Bundespräsident im Direktflug mit Lebensgefährtin nach Afghanistan – Update
Bundespräsident Joachim Gauck ist am (heutigen) Montag zu seinem ersten Besuch als deutsches Staatsoberhaupt in Afghanistan eingetroffen. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt landete Gauck nach einem Direktflug mit einem Airbus A310 (taktisches Kennzeichen 10+21) der Flugbereitschaft auf dem Flughafen von Masar-i-Scharif am Camp Marmal, dem Hauptsitz des Bundeswehrkontingents in Nordafghanistan.
Wie bereits vor gut einem Monat Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte auch der Bundespräsident auf die bislang für solche Besuche üblichen Sicherheitsvorkehrungen verzichtet: Bislang flogen Politiker – ebenso wie die in Afghanistan eingesetzten deutschen Soldaten – zunächst nach Termez in Usbekistan, wo sie für den Weiterflug nach Afghanistan in eine Transall-Maschine mit Schutzeinrichtungen gegen Raketenbeschuss umstiegen. Der erneute Direktflug mit einer zwar zur Bundeswehr gehörenden, der Technik nach aber zivilen Maschine war offensichtlich auch eine Demonstration der verbesserten Einschätzung der Sicherheitslage am Hindukusch.
Am Abend traf Gauck im Camp Marmal mit Soldaten der Bundeswehr und aus anderen Nationen, Polizisten und Entwicklungshelfern zusammen. Für den (morgigen) Dienstag ist dem Vernehmen nach ein Zusammentreffen mit Afghanistans Präsident Hamid Karzai in Kabul geplant.
Zur Dokumentation die Rede Gaucks am Montagabend in Masar-i-Scharif:
Meine Damen und Herren, liebe Soldatinnen und Soldaten, ich bin tief bewegt, Sie heute hier treffen und sprechen zu können.
Sie sind ein wichtiger Teil jener, die sich gemeinsam mit den Afghanen für den Wiederaufbau engagieren. Mit Händen, Köpfen und Herzen sind Sie bei der Sache. Ich sehe Deutsche und Angehörige anderer Nationen, ich sehe manche in Uniform und andere in Zivil – Sie alle verbindet die Bereitschaft, auf Zeit Heimat und Familien zu verlassen und weit weg von zuhause – und zugleich ganz wichtig für zuhause – ein politisches Ziel mit eigener Hingabe zu verbinden, neu Frieden und Entwicklung auf den Weg zu bringen.
Wenn ich Sie so anspreche, ist mit bewusst, dass zu jeder und jedem von Ihnen hier im Camp draußen noch viele andere hinzukommen. Sie sind heute Abend nicht bei uns und sind doch sehr gegenwärtig.
Ich bin hierher gekommen, um Ihnen allen meine Anerkennung, meine Wertschätzung und meinen Dank auszudrücken. Sie leisten Außerordentliches. Sie bringen Opfer. Sie zeigen Mut. Sie arbeiten auch daran, hier in Afghanistan diejenigen zu ermutigen, die Frieden, Demokratie und Wohlstand schaffen wollen.
Mein Dank gilt auch Ihren Familien und Freunden in Deutschland. In einer Woche ist Weihnachten. Ich stelle mir gerade die Eltern oder Partner vor, die auf Sie warten, die vielleicht den Kindern zu Hause erklären müssen, warum der Papa, die Mama nicht mitfeiern kann. Gerade, wenn ich mir das vorstelle, spüre ich besonders deutlich wie dankbar ich bin: für Ihren Einsatz, für Ihre Entschlossenheit, für Ihren Dienst.
Die Hälfte der Afghanen ist jünger als 15 Jahre. Wenn junge Drachenläufer wieder mehr das Bild dieses Landes prägen, dann hat das mit Ihrer Arbeit zu tun. Wenn hier nicht Terroristen das Sagen haben, dann hilft das Afghanistan, dieser Region und mittelbar auch Europa und unserem Land.
Ihrer Arbeit verdanken wir es, wenn Frauen und Männer in Afghanistan Hoffnung schöpfen, wenn sie in mehr Sicherheit leben können, wenn sie selber für ihre bessere Zukunft arbeiten können. Sie schützen hoffnungsvolle Aufbrüche, Sie eröffnen Schülern Chancen, Sie stärken den Mut, der keimt.
Unter welchen Umständen und unter welchem hohen persönlichen Risiko Sie hier arbeiten, ist aus der Ferne kaum zu erahnen. Richtig ermessen kann dies nur, wer hier längere Zeit verbracht hat – auch mein jetziger Besuch wird mir nur einen ersten Eindruck verschaffen. Umso mehr liegen mir die Gespräche mit Ihnen am Herzen.
In Afghanistan herrschen immer noch kriegsähnliche Zustände. Soldaten müssen sich in Gefechten und gegen Überfälle behaupten, müssen heimtückische Anschläge befürchten. Ihre Bereitschaft, als Soldat Entbehrungen in Kauf zu nehmen, ist Ausdruck einer in unserer Gesellschaft nicht selbstverständlichen Bereitschaft zum Dienen und zur Hingabe. Sie erfordert Ihren Einsatz, Ihre Aufmerksamkeit, Ihren Mut und leider fordert sie Ihnen manchmal auch das Äußerste ab, was Sie geben können – Ihr eigenes Leben. Sie setzen all dies ein, nicht um Land zu gewinnen oder nationale Siegesbanner in der Ferne zu hissen, sondern weil Parlamente und politisch Verantwortliche Ihnen Verantwortung für die Sicherheit friedlicher Bewohner dieses Landes übertragen haben. Sie haben diese Verantwortung angenommen – wohl wissend, dass militärisches Handeln allein bestenfalls Räume sichern kann. Es braucht eine Menge anderer Aktivitäten, ziviler wie administrativer Art, um diese Räume mit friedlichem demokratischem Leben zu füllen.
Frieden entwickeln – das braucht Mut, aber nicht Übermut, es ist eine so mühselige wie lohnende Angelegenheit. Allein militärisch ist in Afghanistan nichts zu gewinnen – weder der Frieden, noch ein stabiler Staat, noch die Akzeptanz der Menschen, die in Afghanistan leben. Was zählt, ist die Zusammenarbeit. Ob Sie als Polizist Kollegen ausbilden, die oftmals weder lesen noch schreiben können, oder ob Sie als Zivilkräfte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dafür sorgen, dass die Bevölkerung Strom, Wasser und Bildungsmöglichkeiten bekommt – Sie alle können nur miteinander zum erfolgreichen Wiederaufbau des Landes beitragen. Und wir können in verschiedenen Teilen des Landes Aufbauerfolge sehen.
Wir sind nicht am Ziel – und doch spreche ich bewusst von Erfolg. Erfolge in Afghanistan interessieren leider oft medial weniger als Bilder und Worte des Scheiterns. Von verwundeten oder getöteten Soldaten hören wir verlässlich – von neuen Stromanschlüssen, gelungenen Unternehmen, erfolgreichen Schulabschlüssen selten. Ich wünsche mir in der Diskussion in Deutschland über die Lage in Afghanistan weder Schwarzmalerei noch Schönfärberei, sondern Realismus. Sie hier können durch Ihre Erfahrungen dazu beitragen, dass in Deutschland ehrlich über den Einsatz gesprochen wird. Meine Lebensgeschichte hat mich zum optimistischen Realisten gemacht. Jahrzehntelang habe ich erlebt, was nicht gut war, scheinbar ewig währen würde und deshalb lange von den meisten als nicht veränderbar ertragen wurde. Aber die Enge dieser Vorstellungen wurde doch plötzlich und kraftvoll durchbrochen. Und zwar durch den Mut und die Ausdauer der vielen Einzelnen.
Die Verhältnisse in Mittelosteuropa und die in Afghanistan sind zwar sehr unterschiedlich. Aber ohne Mut und Ausdauer wird auch hier der gesellschaftliche Wandel nicht gelingen. Die Menschen in Afghanistan haben einen sehr weiten Weg vor sich. Er ist 2014 nicht zu Ende. Und wer meint, dass wir in Afghanistan nach 2014 nichts mehr gestalten könnten, der ist hyperoptimistisch oder leichtsinnig oder schlicht und einfach unsolidarisch. Denn nicht der Übermut der Verbündeten hat uns hierher gebracht, sondern die Verantwortung für Sicherheit und Frieden.
Wir haben durch unser Engagement Verantwortung übernommen; wir haben Absprachen mit unseren afghanischen Partnern getroffen, von denen wir nicht abrücken. Dies erfolgt auch im Wissen um die besondere Tradition der Zusammenarbeit Deutschlands mit Afghanistan. Wir wollen weiter zuverlässige und ehrliche Partner sein. Wir werden weiter dazu beitragen, den Frieden zu entwickeln. Wir werden dem Land nach 2014 verbunden bleiben.
I may add a few words in English to address our international friends. I appreciate your efforts for the stability and peaceful future of Afghanistan. Please accept my heartfelt thanks for all what you do in support for the Afghan nation. Rest assured – your admirable deeds regardless of rank, colour and nation are well respected in Germany.
Vielen Dank für all das, was Sie in diesem Land und für unser Land und unter diesen Bedingungen leisten. Nun freue ich mich auf die Begegnung mit Ihnen und die Gespräche!
1. Ich finde es gut, wenn unser Bundespräsident die Bundeswehr im Einsatz besucht. Ein wirklich gutes Signal.
2. Allerdings verstehe ich nicht, wieso er oder andere gerade bezüglich des Zeitpunktes derart beraten werden. Vor Weihnachten ist immer die Hölle los und eine Vielzahl von Besuchern hascht nach guten Bildern. Das betrifft sicherlich nicht Herrn Gauck.
Wer schon über Weihnachten im Einsatz war, kennt die Dünnhäutigkeit in dieser Zeit. Dann auch noch der Alarm aufgrund einer Vielzahl von Besuchern. Warum kommt die Masse nicht im neuen Jahr? Nicht falsch verstehen, derartige Besuche sind wichtig, aber stets vor Weihnachten? Dennoch Frohe Weihnachten an unsere Kameradinnen und Kameraden im Einsatz.
Ich finde es auch mehr als geboten, dass das Staatsoberhaupt die im Ausland eingesetzten Soldaten besucht, nicht nur in AFG sondern möglichst auch in Djibouti und dem Kosovo. Über den Zeitraum kann man streiten, aber ihm steht es zu, in der Vorweihnachtszeit zu kommen.
Der durchschnittliche MdL oder MdB sollte hingegen überlegen, was er auf der Jagd nach guter Presse „anrichtet“.
Aber ich tue mich schwer damit, die Tatsache zu loben, dass der Bundespräsident in einer zivil ausgerüsteten Maschine nach AFG fliegt.
Zwar zeugt es vielleicht von einem gestiegenen Sicherheitslevel, solange man solche Besuche aber aus Sicherheitsgründen nicht ankündigen kann, vermag ich kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen.
Bis auf den entgegenkommenden Zug vielleicht.
Es gibt auch Interessantes: Laut DLF hat Gauck gefordert, dass Soldaten und zivile Helfer „in Deutschland für ein realistisches Bild der Lage in Afghanistan“ sorgen sollten (wenn dieser link nicht statthaft ist, einfach weghauen)
http://www.dradio.de/nachrichten/201212180800/6
1. Die Soldaten und zivilen Helfer sollen jetzt mal eben deutlich sagen, was die Politk bewusst verschweigt!? (“ . . . mal eben die Welt retten . . .“)
2. Gauck hat kein Wort darüber verloren, wie er denn „Mutbürger“ im Staatsdienst vor den dienstrechtlichen Folgen schützen will, wenn sie tatsächlich den Mund aufmachen. Weiß er, was er da fordert?
3. Das implizite Geständnis, dass die politisch Verantwortlichen die Öffentlichkeit bisher getäuscht haben, ist praktisch der Insolvenzantrag der deutschen AFG-Politik. Weiß er, welches Urteil er damit gesprochen hat?
@Zivi a.D.:
Guter Beitrag.
Wundert mich, dass sich (noch) kein MdB (insbesondere die üblichen Verdächtigen) darüber beschwert hat, dass unser BP seine Frau mitnimmt. Kann mich noch dunkel erinnern, dass das in anderer Person schon einmal zu hitzigen Auseinandersetzungen geführt hat. Aber damals galt ja auch schon die in AFG getragene Sonnenbrille desjeningen Politikers als krasse Form der bloßen Selbstinszenierung…
Die Frau des BP hat aber seit den 50ern stets die Rolle einer First Lady angenommen und übernimmt im Staat traditionell den Part, den die Pfarrersfrau in der Gemeinde wahrnimmt. Das war bei Elly Heuss, Wilhelmine Lübke und Mildred Scheel schon so. Die Gattin des Staatsoberhauptes ist im Protokoll fest eingeplant, was für die Gattin eines Bundesministers nicht gilt.
^@Zivi a.D.: Gauck hat durchaus das Recht, zu mutigen Äußerungen zu ermuntern, ohne daß man gleich überlegt, ob einem selbst die Sache auf den Fuß fallen könnte.
Aber zugegeben, als Kirchenmann hat ihn zu DDR- Zeiten allerdings auch die Aufmerksamkeit der westlichen Öffentlichkeit ein Stück weit geschützt. Und vielleicht sind ihm die Folgen außerdienstlicher Gesprächigkeit nicht ganz klar. Kann sein…
Zu diesem Thema ist heute in der FAZ übrigens zu lesen:
„Gauck, der mit einem zivilen Flugzeug der Bundesregierung anreiste,…“
und weiter
„Im November war Verteidigungsminister de Maizière erstmals mit einem zivilen Regierungsflugzeug direkt nach Mazar-i-Sharif geflogen.“
Man hätte wohl den Schriftzug LUFTWAFFE doch nicht überpinseln sollen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Flugbereitschaft bereits aus der Bundeswehr ausgegliedert….
@ henner
Na dann fragen Sie mal seine Ehefrau, was sie eigentlich gerade so macht.
In Afghanistan war sie jedenfalls nicht. :))))
@ Zivi a.D.
Es gibt keine dienstrechtlichen Folgen. Spätestens mit Marc Lindemanns „Unter Beschuss“ ist das nochmal deutlich geworden. Was wohl nichts daran ändern dürfte, dass zu deutliche Kritik am Vorgehen der Bundeswehr nicht karrierefördernd sein dürfte.
Wobei es mittlerweile wohl diverse Blogs gäbe, die dergleichen auch ohne Namensnennung einstellen würden.
Die eigentliche Ursache ist aber glaub banaler: Die meisten ISAF-Angestellten haben außer Lageralltag nicht wirklich was zu berichten. Dazu kommt, dass der Einsatz für viele wohl schlicht eine Episode ist, die man mit seinen Kameraden vor allem rumkriegen will.
Ne andere Geisteshaltung scheint sich da vor allem einzustellen, wenn die Leute wirklich mit Afghanen zu tun haben und die Mission damit auch ein Gesicht und der Missionserfolg einen Sinn erhält. Zumindest ist der ETT/OMLT-Anteil unter den MilBlogs vergleichsweise hoch (und auch bei den Augengeradeaus-Schreibern zu Afghanistan scheint der Anteil an Leuten mit Kontakt zu Afghanen um einiges über dem BW-Durchschnitt zu liegen). Das scheinen auch vom Tonfall her eher die Leute zu sein, die wirklich informieren und wachrütteln wollen, und nicht einfach nur Soldatentagebuch führen. (Vielleicht ist das auch einfach der Unterschied zwischen „Wut“ und „Frust“, keine Ahnung.)
Nur von solchen Angestellten hat die BW eh schon wenige, und ab jetzt wird das nochmal kräftig abnehmen. Mit einer Kurskorrektur ist eh nicht mehr zu rechnen, warum also noch gegen den „Alles ist gut in Afghanistan“-Chor ansingen?
@J.R. eine Frage: Habe ich mich da in der Rechtslage oder in der momentanen Praxis getäuscht? Will sagen: Wird die Kette nur locker gelassen oder ist sie weg? Das können nur Insider beurteilen, das Ergebnis wäre aber für alle wichtig, um einschätzen zu können, welche Wege in die Öffentlichkeit gangbar sind und welche „vermint“.
Also – Ich finde das unerhört, dass der seine FREUNDIN mitnimmt – Das auf Steuerzahlers Kosten. Wenn schon Protokoll, Repräsentation und alles, dann sollen sie halt heiraten. Ist formell nunmal so.
Mike | 26. Dezember 2012 – 16:53
Ich denke, ein wenig mehr Lebenswirklichkeit würde Ihnen gut tun …
@Mike
Geht nicht, dazu müsste die bestehende Ehe des Herrn Gauck erst mal geschieden werden.
@ Zivi a.D.
Sorry, hab die Frage irgendwie übersehen.
Meines besten Wissens nach (als Externer) gibt es schlicht keine relevante dienstrechtliche „Kette“, solange es eben nicht persönlich wird oder Dienstgeheimnisse weitergegeben werden.
(Eine etwas gefärbte rechtliche Einschätzung hat es etwa hier.)
Aber auch ohne dienstrechtliche Konsequenzen ist wohl jedem klar, dass man mit offener Kritik wohl seine Karriere ruiniert. Wenn man ehrlich ist: Da unterscheidet sich die Bundeswehr nicht von anderen Firmen. Von daher verwundert es nicht wirklich, dass Kritik nur von jenen kommt, die eh nichts mehr zu verlieren haben (Karriere-Abstellgleis und Ausgeschiedene). Der Artikel „Das Kundus-Syndrom“ in der Zeit, 2010, ist da ein anschauliches Beispiel. Das Vorschieben des „Dienstrechts“ ist da in meinen Augen eher eine Ausrede der Duckmäuser und Mitläufer. Zumindest wäre mir kein Gegenbeispiel bekannt.
@@J.R. :Dank für die Klärung.