No rush to the exits? Truppenreduzierungen in Afghanistan beginnen 2013
Bei der planmäßigen Reduzierung des internationalen militärischen Afghanistan-Engagements, so lautet ein Standardspruch von Politikern und Offiziellen in der NATO, werde es no rush to the exits, kein Rennen zum Ausgang, geben. Aber man wird ja doch schon noch sagen dürfen, dass in allen Nationen jetzt die deutlichen Kürzungen der Truppenstärken angekündigt werden – aus innenpolitischen Gründen.
Der britische Verteidigungsminister Philip Hammond hat heute angekündigt, sein Land plane für 2013 eine Verringerung der Truppenstärke am Hindukusch fast um die Hälfte: 9.000 Soldaten sollen es Anfang kommenden Jahres sein, dann in den folgenden zwölf Monaten eine Reduzierung um maximal 4.500. I would expect it will be significant, which means thousands, not hundreds, but I would not expect it to be the majority, sagte Hammond mit britischem Understatement. Also vermutlich knapp die Hälfte. Signifikant ist das, weil die Briten nach den USA der zweitgrößte Truppensteller in Afghanistan sind und vor allem im nach wie vor umkämpften Süden eingesetzt sind.
Und Deutschland? Da meldet der Spiegel heute vorab, Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Außenminister Guido Westerwelle hätten sich auf eine Verringerung auf deutlich unter 4.000 Mann im neuen Mandat verständigt. Derzeit sind am Hindukusch rund 4.500 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, die aktuelle Personalobergrenze liegt bei 4.900.
Und beim größten und wichtigsten Truppensteller, den USA? Da läuft – im Vorfeld der Präsidentenwahl Anfang November – eine Debatte, die wirklich den rush to the exits andeutet. Wie ein Kommentar in der New York Times heute zeigt:
After more than a decade of having American blood spilled in Afghanistan, with nearly six years lost to President George W. Bush’s disastrous indifference, it is time for United States forces to leave Afghanistan on a schedule dictated only by the security of the troops. It should not take more than a year. The United States will not achieve even President Obama’s narrowing goals, and prolonging the war will only do more harm.
Es geht den USA seit ca 15 Jahren um 3 strategische Ziele:
1. Den Dollar als Weltleitwährung zu erhalten
3. Die Geburtenrate in der 3. Welt durch Destabilisierung (Doppelstrategie ist hier eingebaut in Form von Counter-Terror plus Women’s Lib Concepts) insbesondere nicht säkularer Staaten zu reduzieren (Mali hat ca 6,1 Kinder pro Frau….da geht also noch was)
3. Staatlichkeit der USA erhalten und sichern
Mit Blick auf Afghanistan ist nun der Punkt erreicht, wo der eigene ökonomisch-demographische Schaden größer ist als die weitere Demontage Zentralasiens in Sachen Ziel 2 und 3……die nächsten 10 Jahre werden Afghanistan, Pakistan, Iran, Irak nicht so richtig auf die Beine kommen….
it’s about demographies and energy-cost per capitum, stupid ;-)
Dem Verteidigungshaushalt der USA stehen Anfang 2013 deutliche Einschnitte bevor:
http://www.washingtonpost.com/blogs/fact-checker/post/understanding-the-battle-over-the-looming-defense-cuts/
Die wirtschaftlichen Aussichten der USA sind auf absehbare Zeit eher negativ, und weitere Einsparungen sind wahrscheinlich. Daraus folgt, dass die USA ihr internationales militärisches Engagement wahrscheinlich deutlich reduzieren müssen. Wie man dies rhetorisch verkauft ist da zweitrangig, aber wer davon spricht, es gäbe „no rush to the exits“, macht deutlich, dass das gegenwärtige Handeln nicht mehr im Rahmen einer Strategie durchgeführt wird, sondern eine bloße Reaktion u.a. auf die wirtschaftlichen Sachzwänge ist.
Auf globaler Ebene war solche Schwäche der USA zuletzt z.B. nach Vietnam damit verbunden, dass Herausforderer offensiver auftraten. Aus dieser Schwäche kamen die Amerikaner seit Reagan nur vorübergehend durch unverantwortliche Haushaltspolitik heraus. Diese Option werden sie künftig nicht mehr haben. Wir erleben gerade also vermutlich den Beginn des postamerikanischen Zeitalters. Für Deutschland sind damit auch Chancen verbunden.
-die USA sind mit ihrer negativen Handelsbilanz hoffnungslos bei den Chinesen verschuldet
– ihre high tech Waffen können sie nur an ihre intimsten Freunde verkaufen
– ihre Autos und Kühlschränke sind Energiefresser ohne Ende
– ihren giftigen, gen-manipulierten Monsanto Weizen und Mais kann man nur zum Motor-Ölkochen, aber noch nicht mal zur Fütterung verwenden
etc
etc
Houston, we have a problem !
@Orontes
Zustimmung
@ Orontes
Die USA müssen ordentlich umdenken, das ist richtig. Nicht alle dort haben das bereits verstanden, wie man derzeit an einigen selbstgefälligen, hyper-egoistischen und realitätsfernen Wahlkampfaussagen insbesondere der tea party mühelos ablesen kann. Ob ihre aktuelle Schwäche aber gleich den Beginn des postamerikanischen Zeitalters einläuten muss, bleibt dahingestellt. Washington ist nicht Rom.
Aber unabhängig davon: Inwiefern sind mit einem Niedergang der USA Chancen für Deutschland verbunden?
Ich würde mal sagen, wenn der nächste Präsident sein Oval Office nicht von einer victory-desease-groupthink-echo-chamber in eine victory-desease-grouptherapy echo chamber umbaut, dann haben es die USA in 10 Jahren gehabt mit „sole remaining global power“, falls es sie so wie heute dann noch überhaupt gibt.
Die Chancen für Deutschland ?? Die Euro-Zone konsolidieren….ganz einfach.
@ Klabautermann
So so, ein wirtschaftlicher Zusammenbruch der USA stärkt also die Euro-Zone. Ab sofort vergesse ich alle meinen Kenntnisse in der Außenwirtschaftslehre und überlege mir ernsthaft, Sie für den Ökonomie-Nobelpreis vorzuschlagen. Nichts für ungut.
@KeLaBe
„wirtschaftlicher Zusammenbruch der USA stärkt also die Euro-Zone“…..das hab ich doch gar nicht geschrieben….bitte noch mal lesen, was ich geschrieben habe, dann denken und dann tippen ;-))
ääää ja, und Nichts für ungut, gleichfalls.
Normal hätte Obama schon die US Schuldengrenze anheben lassen müssen. Damit hätte Obama die Wahl sicher verloren. Da werden wohl Zahlungstermine auf nach dem Wahltermin verschoben. Denke der Streit um die Finanzen in den USA geht schon Mitte November in aller Heftigkeit wieder los. Auch wenn Romney an die Macht kommt, wird sich an dem Sparen nichts ändern. Nach der Wahl wird der nur feststellen, wie leer die Kassen sind, und dann das Sparen anfangen.
Schon aus Kostengründen werden sich die USA aus Afgh schnell zurückziehen.
Der Vorteil in den USA: Dort interessiert man sich wenigstens noch für die Realität:
http://www.foreignpolicy.com/articles/2012/10/11/not_all_that_it_can_be?page=0,0
@Memoria
Interessantes Stück, hatte ich glatt übersehen. Danke!
Von der grundsätzlichen Einordnung sehe ich kein
Problem beim Truppenabbau. Der Aufbau der ANSF mit Mentoring und Partnering war von vorne herein als Exit- Strategie ausgelegt. Die ANSF ist quantitativ inzwischen voll aufgestellt und hat in vielen Bereichen qualitativ ein ortsübliches Niveau von Nachbarstaaten erreicht. Das die ISAF Kontingente da umgebaut und stark quantitativ verringert werden, versteht sich. Interessant ist die Fragestellung was strategisch nach ISAF vorgesehen ist. Eine permanente Ewigkeitsmission oder eine Transistionsphase die auf einen Exit zusteuert. Letzteres ist mir als Bw-Soldat jedenfalls deutlich lieber.
Wenn man Exit-Strategien aber ernst nimmt, sollte man sich irgend wann auch mal gemächlich Richtung Ausgang bewegen, sonst muss man sich irgend wann beeilen den letzten Hubschrauber zu bekommen. In diesem Kontext tut sich aber auch bei uns einiges. Mit Feyzabad und Taloquan wird ja bereits Schrittweise Richtung MES abgebaut. Da aber sowohl über KDZ, Baghlan als auch MES wichtige Straßenverbindungen (LOCs) liegen, dürfte eine Komplettübergabe weiterer Lager problematischer werden.
Da die Routen über den Norden sicherer als über den Süden sind, dürften wir operativ wohl zu den letzten Abziehenden gehören, es sei den die Amerikaner übernehmen irgend wann die dann verbleibenden Restteile RC N – und danach sieht es nicht gerade aus. Diese Option wäre aber bei der o.g. Ewigkeitsvariante anzustreben. Falls jemand unter globalen Gesichtspunkten einen Footprint dauerhaft behalten möchte, dann aber bitte unter Einsatz eigener Ressourcen (und Menschenleben).
Bei der nächsten Reduzierung könnte man ja ausnahmsweise mal beim Wasserkopf in MeS anfangen. Warum braucht das RC-N noch umfangreiche J3/J5-Kapazitäten?
Meymaneh, PRT MeS, Feyzabad, Taloqan, Hazarat-e-Sultan sind bzw. werden in kurzer Zeit aufgelöst. Daher wäre es höchste Zeit in MeS aufzuräumen.
Wenn ab Mitte 2013 überall die ANSF das sagen haben, dann sollte sich dies auch im Verhältnis zwischen Mentoren 209. Korps und Stab RC-N widerspiegeln.
Das man ein Kontingent in einem Jahr beinahe halbieren kann, werden die Briten zeigen.
Oder wollen wir innerhalb von 2014 von über 3.000 auf knapp über 0 abschmelzen?
Notwendig ist – mal wieder – klare Kante.
@stefan: „Die ANSF ist quantitativ inzwischen voll aufgestellt und hat in vielen Bereichen qualitativ ein ortsübliches Niveau von Nachbarstaaten erreicht.“
Ja? Welcher Nachbarstaaten denn?
@zog
Die 3 im Norden:
Tadschikistan
Turkmenistan
Usbekistan
Dachte ich mir. Iran und Pakistan sind da schon eine andere Liga.
Also wenn ich beim amerikanischen TV-Duell Vize-Präsident Joe Biden richtig verstanden habe ist 2014 definitiv schluss und von Folgemission habe ich da nichts mit bekommen.
@Xstar
Die Äußerungen der Politiker (in allen Ländern) sind ja Teil des Problems.
NATO Defence Ministers make progress on capabilities, planning for new Afghan mission
In der Politik ist man weiterhin mit dem Mikromanagement des sog. Abzuges beschäftigt und verkennt offenbar völlig die Herausforderungen von ITAAM.
Jüngstes Beispiel im aktuellen SPIEGEL der Abg. Nouripour: „Der Abzug ist die größte Herausforderung der Bundeswehr seit ihrem Bestehen“.
Ein Abzug – der keiner ist – wird zur größten Herausforderung.
Die Reduzierung der Truppe von 4400 auf ca. 1000 Köpfe innerhalb von 24 Monaten ist also die größte Herausforderung seit 1955??? VAdm Nielson und einige Experten aus Potsdam setzen sich wohl mit ihrer Sicht der Dinge durch. Dabei gerät völlig aus dem Blick die weitaus größere Herausforderung ITAAM. Wenn wir diesen Einsatz ernst nehmen, dann vielmehr dies die „größte Herausforderung der Bundeswehr seit Ihrem Bestehen.“
@memoria
warten wir doch mal die Praesidentenwahl in USA ab. Natuerlich gilt bis dahin das Gesetz des maintenance of the political narrative.
Laut Mitteldeutscher Zeitung (online) fordert auch die SPD eine Reduzierung des deutschen Kontingentes von mind. 1000 bis Anfang 2014.
@klabautermann:
Und dann warten wir noch die Amtseinführung, die Ernennung der Minister, ein strategic review und mehrere NATO-Gipfel ab, um am Ende beim gleichen Ergebnis zu landen???
Oder dann wird der Stecker gezogen.
Auch in Ordnung.
Planer sollen jedoch nicht abwarten, sondern planen. Die Zeit für die Vorbereitung der Truppe ist jetzt schon eng. Zumal ISAF ab Sommer 2013 bereits ITAAM-ähnlich sein wird.
Also Hausaufgaben machen (gerade auch national), eine ITAAM auszuplanen schadet wohl allgemein nicht.
@Memoria
Grundsätzlich haben Sie natürlich Recht und mit der Zahl 1000 könnten die nationalen Planer eigentlich nun los legen. However: was bitte ist die sichheitspolitische/strategische nationale Zielsetzung von ITAAM ?? Wieder nur ein Nibelungenbündnis-treuer Selbstzweckveranstaltungsbeitrag im Spannungsfeld der unkoordinierten Smart Defence, Smart Diplomacy und Smart Intelligence der USA ???
Um mal klar zu stellen: Train, Advice, Assist ist keine Mission, sondern eine recht kurze, taktische Tasklist, wo bitte ist der operative purpose ? Endstate ?
Ich hoffe, man ist sich im klaren darüber, dass alle US Missions mittlerweile schlicht und einfach budget driven sind, und wenn am Ende des budget noch mission übrig ist, dann wird künftig nicht mehr budget nachgeschoben, denn die US sind pleite ;-)
@klabautermann:
Zweck und ZIel erscheinen mir auch nicht zu Ende gedacht. Habe den Eindruck man möchte zwischen dem Ende von ISAF und dem Kollaps der afghanischen Regierung noch etwas Zeit gewinnen – zur Gesichtswahrung der NATO.
Die Entscheidungsfindung in Deutschland ist auch hier wieder von einem „da können wir uns nicht entziehen“ geprägt. Man glaubt das eigene Gerede von „kein Kampfeinsatz“ (insbesndere im AA) und vergißt Nutzen und Risiken nüchtern abzuwägen.
Hinzu kommt die Gremienlogik der NATO.
Mit jeder Sitzung in der wir uns „konstruktiv einbringen“ wird eine Nichtbeteiligung erschwert. Politik und Apparat vermeiden klare Positionen („german vote“) bis man in der Sackgasse steht.
Das es anders geht zeigen die Kanadier und Dänen.
@Memoria
Zustimmung …..und besonders der leading from behind Ansatz der USA könnte die NATO bei ITAAM ganz besonders in die Predouille bringen…