Wieder mehr Angriffe der Aufständischen in Afghanistan
ISAF hat in diesen Tagen wieder die monatliche Statistik der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle in Afghanistan veröffentlicht – und auf den ersten Blick fällt eine Entwicklung auf, die nicht gut aussieht: Die Zahl der Angriffe der Aufständischen hat nach einem Rückgang wieder zugenommen.
Enemy-initiated attacks over the last 3 months (Apr-Jun 2012 ) are 11 percent higher compared to the same quarter last year.
heißt es in der Statistik (hier zum download). Auch im – deutsch geführten – RC North hat die Zahl zugenommen, wenn auch im Vergleich zu anderen Landesteilen auf sehr, sehr niedrigem Niveau (auf die letzten zwölf Monate gesehen, ereigneten sich in diesem Bereich drei Prozent der landesweiten Enemy-initiated attacks).
Für den Anstieg haben die internationalen Truppen auch Erklärungen parat:
• The annual start of the poppy harvest period is characterized by a considerable decrease in enemy-initiated attacks usually followed by a few weeks of lower attack levels.
• This year’s harvest started later and finished earlier in the most poppy prevalent areas of Afghanistan compared to last year.
• The reduced poppy harvesting season resulted in a notable increase in EIAs in May and Jun 2012.
Oder, wie es das Wall Street Journal in seiner Auswertung sagt:
Last month’s average of roughly 110 attacks a day was the most in a June since the Afghan war began, according to coalition statistics released on Thursday. June had more „enemy-initiated attacks“—insurgent gun fire and rocket fire as well as detonated roadside bombs and mines—than any period since fighting peaked in August-September 2010.
Die Frage ist nun, was es bedeutet – nur eine saisonale Abweichung, wie ISAF es erläutert. Oder doch ein Zeichen für ein Erstarken der Aufständischen?
Ist es nicht so dass die Nato, in Afghanistan, durch den Truppenabzug verwundbarer wird?
Unmengen Truppen und Material müssen durch das Land bewegt werden, gleichzeitig wird die Nato-Truppe immer kleiner.
ich könnte mir vorstellen dass die Zahlen der Angriffe, im Laufe des Abzugs, weiter steigen…
da bin ich mir ganz sicher das die da mehr werden
Es wurde allgemein erwartet, dass die Aufständischen parallel zur Rückverlegung ihre Aktivitäten verstärken werden, um zu demonstrieren, dass die NATO sich als Verlierer zurückzieht und die Aufständischen Sieger sind.
Allerdings sind Schlußfolgerungen aus solchen Statistiken stets schwierig. In von Aufständischen kontrollierten Räumen ist die Zahl der „enemy initiated“-Vorfälle in der Regel sehr niedrig, weil es dort kaum Ziele für sie gibt, während die Zahl der Vorfälle ansteigt, wenn ISAF oder ANSF ihre Präsenz und damit auch Kontrolle verstärken. Der Beginn einer positiven Entwicklung kann in der Statistik daher genauso aussehen wie eine negative Entwicklung. Da ISAF aber keine größeren Offensiven mehr durchführt, dürfte die negative Interpretation der aktuellen Zahlen die zutreffendere sein.
Sommeroffensive, hatten wir auch schon mal, hieß damals „Fall Blau“.
@Prediger
ausser Spesen nichts gewesen…
War es gestern ein bisschen zu heiß, oder wie kommen wir vom Talib auf „Fall Blau“ mit nachfolgendem Kommentar?
@Voodoo
Sommerwetter, Ferienzeit, olympische Spiele gucken… Irgendwie ist derzeit nicht die richtige Zeit, vor dem Rechner zu sitzen ;-)
„The Wall Street Journal article cited a Nato official as saying that June had seen the highest number of monthly attacks in almost two years, with more than 3,000 incidents, including firefights and bomb blasts.
„The real cause of the increase in insurgent attacks in the past three months is the pressure from Isaf and Afghan forces on terrorist hideouts,“ Isaf spokesman Brigadier General Günter Katz told TOLOnews on Saturday. He said this pressure would continue. “
http://www.tolonews.com/en/afghanistan/7037-insurgent-attacks-rise-11-mod-confirms
Ebenso zum Thema: http://www.pajhwok.com/en/2012/07/28/attacks-security-forces-mounting-moi
Die weiterhin starke Konzentration von ISAF auf wenig aussagekräftige „metrics“ ist beunruhigend. IEA bzw. SIGACT mit quantitativem Schwerpunkt haben wenig Aussagekraft. Dies zeigt allein die willkürliche Interpretation durch ISAF: Sinkt die Zahl, dann ist es ein Beleg für den Erfolg von ISAF. Steigt die Zahl, wird behauptet man greife die INS in den Ruheräumen an.
Weder kriegstheoretisch noch empirisch belastbare Aussagen. Hauptsache der PR-Auftrag „declare victory and go home“ wird erfüllt.
Allein schon die Definitionen in den Folien wären im Proseminar an einer sozialwissenschaftlichen Fakultät Grund genug für ein „unzureichend“ in einer Hausarbeit (Was ist die Grundgesamtheit??? ISAF + ANSF? Wie funktioniert das green reporting, wenn der Datensatz aus dem AMN stammt? Wie wurden unterschiedliche Grundgesamtheiten bei den Zeitvergleichen bereinigt?, etc.).
Übersehen wird zudem dass SIGACT-Messungen schon in Vietnam ein völliges falsches Bild der Lage lieferten.
Alternativer Blick:
http://www.latimes.com/news/nationworld/world/la-fg-afghanistan-assassinations-20120731,0,2787043.story
Fazit: Krieg nach Zahlen klappt nicht.
Lesehinweis:
Interview mit PSts Schmidt:
http://www.bmvg.de/portal/poc/bmvg?uri=ci%3Abw.bmvg.x.mediabild&de.conet.contentintegrator.portlet.current.id=3135382e33322e3135332e363230303030303030677831716b6a63302020202020
Darin u.a. Aussagen zu der EIA-Statistik und dem geplanten Abzugsmandat.
Zu Ersterem sagt die Angriffe auf ANSF stiegen „wohl“. In Sachen Abzugsmandat sind seine Aussagen – zumindest für mich – nicht stringent.