Abbrecherquote bei den Kurzdienern steigt auf über 30 Prozent
Verteidigungsminister Thomas de Maizière begrüßt am 4.Juli 2011 in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin die ersten freiwillig Wehrdienstleistenden nach Aussetzen der Wehrpflicht (Foto: Sebastian Wilke/Bundeswehr via flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)
Zum Jahresbeginn haben 1.422 Männer und Frauen ihren Dienst als Freiwillig Wehrdienstleistende (FWDL) bei der Bundeswehr angetreten, knapp 3.500 neue Zeitsoldatinnen und -soldaten begannen ihren Dienst bei den Streitkräften. Mit der Gesamtzahl von knapp 5.000 neuen Uniformträgern werde der Bedarf des Jahres bereits zu einem Viertel gedeckt, teilte das Verteidigungsministerium am (heutigen) Mittwoch mit.
So weit die Gesamtzahl – interessant finde ich aber die Aussage zu den FWDLern: Die Abbrecherquote in den ersten sechs Monaten der Dienstzeit, die als beiderseitige Kündigungsmöglichkeit festgesetzt wurde, beträgt im Durchschnitt 30,4 Prozent.
Ende vergangenen Jahres, also im ersten Halbjahr nach Aussetzen der Wehrpflicht, war das noch ein bisschen besser gewesen: 27,7 Prozent der FWDL waren damals ausgeschieden, der überwiegende Teil auf eigenen Wunsch: 23,3 Prozent der Rekruten warfen in den ersten sechs Monaten hin, 4,4 Prozent gingen auf Wunsch der Bundeswehr.
2012 haben sich beide Werte erhöht. Im Jahresdurchschnitt gingen 25 Prozent auf eigenen Wunsch, etwa fünf Prozent wurden von der Truppe nach Hause geschickt. Allerdings, so heißt es aus dem Verteidigungsministerium, seien die Zahlen je nach Quartal sehr unterschiedlich – bei den Kurzdienern, die im Sommer ihren Dienst begannen, gebe es eine deutlich geringere Abbrecherquote.
Eine Detailauswertung dieses Trends steht offensichtlich noch aus, bereits im Herbst vergangenen Jahres war die Entwicklung allerdings absehbar, und es wurden auch die ersten Maßnahmen dagegen gestartet – unter anderem Lehrgänge für Vorgesetzte am Zentrum für Innere Führung in Koblenz. Weil die neue Klientel, die eben nicht mehr per Gesetz auf den Kasernenhof gezwungen wird, vielleicht doch etwas anders angesprochen werden will…
Obwohl ich nicht viel von Statistiken halte, ist doch die Kernaussage der Meldung, dass die Zahl der Abbrecher gestiegen ist. Um das „warum“ des Anstiegs sollte sich das BMVg kümmern. Mich interessiert viel mehr, wer die sind, die bleiben.
OT: Dass es das SoWi-Institut nicht mehr gibt ist bedauerlich. Gibt es dafür Gründe, die bekannt sind?
@schleppi
Ja – Neuausrichtung der Bundeswehr.
Das SoWi ist nicht endgültig aufgelöst worden, sondern nur zum 1. Januar 2013 mit dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam zu einem neuen Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) zusammengeführt. Sitz des neuen Zentrums wird die Villa in Potsdam, in der bisher das MGFA beheimatet war. Die Dienstposten des Instituts werden in das neue Zentrum in Potsdam überführt (Pressemeldung vom 28.11.2012).
Die Damen und Herren müssen also nur umziehen und sich in Zukunft mit den Historikern eine Liegenschaft teilen. Das ZMSBw wird dann – wenn ich mich recht erinnere – dem Zentrum Innere Führung in Koblenz unterstellt.
Damit „zusammenwächst, was zusammengehört“… ;-)
@ St. Michael
Danke für den Hinweis. Wusste gar nicht, dass es überhaupt ein MGFA gibt.
„Wir betreiben international anerkannte militärhistorische Grundlagenforschung mit Schwerpunkt auf dem Zeitalter der Weltkriege sowie der Militärgeschichte der Bundesrepublik und der DDR in ihren Bündnissen.“
Das klingt nach wenig relevanter Nabelschau (aka „Traditionsbildung“)?
@ J.R.
Ja – „Tradition“ ist eines der wesentlichen Themen des MGFA.
Insgesamt hat sich dort für den Bereich Militärgeschichte die moderne, eher sozialhistorische Riege durchgesetzt. Daher sind die meisten Publikationen absolute Randprodukte, die nur einen sehr beschränktes Interesse finden. In den Auflagen und der Wirkung bei Öffentlichkeit und Bundeswehr nicht mit den angloamerikanischen Schwergewichten (J. Keegan, I. Kershaw, A. Beevor,…) zu vergleichen.
Die letzten Veröffentlichungen, die nach mE überhaupt noch rezipiert wurde, waren Die Buchreihe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg und „Blitzkrieg-Legende: Der Westfeldzug 1940“ von Frieser. Ansonsten hält man sich von Operationsgeschichte fern, da angeblich veraltet.
Die wesentlichen Berührungspunkte für aktive Soldaten sind die Wegweiser für die Auslandseinsätze, grundsätzlich sehr gute und nützliche Bücher die einen sehr breiten Überblick über die Einsatzländer geben (Geografie, Geschichte, etc.) und durch das MGFA verlegt werden, sowie die Gutachten zu Kasernennamen und Tradition im allgemeinen (z.B. Mölders, etc.).
Zusammenfassend kaum Einsatzrelevanz. Persönlich frage ich mich, ob man das nicht alles für viel weniger Geld an einen zivilen Lehrstuhl, z.B. an der Uni Potsdam, auslagern könnte.
@ St.Michael: das gibts doch alles schon.
http://www.militarystudies.de/index.php?ID_seite=5
@ St. Michael
„Einspruch Euer Gnaden“
Gutachten des MGFA gerade und insbesondere zur Traditionswürdigkeit ehemaliger Soldaten mit Blick auf die Namensgebung für Kasernen zeigten Wirkung.
Ein Gutachten aus dem Jahr 2004 zeigte e Wirkung in dem Sinne, dass die Kaserne umbenant wurde.
Andere zählen dazu.
@St.Michael
Meine Frage war nicht was einer machen soll, sondern warum jemand zum Bund als FWDL soll!
„Hundeführer? Scharfschütze? EGB-Soldat“ sind keine Gründe!
Das kann man auch als SaZ oder ziv Angestellter machen!
Das Problem ist doch nicht, dass 30% abbrechen, sondern dass zu wenige kommen und uns die verbleibende Anzahl nicht reicht!
Solange wir gut ausgebildete SaZ entlassen, obwohl sie gerne bleiben würden, ist die Not noch nicht groß genug!
@ J. König
Vielleicht hätte ich es klarer ausdrücken sollen: Ja – die Gutachten haben Wirkung. Bei Kasernennamen und Traditionsnamen. Nur für den Einsatz hat das MGFA keine Wirkung.
@Elahan
Sorry – ich bezog Ihre Frage auf die Frage, warum man allgemein als Mannschaftssoldaten in den Streitkräften dienen sollte. FWDL kann tatsächlich wohl nur als Schnupperkurs dienen bzw. allerhöchstens einen Einsatz abdecken, wenn der Soldat genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.
@Martin
Eben!
Ich kenne den Lehrstuhl. Meine Frage ist eben, warum leisten wir uns eine eigene Verwendungsreihe für Offiziere, ein MGFA usw., wenn wir Gutachten zu Namen bei besagtem Lehrstuhl (oder ähnlichen) einfach einkaufen können?
Aber wir sind schon sehr OT damit ;-)
@ St. Michael
Aber wir sind schon sehr OT damit ;-)
Nichtmal. Es unterstreicht halt sehr gut die rückwärtsgewandte Selbstzentriertheit, welche die Bundeswehr von anderene Arbeitgebern unterscheidet (nicht unbedingt zum Guten).
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die derzeitigen Werbekampagnen oder FWDL wirklich Leute anziehen, die den Anspruch haben Dinge besser zu machen. (Und wer auch nur den Anpsruch an sich selbst hat „Gute Arbeit“ leisten zu wollen, scheint vom internen Hierarchie-Hickhack, Karriereschutz-Denken, Vorschriftengedöns und NMP ausgebremst zu werden. Aber vielleicht kriegt man da als Außenstehender nur die Horrorgeschichten mit, und intern funktioniert die BW wie jede andere Behörde, nur ohne Aufgabe. Kann ja sein.)
In der Zeit gab’s jetzt einen Artikel über PTBS bei pro-syrischen Cyberkriegern („Schlaflos in Charlottenburg“). Kann man von halten was man will, aber das ist glaub das genaue Gegenteil derjenigen, die derzeit zum Bund gehen.