Das Atalanta-Mandat: Abschied vom Konsens
Das neue, ausgeweitete Mandat für die Beteiligung der Deutschen Marine an der EU-Antipirateriemission Atalanta dürfte zu einer Premiere führen: Vermutlich wird der (deutsche) Einsatz erstmals nicht mit einer breiten Mehrheit von Regierungskoalition und weiten Teilen der Opposition beschlossen. SPD wie Grüne haben kräftige Kritik angemeldet und werden sich zumindest enthalten, möglicherweise auch dagegen stimmen – und das bei einem Einsatz, der bislang (anders als Teile der Afghanistan-Mission oder die inzwischen beendete Bundeswehr-Teilnahme an der Operation Enduring Freedom) als relativ unproblematisch galt.
Zur ersten Lesung des vergangene Woche vom Kabinett beschlossenen Mandatstextes im Bundestag heute hat der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich mal zusammengefasst, was die Sozialdemokraten an den ausgeweiteten Möglichkeiten der Piratenbekämpfung mit den künftig möglichen Aktionen am somalischen Strand vor allem stört. Im wesentlichen wendet sich die Oppositionspartei gegen nicht kalkulierbare Risiken beim militärischen Einsatz gegen Piratenlogistik auf somalischem Boden und sieht falsche Prioritäten: Statt dem Militär mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, müsse der Kampf gegen die Hintermänner dieser Art von organisierter Kriminalität härter geführt werden. Atalanta habe mit dem Schutz von Lieferungen des Welternährungsprogramms und der Eindämmung der Piraterieangriffe Erfolg gehabt – jetzt dürfte die Mission nicht aus einer abschreckenden Wirkung eine Angriffswirkung machen.
Chancen für einen Kompromiss scheint es nicht mehr zu geben; damit läuft es auf eine strittige Abstimmung im Parlament hinaus.
Mützenich dazu im O-Ton:
Mützenich argumentiert widersprüchlich, wenn er militärisches Vorgehen einem „Vorgehen gegen die Hintermänner“ als Gegensatz gegenüberstellt. Die von Mützenich angeführten Argumente erfordern ausgeweitetes militärisches Vorgehen und nicht eingeschränkteres. Mützenich erwähnt ja selbst, dass die „Hintermänner“ sich nur „manchmal“ außerhalb Somalis befinden würden. Eine strategische Schlußfolgerung daraus wäre, die tatsächlich mit Masse innerhalb Somalis befindlichen Anführer als militärische Ziele auf Grundlage des Humanitären Völkerrechts und Resolution des VN-Sicherheitsrats 1851 zu bekämpfen. Überlebende, die ggf. in andere Staaten ausweichen, wären dann für polizeiliches Vorgehen auf der Grundlage nationalen Strafrechts greifbar, was sie innerhalb Somalis nicht sind.
Das gegenwärtige Vorgehen ist nicht nur nicht erfolgreich, sondern auch mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, der mangels finaler Lösungsperspektiven endlos aufrechterhalten werden müsste. Militärische Bekämpfung der Piratenbanden ohne unnötige humanitäre oder mit „Wiederaufbau“ und „Nation Building“ begründete Dauerpräsenz am Boden wäre eine Chance, das Problem innerhalb kurzer Zeit an der Wurzel zu erledigen, ohne das Risiko von „Mission Creep“ einzugehen.
@ Orontes
Sie sind ja ein richtig großer Stratege geworden. Respekt. Darauf müssen wir taktischen Kleingeister erst mal kommen: Die Anführer bekämpfen und ausrotten, natürlich auf humanitärer Grundlage. Etwaige Überlebende (kann ja mal passieren) überlassen wir dann gern der Polizei zur Nachbehandlung. Beeindruckend ist auch Ihre deutliche Präferenz „finaler Lösungen“. Hatten wir freilich alles schon mal.
@KeLaBe
Ich erkenne nicht, welchen sachlichen Einwand Sie haben. Vielleicht können Sie das nochmal präzisieren?
„Hatten wir freilich alles schon mal.“
In der Tat, z.B. bei der relativ erfolgreichen Bekämpfung ähnlich strukturierter Akteure im Irak, in Afghanistan oder in Pakistan. Die kinetische Zerschlagung bestimmter Ziele hat (anders als die utopischen Aspekte dieser Einsätze) recht gut funktioniert.
Und falls es Ihnen nicht bekannt sein sollte: Die Bekämpfung von Feind findet im bewaffneten Konflikt tatsächlich auf Grundlage des sogenannten „humanitären Völkerrechts“ statt.
@ Orontes | 26. April 2012 – 20:49
Könnte das, was KeLaBe mit seinem Diskussionsbeitrag macht, vielleicht symptomatisch für unseren sicherheitspolitischen Dialog sein?
Wenn jemand Vorschläge macht, die damit zu tun haben, dass man seine Interessen mit Zwang (also ggf. Gewalt, Krieg, Feinde töten) durchsetzt, beginnt man zu ironisieren, diffamiert den Diskussionspartner und holt zuletzt noch die Nazikeule raus.
Diese rhetorischen Tricks überdecken dann eine saubere Situationsanalyse. Anschließend betreten weltfremde Ideologen die Bühne und zaubern realitätsferne Pläne vom Nationbuilding aus dem Hut und beglückwünschen sich gegenseitig, was man doch für ein guter Mensch ist. Und zuletzt wundert man sich, dass die beschlossenen gutmenschlichen Maßnahmen leider überhaupt nichts bringen – aber daran ist dann bestimmt Amerika schuld …
Hallo,
bei der ganzen Diskussion um deutsche Angriffe via Hubschrauber auf 2000m Strand frage ich mich immer noch mit welchem Hubschraubertyp die Bundeswehr das bewerkstellingen will. Mit dem SeaLynx ? Mit M3M und 0.50cal ?
Grüße
@Sun Tzu
„Könnte das, was KeLaBe mit seinem Diskussionsbeitrag macht, vielleicht symptomatisch für unseren sicherheitspolitischen Dialog sein? “
Ja, es hört sich sehr wie das an was ich während meiner Zeit in Berlin von Politikern, Think Tanks, politischen Stiftungen, Parteien, Aktivisten etc. am laufenden Band gehört habe. Inhaltliche Substanz wurde dort allgemein gerne durch Moralprosa ersetzt, und schon die Idee, Probleme „lösen“ zu wollen, geriet seitens analyse- und handlungsunwilliger Moraldarsteller regelmäßig unter Faschismusverdacht, was mich sehr schockiert, aber auch ein Stück weit betroffen gemacht hat. Das Ergebnis dieser defizitären politischen Kultur ist, dass über allerlei sekundäre Nebensächlichkeiten diskutiert, nur nicht darüber, wie man die Bedrohung durch Piraten so effektiv wie möglich neutralisieren kann.
Meine Herren, da kommt wieder eine Schärfe rein, die ich nicht gerade gut finde.
Wir hatten die Diskussion hier schon mehrfach: Die Atalanta-Mission funktioniert eben nicht auf Basis des Kriegsvölkerrechts, das inzwischen ein klein wenig euphemistisch humanitäres Völkerrecht heißt, sondern auf Basis einer UN-Resolution und des Seerechtsübereinkommens. Es ist unterm Strich eine Polizeimission, auch wenn Militär damit betraut ist, und die Kategorie Bekämpfung von Feind ist hier nicht die maßgebliche. Auch nicht die Frage, wie man Piraten so effektiv wie möglich neutralisieren kann, wenn offensichtlich darunter das Ziel der Tötung von Piraten oder zumindest führender Personen verstanden wird.
Das kann man beklagen, schlecht finden, für dumm halten etc., aber so zu tun, als wäre jeder ein idiot, der nicht den bewaffneten Konflikt für das Vorgehen gegen Piraten ausruft, ist nicht der Ton hier.
@KeLaBe
Auch im zweiten Versuch zwar kein einziges Argument und kein sachlicher Einwand, aber dafür wenigstens kein Nazivergleich mehr. Sie machen Fortschritte…
@ Orontes
Muss ich jetzt den Kommentar von T.W. wiederholen? Nein, muss ich wohl.nicht.
Ich klinke mich jetzt auch, weil ich weder Zeit noch Lust habe, aus dieser unerfreulichen Debatte aus.
@Orontes
Sie dagegen offensichtlich nicht.
Ich denke, wir können diese Art von Dialog jetzt abschließen.
@T. Wiegold
Die VN-Resolutionen, die die Ausweitung des Vorgehens auf das Land legitimieren, beziehen sich dabei doch ausdrücklich auf das HVR, oder lese ich das falsch?
Ich gebe zu, diese Frage um diese Zeit nicht beantworten zu können, ohne gefährliches Halbwissen heranzuziehen. Allerdings habe ich begründete Zweifel, dass die für einen (nicht-internationalen) bewaffneten Konflikt zulässigen Vorgehensweisen in diesem Fall auch vom UNSC legitimiert sind.
Ich kann dazu empfehlen: die aktuelle Ausgabe der EUNAVFOR-Media-Broschüre, in der es unter anderem zu den rechtlichen Möglichkeiten heißt:
In the Area of Operation, EUNAVFOR units can
arrest, detain and transfer persons suspected of
intending to commit, committing or having
committed acts of piracy or armed robbery.
(…)
The suspects can be prosecuted by an EU
member state, by regional states or any other
third states which wish to exercise its
jurisdiction over the suspected pirates or armed
robbers and seized property. Suspected persons
may not be transferred to a third State unless
conditions relevant to international law, notably
international law on human rights are met. In
particular, no one shall be subjected to the death
penalty, to torture or to any cruel, inhuman or
degrading treatment.
Das belegt ziemlich eindeutig, dass das Töten von Piraten nicht zum Aufgabenbereich gehört.
@T. Wiegold
Ich bezog mich auf die Ausweitung des Einsatzes auf die militärische Bekämpfung von Zielen an Land, nicht auf die nach nationalem Strafrecht verlaufenden Aktionen auf See nach UNCLOS.
Völkerrechtlich besteht kein Unterschied, ob die in Somalia bekämpften Ziele Objekte im Sinne von Booten, Gebäuden etc. oder Personen sind. Wenn man Ziele militärisch bekämpft, bewegt man sich im Rahmen des HVR. Wenn die EU davon spricht, dass ihre Ausweitung von Operation Atalanta “in accordance with the relevant UN Security Council resolutions” sei, dann muss vom Kontext her die Resolution 1851 mit inbegriffen sein, die eben den Einsatz von “all necessary measures …consistent with applicable international humanitarian …law” legitimiert, also sich ganz eindeutig auf das Humanitäre Völkerrecht bezieht.
http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N08/655/01/PDF/N0865501.pdf?OpenElement
Ich meine daher, dass Ihre These: („die Atalanta-Mission funktioniert eben nicht auf Basis des Kriegsvölkerrechts“) so nicht zutrifft. Die Tötung von Piraten ist nicht Teil der Mission, aber seitdem die EU sich mit der Ausweitung auf die Bekämpfung von Landzielen auf die Grundlage des HVR begeben hat und sich auf Resolution 1851 beruft, wäre dies völkerrechtlich m.E. problemlos möglich. Wie manche hochemotionale Reaktion auf den bloßen Hinweis darauf zeigt, dürfte das Thema in Deutschland noch für einigen Gesprächsstoff sorgen; spätestens wenn das jetzige Vorgehen nur eingeschränkt funktioniert und eine weitere Ausweitung im Raum steht.
Schöner Hinweis, Orontes, leider ist KeLaBe jetzt in der 4. Phase der Moralaposteldiskussion: Er geht entrüstet unter dem Vorwand der Widerlichkeit der Diskussion schmollend in die Ecke.
@ Howie Munson
Für deutsche Schiffe wird es da arg schwer, zumal der Wirkungsgrad der Bordkanone ja auch eher begrenzt ist.
@Roman, Howie Munson
Theoretisch kann man ja mal versuchen, das Radar vom Lynx auf Gebäude zu locken und Sea Skua zu verschießen, wird nur ein ziemlich teurer Spaß, wenn es funktionieren sollte.
Klotzen, nicht kleckern !
Wir verlegen eine Halbstaffel Tornado nach Djibouti, holen die Streubomben aus dem Depotkeller und kleckern, äääh klotzen alle piraterie-logistiik-verdächtigen Strände bis 1990 m Abstand von der Wasserlinie dicht.- die 10 Meter Differenz zur Mandatsoberabstandsgrenze deklarieren wir als HVR Zone.
Die USA im Jemen schiessen ja ab sofort auch nicht nur auf eindeutig identifizierte Terroristen, sondern auf Verdacht, Da Piraten und Terroristen und Schmuggler und nicht EU lizensierte Fischer eh nicht unterscheidbar sind, macht die EU an der Gegenküste zum Jemen eben auch Nägel mit Köpfen. Die Lw kommt endlich in den Einsatz, wir werden die Streubomben billig los und die paar hundert Tonnen Giftmüll an den somalische Stränden werden wirksam geschützt vor unbefugtem Zugriff durch Umweltschützer und andere Wirrköpfe.
@klabautermann
Funktionierende Satire beruht darauf, dass ein Aspekt der Realität übertrieben dargestellt wird, um kritikwürdige Zustände besonders kontrastreich hervorzuheben. Im Fall der realen Pirateriebekämpfung, die so geplant ist dass sie den Piraten möglichst nicht wehtut, funktioniert ihre Satire m.E. daher nicht. Ich wäre überrascht, wenn die Bundeswehr, die es als militärische Großtat darstellte das eine oder andere aufgegebene Bötchen zu versenken, in naher Zukunft auch nur ein einziges Ziel an Land vernichtet. Und so wie sich manche Leute in Deutschland bei dem Thema zieren und winden, habe ich fast den Eindruck, dass man noch ein Mahnmal in Berlin aufstellen würde, wenn wirklich mal ein Pirat von seinem Berufsrisiko ereilt wird.
@Orontes
stimmt, meine Satire funktioniert nicht. Das liegt daran, dass eine Satire über ein grundsätzlich nicht-funktionales Mandat letztendlich nur auf diesen Tatbestand übertrieben scharf und deutlich hinweisen kann, und
somit auch darauf, dass selbst die sophistischste Auslegung des Mandates die eingebaute Disfunktionalität nicht beheben kann.
Insofern kann ich die Haltung der Opposition eher verstehen, als die opportunistische Position der Regierung, die nicht schon wieder wie im Falle Lybien kneifen wollte.
Wir stellen mal wieder Bündnisspromiskuität über das Grundgesetz.
@Roman
Auch Ihnen galt der Hinweis mit der unnötigen Schärfe etc. und den persönlichen Angriffen.
(Reicht, oder?)
ach ja, eins noch: auf faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht kann man einen Gastbeitrag mit dem Titel „Toeten im Krieg“ lesen, der gerade im Zusammenhang mit Atalanta das Rechtsdilemma für unsere Kameraden bei/in Atalanta imho sehr gut beschreibt.
[Das ist ja hart an der Grenze zur (hier nicht gewünschten) Verlinkung… T.W. ]
@T.W.
sorry, bin kein Verlinkungsexperte. Falls eine solche Referenzangabe nach Ihrer Auffassung nicht zulässig ist in Ihrem Blog, dann dürfen Sie gerne löschen.
@ T.W.
Ja. Ok. Mir geht es nur gegen den Strich, wenn derjenige, der das Niveau gleich im ersten eigenen Post in den Keller gezogen hat, sich dann unter dem Vorwand „…unerfreuliche Debatte…“ verabschiedet.
@ Klabautermann/MFG
Brauchen wir wirklich die Tornados? Es ist doch auch möglich, den überflüssigen Kram aus der Seitentür oder der Heckrampe herausrollen zu lassen. Nicht das sich noch die Luftwaffen-TopGunner aus ihren angestammten Revieren bewegen müssten. Außerdem können die ja gar nicht da unten fliegen. Es gibt ja keine funktionierende CSAR-Komponente und ohne die geht gar nichts.
Aus dem „Geschichtsbuch der Karibik“. von Dr. e.c. Rolf Mützenich:
„Das Ende für das karibische Piratenunwesen kam im 18. Jahrhundert, als ein neuer konflikttheoretischer Ansatz die grundlegenden sozialen und ökonomischen Ursachen der Piraterie ein für allemal beseitigen konnte. So wurden im Zuge von Infrastrukturprojekten auf Kuba und Jamaica zahlreiche vorbildlich gegenderte Musterbetriebe für einen nachhaltigen und umweltverträglichen Zuckerrohranbau eingerichtet, die den ehemals unterprivilegierten Angehörigen des Inselprekariats einen tariflich garantierten Mindestlohn von 500 Dublonen im Monat, die 24-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich, plantageneigene Kinderkrippen und eine großzügige Rentenversicherung boten, so dass sie nicht länger durch ihre bescheidenen finanziellen Verhältnisse und die Ausbeutung durch die Globalisierungskampagne der kapitalistisch-imperialistischen Großmächte zur Piraterie gezwungen wurden. Namhaften Friedensforschern und Konfliktpädagogen gelang es, die ehemaligen Anführer der Piraten wie Blackbeard oder Captain Kidd durch Stuhlkreise und Diskussionsrunden zu einer Aufarbeitung ihrer Motive zu veranlassen und sie von der moralischen Unhaltbarkeit ihrer bisherigen Tätigkeit zu überzeugen, so dass ihrer erfolgreichen Resozialisierung durch die Umschulung zu Peer-Mediatoren und Pazifismusexperten nichts mehr im Wege stand. Der „Autonome Arbeitskreis ehemaliger karibischer FreibeuterInnen“ legte wenig später sogar ein Standardwerk zur friedlichen Konfliktbewältigung vor, das die bisherige Verwendung des pejorativen Begriffes „Pirat“ als faschistoide Ausgrenzungsstrategie brandmarkte und im Zuge einer Deeskalationsstrategie für die Weltmeere vorschlug, beim Anblick eines Korsarenschiffes am besten schon vor dem Entern freiwillig über Bord und in die haiverseuchten Gewässer zu springen, damit die Freibeuter nicht durch das ansonsten notwendige Abschlachten der Passagiere der Gefahr einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgesetzt werden könnten.“
Es beeindruckt mich immer wieder, dass ich durch die hier stattfindenden Debatten doch immer wieder auf neue Denkanstösse gebracht werde:
zB die Frage, wer vor Somalia bzw. dort an Land – angenommen es handelt sich um einen formellen Militär- und nicht um einen polizeilichen Einsatz – denn „Kombatant“ wäre und wie sich insbesondere Orontes den Schutz der Nicht-Kombatanten (HVR!) vorstellt?
Oder warum man sich dort überhaupt engagiert? Ein verstärktes deutsches (militärisches) Engagement könnte zB in Griechenland, Spanien, Portugal gerade viel wichtiger sein; zur Stärkung der staatlichen Strukturen und Aufbau einer funktionierenden Demokratie! Wie erfolgreich sich das entwickeln kann, sehen wir schliesslich seit ’45.
@Rio Amazoco
Ein interessanter Aspekt, wie kam es tatsächlich zum Aufstieg und Niedergang der Piraterie insb. im karibischen Raum? Lessons learned?
Im Übrigen bin ich der Meinung, wenn die Notwendigkeit besteht, den Einsatz aller militärischen Mittel zur Bekämpfung der Piraterie anzuordnen, muss man konsequenterweise dies als einzige Priorität erkennen. Wer dann erstmal nach anderen Fähigkeiten (CSAR) fragt, hat die Fragestellung nicht verstanden.
@ Roman 23:47 und 9:39
Keine Angst, ich fühle mich nicht als besserwisserischer Moralapostel (die liegen mir so fern wie Ihnen) und gehe auch keiner Diskussion schmollend aus dem Weg. Aber: Zum einen kann ich nicht dauernd am PC sitzen (bin z.Zt. gerade auf Reisen), und zum anderen wollte ich auch nicht noch weiteres Öl ins Feuer gießen. Dieser wertvolle Blog von T.W. darf m.E. auch nicht als Forum missbraucht werden.
Ja, mein Beitrag war (bewusst) süffisant und provokativ. Das gebe ich zu. Aber die aufgeregte Wirkung auf diesen kleinen Nadelstich spricht doch Bände.
In der Sache geht es mir schlicht und einfach um die Klarstellung, dass die Durchsetzung von Recht und Sicherheit sich eben ihrerseits an Recht und Gesetz halten muss – auch wenn dies im Einzelfall noch so unbequem, hinderlich und wenig erfolgversprechend erscheinen mag. Das weiß und respektiert z.B. auch jeder Soldat in AFG. Die Forderung nach „kinetischer“ und „finaler“ Liquidierung von Verbrechern und Kriminellen (ich weiß, auch das ist übertrieben formuliert, geht aber im Kern in diese Richtung) kann ich eben nicht so locker mittragen, und ich ordne sie auch entsprechend ein. Die Bezugnahme auf das Humanitäre Völkerrecht heißt ja nun nicht, dass plötzlich alles erlaubt ist – ganz im Gegenteil! (Hier zeigt sich übrigens auch, wie schwierig es so manchem fällt, in Fragen der Sicherheit die richtige Balance zu halten.)
Ich nehme Ihnen die persönlichen Angriffe auf mich nicht weiter übel, aber – sorry – ich sehe die Dinge eben ein wenig anders.
@Moxy
Der Niedergang der Piraterie kam von stärkeren staatlichen Strukturen in den karibischen Kolonien, der Tatsache, dass England im späteren 18. Jahrhundert wechselnd öfters mal mit Spanien verbündet oder zumindest im Frieden war anstatt wie im Dauerkrieg zuvor, der Professionalisierung der Flotten aller Seiten und nicht zuletzt dem Sklavenhandel als neuer lukrativer und weniger gefährlicher Einnahmequelle.
Spanien trat ja nach dem span. Erbfolgekrieg das Asiento de Negros an England ab.
An und für sich war der Pirat schon als solcher ein Symptom des Niedergangs.
Morgan und viele andere waren ja Freibeuter, das heißt sie „durften das“.
Piraten hingegen machten Jagd auf alles.
Freibeuter gab es noch bis Ende der Napoleonischen Kriege und offiziell ist das Ausstellen von Kaperbriefen glaube ich sogar erst seit 1856 (Wikipedia :)) verboten.
Aber die Piraten in der Karibik waren eher „Räuber von der See“ (marodierende Söldnerhaufen auf Schiffen als Transportmittel) als wirkliche Seeräuber
@KeLaBe
„In der Sache geht es mir schlicht und einfach um die Klarstellung, dass die Durchsetzung von Recht und Sicherheit sich eben ihrerseits an Recht und Gesetz halten muss…“
Sehe ich genauso. Aber „Recht und Gesetz“ beinhalten eben nicht nur das deutsche Strafgesetzbuch, sondern eben auch das Humanitäre Völkerrecht.
„Die Bezugnahme auf das Humanitäre Völkerrecht heißt ja nun nicht, dass plötzlich alles erlaubt ist – ganz im Gegenteil! “
Das hat ja auch niemand behauptet. Die Bekämpfung von militärischen Gegnern inklusive der Tötung von Anführern ist aber auf Grundlage des HVR eindeutig legitim. Falls Sie dies anders sehen, würde mich wirklich interessieren, womit sie dies begründen. Das haben Sie leider in Ihren bisherigen Beiträgen nicht getan.
Und warum sollte man die zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel nicht so einsetzen, dass sie dem eigenen Vorgehen maximale Handlungsfreiheit gegenüber den Piraten gewähren? Warum sollte man umgekehrt diese Mittel stets zugunsten der Piraten einsetzen bzw. aus der Perspektive von deren Interessen interpretieren? Die Idee von Sicherheitspolitik ist es doch, die eigenen Interessen zu fördern.
Ich habe es in Deutschland schon oft erlebt, dass der Verweis auf gängige Möglichkeiten militärischen Vorgehens im Rahmen des HVR so dargestellt wurde, als wollte man willkürlich Menschen töten. Warum fällt es vielen Deutschen so schwer, zwischen militärisch legitimer Vernichtung von Feind und willkürlichem Töten zu differenzieren?
Ich habe in Deutschland das Phänomen des „gefühlten Völkerrechts“ häufig angetroffen. Man projiziert dabei eigene moralische Wünsche auf das Völkerrecht, das man für eine juristische Interpretation der Bergpredigt zu halten scheint, ohne dessen Zweck und Inhalt wirklich zu kennen.
„Die Forderung nach “kinetischer” und “finaler” Liquidierung von Verbrechern und Kriminellen (ich weiß, auch das ist übertrieben formuliert)….
Ja, es ist übertrieben und auch unsachgemäß verzerrend. Die Verwendung von Fachbegriffen halte ich in einer Diskussion an dieser Stelle für zumutbar und meine auch, dass man deren Kenntnis bei den Lesern voraussetzen kann, wobei ich nicht von „Liquidierung von Verbrechern“ sprach, sondern von „Vernichtung von Feind“. Das ist ein entscheidender Punkt, denn im Rahmen des HVR sind die Piraten eben keine Verbrecher, sondern Feind bzw. militärische Ziele.
@JCR
Zum Thema Kaperbrief und Freibeuter:
21st-century American reconsideration of Letters of Marque
Article 1 of the United States Constitution lists issuing letters of marque and reprisal in Section 8 as one of the enumerated powers of Congress, alongside the power to tax and to „declare War.“ However, since the American Civil War, the United States as a matter of policy has consistently followed the terms of the 1856 Paris Declaration forbidding the practice. The United States has not legally commissioned any privateers since 1815, although the status of submarine-hunting Goodyear airships in the early days of World War II created significant confusion. Various accounts refer to airships Resolute and Volunteer as operating under a „privateer status“, but Congress never authorized a commission, nor did the President sign one.
The issue of marque and reprisal was raised before Congress after the September 11 attacks and again on July 21, 2007, by Congressman Ron Paul. The attacks were defined as acts of „air piracy“ and the Marque and Reprisal Act of 2001 was introduced, which would have granted the president the authority to use letters of marque and reprisal against the specific terrorists, instead of warring against a foreign state. The terrorists were compared to pirates in that they are difficult to fight by traditional military means. Congressman Paul on April 15, 2009, also advocated the use of letters of marque to address the issue of Somali pirates operating in the Gulf of Aden. However, the bills Congressman Paul introduced were not enacted into law.
http://en.wikipedia.org/wiki/Letter_of_marque
H.R.3076 — September 11 Marque and Reprisal Act of 2001 (Introduced in House – IH)
To authorize the President of the United States to issue letters of marque and reprisal with respect to certain acts of air piracy upon the United States on September 11, 2001, and other similar acts of war planned for the future.
http://thomas.loc.gov/cgi-bin/query/z?c107:H.R.+3076:_blank
Im 18. Jahrhundert war die britische Royal Navy die mächtigste Seestreitmacht der Welt und die Bekämpfung der Piraterie war eine ihrer Hauptaufgaben.
Sie unterhielt zu diesem Zweck ein eigenes Geschwader mit Stützpunkt in Fort Charles, Port Royal, Jamaika.
Im US-Kongress wurde übrigens vor gar nicht allzu langer Zeit ernsthaft diskutiert, zum Zwecke der Privatisierung des Kampfes gegen die somalische Piraterie wieder Kaperbriefe auszustellen. Wenn ich mich recht entsinne, wurde das von einem der zur Zeit noch verbliebenen Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner, Ron Paul, vorgeschlagen.
Die USA sind dem Abkommen, durch welches im 19. Jahrhundert Kaperbriefe international abgeschafft wurden, nicht beigetreten.
Wie steht eigentlich die NATO dazu?
Ich muss mal in diese Diskussion mit einem neuen Thema eingrätschen:
Kann mir mal jemand sagen, wie die NATO zu dieser Mandatserweiterung steht? Schließlich ist sie dort mit der Operation Ocean Shield unterwegs, und irgendwie gibt es ja auch eine entsprechenden Abstimmung zwischen NATO, EU, TF 150 und den Einheiten im nationalen Auftrag.
Die Diskussion zur EU Mandatserweiterung und das daraus resultierende neue Bundestagsmandat war ja in den deutschen Medien nicht zu überhören.
Aber macht die NATO oder TF 150 dabei mit, oder wird das ein europaeischer Alleingang?
Vielleicht kann ja mal jemand meine Bildungslücke schließen.
1000 Dank,
Chris
@JCR
Das scheinen mir doch hinreichend verlässliche Grundlagen für eine Übertragung historischer Entwicklungen auf aktuelle Handlungsoptionen zu sein!
Ohne spezifische Reihenfolge:
– Entwicklung zuverlässiger verwaltender Strukturen im Sinne von (staatlichen) Institutionen (für unsere Militärs: Besatzungsmacht?)
– Durchsetzung des Gewaltmonopols: Befriedung/Demilitarisierung/Entwaffnung
– Einführung bzw. Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen (Stichwort: Rechtsstaatlichkeit statt Faustrecht-Lösungen)
– Entwicklung und Förderung individueller (legaler!) Existenzsicherung (Agrarwirtschaft, Handwerk, Handel, Gewerbe)
Daneben: Unterbindung privater (Kriegs-) Waffennutzung, -einfuhr, Sicherung der lokalen Subsistenz-Fischerei (vs. Fangflotten anderer Herkunft) und anderer Nahrungsquellen, Infrastruktur-Projekte (Bildung, Verkehrswege, öffentliche Gebäude…
Ganz normales nation-building halt…
@ Prediger | 27. April 2012 – 16:07
Sehe gerade, dass Sie die Geschichte mit Ron Paul und den Kaperbriefen schon vor mir aufgegriffen haben. Ist mir glatt durchgegangen.
@chickenhawk
Eher zwei D…e ein Gedanke; mein Kommentar war aufgrund der „zwei Links sind pöse“-Regel noch im digitalen Orbit.
@Orontes
Sie schreiben :“Das ist ein entscheidender Punkt, denn im Rahmen des HVR sind die Piraten eben keine Verbrecher, sondern Feind bzw. militärische Ziele.“ Das ist nur richtig, wenn ich die mutmaßlichen Piraten in flagranti erwische…und nicht, wenn irgendwo am Strand irgendwelche Leute rum sitzen und Bootspflege machen.
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist bei Piraterie besonders zu beachten.
@Orontes
Wie gesagt, bin unterwegs. Schreiben ist hier mühsam. Quellen im Detail habe ich nicht zur Hand.
Trotzdem eine kurze Antwort auf Ihre Frage. Ich glaube, Sie verwechseln die ATALANTA-Mission mit einem internationalen bewaffneten Konflikt. Aber das um einen solchen handelt es sich hier nicht, auch wenn der Einsatz militärischer Mittel unstrittig ist.
Vielmehr geht es (unter anderem) um eine Bekämpfung der Piraterie. Dafür wiederum ist das Seerechtsabkommen die einschlägige verbindliche völkerrechtliche Grundlage, dies auch i.S. des HVR. Von Vernichtung (und diese wäre i.S. Ihres Vorschlages sogar präventiv) ist dort meines Wissens keine Rede, wohl aber von Aufbringung, Festnahme, Beschlagnahmung
Entschuldigung, falsche Taste gedrückt plus schlechter Empfang. Hier der Versuch einer Fortsetzung:
… Das heißt, nicht alles ist legitim. Das Völkerrecht erteilt keine Freibriefe, sondern steckt „nur“ einen zulässigen Rahmen.
Ich bin aber kein Gegner des Ansatzes, diesen zulässigen Rahmen konsequent auszuschöpfen, sofern dies Erfolg verspricht und naturlich auch verhältnismäßig ist.
@KeLaBe
„Sie verwechseln die ATALANTA-Mission mit einem internationalen bewaffneten Konflikt. Aber das um einen solchen handelt es sich hier nicht, auch wenn der Einsatz militärischer Mittel unstrittig ist.“
Das versuche ich doch die ganze Zeit zu erklären. Sie bringen hier UNCLOS und HVR durcheinander. Das Vorgehen gegen Piraten an Land wurde von den VN in Sicherheitsrats-Resolution 1851 ausdrücklich mit dem HVR legitimiert. Die VN haben an anderer Stelle noch ausdrücklich erklärt, dass das gesamte Konfliktgeschehen in Somalia im Rahmen des „nicht-internationalen bewaffneten Konflikts“ einzustufen sei. Nur das Vorgehen gegen Piraten auf See erfolgt auf Grundlage der UNCLOS und nicht auf Grundlage des HVR. Kurz gesagt: Auf See muß man festnehmen und vor Gericht stellen, an Land darf man militärisch bekämpfen, und zwar laut VN mit „all means necessary“ (solange die Menschenrechte gewahrt bleiben). Die EU schöpft diese Möglichkeiten gegenwärtig noch nicht aus, hat sich mit der jüngsten Erweiterung von Atalanta auf einen entscheidenden Schritt in diese Richtung bewegt. Völkerrechtlich steht umfassendem „kinetic targeting“ nichts mehr im Wege. Die Links habe ich bereits mehrfach zur Verfügung gestellt.
@klabautermann
„Das ist nur richtig, wenn ich die mutmaßlichen Piraten in flagranti erwische…und nicht, wenn irgendwo am Strand irgendwelche Leute rum sitzen und Bootspflege machen. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist bei Piraterie besonders zu beachten.“
Was Sie hier schildern, ist die Interpretation des HVR durch die Bundesregierung, die Ausdruck des politischen Willens ist, keine großen Risiken einzugehen. Hier gibt es jedoch erheblichen Ermessensspielraum, der von anderen NATO-Staaten genutzt wird. Man könnte auf Grundlage des HVR Piraterie als System definieren und den gesamten Ablauf (solange er auf somalischem Territorium stattfindet) als militärisches Ziel behandeln, so wie es die NATO auch in Afghanistan mit Zielen im Umfeld der Aufstandsbewegung tut.
Das Verhältnismäßigkeitsprinzip bezieht sich dabei stets auf das militärische Ziel. Wenn es das militärische Ziel ist, Piraterie zu unterbinden, dann ist es bezogen darauf verhältnismäßig, Piraten auch unter gewisser Inkaufnahme von Verlusten unter Unbeteiligten zu töten und ihre Infrastruktur zu zerstören. Im völkerrechtlichen Sinne nicht verhältnismäßig wäre die Bekämpfung von Zielen, die mit dem System der Piraterie nichts zu tun haben. Das kann man sehr, sehr weit auslegen. Was z.B. in Afghanistan alles im Rahmen von Verhältnismäßigkeit militärisch möglich ist, würde gewiss manchen deutschen Leser überraschen.
@Orontes
d’accord, aber als deutscher Marineoffizier bin ich nun mal an die deutsche HVR Anwendbarkeitsregeln und Verhältnismäßigkeitsverständnis gebunden. Außerdem sehe ich eine echte Unterscheidung selbst bei den USA zwischen Piraten und Terroristen.
Signature lite strikes gibts nur gegen mutmaßliche Terroristen, bzw. Terrorverdächtige
@klabautermann
„aber als deutscher Marineoffizier bin ich nun mal an die deutsche HVR Anwendbarkeitsregeln und Verhältnismäßigkeitsverständnis gebunden.“
Diese Regeln und das zugrundeliegende Verständnis sind Gegenstand politischer Diskussion, Entscheidungen der Regierung und Abstimmungen im Bundestag und nicht in Stein gemeißelt. So etwas fällt doch nicht vom Himmel, sondern ist politisch gewollt, und wenn sich der politische Wille ändert, ändern sich auch die Regeln. Die Bundesregierung hat sich z.B. bei Afghanistanthemen in der Vergangenheit mehrfach hinter angeblichen Auflagen des Völkerrechts versteckt, wo diese weitaus mehr Handlungsspielraum zugelassen hätten. Wenn die EU bzw. die Bundesregierung aktuell Piratenziele an Land nicht umfassend militärisch bekämpfen, dann hat dies ebenfalls nichts mit dem Völkerrecht zu tun, sondern ist eine politische Entscheidung, die bald schon anders aussehen kann.
„Signature lite strikes gibts nur gegen mutmaßliche Terroristen, bzw. Terrorverdächtige“
Mit ist keine völkerrechtliche Regelung bekannt, die eine Sonderbehandlung der Piraten im Sinne stärkerer Auflagen bei der Bekämpfung erfordern würde?
@Orontes
wir kommen wohl kaum zusammen in dieser Frage…..scheint mir. Für mich ist Pirateriebekämpfung mit militärischen Mitteln nicht identisch mit Piraten militärisch bekämpfen, für Sie offenbar schon.
Atalanta ist kein war on piracy. oder war against pirates.
@klabautermann
„Für mich ist Pirateriebekämpfung mit militärischen Mitteln nicht identisch mit Piraten militärisch bekämpfen, für Sie offenbar schon.“
Worin besteht denn für Sie der Unterschied?
„Atalanta ist kein war on piracy. oder war against pirates.“
Atalanta ist nur deshalb kein „war on piracy“, weil man an sich krampfhaft daran festhält, das Problem im Rahmen der Scheuklappen des Kriminalitäts- oder Entwicklungshilfediskurses sehen zu wollen. Trotz aller Verrenkungen handelt es sich letztlich aber doch um ein klassisches Kriegsproblem bzw. ganz im Sinne von Clausewitz um die Frage, wie man den Piraten durch Anwendung von Gewalt am besten den eigenen Willen aufzuzwingen kann. Alles andere halte ich entweder für zum Scheitern verurteilte Selbsttäuschung (Darstellung als Frage der Kriminalitätsbekämpfung) oder irrationale Utopie (nicht sachlich begründbare Hoffung auf indirekte Reduzierung der Piraterie durch „Nation Building“ und Entwicklungspolitik).
@ klabautermann
Ich finde Ihre Formulierungen sehr treffend. Aber es ist wohl in der Tat zwecklos. Die Diskussion dreht sich im Kreis.
@ Orontes
Bitte lassen Sie wenigstens Clausewitz aus dem Spiel, bevor er sich im Grab herumdreht.
(Und kommen Sie jetzt bitte nicht mit irgendwelchen aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten. Die zu finden ist bei Clausewitz nicht schwer – für nahezu jedes Argument. Was zählt, ist aber seine Grundeinstellung, ob militärische Mittel vorschnell alles andere dominieren dürfen oder nicht.)
@Orontes
Guter Ansatz! Warum machen wir es dann nicht grundsätzlich bei allem was unsere Sicherheit bedroht auf Ihre Art und Weise? Ob der Räuber an Land oder auf See ist, darf doch rechtlich keine Rolle spielen. Lediglich die wahrscheinliche Gefährdung unseres Staates ist ausschlaggebend. Es gäbe viel zu tun und da ist die Gefährdung für die Sicherheit der BRD durch die Piraten (nicht die Partei gemeint) in vielen Bereichen größer als auf dem Meer vor Afrika! Im Moment wird Europa gefährdet durch die mafiösen Aktivitäten der Finanzwelt einschließlich der daraus resultierenden Verminderung unserer militärischen Verteidigungsfähigkeit. Auch wird Europa durch die Energie-, Pharma- und Nahrungsmittelindustrie geradezu ausgenommen! Es ist einfach, Kriminelle als Gefahr für den Bestand eines Staates zu deklarieren und sie dann im Rahmen der Terrorismusbekämfung zu militärischen Zielen zu erklären! Wenn wir dann diese Gefahren erfolgreich bekämft haben, dann schauen wir uns gleich noch die Parteien und ihre Sympathisanten am linken und rechten Spektrum an und erklären diese ebenfalls zu Piraten (Pirat von griechisch: πειρατής peiratés „Angreifer“) und räumen dann mal so richtig auf! Kommt da was bekannt vor? Wer seine Prinzipien/ Grundlagen (Definition militärischer Gegner/ Krimineller/ Partisanen/ Terroristen/ Widerstandskämpfer) Stück für Stück verläßt, weiß oft nicht wo die Grenze ist!
@ Elahan | 28. April 2012 – 11:21
Nun ja, Kriege kann man auch mit anderen Mitteln führen, als mit Waffen. Die von Ihnen aufgeführten Wirtschaftsschlachten im Finanz oder Medizinsektor sind meiner Meinung durchaus eine Art Krieg, nur dass diese Auseinandersetzungen mit den Waffen von Ressourcen, Anwälten, Bestechung, Lobbyismus etc. ausgetragen werden.
Die Mechanismen, mit denen gekämpft wird, ähneln oft sehr den Prinzipien, die klassische Strategen wie Clausewitz lehrten. Aus diesem Grund lehren heute im Prinzip alle renommierten wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten Clausewitz und andere Theoretiker, damit die Studenten lernen, wie man jemanden seinen Willen aufzwingt, wenn mit härteren Bandagen im Wettbewerb interagiert wird. Weil strategische Fähigkeiten auch im Wirtschaftsleben sehr wichtig sind, reißt sich ja die Industrie in den USA so um ausscheidende Top-Offiziere.
Hier Clausewitz zu zitieren, wie Orontes das andeutet, hat durchaus seine Berechtigung. Lediglich in Deutschland hat man so seine Probleme damit, die damit verbundene Nennung von Wahrheiten über das Wesen des Menschen zu akzeptieren. Das passt ja schließlich nicht mehr in das heute verbreitete gutmenschliche Weltbild einer rosaroten Ponyhof- Gesellschaft.
Aber zurück zum Piraten-Problem: Hier haben wir es mit klassischer Anwendung von Gewalt zu tun, die das Ziel der Bereicherung verfolgt. Ich sehe hier keinen anderen Weg, als diese Angriffe nach dem Prinzip Tit for Tat zu unterbinden.
„Nun ja, Kriege kann man auch mit anderen Mitteln führen, als mit Waffen.“
Es geht nicht darum, Krieg zu führen oder oder ihn zu definieren!
Es geht um die Anwendung von sinnvollen Instrumenten, Angemessenheit, Gesetze und ob für die BRD eine Gefährdung besteht! Langfristig gefährden wir unser Militär da wir die geringer werdenden Mittel auf immer mehr und unterschiedliche Einsätze verwenden und dabei auch noch das Personal reduzieren! Am Ende reicht es nicht mehr um Europa vor die tatsächlichen Gefahren zu schützen.
@Elahan
„Warum machen wir es dann nicht grundsätzlich bei allem was unsere Sicherheit bedroht auf Ihre Art und Weise?“
Man kann jede ernsthafte Diskussion ins Lächerliche ziehen, wenn man alle Differenzierung aufhebt. In Deutschland gibt es eine ausreichend funktionierende Polizei und Justiz, in Somalia aber nicht. Zum Vorgehen gegen Piraten stehen keine anderen Fähigkeiten zur Verfügung als Streitkräfte, und es gibt für Deutschland und seine Verbündeten keine andere Rechtsgrundlage zum Agieren dort als das Humanitäre Völkerrecht.
Wie stellen Sie sich denn eine alternative nichtmilitärische Bekämpfung somalischer Piraten praktisch vor? Falls Sie „Nation-Building“ und Entwicklungszusammenarbeit meinen: Selbst wenn das mit einem in Jahrzehnten zu messenden Zeithorizont funktionieren würde (in Afghanistan hat es das nicht, und in Somalia wäre noch mehr Aufwand erforderlich, auch in Form militärischer Dauerpräsenz), wären die Auswirkungen auf die Piraterie minimal. Die italienische Mafia hat ihre Aktivitäten auch nicht eingestellt, nur weil es in Italien einen halbwegs funktionierenden Staat und im globalen Vergleich allgemeinen Wohlstand gibt.
„Wer seine Prinzipien/ Grundlagen (Definition militärischer Gegner/ Krimineller/ Partisanen/ Terroristen/ Widerstandskämpfer) Stück für Stück verläßt, weiß oft nicht wo die Grenze ist!“
Man kann sich durch zu „Prinzipien“ aufgewertete bürokratische Scheuklappen, versteinertes Klammern an Kategorien des Kalten Krieges und bewusstes Ignorieren der sicherheitspolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte (nur staatliche Gegner seien militärische Gegner) auch bis zur totalen Handlungsunfähigkeit selbst einschränken.
@KeLaBe
„Bitte lassen Sie wenigstens Clausewitz aus dem Spiel, bevor er sich im Grab herumdreht.“
Werden Sie doch mal konkret. Wo soll ich Clausewitz denn falsch verstanden haben?
„“Was zählt, ist aber seine Grundeinstellung, ob militärische Mittel vorschnell alles andere dominieren dürfen oder nicht.“
Angesichts der seit sieben Jahren eskalierenden Piraterie mit direkten und indirekten Schäden im hohen zweistelligen Milliardenbereich, Dutzenden entführten Schiffen, einer mittlerweile insgesamt vierstelligen Zahl von Geiseln und einer mutmaßlich vierstelligen Zahl von Hungertoten in Somalia aufgrund erschwerter Nahrungsmittelhilfe könnte man wohl kaum von einem „vorschnellen“ Vorgehen sprechen, wenn man jetzt militärisch handeln würde.
@Oronte
„Man kann jede ernsthafte Diskussion ins Lächerliche ziehen, wenn man alle Differenzierung aufhebt.“ ????
Differenzierung siehe “Wer seine Prinzipien/ Grundlagen (Definition militärischer Gegner/ Krimineller/ Partisanen/ Terroristen/ Widerstandskämpfer) Stück für Stück verläßt, weiß oft nicht wo die Grenze ist!”
Was ist an der Feststellung „Ob der Räuber an Land oder auf See ist, darf doch rechtlich keine Rolle spielen.“ lächerlich?
Gerade ich bin für eine sinnvolle Differenzierung und nicht nach einem reflexartigen Schrei nach Militär unter dem Motto „endlich erwachsen werden“ oder „die anderen die Kohlen aus dem Feuer holen lassen“. Wir hatten ein funktionierendes System im Umgang mit Kriminellen und im Einsatz unserer Soldaten. Heute treiben wir Handel mit iVerbrechern (arabischer Raum), hofieren sie und bekämpfen mit Militär deren Fußvolk! Selbst unser MAD/BND (http://www.wiwo.de/politik/deutschland/rechnungshof-geheimdienste-gefaehrden-bundeswehrsoldaten/6563808.html)
erkennt die Verflechtungen und Strukturen nicht und gefährdet so unsere Soldaten. Hinter den Seeräubern stecken Politiker, sog. Geschäftsleute unter Mafiastrukturen. Dies geschieht nicht nur dort auch die Mafiastrukturen Ukraine, Russland und im arabischen Raum sind eine Gefahr für Europa.
Gefährdung, Aufwand und Mittel stehen bei unserem Auftrag in der Piratenbekämpfung in einem schlechten Verhältnis. Hier werden militärische Ressourcen verschwendet die wir an anderer Stelle abgeben.
„Wie stellen Sie sich denn eine alternative nichtmilitärische Bekämpfung somalischer Piraten praktisch vor?“
Wurde hier schon ausgiebig diskutiert!
http://augengeradeaus.net/2012/02/die-eu-mission-gegen-piraten-der-nachste-schritt/