unterstützen kann. Ein Kampfeinsatz für deutsche Soldaten – das haben wir gleich am Anfang gesagt – kommt dort nicht infrage.
Frage: Laurent Fabius hat heute allen möglichen Ländern gedankt – Algerien, Großbritannien, den USA, sogar Dänemark -, Deutschland aber nicht. Bedeutet das, dass in der Tat Deutschland bei dieser Aktion in keiner Weise Unterstützung und Hilfe geleistet hat?
Peschke: Nein. Wir haben ja gerade deutlich gemacht, dass wir mit den französischen Partnern besprechen und innerhalb der Bundesregierung prüfen, wie wir in bestimmten Bereichen unsere französischen Partner unterstützen können. Es gibt einige Länder – wie die Briten -, die da schon konkreter werden konnten und die das auch schon öffentlich mitgeteilt haben. Laurent Fabius, der französische Außenminister, hat diese Länder namentlich benannt. Das ist, glaube ich, kein Minus für uns. Wir stehen da auch im engen Austausch mit unseren französischen Partnern. Möglicherweise, weil die Konkretisierung noch nicht so weit geschritten ist, sind wir in dieser Liste nicht dabei. Das würde ich an Ihrer Stelle jetzt aber nicht als Ausdruck einer bewussten Zurücksetzung interpretieren.
Noch einmal zu der davor gestellten Frage. Herr Seibert und ich haben das ja eingangs auch erläutert: Das ist für Frankreich eine ganz andere Lage. Frankreich hat in Mali ca. 6.000 Staatsangehörige, Frankreich hat in allen Nachbarländern Malis französische Kontingente stationiert, Frankreich hatte in Mali ein französisches Kontingent stationiert, Frankreich ist mit einsatzfähigen Truppen in dieser Region sehr präsent. Das heißt, das ist ein ganz anderer Fähigkeitenvorhalt, den Frankreich aufgrund historischer und anderer Bindungen hat. Deswegen hat sich die malische Regierung mit der Unterstützungsbitte am Freitag vergangener Woche auch an Frankreich gewandt.
Paris: Vielleicht noch ein Satz zum Vorgehen der Terroristen: Die Pflegen die asymmetrische Kriegsführung. Da wissen Sie nicht Wochen im Vorhinein, was die tun. Es hat sich in der letzten Woche ziemlich zügig entwickelt, dass die sich dann überlegt haben, nach Süden vorzurücken. Dann sollte man dem schnell einen Riegel vorschieben, was die Franzosen auch gemacht haben. Dann ist es auch richtig, die Kräfte zu nutzen, die man in der Region hat.
Frage: Herr Seibert, auch wenn es keine konkrete Anfrage gegeben hat: Ist denn einmal vorgefühlt worden, welche Erfolgsaussichten eine solche Anfrage hätte?
StS Seibert: Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Es hat keine Anfrage an die Bundesregierung gegeben. Die Bundesregierung ist sich nichtsdestotrotz sicher, dass die politische Unterstützung notwendig und sinnvoll ist und will deswegen jetzt auch prüfen, ob sie etwas und was sie zusätzlich tun kann.
Nachtrag: Dem (französischen) Blogger- und Journalistenkollegen von Bruxelles2 ist beim Blick auf die Webseite des Auswärtigen Amtes was aufgefallen: Der Text Internationale Unterstützung für Mali – Die Bundesregierung prüft, wie sie Frankreich jenseits militärischer Kampfhandlungen unterstützen kann ist mit einem Foto von französischen Soldaten vor dem Mali-Einsatz hinterlegt. Kaum verwunderlich, dass das dem Kollegen sauer aufstößt -und er zudem darauf verweist, dass Großbritannien und Dänemark, die beide der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik nicht so nahestehen, die ersten mit Hilfeleistungen waren…
Niklas | 15. Januar 2013 – 21:11
Was Sie da schreiben, hat mit sicherheitspolitischer Argumentation aber gar nichts zu tun.
Der Einsatz von Streitkräften ist nunmal kein Kinderspiel.
“Okay, die Europäer sind verdammt fix wenn sie wollen und sie sind wie Pech und Schwefel.”
Wollen Sie diesen Satz, der Witwe eines gefallenen Hauptfeldwebels nebst ihren kleinen Kindern dann am Grab des Vaters entgegen schmettern?
„Das ist Stärke, liebe Gemeinde“; nein, das ist unüberlegtes Handeln.
@ Heiko Kamann:
Wenn sie schon emotional argumentieren wollen:
Und was sagen sie dann der Witwe eines gefallenen sergent-chef nebst ihren Kindern dann an dessen Grab? „Nicht mein Problem“?
Oder über dem Grab einer malinesischen Familie, Vater, Mutter und Kinder? „Immerhin keine Deutschen“?
Kern des Problems ist doch, dass es keinen Konsens gibt, wofür Europa seine Streitkräfte einsetzen will. Und entsprechend auch keine Zusammenarbeit, das so effektiv wie möglich zu tun. Hat man ja auch in Afghanistan gesehen, wo jeder um die möglichst friedlichen Einsatzfelder gerungen hat, und die Nationen in den gefährlichen Gebieten allein gelassen wurden (und die Afghanen ja sowieso).
Kern des Problems ist, dass manche Menschen wenig mit humorvollen (versuchsweise) Metaphern anfangen können und nur noch reflexartig reagieren. ;)
Nichts für ungut, aber wenn man, wie J.R., kurz mal überlegt, kommt man zum wahren Kern meiner Aussage. Und die wurde oben ja schon zum guten Teil dargestellt.
Niklas | 15. Januar 2013 – 22:23
Ach so, Sie können sich mit Kritik nicht auseinander setzen. Wusste ich ja nicht. Dann halten Sie sich eben an die, die ihnen applaudieren.
J.R. | 15. Januar 2013 – 22:19
Ihre Argumentation zieht nicht (und trifft mich auch nicht).
Wenn ich interpretiere was Sie schreiben, gehen Sie davon aus, das Deutschland für alles Unrecht dieser Welt, praktische und natürlich auch militärische Lösungen bieten muss … ohne DEU-Interessen definiert zu haben.
Mitmachen, nur weil andere auch mitmachen, ist aber zu wenig.
Bevor ich jetzt von der „Gegenseite “ vereinnahmt werde:
Der Punkt, den Heiko Kamann aufwirft, nämlich das „War es das wert?“ halte ich für sehr valide.
Und bei einem „Preschen wir mal mit, sind symbolisch dabei, riskieren ein paar Soldatenleben und ziehen einfach wieder ab falls sich die Situation nicht von selbst zum guten wendet“ seh ich das auch als nicht gegeben an.
Aus dem verantwortlichen Umgang mit Menschenleben ergeben sich oft genug sowohl Gründe für eine Intervention als auch für eine möglichst ernstgenommene und sorgfältige Durchführung. Und dieser Verantwortung sind viele europäische und deutsche Institution in der Vergangenheit nicht gerecht geworden.
@ Heiko Kamann
Wenn ich interpretiere was Sie schreiben, gehen Sie davon aus, das Deutschland für alles Unrecht dieser Welt, praktische und natürlich auch militärische Lösungen bieten muss … ohne DEU-Interessen definiert zu haben.
Genau. Mit großer Macht kommt große Verantwortung. ;)
Zumindest in moralischer Hinsicht. Und jenseits moralischen Gründe gibt es schlicht keine „deutschen Interessen“, die zur Durchsetzung eines Bundeswehreinsatzes im Ausland bedürften.
Den Schutz deutscher Unternehmen leisten Einheimische und/oder Söldner zu einem Bruchteil der Kosten (siehe China, siehe Afghanistan). Das Dabeisein kann man durch vorzeigbare politische und wirtschaftliche Förderung wesentlich günstiger haben (siehe Ägypten in Afghanistan, oder die japanische Außenpolitik).
Je nach Sichtweise taugen Bundeswehr-Einsätze entweder als Statussymbol, Werbemaßnahme für Rüstungsgüter und für politischen Aktionismus. Oder als Notfallmaßnahme wenn Geld keine Rolle spielt. Auszahlen tun sie sich für Deutschland so oder so bestenfalls indirekt und langfristig.
@Hans und Nuklas:
Zur Kampfweise der AQIM in Diabaly:
„One eyewitness, Ibrahim Komnotogo, told the Associated Press news agency: „The jihadists have split up. They don’t move around in big groups. They are out in the streets, in fours and fives and sixes, and they are living inside the most inhabited neighbourhoods.““
Also eher unkonventionell.
@ Heiko Kamann
Nur um das kurz gerade zu kriegen. Ich wollte Sie nicht beleidigen oder dispektierlich sein und ich bin definitv gegen einen Kampfeinsatz und gegen diplomatisch begründete oder leichtfertige Einsätze.
Mit meinem Beispiel wollte ich nur eine etwas andere, natürlich stark vereinfachte Sicht auf die ganze Frage versuchen. Außerdem zeigt sich doch wieder eins überdeutlich. Weder sind deutsche Interessen definiert, noch wissen die Franzosen was unsere Prioritäten sind. Umgekehrt bestimmt auch.
Das absurde ist, dass wir bereits eine D/F Brigade haben, auf der politischen Bühne gerne die starken Partner geben und darüber diskutieren, wie wir militärische Fähigkeiten zusammenbringen können. In Wahrheit haben wir ein völlig verschiedenes Verständnis von Krieg und Frieden, von eigenem Interesse und un/sinniger Intervention.
Auch zeigt sich, dass wir alle den islamistischen Terrorismus, in welcher Form auch immer, völlig unterschiedlich betrachten. Sind radikale Vertreter in Deutschland von den malischen Rebellen zu trennen oder sind sie eine Seite? Ist der Krieg gegen den Terrorismus (TM) eine Zusammenfassung vieler einzelner regionaler Kämpfe oder ein globaler Krieg, fast schon ein Weltkrieg, den wir im Grunde schon seit Jahrzehnten kämpfen? All das ist ungeklärt, weswegen diese Einsätze per se schlecht zu bewerten sind. Wir sind also völlig handlungsunfähig, weil wir keinen richtigen Kompass haben, der uns sagt, wann wir vielleicht wirklich mal eingreifen müssen.
@ Niklas | 16. Januar 2013 – 21:39
In der Diskussion kann es schon mal provokant und heiß hergehen … habe ich persönlich auch keine Probleme mit.
Aber zum Thema:
„Weder sind deutsche Interessen definiert, noch wissen die Franzosen was unsere Prioritäten sind. Umgekehrt bestimmt auch. “
Das kann ich nicht unterschreiben und halte die Aussage auch nicht für richtig. Es gibt militärisch auf der Ebene ab A15 seid vielen Jahren einen regen Ausstausch zwischen IHEDN/FüAKBw/BAKS/CHEM und auf der europäischen Ebene durch das ESDC einen regen DEU-FRA Ausstausch. Also sehr viele aktive Soldaten, die heute als Generale auch beratend tätig sind, kennen die deutsche bzw. französische Sicht auf die Dinge.
„Das absurde ist, dass wir bereits eine D/F Brigade haben, auf der politischen Bühne gerne die starken Partner geben und darüber diskutieren, wie wir militärische Fähigkeiten zusammenbringen können. In Wahrheit haben wir ein völlig verschiedenes Verständnis von Krieg und Frieden, von eigenem Interesse und un/sinniger Intervention.“
Hier möchte ich nur zu bedenken geben, dass DEU ja schon in AFG eine führende Rolle übernommen hat und auch bei KFOR mehr involviert ist als FRA. Sorry, aber mehr geht derzeit nicht. FRA hat halt derzeit mehr freie Kapazitäten und genug eigene Interessen in der Region.
Nicht zu vergessen, das DEU sich nicht zuletzt finanziell um die Flüchtlinge des Mali-Konfliktes kümmert.
Tja, und das Problem im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus ist nun mal, das nach dem (erfolgreichen) Kampf, ein islamistischer Staat übrigbleibt, der z.B. die Schariah als Rechtssystem haben möchte; der sagt „Hand ab“ bei Diebstahl und Frauen und Mädchen bitte „dezent“ gekleidet. Und grundsätzlich gilt, was der Koran vorgibt.
Wie sollen unsere Politiker der DEU Bevölkerung erklären, das für die eben genannten Ziele, ggf. Soldaten der Bundeswehr geopfert werden sollen.
Bedenken Sie „bei allem Geschimpfe auf die Rückständigen“ z,B. in AFG, dass das Frauenwahlrecht in Europa auch erst im 20. Jahrhundert realisiert wurde.
In diesem Sinne, wünsche ich einen schönen Abend.
IHEDN – Institut des hautes études de défense nationale
FüAkBw – Führungsakademie der Bundeswehr
BAKS – Bundesakademie für Sicherheitspolitik
CHEM – Centre des hautes études militaires
ESDC – European Security and Defence College