Noch mal nachlesen: die Kanzlerin zu Rüstungsexporten
Aus der Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Bundeswehrtagung 2012 in Strausberg am vergangenen Montag ist öffentlich vor allem ihre Aussage zu einem möglichen Einsatz in Mali wahrgenommen worden. Vielleicht auch noch ihre Aussage zur Reform der Bundeswehr. Nicht so auffällig waren ihre Aussagen zu deutschen Rüstungsexporten – aber was sie dazu sagte und vor allem, wie die Kanzlerin das ableitete, sollte man sich vielleicht mal ins Archiv legen. Ich habe deshalb die entsprechende Passage (ab ca. Minute 12:30 im Redemitschnitt) mal rausgeschrieben:
Für beide, für die EU wie die NATO, gilt gleichermaßen: Wir können natürlich nicht alle sicherheitspolitischen Probleme lösen, alleine, wie ich schon sagte, schon gar nicht. Und diesen Anspruch erheben wir auch nicht.
Um aber unsere sicherheitspolitischen Ziele erfolgreich verfolgen zu können, sind wir als EU oder als NATO-Partner auch darauf angewiesen, dass andere Länder, insbesondere die, die wirtschaftspolitisch an Bedeutung gewinnen, auch in Zukunft Verantwortung übernehmen. Das sage ich ganz besonders im Hinblick auf Schwellenländer. Wir haben hier erste Reaktionen, auch Beteiligungen, aber ich glaube, dass das Gewicht dieser Länder noch zunehmen wird.
Daneben tritt eine Reihe von Regionalorganisationen, die auch sicherheitspolitisch in ihren Regionen an Gewicht gewinnen, darunter die Afrikanische Union, die Arabische Liga oder Sub-Organisationen wie ECOWAS in Westafrika, die ich auch schon besuchen konnte. Diesen Staaten und Organisationen ist nicht nur Verantwortung zuzugestehen, sondern wir sollten solche Staaten und Organisationen durchaus auch ermuntern, sich eben entsprechend ihrer gewachsenen wirtschaftlichen und politischen Bedeutung für Sicherheit und Frieden weltweit zu engagieren.
Aber oftmals reicht es nicht nur, neue Partner zu ermuntern, sondern es geht auch um Ertüchtigung. Und Ertüchtigung setzt bereits bei guter Regierungsführung an. Sie kann ebenso Ausbildung wie auch Unterstützung bei der Ausrüstung bedeuten. Es liegt in unserem Interesse, davon bin ich überzeugt, wenn wir Partner dazu befähigen, sich für die Bewahrung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Frieden in ihren Regionen wirksam einzusetzen. Und deshalb wollen wir gemeinsam mit den Partnern in NATO und EU über ein gemeinsames Verständnis für solche Unterstützungsmaßnahmen beraten. Mit dem Ziel, hier auch zu einer gemeinsamen Politik zu gelangen.
Um es ganz klar zu sagen: Es geht dabei nicht um eine Aufweichung unserer restriktiven Richtlinien für Rüstungsexporte. Es geht ebenso wenig um eine Aufweichung unseres Grundsatzes, dass Menschenrechte und grundlegende Werte entscheidende Kriterien der Beurteilung sind. Dies alles ist und bleibt Grundlage unserer Entscheidungen und unseres Handelns. Auf dieser Grundlage können wir aber darüber reden, wo in der Welt wir nur gemeinsam mit anderen Partnern Frieden und Sicherheit bewahren können und wie wir das schaffen können. Gegebenenfalls auch mit materieller Hilfe, die bestimmten Partnern an unserer Seite zugute kommt.
Ich kann nur wiederholen: Wer sich der Friedenssicherung verpflichtet fühlt, aber nicht überall auf der Welt eine aktive Rolle in der Friedenssicherung übernehmen kann, der ist auch dazu aufgerufen, vertrauenswürdigen Partnern zu helfen, damit sie entsprechende Aufgaben übernehmen.
Dazu ein ergänzender Hinweis: Am 5. November findet im Bundestag eine öffentliche Anhörung des Wirtschaftsausschusses zum Thema Rüstungsexporte statt – es geht vor allem um die Anträge von SPD und Grünen, schneller als bislang über genehmigte Rüstungsexporte zu informieren.
„Aufweichung unserer restriktiven Richtlinien für Rüstungsexporte“.
Wenn man mal von Nordkorea und dem Iran absieht, bekommt doch jeder von uns Waffen geliefert, der sich nicht rechtzeitig mit Händen und Füßen dagegen wehrt.
Inhaltlich sagt sie nichts anderes als: wir werden demnächst auch in Schwellenländer exportieren, die sich alsbald in Kriegseinsätzen befinden werden.
@Thomas Wiegold: Danke fürs präzise herausarbeiten.
Diese Worte der Kanzlerin sind eigentlich selbstverständlich, und doch längst überfällig. Sie verdeutlichen 3 wichtige Punkte: (1) Die Unterstützung bei Ausrüstung und Ausbildung anderer Staaten bis hin zu Rüstungsexporten gehören zu dem breiten Bündel unserer sicherheitspolitischen Instrumente. (2) Maßgeblich für den jeweiligen Einsatz dieser Instrumente sind unsere sicherheitspolitischen Interessen. (3) Grundlegende Werte wie Menschenrechte dürfen dabei nicht übergangen werden.
Dem allen kann man nur voll zustimmen. Allerdings sind 2 zentrale Forderungen hinzufügen, die die Kanzlerin leider nicht erwähnt hat:
− Wir brauchen dringend eine weitaus präzisere Verständigung darüber, was unsere sicherheitspolitischen Interessen im Klartext sind. Gemeint ist ein weitgehend gefestigtes Koordinatensystem, und nicht nur eines loses, unverbindliches Mäandrieren von Fall zu Fall. Ein sinnvolles System nationaler sicherheitspolitischer Interessen ist mehr als ein loser Werkzeugkasten, aus dem man sich beliebig bedient.
− Wir brauchen einen breiten und auch kontroversen Dialog über diese sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands, um im konkreten Einzelfall Transparenz und (hoffentlich auch) Akzeptanz der politischen Entscheidungen bei den Bürgern herzustellen. (Es ist in dieser Sicht z.B. außerordentlich kontraproduktiv, wenn eine Diskussion in der Öffentlichkeit über Rüstungsexporte mit dem Hinweis auf die geheime Agenda des Bundessicherheitsrates unterdrückt wird.) Auch denkbare Konfliktsituationen zwischen einzelnen Werten und interessengeleiteten Notwendigkeiten müssen offen angesprochen und ausdiskutiert werden, um das Vertrauen der Bürger zu wahren.
Solange diese beiden Forderungen nicht erfüllt sind, kommen wir nicht erfolgreich weiter in einer in sich schlüssigen, konsequenten und starken Sicherheitspolitik.
Die Rede wurde heute auf der Homepage der Bundeskanzlerin veröffentlicht:
http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2012/10/2012-10-22rede-merkel-bundeswehr.html?nn=74420
Ist doch ganz vernünftig, was Frau Merkel da gesagt hat.
Wenn man das nun in eine konsistente Außen- und Sicherheitspolitik einbettet, unsere Interessen formuliert und vertritt und klare Risiko-Nutzenabschätzungen vornimmt, dann könnte das was werden.
Nur wen ernennt die nächste Bundesregierung zum Außenminister, um diese Linie konsequent und konsistent umzusetzen? Bei diesem Außenminister sehe ich da leider kein Potenzial.
Ist doch ganz vernünftig, was Frau Merkel da gesagt hat.
Es sind schlicht zusammengeschwurbelte Allgemeinplätze.
Was sind den „unsere sicherheitspolitischen Ziele“, wer sind denn die „anderen Länder“ und wann sind die „vertrauenswürdig“, um welche „Regionen“ geht es hier? Wie bindend ist eine „Grundlage“? Und selbst hinter „Sicherheit und Friede“ könnte sich der nächste Diktator verbergen, solange er nur in Aussicht stellt noch 10 Jahre an der Macht zu sein und auch ja seine Bevölkerung im Land zu behalten – mit Gadaffi konnte man ja auch gut.
Wenn man sich jetzt aber anschaut was sie nicht sagt, und was sie immer wieder betont, dann kommt recht klar rüber:
„Eine Regierung Merkel wird sicherheitspolitisch keine Vorreiterrolle übernehmen, hat aber ein starkes Interesse Rüstungsexporte auszuweiten.“
Dann schaue man sich ihre Nichtpolitik hinsichtlich der kriselnden EU(bzw. NATO)-Nachbarn an, und das sind einige: Algerien, Tunesien, Lybien, Ägypten, Libanon, Syrien, Iran, Irak, Georgien, Armenien-Asserbaidschan, Ukraine. Dazu einige politisch stagnierende wie Weißrussland, Rumänien, Bulgarien, Russland.
Da kommt nichts, und das seit sieben Jahren. Nichtmal eine „verbindliche Richtline“, welche die deutsche Politik im In- und Ausland erklären würde. Denn damit würde man sich ja festlegen – und sowas macht Frau Merkel nicht gern. Den „sicherheitspolitischen Rahmen“ wird man bei ihr auch noch die nächsten sieben Jahre vergeblich suchen.
Aber dann mit einem „Am deutschen Rüstungswesen soll die Welt genesen“ ankommen. Und hier wird noch applaudiert…
@ J.R. | 25. Oktober 2012 – 7:44
Nun ja, durchaus berechtigte Kritikpunkte.
Die Tatsache, dass ich diese Mini-Positionierung von Frau Merkel lobenswert finde, drückt möglicherweise auch aus, wie niedrig inzwischen die Erwartungshaltung gegenüber dieser Regierung ist.
Die gegenwärtige politisch mediale Ausgangslage ist ja: „Rüstungsgüter? Ih bahh, da sag ich doch nichts zu, werde ich doch nur für geprügelt.“
Das Ergebnis ist dann, dass das alles in der Schmuddelecke stattfindet und legitimer Export von Rüstungsgütern mit kriminellen Machenschaften in einen Topf geworfen wird.
Dass da noch wesentlich mehr von diversen Politikern kommen müsste, ist vollkommen richtig.