Gute Nacht: Gift im Bundeswehr-Schlafsack (Update: BMVg)
Das ist zu Recht ein Aufreger – auch wenn (mir) noch nicht klar ist, wie aktuell dieses Problem ist: In Bundeswehr-Schlafsäcken Mumienform Original A, oliv hat ein Labor im Auftrag des Magazins Öko-Test krebsserregende Farbstoffe entdeckt. Aus dem Schlafsack-Test in der Mai-Ausgabe:
Zu viel krebserregende Farbstoffe im Bundeswehrschlafsack. In Stoffteilen des Bundeswehrschlafsacks von Feuchter fand das von uns beauftragte Labor den krebserzeugenden Farbstoff p-Aminoazobenzol. Und zwar mehr als gesetzlich zulässig ist. Demnach hätte er gar nicht verkauft werden dürfen, selbst wenn es ein vor Jahren hergestellter Schlafsack ist, ergab eine Nachfrage beim Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) in Freiburg. Denn in Armeeshops verkaufte, ausgemusterte Produkte müssen trotzdem, wenn sie heute verkauft werden, den gesetzlichen Vorgaben genügen.
Der Artikel ist zwar seit dem 27. April online, dürfte aber jetzt eine gewisse öffentliche Wahrnehmung erfahren, weil die Kölner Boulevardzeitung Express sich heute des Themas annahm und neben der Ausgabe dieser Schlafsäcke an Soldaten auch die Verteilung alter Bundeswehr-Schlafsäcke an Obdachlose kritisierte.
Jetzt ist natürlich die Frage, ob es sich um das aktuelle Schlafsack-Modell handelt, das an jeden Soldaten ausgegeben wird, oder ob diese Schlafsäcke länger schon aus den Kleiderkammern verschwunden sind. Danke für den Hinweis eines Lesers – der gleich morgen seinen Schlafsack umtauschen will…
Update: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wird das von Öko-Test geprüfte genannte Schlafsackmodell seit 2003 nicht mehr beschafft, allerdings sei nicht bekannt, wie viele dieser älteren Schlafsäcke noch genutzt würden. Das Wehrwissenschaftliche Institut für Wehr- und Betriebsstoffe in Munster solle deshalb nun sämtliche eingeführten und genutzten Schlafsäcke überprüfen. Die von der Zeitschrift ermittelte Belastung mit krebserregenden Farbstoffen sei der Bundeswehr nicht bekannt gewesen. Und dazu noch ein Nachtrag: Vorsorglich weist das Ministerium darauf hin, dass aus Bundeswehr-Sicht bislang unklar sei, ob der getestete Schlafsack wirklich aus Bundeswehrbeständen stamme, es müsse alles erst mal geprüft werden.
die nächste schlagzeile in der yellowpress ist vermutlich ein obdachloser der gegen die bw klagt weil er mal einen alten schlafsack bekommen hat. und in 15 jahren klagt der nächste weil wir bis dahin die alten rucksäcke loswerden, die auf halde liegen, und sich zwischendurch die grenzwerte der krebserregenden stoffe geändert haben. *andenkopfgefasst*, dann an meinem schlafsack, in dem ich gerade liege, nach dem schildchen gesucht ob irgendwo feuchter draufsteht ;)
Die Technischen Lieferbedingungen (TL 8465-0149) sehen vor, dass der Name des Herstellers nicht erscheint…
T.Wiegold | 15. Mai 2012 – 22:51
Steht aber trotzdem drin, zumindest bei mir?
H. Winnen GmBH & Co KG
1987
8465-12-301-9145
mein aktueller
Unter der angegebenen TL 8465-0149 wird der Schlafsack Allgemein II geführt.
Dieser ist aber von Carinthia.
Quelle: Der Schlafsack Allgemein II der in meinem Schrank hängt und auf dessen „Typenschild“ steht: Auftragnehmer Carinthia.
Dürfte sich wohl um diesen Schlafsack hier handeln.
Nebenbei bemerkt kenne ich keinen Hersteller Feuchter; hätte da wer einen Link? Habe bei Google nichts gefunden.
Ernsthaft?
Der Skandal ist, dass Obdachlose NICHT erfroren sind und dafür eine um 0.00012% erhöhte Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken haben?
Das ist „unser“ Problem?
Manche Leute brauchen eine Grobjustierung ihres Realitätssinnes.
Geisterte in der Truppe als Gerücht schon vor einer Dekade umher. Genau wie der krebserregende Poncho, die krebserregenden 3-Finger-Handschuhe, usw.
Thomsen | 16. Mai 2012 – 6:53
Ich kann mich dran erinnern,, dass wir das ganze Zeug tauschen mussten … ist aber in der Tat sicher schon über 10 Jahre her.
Das Schlafsackmodell ist dooch seit mind. 15 Jahren das gleiche (sehr, groß, schwer, wenig Isolierung), oder?
Nicht einmal mit IdZ-2 schafft man es einen modernen Schlafsack zu beschaffen (obwohl Einsatzzeiten bis 72h vorgesehen sind).
Aber nicht wenige sind ja auch weiterhin mit dem Jägerrucksack ausgestattet (DSO u.a. sind schon besser dran).
Diese Kombination (Jägerrucksack+Schlafsack) ist auch ein Teil von „Attraktivität“.
Wenn eine Organisation schon sowas nicht hinkriegt…
Schlafsack gehört zur persönlichen Ausrüstung und wer da brauchbares möchte, muss es sich selbst kaufen!
@Christoph Engelhardt
Mein Problem ist, dass bei über 500 000 Soldaten, 0.00012% auch ein Mensch zuviel an Krebs erkrankt, dies unnötig und beweist wie stümperhaft und verantwortungslos oft beschafft wird.
Man mag den Eindruck gewinnen, dass solche Dinge immer aus dem Giftschrank geholt werden, wenn mit angekündigten Reformen ernst gemacht wird. Damit wird dann der Minister wieder in die „richtige“ Spur gebracht und die große breiige Masse kann weiter vor sich hin wabern. Nur eine Verschwörungstheorie?
Mir graust, wie leichtfertig der eine oder andere mit möglichen Gesundheitsgefährdungen für eine doch erhebliche Anzahl von Kameraden umgeht.
Genauso unerquicklich ist ein Prüfauftrag heute morgen bei „uns“, festzustellen, wieviele der belasteten Schläfsaäcke denn im Verantwortungsbereich vorhanden seien …
Das eine ist das negieren von möglichen Problemen, das andere der von mir erwartete Aktionismus, bei dem es m.E. primär nicht um die Probleme der Schlafsackbesitzer geht.
Als ich vor Jahren mein neues Flecktarn ausgepackt habe, machte sich meine gute Grundausbildung bezahlt: Ortsfremder Geruch? ABC-Alarm!
Irgendwann wird das auch noch an die Öffentlichkeit kommen.
Die Ausrüstungsmängel sind, wie so vieles, hausgemacht. Das gilt für die großen Projekte, http://augengeradeaus.net/2011/11/und-weiter-kein-gluck-mit-den-korvetten/ genau so wie für die Kleinen http://augengeradeaus.net/2011/09/anderungsgenehmigung-strickmutze/.
Insofern ist dieses Handeln konsequent.
Mit neuem CPM und innovativem IPP bewaffnet werden soll das nun abgestellt werden.
Persönlich ärgert es mich, dass die Bundeswehr immer wieder einem Standard hinterherläuft, anstatt diesen zu setzen. Sie hat genug kluge Soldaten und zivile Mitarbeiter. An manchen Stellen allerdings viel zu viele. Denn kluge Menschen können sich eben auch sehr kreativ gegenseitig blockieren und allen anderen erklären, warum das so sein muss.
Wurde eigentlich schon mal geprüft, welche gesundheitliche Gefährdung für Soldaten von 7,62×51 NATO ausgeht? Ist sicherlich auch nicht zu unterschätzen für den Fall der Fälle … Und daß 5,56×45 NATO wesentlich gesünder ist, wage ich zu bezweifeln …
@rautenklause | 16. Mai 2012 – 11:02
Es gibt Gefahren, denen man ausweichen kann und solche wo das nicht möglich ist.
Wenn Schlafsäcke Gift enthalten, sollte dies in der Prüfung (vor und während der Einführung) auffallen. Werden im Laufe der Jahre Grenzwerte gesenkt, so fällt dies entweder bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen auf oder bei der routinemäßigen Aktenprüfung der Altkontrollen. Und dann muss gehandelt werden – auch durch sofortige Außernutzungssetzung der ausgegebenen Schlafsäcke.
Wenn die (aufwendigen) o.g. Prüfungen nicht stattfinden, dann hat jemand geschlafen.
Ich bin mal auf das angekündigte Prüfergebnis von BMVg und WIWeB gespannt.
@Elahan
aus meinem Beitrag geht klar hervor, dass ich mich auf Obdachlose beziehe. Diese Personengruppe betreffend war die Wahl „Tod durch Unterkühlung“ oder „erhöhte Krebswahrscheinlichkeit“. Hier wird – mit etwas gesundem Menschenverstand – die Wahl recht leicht fallen.
@Christoph Engelhardt | 16. Mai 2012 – 11:46:
Achso. Das ist ethisch natürlich vollkommen sauber. :-(
@ Christoph Engelhardt | 16. Mai 2012 – 11:46
…aus meinem Beitrag geht klar hervor, dass ich mich auf Obdachlose beziehe. Diese Personengruppe betreffend war die Wahl “Tod durch Unterkühlung” oder “erhöhte Krebswahrscheinlichkeit”. Hier wird – mit etwas gesundem Menschenverstand – die Wahl recht leicht fallen….
Ja. Nämlich sich an der nächsten Sammlungsaktion der Heilsarmee zu beteiligen, um den Obdachlosen warme UND ungefährliche Schlafsäcke zu ermöglichen.
@ Heiko Kamann | 16. Mai 2012 – 7:32
…Ich kann mich dran erinnern,, dass wir das ganze Zeug tauschen mussten … ist aber in der Tat sicher schon über 10 Jahre her…..
Thomson hat schon Recht. Es wurden diverse Ausrüstungsgegenstände (auch persönliche, aber auch Zelte, usw.) aus der Nutzung genommen, weil sie mit karzinogenen Stoffen bzw. ganz allgemein mit Giftstoffen belastet waren. Teilweise war dies der Fall, weil zum Produktionszeitpunkt andere (oder auch keine) Grenzwerte vorlagen oder aber diese Stoffe im Bereich der Langzeitlagerung Anwendung fanden, kurz: das Wissen um die eingesetzten Stoffe ein anderes war und so die Ausrüstung belasten konnten. Und mit Eintreten des Wissens wurde die Ausrüstung dann aus der Nutzung genommen. Das passierte aber nicht nur der Bw: die DDT-Nutzung sei nur mal an prominenter Stelle genannt.
Teilweise lag in folge aber auch menschliches Versagen vor: d.h. die Vernichtung der betroffenen Losnummern wurde „irgendwann“ angeordnet, aber nicht, im Depot z.B.: ausgeführt und anschließend einfach wieder in den Umlauf gebracht.
Ansonsten: Es wäre nicht ohne, sollte die Bw bzw. die g.e.b.b. (?) wider besseren Wissens die eingezogene Ausrüstung bewusst nochmals in Umlauf gebracht haben-ganz gleich ob, ja dann illegal, im Inland oder legal, weil andere oder keine Grenzwerte, im Ausland.
@Sachlicher
Herzlichen Dank für Ihr bereitwilliges ehrenamtliches Engagement. Ich hoffe, dass den Worten auch Taten folgen.
@Tom
Ich hoffe, dass Ihr Beitrag etwas ungeschickt formuliert war und Sie nicht das Retten von Menschenleben als unethisch betrachten.
@Christoph Engelhardt | 16. Mai 2012 – 19:21
Sie meinen „der Zweck heiligt die Mittel“? – Sehe ich anders.
Schönen Abend noch
@Tom
Ich meine, dass in der konkreten (oder unmittelbar bevorstehenden) Notsituation die Verteilung von – nötigenfalls mit krebserregenden Stoffen belasteten – Schlafsäcken stattfinden muss.
Die Beteiligten dürften vermutlich von der Schädlichkeit der verwendeten Farbstoffe nichts gewusst haben.
Es ist für mich schlicht kein Skandal.
Das Ziel wurde mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erreicht. Das Handeln ist mit den zum Zeitpunkt der Entschlussfassung vorhandenen Informationen auch dem objektiven Dritten verständlich.
Davon unbenommen bleibt, dass man aus den erlangten Erkenntnissen lernen sollte.
@ Christoph Engelhardt | 16. Mai 2012 – 19:21
@Sachlicher
Herzlichen Dank für Ihr bereitwilliges ehrenamtliches Engagement. Ich hoffe, dass den Worten auch Taten folgen. …
…Davon konnten und können Sie ausgehen.
@ Christoph Engelhardt | 17. Mai 2012 – 13:00
…Die Beteiligten dürften vermutlich von der Schädlichkeit der verwendeten Farbstoffe nichts gewusst haben. ..
Davon ist auszugehen. Dennoch: Das liest sich anders, als Ihre Formulierung dies bewusst zu tun. Dennoch: Niemand in Deutschland darf bewusst einer Gefährdung ausgesetzt werden. Und Ihrer Argumentation, führte man diese logisch zu Ende, der Obdachlose verstirbt doch eh bevor er das „Krebsalter“ erreicht, kann und will ich nicht folgen.
Ich lehne das nach wie vor ab: neben der ethischen Komponente auch aus einer anderen, für uns Deutsche kategorische: es gab bisher für uns keine Winternotsituation in der dieses wirtschaftlich so starke Land nicht einwandfreie Ressourcen zur Verfügung stellen hätte können. Und käme sie? Nun, nur weil bisher noch niemand Ressourcen diesbezüglich oder ähnlichem requirierte, heißt das nicht, dass dies nicht ginge-Enteignung gegen Entschädigung zur Rettung von Menschenleben, zur Wahrung des Gemeinwohls ist eine ganz einfache Angelegenheit.
Auch deshalb kann und will ich mir keine Situation vorstellen, in der man WISSENTLICH-um es nochmal deutlich abzugrenzen- Menschen mit Material versorgt, welches mit karzinogenen Stoffen belastet ist.
Sie mit meinen Feststellungen persönlich angreifen möchte ich definitiv nicht, durchaus aber meine Ansicht in Opposittion stellen!
@sachlicher
so sehe ich das auch.
@Klabautermann / Sachlicher…… Wo isn“ hier der Like button :-)