Breitseite vom Bundesrechnungshof gegen Geheimniskrämerei im Verteidigungsministerium

Das Verhältnis einer Kontrollbehörde wie dem Bundesrechnungshof zu den Kontrollierten, in diesem Fall also der Bundesregierung, ist naturgemäß ein problematisches: Wer lässt sich schon gerne kontrollieren. Und in der Tat ist der Bundesrechnungshof in der Bewertung von Bundeswehr-Vorhaben in der Vergangenheit bisweilen zu Schlussfolgerungen gekommen, die einen mit der Materie Vertrauten zumindest, nun, erstaunt haben. Jetzt allerdings schießt die Prüfbehörde eine Breitseite gegen das Verteidigungsministerium, bei der es nicht um eine Bewertung von Ausgaben geht: Das Ministerium, klagt der Rechnungshof, wolle selbstherrlich entscheiden, welche Informationen es seinem Prüfer überhaupt zur Verfügung stelle. Der Kontrollierte, mit anderen Worten, lege fest, was der Kontrolleur überhaupt sehen dürfe.

Die ausführliche Klage hat der Bundesrechnungshof am (gestrigen) Mittwoch in einem achtseitigen Brief den zuständigen Abgeordneten des Bundestags-Haushaltsausschusses übermittelt. Ein paar Kernsätze aus dem Schreiben:

Bei Erhebungen im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums wurden uns in der jüngsten Vergangenheit wiederholt Unterlagen vorenthalten. Das Bundesverteidigungsministerium vertrat dabei im Kern die Auffassung, es stehe ihm zu, eigene Erwägungen zur Qualität und Relevanz der angeforderten Unterlagen anzustellen und sie dem Bundesrechnungshof auf dieser Grundlage ganz oder teilweise zu verweigern.
(…)
Umfassende und wirkungsvolle Erhebungsrechte sind die Voraussetzung dafür, dass der Bundesrechnungshof seine Prüfungs- und Beratungsaufgaben – gerade auch auf Bitten des Parlaments – erfolgreich wahrnehmen kann. § 95 Bundeshaushaltsordnung regelt deshalb unmissverständlich, dass ausschließlich der Bundesrechnungshof entsheidet, welche Unterlagen ihm zur Erfüllung seiner Aufgaben vorzulegen sind.
(…)
Die Haltung des Bundesverteidigungsministeriums würde im Ergebnis dazu führen, dass Prüfungen des Bundesrechnungshofs vom Wohlwollen der geprüften Stelle abhängen wären. Damit sind auch die parlamentarischen Kontrollrechte berührt.

Als ein Fallbeispiel nannten die Prüfer in ihrem Schreiben an die Abgeordneten die neuen EuroHawk-Drohnen– wobei den Rechnungshof besonders erbost, dass Teile der Unterlagen gegenüber der Kontrollbehörde geheim gehalten wurden, weil es eine entsprechende Vereinbarung mit der Lieferfirma gebe:

Im November 2011 kündigte der Bundesrechnungshof dem Bundesverteidigungsministerium die Prüfung des Entwicklungsprojetes EuroHawk an. Bei den örtlichen Erhebungen lehnte das BWB die Herausgabe der Statusberichte mit der Begründung ab, eine Klausel auf dem Deckblatt dieser Berichte verbiete die Weitergabe über die Dienststellen des Bundesverteidigungsministeriums und autorisierte Mitarbeiter der beauftragten Unternehmen hinaus ohne schriftliche Genehmigung. Der Bericht enthalte geschützte Daten, die nur auf einer „Kenntnis, wenn notwendig“-Basis weitergegeben werden dürften.
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Nach § 95 Absatz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) sind dem Bundesrechnungshof Unterlagen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, auf Verlangen zu übersenden oder seinem Beauftragten vorzulegen. Der Bundesrechnungshof bestimmt nach seinem Ermessen, welche Unterlagen er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält. Vereinbarungen des Bundesverteidigungsministeriums mit Dritten haben hierauf keinen Einfluss. Alles andere würde bedeuten, dass das Bundesverteidigungsministerium durch Vereinbarung mit Dritten Vorschriften der BHO außer Kraft setzen könnte.
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Das Bundesverteidigungsministerium verkennt auch, dass der Bundesrechnungshof ohne den unbeschränkten Zugriff auf Unterlagen und Informationen einer geprüften Stelle das verfassungsrechtliche Postulat der Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle nicht gewährleisten kann.

[Hervorhebung im Original, T.W.]

Damit hat der Streit zwischen Rechungshof und Verteidigungsministerium eine neue Ebene erreicht. Es geht nicht darum, wie die Prüfer Ausgaben der Streitkräfte einschätzen, es geht um ein grundsätzliches Kräftemessen von Kontrollrechten gegenüber dem Exekutivhandeln. Es wird interessant sein zu sehen, wie die zuständigen Abgeordneten im Haushaltsausschuss, die Berichterstatter, darauf reagieren.