Und wieder ein Tatort mit Afghanistan-Bezug: „Fette Hunde“
Die ARD zeigt heute abend (erneut) einen Tatort, der sich mit dem Thema der Afghanistan-Heimkehrer befasst. Aus dem Ankündigungstext für Fette Hunde:
Nach einer Heimkehrparty für den aus Afghanistan zurückgekehrten Mann ihrer Ex-Kollegin Lissy werden Ballauf und Schenk zum Tatort gerufen: Im Bunker eines alten Truppenübungsplatzes wurde die übel zugerichtete Leiche eines jungen Mannes gefunden.Schnell ist seine Identität ermittelt: Laut der Frankfurter Flughafenaufsicht war Milad Rahimi zusammen mit seiner Schwester Amina erst vor zwei Tagen aus Afghanistan in Deutschland eingereist. Bezahlt wurde Aminas Flug von der Stiftung „Pro-Afghanistan“. Doch offensichtlich waren die beiden hier als Bodypacker im Einsatz.
Ich selbst komme heute abend nur punktuell dazu, in den Tatort reinzuschauen. Aber sicherlich schauen etliche meiner Leser zu – und wollen hier was dazu sagen…
Und wieder mal ein Film der ein schlechtes Licht auf die BW und AFG wirft.
M.M.n unausgewogen und so wie es gezeigt wurde völlig überzogen und unrealistisch.
Wie soll hier der Nachwuchs herkommen???
Inwiefern schlechtes Licht? Weil der in einer Kurzschlussreaktion den Hund erschossen hat? Oder weil unter Umständen ggf. das Bild vermittelt werden könnte, dass BW-Soldaten Drogen schmuggeln? Da glauben aber nach Betrachtung dieses Tatorts nur taz-Leser dran.
Eine Armee die keine sein will, die jeden Eindruck des militärischen vermeiden möchte – eine solche Armee kann nicht wissen was für einen Soldaten sie haben möchte.
Hier rächt sich, dass die BRD aus ihrer eigenen Schwere entstanden ist und nicht in Blut getauft wurde. Eine Nation der die Seele, Vitalität und der Sinn fehlt – ein konstruierter Leichnam.
War es eine Flasche Wermut oder was genau veranlasst sie zu solch sinnbefreiten Reden um diese Zeit?
Deutsche Soldaten der Gegenwart kommen im deutschen Film in praktisch 100% der n
Beiträge nur als Opfer vor, ggf. noch in der Sympathie heuchelnden Variante des wegen Traumatisierung etc. zum Verbrecher gewordenen Soldaten. Die Stereotypen von Filmemachern und des diese PTBS-Schmonzetten scheinbar bevorzugenden Publikums sind offenbar zu eingefahren, um Filme zu ermöglichen, die Soldaten differenzierter darzustellen. Das Kunduz-Dokudrama vor einiger Zeit steht als ernsthafter Umgang mit dem Thema Einsatz alleine auf weiter Flur in der deutschen Filmlandschaft.
@Bang50
„Eine Nation der die Seele, Vitalität und der Sinn fehlt – ein konstruierter Leichnam.“
Dass Darstellungen der eigenen Soldaten, die diese in der Ausuebung ihrer Dienstes als handelnde und zuweilen auch in schwierigsten Situationen das richtige tuende Menschen zeigen, in der filmischen Aufarbeitung des Geschehens in der BRD praktisch nicht vorkommen, ist in der Tat ein Indiz für ein schwerwiegendes identitätsproblem dieses Staates, der noch immer kein normales Verhältnis zu seiner Existenz und jenen, die sie beschützen, gefunden hat.
Als Gegengewicht zu derlei Rotzserien, könnte sich mal ein Regisseur von Namen und Ehre hinsetzen und mit großem Budget und viel Expertenunterstützung einen Film über den „Good Friday Ambush“ machen. Da die Dustoff-Jungs eine große Rolle gespielt haben könnte das vorzugweise ein Amerikaner machen. Ridley Scott vielleicht.
Da käme dann mal was ordentliches bei raus…
Ich stelle gerade fest, Ridley Scott ist Brite. Immernoch besser als unsere eigenen Regisseure.
Wann finden Produktionsfirmen endlich Berater, damit die Bundeswehr wenigstens einigermaßen realistisch dargestellt wird. Die Uniformen schauen aus, als wären sie gerade aus dem Hintern gezogen, das Barett ist dem Pizzabäcker aus dem Fester gefallen und die Soldaten können gleich als Obdachlose der Stadt Köln auf der Straße bleiben. Auch Kontingente werden so sicher nicht aufgenommen und verabschiedet. Künstlerische Freiheit ja, aber vielleicht dort wo es angebracht ist. Hier ist es nur lächerlich!
Zur Handlung fällt mit nicht viel ein! Neunzig Minuten Kopfschütteln macht Muskelkater im Nacken!
Es ist zwar unschön, dass alle deutschen Soldaten im Fernsehen mehr oder minder traumatisiert aus Afganistan zurückkehren, aber gut, Tatort ist eh drehbuchmässig unter aller Kanone.
Worauf ich aber aufmerksam machen möchte und ich bin sicher die literaturinterpretationsgeschulten Studienräte unter den Lesern hier haben es schon bemerkt: Der Tatort hat tatsächlich ein Plädoyer für die Anwendung von Gewalt gehalten. Der Sohn Sebastians hat pazifistische Reden geschwungen und sogar seinen Vater angegriffen, weil er für die Bw arbeitet und im entscheidenden Moment greift er selbst zur Waffe und drückt ab! Oh diese Dramatik! Quasi eine in Film gesetzte Gewissensprüfung. Mehr kann man vom Wdr wohl kaum erwarten, oder?
@infosec
Ach na ja, alles eine Frage der Gewöhnung ;)
Mein derzeitiger Favorit ist der Radiospot der mit dem folgenden endet:
„Nicht jeder bei uns trägt Uniform.“
back to topic…
ARD-Fernsehkrimis….
Davon sollte man eh nichts erwarten. Man erkennt die guten Krimis (die wenigen die es gibt) daran daß im Vorfeld darüber gestritten wird ob man sie senden soll oder daß sie um 21 Uhr kommen.
Generell ist meiner Meinung nach das Genre so ausgelutscht wie es ein Genre sein kann.
Was interessiert mich wer wen warum umgebracht hat?
Aber ein Krimi tut halt (außer dem Mordopfer) niemandem weh.
Was das Karfreitags-Gefehcht angeht, wäre es nicht ein interessantes journalistisches Projekt, ein Sachbuch in der Art von „Blackhawk Down“ über dieses Gefecht zu schreiben? Natürlich etwas weniger „Amerikanisch“, aber schon so in dem Stil.
Zeitzeugen müßte es doch genug geben, auch welche die inzwischen nicht mehr aktiv sind, so dass man selbst ohne offizielle Quellen ein ordentliches Werk zustande kriegen müßte. Mit Kooperation von Veteranen und Interessierten könnte ein solches Buch ein wesentlich wichtigerer Beitrag sein als jeder Fernsehkrimi oder auch sonstige Film.
Wär das nicht was für TW? Oder irgendwelche interessierten Kollegen?
@JCR
Das klingt in der Tat wie ein interessantes Projekt. Allerdings habe ich eine Befürchtung: Die Bereitschaft, darüber auch im Detail zu reden, ist bei deutschen Soldaten (aus verschiedensten Gründen) weit weniger ausgeprägt als z.B. in den USA. Deswegen wäre ich da recht skeptisch.
PTBS und der Einsatz in Afghanistan sind zur Zeit „mega in“ – nach RTL hat sich nun auch die ARD diesem Thema angenommen – und zwar auf gleichem Niveau!
Anstatt sich ernsthaft (in den Hauptprogrammen ARD + ZDF) mit dieser Thematik zu befassen, scheint dieses Thema nur für einen Tatort gut zu sein. Es sollte hierbei nicht vergessen werden, dass die öffentlich-rechtlichen Programme ja quasi das meinungsbildene Sprachrohr der Regierung darstellen (Abhängigkeitsverhältnis über GEZ-Gebühren), und somit auch die öffentliche Meinung beeinflussen sollen. Wow – gut gemacht!
Anstatt den Einsatz von Bundeswehrsoldaten in einem – vom deutschen Volk so befürworteten – Kriegseinsatz zu würdigen, werden Soldaten immer noch als „Mörder in Uniform“ beschimpft und als psychische Wracks dargestellt, die in die „normale“ Gesellschaft eigentlich nicht mehr passen. Dieses, durch die Medien immer wieder forcierte Image, führte im Laufe der Zeit dazu, dass sich viele (gerade dienstältere) Soldaten vor Verlassen der Kasernen die Uniformen ausziehen, um nicht als Soldat der Bundeswehr erkannt zu werden. Ich habe mit vielen Soldaten anderen Nation über dieses Thema gesprochen – nicht einer hat verstanden, was hier passiert. Und auch keiner der ausländischen Kameraden versteht, warum Bundeswehrsoldaten nicht mehr Rückendeckung aus der eigenen Bevölkerung erhalten!
Wenn ich mir denn Kommentar erlauben darf: Das ist eine Frage des Geldes, welches ein Verleger bereit ist auszugeben. Der am Gefecht beteiligte Hauptgefreite XY wird vermutlich nicht ausschlagen, wenn ein namhafter Verlag daher kommt und ihm einen sechsstelligen Betrag für die Mitarbeit an einem Buch bietet. Ein eins-zu-eins-Tatsachenbericht von echten Zeitzeugen.
Ich wäre dafür. Es gibt sicherlich viele interessierte Leser. Das Buch hätte einen Markt.
„Hier rächt sich, dass die BRD aus ihrer eigenen Schwere entstanden ist und nicht in Blut getauft wurde. Eine Nation der die Seele, Vitalität und der Sinn fehlt – ein konstruierter Leichnam.“
Dieser Satz ist so absurd falsch und nicht mehr weiter kommentierbar.
Denken sie noch nach bevor sie schreiben ?
@roseguard
ddie Uniform nicht zu tragen, das ist nur in einem Teil Deutschlands ein Problem, in Bayern habe ich so etwas noch nie erlebt, in Hannover, Hamburg, Köln schon. Woran das wohl liegt?
„…und nicht in Blut getauft wurde.“
Nee, Bluttaufe war nicht, aber vielleicht hat ja der ein oder andere sich das Haupt mit der Asche von Hamburg, Dresden oder Auschwitz bedeckt…
Zurück zum Thema: So löblich der Versuch ist dem Thema Afg. einen Raum außerhalb der Nachrichten zu öffnen, so begrenzt ist eben auch das provinzielle Tatortformat. Wer mehr will muss mehr wagen. Dabei geht es aber nicht nur ums Geld sondern auch um Strukturen die entweder bestehen oder eben nicht.
Wenn sich der amerikanische Markt mit „Restrepo“, „Battle for Marjah“ oder von mir aus auch „Black Hawk Down“ hervortut, dann ist das der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung die im Vietnamkrieg mit den „Dispatches“ von Michael Herr begann. Diesen materiellen und kulturellen Vorsprung ausgleichen zu wollen ist zwar löblich aber unrealistisch. Viel erfreulicher wäre es, wenn das deutsche Fernsehn mehr hintergründige Reportagen vor Ort erstellen würde. Da wären sechstellige Beträge deutlich besser aufgehoben als beim Hauptgefreiten XY, dem „Blutzeugen“ der neuen deutschen Angriffswelle.
Schlechter Scherz, aber im Ernst: ich habe mir grade „The Paras“ von Glyn Worsnip und „War“ von Gwynne Dyer angeschaut. Beides unaufgeregte Dokumentationen von 1983 die sich sehr kritisch aber mit der der gebotenen Tiefe ihrem Thema stellen. Das ist auch 30 Jahre später noch sehenswert. Ob ich diese analytische Trennschärfe mit Full-HD und wildem Gefecht vor realistische Kulisse ersetzen kann wage ich zu bezweifeln. Nur scheint leider für die analytische Trennschärfe eben auch kein (ausreichender) Platz mehr zu sein.
Naja, von den Reaktionen die den Vietnam-Veteranen bei ihrer Widerkehr entgegen geschlagen (durchaus wörtlich gesehen) sind, sind wir nun doch ein ganzes Stück entfernt.
Oder andersrum gesagt:
Begibt man sich damit nicht auch aktiv in eine Opferrolle, indem sich versteckt wird, bloss kein Aufsehen erregen? Ich persönlich sehe das so.
Das Problem mit Dokus ist daß die Rolle des Paschtunendreiecks oder des Hakkani-Netzwerkes in 20 Jahren etwa so relevant sein wird wie die Dynamik in der Provinz Hau Nhgia im Jahre 1967.
Isa Khel ist ab 2015 wieder ein Fleck in Google Earth.
Was bleiben wird ist die Tatsache, dass deutsche Soldaten im Kampf standen und sich dort auch bewährt haben. Insofern ist der „Blutzeuge HG XY“ tatsächlich mehr wert als sämtliche politischen Reportagen. Und ich denke auch daß es diese Art Würdigung ist, die sich viele Soldaten wünschen, gerade auch weil sie sehen, dass sie ihren amerikanischen Kameraden wiederfährt.
Nach über 55 Jahren Hetze des „Westdeutschen Rotfunks“ (erinnert sich jemand noch an Klaus Bednarz, den westdeutschen Zwillingsbruder von Karl-Eduard Schnitzler?) wundert es mich höchstens noch, dass sich jemand über solche Machwerke wundert. Traurig ist nur, dass diese Gestalten auch von meinen Gebühren leben. Eine Reform der deutschen Rundfunklandschaft ist nicht nur deswegen schon seit langem überfällig.
„Was bleiben wird ist die Tatsache, dass deutsche Soldaten im Kampf standen und sich dort auch bewährt haben.“
Für die soldatische Traditionspflege reicht das, für Abendunterhaltung nicht. Und ein sinnvoller Beitrag zur politischen Debatte ist es auch nicht. Die Öffentlich-Rechtlichen sind keine Frontrevue. Ihre Aufgabe ist nicht die Moral der Truppe zu stärken oder der Bevölkerung gelebte soldatische Tugenden zu vermitteln.
So wie Isa Khel nur ein Fleck bei Google Earth ist, ist das Karfreitagsgefecht auch nur ein Kulminationspunkt politischer, gesellschaftlicher und militärischer Entwicklungen. Wenn dem Individuum dabei Anerkennung für seine Taten zukommt, ist das natürlich zu begrüßen. Auf sich allein gestellt ist es aber von eher untergeordnetem Interesse.
JCR und ich verfolgen unterschiedliche Visionen. JCR scheint eine Art Heldengedenken vorzuschweben. Aber zum Helden gehört auch immer eine Heldentat. Es reicht nicht den Drachen zu erschlagen, wenn der Drache nicht vorher das Königreich verwüstet und die Prinzessin geraubt hat. Welche Blüten das treiben kann sieht man in den USA. Dass aller Patriotismus und Treueschwüre billig sind leider auch. Solange wir nicht auf die Hintergründe blicken und uns den Wirkmechanismen unserer gesellschaftlichen Strukturen stellen, kann es auch keine gerechte Würdigung soldatischen Handelns geben. Alles andere sind recycelte Versatzstücke mit Altlasten.
@RioAmazoco
*hust*
(Ich respektiere Ihre Meinung, auch wenn ich diesen Vergleich für Unfug halte – auf das Niveau sollten wir hier auch nicht kommen.)
@ A. Horstmann | 03. September 2012 – 15:15
Bravo, das haben Sie gut geschrieben …
@ jeff costello – Warum kommentieren Sie dann? Habe ich etwas bei Ihnen ausgelöst? Dann kann die Aussage so falsch nicht sein.
Zitat:“Denken sie noch nach bevor sie schreiben ?“
Machen Sie sich die Mühe nach diesem Pamphlet substantielle Kritik an meiner Aussage zu äußern, dann werden Sie schnell feststellen können was ich mir dabei gedacht habe.
@ bang50
Na, dann klären Sie uns doch mal auf, was Sie sich unter dem Strich gedacht haben.
Es „rächt sich“ also nach Ihrer Auffassung, „dass die BRD nicht in Blut getauft worden ist“. Ja, wie hätten Sie’s denn gerne? Was schwebt Ihnen denn da so vor?
@H.K.: Danke. Hätte ich auch nicht gedacht, dass ich mit so viel abiturientischer Begeisterung zu einer Sendung schreiben kann, die mich derart kalt lässt. :)
@KeLaBe – äußern Sie substantielle Kritik, dann werde ich substantiell Antworten – so funktioniert Diskussion.
Wollen Sie diese Mühe nicht auf sich nehmen, ist Ihr Kommentar tatsächlich nicht kommentierbar – den Marktschreier gegen die proletarische Masse mache ich hier nicht.
P.s ich weis das Sie und jeff costello wesentlich mehr drauf haben – deshalb sind diese emotionalen Ausbrüche eigentlich unter Ihrer Würde – das Sie sich trotzdem so emotional haben hinreisen lassen, beweist zumindest eine gewisse emotionale Sensibilität bzgl. meiner These.
@Bang50
Aber hallo. Sie haben die Emotionalität mit dem Begriff „in Blut getauft“ reingebracht; dann beschweren Sie sich nicht, wenn andere emotional reagieren.
Im Übrigen bedurfte es nach den Toten des Zweiten Weltkriegs, die letztendlich zu dem Deutschland in der Nachkriegsform führten, bestimmt nicht noch weiterer „Bluttaufen“, um dieses Land zu legitimieren.
@KeLaBe
„Es „rächt sich“ also nach Ihrer Auffassung, „dass die BRD nicht in Blut getauft worden ist“. Ja, wie hätten Sie’s denn gerne? Was schwebt Ihnen denn da so vor?“
Bestimmt hätte die Gesellschaft der BRD ein positiveres Verhältnis zu sich selbst und zu ihren Streitkräften, wenn die BRD z.B. als Folge des erfolgreichen militärischen Widerstands im Vorgängerstaat entstanden (und somit „in Blut getauft worden wäre“) und nicht als Folge einer militärischen Niederlage. Dass die Formulierung von „Bang50“ auf soviel unreflektierte Ablehnung stößt, ist nur ein Beleg dafür: Er hat hier indirekt mit Thomas Jefferson immerhin eine der wichtigsten Figuren der Geschichte der liberalen Demokratie zitiert („Von Zeit zu Zeit muss der Baum der Freiheit mit Tyrannenblut gedüngt werden.“)
Jede funktionierende Gesellschaft braucht spätestens im Krisenfall ein positives Verhältnis zur eigenen Existenz und zur Entstehung des eigenen Staates. Die BRD ist aber auf einen negativen Gründungsmythos aufgebaut, den Joschka Fischer m.E. sehr treffend charakterisiert hat.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich das Denken vieler Kulturschaffender, die meinen aufklärerisch und verantwortungsbewusst handelt, wenn sie Soldaten der Bundeswehr eindimensional entweder als Opfer oder als psychisch gestört darstellen. In ihrem verengten Denken können sie sich nicht erklären, warum sonst jemand Soldat sein kann, schließlich ist Gewalt immer böse.
Die Darstellung, dass jemand gerne Soldat sein kann, Deutschland solche Leute braucht, diese in den meisten Fällen mit belastenden Situationen so gut zurechtkommen wie Feuerwehr, Polizei und Sanitäter auch und dass extreme Situationen manchmal extreme Entscheidungen verlangen, würde den negativen Gründungsmythos der BRD zu offen in Frage stellen. Man wähnt sich gerne kritisch und unangepasst, aber die kritische Hinterfragung des verklemmten Verhältnisses zur eigenen Existenz und zu den eigenen Soldaten wagt die brav die gesellschaftlichen Klischees nachbetende Kulturherde nicht.
Damit fordere ich nicht einen unreflektierten Hurra-Patriotismus. Ein Kunstwerk wie z.B. „The Hurt Locker“, dass viele dem Zivilisten oft verschlossene Aspekte der Berufung des Soldaten sehr empfindsam darstellt ohne zu romantisieren aber auch ohne auf den Soldaten herabzublicken, könnte im Deutschland der Gegenwart m.E. kaum entstehen. Auch den Soldat in „The Hurt Locker“ belastet das was er erlebt und ist auch nicht „normal“ in der Wahrnehmung seiner Gesellschaft, aber er ist kein Opfer, sondern Freiwilliger, den die Gesellschaft braucht, auch wenn sie ihn nicht versteht. Das ist mein Hauptvorwurf an die deutschen Filmemacher: Sie verstehen nicht, was sie darstellen, und sie wollen in der Annahme ihrer moralischen Überlegenheit leider auch nicht verstehen.
@Horstmann
in meine paar Zeilen haben sie aber einen Haufen Bedeutung hineingelesen.
Ich will nicht Paul Carell von den Toten auferstehen lassen, aber ich denke ein Buch über das, was sich am Karfreitag abgespielt hat, wäre ein sinnvoller Beitrag zur Geschichte des Afghanistaneinsatzes und zur Traditionspflege der Bundeswehr.
Was sich am Karfreitag abgespielt hat ist für das Thema „Afghanistan“ oder vielleicht sogar ISAF nicht von zentraler Bedeutung. In der langen traurigen Geschichte Afghanistans hat es viele Hinterhalte mit drei Toten auf der einen und einer unbekannten Anzahl auf der anderen gegeben.
Für Deutschland wiederum hat dieses Datum eine Bedeutung. Es ist eine deutsche Geschichte, für deren Erzählung natürlich im Optimalfall auch die Sichtweise der damaligen Gegner oder zumindest ansässiger Afghanen gehört werden müßte.
Was auf jedenfall sein müßte ist daß es persönlich ist. Es geht ja darum eben zu zeigen, wie Menschen/Soldaten unter Gefahr reagieren und wie sie handeln.
Das Problem ist, dass unsere Gesellschaft mit Stärke genau so schlecht umgehen kann wie es die Gesellschaft in den 50ern mit Schwäche konnte.
Der traumatisierte Kriegsveteran paßt deshalb ins Bild, der Soldat, der im Einsatz extreme Erfahrungen machen mußte, das Richtige tat und daran nicht zerbrochen ist (auch wenn ihn vielleicht die Erinnerung schmerzt) eben nicht.
Wo die Helden in der post-heroischen Gesellschaft herkommen sollen, bleibt offen. Und die echten Helden kennt ohnehin niemand. Die verrotten irgendwo, von wo aus weder sie, noch die, die von ihnen erzählen können mehr hinkommen.
@ Bang50
Sie haben mich ganz offenbar falsch verstanden. Ich neige nur selten zu emotionalen Ausbrüchen, und in diesem Fall schon gar nicht.
Aber es ist einfach so, dass Sie mich mit Ihren merkwürdigen Formulierungen („in Blut getauft“, „konstruierter Leichnam“ etc.) völlig ratlos gemacht haben, was Sie denn eigentlich meinen. Wie soll man denn auf der Grundlage einiger solcher schwülstigen Vokabeln eine substanzielle Debatte führen? Daher meine Nachfrage von vorhin. Eine Antwort von Ihnen kenne ich noch nicht.
@ Orontes
Deutschland hat 1945 nicht nur eine militärische Niederlage erlitten, sondern zu allererst auch eine politische, moralische und weltanschauliche. Das sollten wir nicht vergessen.
Ich kenne Ihre Einstellung zu unserem Land. Das kommunizieren Sie ja ohne Unterlass. Immer wieder wundere ich mich dabei über Ihre bunte Mischung aus Resignation, Defätismus, technokratischer Enge und gesellschaftlichem Missionseifer. Zumindest ist das mein Eindruck. Wahrscheinlich sehen Sie das anders. Es hat keinen Sinn, darüber zu streiten.
Vielleicht nur so viel zu meiner eigenen Befindlichkeit, die sich von der Ihrigen wohl deutlich unterscheidet: Ich habe mich als Soldat zwar nie hofiert, aber auch nicht wirklich schlecht behandelt gefühlt (Ausnahmen bestätigen die Regel und sollten – wenn man ein einigermaßen ausgeprägtes militärisches Selbstbewusstsein besitzt – auch nicht immer zu ernst genommen werden). Und ich zumindest bin stolz darauf, Deutscher zu sein und in einem Land zu leben, das seit Jahrzehnten mit insgesamt vorzeigbarem Erfolg gewillt ist, auch ohne irgendwelche zusätzliche „Bluttaufen“ aus seiner Geschichte die richtigen Lehren zu ziehen.
@Sascha
Ist unsere Gesellschaft wirklich so postheroisch?
@KeLaBe
„Deutschland hat 1945 nicht nur eine militärische Niederlage erlitten, sondern zu allererst auch eine politische, moralische und weltanschauliche. Das sollten wir nicht vergessen.“
Genau das meine ich ja. Deutschland hat eine bis heute bis in die kollektive Psyche hineinwirkende Niederlage erlitten, die die Gesellschaft bis heute zutiefst verunsichert, wenn es z.B. um die Wahrnehmung der eigenen Soldaten geht, die in der gesellschaftlichen Wahrnehmung nicht als Kämpfer respektiert werden können, auch wenn dies ggf. erforderlich ist. Psychologen haben in diesem Zusammenhang von einem neurotischen Verhältnis gesprochen.
„..bunte Mischung aus Resignation, Defätismus, technokratischer Enge und gesellschaftlichem Missionseifer.“
Was Defätismus ist und was Realismus, wird die Zeit zeigen. Bezüglich meines „Missionseifers“ verstehen Sie mich aber falsch. Ich freue mich nur über substanzhalten Widerspruch, den man manchmal etwas herausfordern muß.
Ich staune, was hier an an Hormonmassen in Wallung gebracht wird, um Altbekanntes abzuarbeiten. Der für einen Tatort ja eigentlich gut geratene Krimi hat es in der Tat versäumt, den BW-Soldaten als doitsche Helden darzustellen. Es war aber allenfalls in Diktaturen Aufgabe und Absicht von Unterhaltungsfilmen, zur Heroisierung der Truppe beizutragen. In einem zivilisierten Staat hat das nichts zu suchen. Allerdings hat der Film eben dramaturgisch aufbereitet, was in entsprechenden (Chor der Flecktarnfraktion, laut rufend: „Viel zu wenig beachteten!“) Dokus nachzuvollziehen ist: Wenn der Krieg nach Hause kommt und der Beziehungskiller Afghansitan zuschlägt, siehe die bei Soldatenglück zugänglich gemachten Videos. Nun kommen genau die gleichen Botschaften in Krimiverpackung und schon geht das Geschrei wieder los.
Langsam geht mir dieses verlogene Gewäsch unserer Flecktarnträger einfach über die Hutschnur und deshalb mach hier einfach mal den Guttenberg (copy, paste): „In dieser kleinen, praktischen Verschwörungstheorie für den Alltag von den bösen Medien steckt auch ein gewaltiger double think der Flecktarn-Fraktion: Einerseits setzt es nicht zuletzt in Kommentaren hier deutlich Kritik an den Verhältnissen in der BW und im Ministerium. Kommt aber Kritik von außen, “kenne ich keine Diskutanten mehr sondern nur noch Verteidiger”: Dann wird die BW bis zur letzten Worthülse verteidigt. Da steckt eine gewaltige Bewußtseinsspaltung drin: Jeder meckert – und alle machen mit. Und deshalb bleibt es auch in aller Regel Meckerei (was selbst beim Fußball erst die gelbe und dann die rote Karte zur Folge hat) statt in irgendwann einmal zu politisch wirksamer Kritik zu werden.“
Nebenbei gefragt: Wollt ihr wirklich nochmal den ganzen alten Käse von Leni Riefenstahl sehen? Wer glaubt, dass da Neues möglich wäre, hat Bang wohl nicht verstanden.
@ T.W – ich beschwere mich darüber das man diese anscheinend als dümmlich empfundene Aussage von mir, mir nicht argumentativ um die Ohren schlägt.
Leider haben auch Sie jetzt emotional reagiert, weil Sie eine theoretische Überlegung aus moralischen Gründen ausschließen. Wenn Sie diese Diskussion in Ihrem Blog nicht haben möchten, akzeptiere ich das natürlich ohne zu klagen.
P.s Was eine Gesellschaft für eine erfolgreiche Zukunft braucht, ist der Gemeinschaftssinn auf den man sich berufen kann. Dass dieser Sinn in Gesellschaften immer nur dann geprägt wurde, wenn es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung gekommen ist, die man zu seinen Gunsten entscheiden konnte, mag moralisch traurig sein (finde ich persönlich auch traurig) jedoch entspricht es der Geschichtsschreibung:
-In den USA der Independence Day als großer Nationalfeiertag begangen. Man erinnert sich voller Stolz an den Kampf gegen die ehem. Kolonialherren und fühlt sich als Teil einer großen Gesellschaft, die siegreich ihre Freiheit errungen hatte.
-In Frankreich wird am Nationalfeiertag der Sturm auf die Bastille und der Volksaufstand gefeiert. Welche in Blut getränkte Tyrannei diese Ereignisse in Folge bedeuteten, ist jedem geläufig.
-In Preußen führte der vom Volk erzwungene Krieg gegen die Besetzung durch Napoleon zu den ersten repuplikanischen Bestrebungen. Diese gingen von Veteranen der Befreiungskriege aus und fanden bald Verbreitung in der Studentenschaft. Diese Bewegung steigerte sich zur Deutschen Revolution von 1848.
Diese Liste lässt sich noch mit einigen Beispielen ergänzen.
Der Mensch ist in seinem Sozialverhalten nun einmal so, das er lieber zu der Gruppe der Gewinner und Starken gehört, als zu der Gruppe der Verlierer. Dieses Sozialverhalten kann man auf jedem Pausenhof beobachten. Bei Erwachsenen ist dieses Verhalten hinter guten Manieren und einem moralischen Kodex verborgen. Bricht aber bei Fußball WM`s bzw. EM`s zuverlässig durch.
Das die BRD aus ihrer eigenen Schwere entstanden ist, versuche ich so zu erklären.
Nach dem 2WK war das System Nationalsozialismus ökonomisch, gesellschaftlich und moralisch gescheitert. Die Deutschen waren vollkommen besiegt. In früheren Epochen hätten die siegreichen Könige ein so gescheitertes Volk versklavt, verschleppt und ermordet – aus der Geschichte gelöscht.
Die Siegermächte des 2WK hatten hingegen das Problem, die Konkursmasse des Nationalsozialismus nun verwalten zu müssen. Dazu wurde der Parlamentarischer Rat beauftragt um ein Grundgesetz auszuarbeiten.
Glück für uns, dass in dieser Zeit viele fähige Leute am richtigen Platz waren und uns zumindest einen materiellen Wohlstand sicherten.
Jedoch blieb die Entwicklung einer positiven gemeinschaftlichen Idee für die Deutschen aus. Der Sinn und die Idee. Wo ist sie??
Nicht wenige Politiker sind selbst heute noch so traumatisiert durch die moralische Niederlage, dass sie die Rhetorik der Siegermächte von der Einzigartigen Schlechtigkeit der Deutschen* übernahmen und die Lösung in einer Selbstauslöschung durch völlige Vermischung mit anderen Völkern sehen.
Anhänger dieses positiven Genozids findet man z.b viel im linken Spektrum. Joschka Fischer ist sicher der prominenteste Vertreter.
Jedoch auch im liberalen bzw. bürgerlichen Spektrum fehlt die positive Idee. Hier hat man sich in die „europäische Integration“ geflüchtet, die ebenfalls eine schnellstmögliche Auflösung der Konkursmasse zum Ziel hat.
Nun ist es inzwischen zu einer bizarren Situation gekommen, die den Geistezustand unserer Nation nicht besser verdeutlichen könnte. Deutschland ist durch sein ökonomisches Gewicht alle Macht in Europa in den Schoß gefallen. Wenn wir keine Schecks mehr unterschreiben, sind die meisten europäischen Nationen erledigt.
Nun könnte man meinen das jede Nation ihren Vorteil aus einer solchen Situation ziehen würde. Nicht so das traumatisierte Deutschland. Hier traut man sich kaum darauf hinzuweisen, dass wenn man schon die Schatztruhe plündert, nur in kleinen Mengen zugreifen darf. An der Spitze steht ein Kanzler der das perfekte Spiegelbild unserer Nation ist: Beliebig und ohne Ziel, ohne Leidenschaft, gleichgültig der eigenen Zukunft gegenüber.
Das selbe Bild gibt eine BW ab, die in den Medien entweder lächerlich, dumm oder eben traumatisiert dargestellt wird. Wer kann den Medien jedoch einen Vorwurf machen? Die BW vermeidet es offensiv ein Bild von ihr selbst zu vermitteln – dazu müsste man jedoch erst wissen welches Bild man repräsentieren möchte. In einer traumatisierten Nation, der der Sinn fehlt und ein Verlangen nach Auflösung besteht, ist eine Armee mit ihrem Wesen deplaziert.
So leid es mir tut – ja ich glaube das sich dieser Gemeinschaftssinn und dieses Feuer nur durch vergossenes Blut erzeugen lässt (aber vielleicht hat hier jemand eine brilliante Idee). Ich impliziere jedoch nicht, das wir deshalb morgen losschlagen müssen. Mir geht es um das Verständniss von Zusammenhängen.
„Immer sind aus den Quadern der Härte und des Unrechts die großen Staatsgebäude gebaut, immer ihre Fundamente mit Blut vermörtelt; Unrecht haben in der Politik nur die Besiegten, und mit ehernem Schritt geht die Geschichte über sie hinweg.“
Stefan Zweig
*Ein Konstrukt das dazu gebraucht wurde um sich selbst vom Nationalsozialismus zu distanzieren, nachdem man in Europa auf dem selben Weg war. Der innere Sinn: „Dieses System kann nur durch die Eigenart der Deutschen so außer Kontrolle geraten sein. Das System an sich, hat keinen Fehler.“
@ KeLaBe – Dann muss ich mich entschuldigen. Mir ist das schnippische Apostroph ins Auge gesprungen :)
@Bang50
dass ich zZt in Norwegen diene, ist ja im Blog hier kein Geheimnis…….Sie haben das gleiche Problem wie Breivik: unzurechnungsfähig oder zurechnungsfähig. Wie auch immer, in beiden Diagnosefällen letztendlich völlig daneben in Sachen (selbstverfasster) historischer Sichtweise über Gesellschaft, Staat, Politik, Nation…….etc
@ klabautermann – Danke für die Blumen – wobei ich im Gegensatz zu Breivik nicht der Meinung bin an meinem Wesen soll die Welt genesen bzw. ich hätte mit allem Recht.
Sagen Sie mit was Sie ein Problem haben und wir können darüber reden.
@Bang50
Man muss sich schon gut überlegen ob man ihnen überhaupt antwortet!
…. übernahmen und die Lösung in einer Selbstauslöschung durch völlige Vermischung mit anderen Völkern sehen…….
Pruzzen, Balten, Slawen, Baiern, Römer, Hunnen, Frisen, Sinti, Roma, Kelten, Alemannen (wie der Name schon sagt) die Gebiete in Europa waren schon immer durchmischt, gerade das Gebiet 1000km um den Ruhrpott und das ist gut so. Ich fühle mich nicht sebst ausgelöscht nur weil meine Vorfahren Alemannen, Kelten, Balten und Slawen waren und nie wollte ich mit einem tauschen dessen Vorfahren alle aus dem selben Dorf stammten und ich hoffe auch ihnen ist dies erspart geblieben.
@Bang50
ich empfehle „Hoodoo You“ von Smokehouse ;-)
@ Elahan
Ich gebe ihnen Recht und als kleine Anmerkung: Ich bin selbst italienischer Abstammung.
Worum es mir geht, ist die Vorstellung bzw. das Trauma, die Deutschen besäßen seit dem 2WK in ihrem Wesen eine besondere Bösartigkeit die man durch Zuwanderung qasi verwässern könne. Das diese Vorstellung nicht richtig sein kann, gerade weil es den Deutschen nicht gibt, haben Sie schön dargelegt.
Deutschland dürfte das Land sein, dessen Bürger den geringsten Nationalstolz oder moderner ausgedrückt die geringste Selbstachtung bezüglich ihrer nationalen Idendität haben. Das macht sich natürlich dann auch im Kulturleben bemerkbar, ein „Tatort“ welcher die Bundeswehr in einem positiven Licht darstellte stände unter Propagandaverdacht. Nicht nur Kritik, auch pauschales Miesmachen wird dagegen immer akzeptiert.
Ich zitiere den Psychologen Prof. Schmidt-Denter aus dem Artikel „Warum sich die Deutschen selbst nicht mögen“ von „Welt-online“ vom 13.1.12 .
„Im Vergleich mit anderen Ländern ist die nationale Identität in Deutschland am schwächsten. Das hat nicht nur unsere Studie gezeigt, auch bei anderen Untersuchungen ist Deutschland immer das Schlusslicht“, sagt Ulrich Schmidt-Denter, Professor für Psychologie an der Universität zu Köln.
Jeder Psychotherapeut empfiehlt seinen Patienten sich selbst zu achten, um auch andere achten zu können.
Deutschland harrt noch seiner Therapierung.
@ Bang50 | 03. September 2012 – 19:32
Okay, auf dieser Grundlage können wir diskutieren. Von meiner Seite in Stichworten zu einigen Ihrer Ausführungen:
1. Gemeinschaftssinn ist zweifellos das wichtigste Merkmal einer funktionierenden Gesellschaft. Es bedarf dazu jedoch nicht zwingend einer (erfolgreich bestandenen) „kriegerischen Auseinandersetzung“. Ihre Beispiele mit Blick auf andere Nationen sind nicht von der Hand zu weisen – aber dennoch handelt es sich doch letztlich um eine rückwärtsgewandte Betrachtung, die im 21. Jh wohl bald überholt sein wird. Die großen Zukunftsthemen auch in der Sicherheitspolitik sind nicht Nationalkriege, sondern globale Herausforderungen ganz anderer Art, die nur gemeinsam beherrscht werden können.
2. Ja, der Mensch gehört lieber zu den Starken als zu den Verlierern. Gerade deshalb brauchen wir – mit Blick nach vorn – statt nationalstaatlichen Egoismen einen verstärkten Zusammenhalt auf der europäischen Ebene. Schaffen wir das nicht, und wir sind noch weit davon entfernt, gehören wir alle – egal ob Deutsche, Franzosen, Polen oder Italiener – im globalen Wettbewerb zu den Schwächeren.
3. Zur Frage nach Sinn und Idee für die Deutschen nach Ende des 2. Weltkrieges reicht es vielleicht bereits, die Präambel zum Grundgesetz zu lesen. Ist kurz und prägnant, aber lohnt sich.
4. Eine Traumatisierung der deutschen Politiker kann ich so eigentlich nicht erkennen. Manchmal ist mir sogar – also ganz im Gegenteil – der erhobene Zeigefinger etwas zu belehrend. Und vereinzelt stört mich auch, wie man sich mit historischen Hinweisen vor der Verantwortung wegduckt und in bequeme Nischen vergräbt, als sei das moralisch besonders wertvoll. Aber dass auch die Politiker versuchen, aus der deutschen Geschichte zu lernen, ist ja so verwerflich nicht. Die Lehren sind freilich nicht die, die ausschließlich auf militärische Macht zur Konfliktregelung bauen.
5. Überhaupt ist es doch so: Wir haben eine Geschichte, so wie alle anderen Nationen auch eine haben. Wir haben sie uns nicht ausgesucht, aber müssen damit leben. Es ist ein langer Prozess, sich von historischen Befindlichkeiten und damit verbundenen Denkschablonen zu lösen. Dazu brauchen wir viel Geduld. Ständiges Drängeln und Jammern hilft überhaupt nicht weiter.
6. Die Bundeswehr hat es nicht nötig, sich über mehr oder weniger misslungene mediale Ergüsse zu ärgern. Sie sollte mit Gleichmut darüber stehen. Harte Kampfhandlungen blieben ihr – dies auch trotz der Einsätze seit den 90er Jahren – in ihrer Geschichte weitgehend erspart. Das ist aber alles andere als ein Misserfolg! Wir leben in einer Welt, in der wir im eigenen Interesse zunehmend auf Prävention achten müssen. Nicht zuletzt deshalb ist jeder Tag ohne Blutopfer und Blutvergießen ein guter Tag. (Es versteht sich allerdings von selbst, dass erfolgreiche Prävention nur durch gute – militärische und andere – Fähigkeiten und den Willen, sie notfalls auch zur Geltung zu bringen, erreichbar ist.)
Sie sehen aus meiner Kommentierung, dass ich zu den notorischen Optimisten zähle. Das bedeutet aber nicht, mit der Realität immer und überall zufrieden zu sein. Ganz im Gegenteil: Damit sich der Optimismus auch langfristig auszahlt, bedarf es der ständigen konstruktiven Kritik. Und es gibt in unseren sicherheitspolitischen Ansätzen ohne jeden Zweifel viel zu kritisieren und entsprechend auch zu tun.
@Bang50
Die Nazi- und Breivik-Vergleiche, mit denen auf Ihre pointierte aber begründete Kritik reagiert wird, sind wohl der bislang deutlichste Beleg für den neurotischen Charakter der deutschen Diskussion.
@ Orontes
Ich bin mir nicht ganz sicher, wer hier unter Neurosen leidet.
lol
Eine klarere Selbst-Entlarvung des „neuen“ Rechten Bang50 ist ja wohl kaum denkbar, hier ist so ziemlich vorhanden, was Autoren wie Fritz Stern oder Richard Hoffstadter als die entscheidenden Punkte identifizierten im Denken jener „konservativen Revolutionäre“ die sich dann als Vorväter und Wegbereiter der Nazis erwiesen. Bei Stern etwa in den Fallstudien zu Lagarde, Langbehn und Möller van den Bruck nachvollziehbar: Zunächst eine Selbstdefinition als existenziell bedroht („ . . . positiver Genozid . . . “), was ja nicht erst bei Breivik sondern schon bei der alten „neuen“ Rechten ab 1918 (Freikorps und Schwarze Reichswehr) als Vorwand zum politischen Mord genutzt wurde. Hassprediger sind halt doch keine islamische Spezialität. Wenn Sie ernst meinen, was Sie hier schreiben („Anhänger dieses positiven Genozids findet man z.b viel im linken Spektrum. Joschka Fischer ist sicher der prominenteste Vertreter.“), müsste das als Aufforderung zum Töten Fischers verstanden werden. Völkermord ist schließlich nicht Falschparken, da würde der Notwehrparagraf greifen – wenn es ernst wäre. Ist es ernst, Bang-Breivik – oder nur präpotentes Geschwätz?
Ein weiteres Merkmal, die imaginierte ideale Vergangenheit, ist ebenfalls vorhanden (siehe Blut-Boden-Eisen), die vor allem im Kernpunkt (die bedrohliche rassische Vermischung) keinerlei historisch haltbaren Kern hat. Man muss sich nur kurz die Verhältnisse zur Römerzeit vorstellen. Was später einmal deutsch werden sollte, war schon im 4.Jahrhundert eine bunte Promenadenmischung mit kräftigem Beisatz aus Kleinasien (heute Türkei) und Afrika. Etwa ein Viertel bis Drittel der erst noch zum Deutschwerden bestimmten Ausgangsbevölkerung war süd- oder nicht-europäischer Herkunft. So war der Hunsrück damals den Römern eine Gegend, in die vorzugsweise rebellische Stämme aus den Regionen um das Schwarze Meeres zwangsumsiedelt wurden. Und so ging es dann die nächsten etwa 1600 Jahre weiter durch Völkerwanderungen und Religionskriege. Soviel zur „Auslöschung durch Vermischung“. Lieber Bang, an einer historischer Wahrheit kommt man nicht vorbei: Deutsch sein heißt Promenadenmischung sein. Lassen Sie uns also nach Ihrer syrischen Ur-Ur- . . . Großmutter fahnden . . . es gibt bestimmt eine, jede Wette.
Natürlich fehlt auch nicht die verschwörungstheoretische Dimension, die sie mit ihren politischen Freunden vom Front National oder der Lega Nord oder dem Vlamse Blok teilen (die seltsamerweise auch alle Carl Schmitt p.p. lieben und verehren): Das böse Brüsseler Europa und der Euro, die immer nur dazu da sind, „die anderen“ über „uns“ herrschen zu lassen: Selbst ein aufgeklärter Brite wie Timothy Garton Ash hält das Ganze nur für eine perfide Erfindung Egon Bahrs, der damit alte deutsche Großmachtträume verdeckt verwirklichen wollte („Im Namen Europas“) und nicht nur die Adepten Le Pens oder Umberto Bossis sondern auch wichtige Leute aus der französischen Administration halten es für eine ausgemachte Sache, dass die Deutschen den Euro nur erfunden haben, um den Rest Europas zu beherrschen. Klar, dass aus Bangs Sicht daher die Sache so aussieht: „Hier hat man sich in die “europäische Integration” geflüchtet, die ebenfalls eine schnellstmögliche Auflösung der Konkursmasse zum Ziel hat.“ Es ist immer wieder überraschend, wie ein rechtsradikales Ei europäischer Provinienz dem anderen gleicht, gleichgültig welcher nationalen oder rassischen Herkunft . . .
Wieso „Entlarvung“?
Wieso kann ein „Neuer Rechter“ nicht ein solcher sein, selbst wenn man seine Meinung nicht teilt?
Die Unfähigkeit, politische Meinungen (und ich rede nicht von Faschismus) zu akzeptieren ist eher ein deutsches Grundproblem als das eventuelle Vorhandensein solcher Meinungen.