Veteranen brauchen nicht nur Anerkennung – sondern auch Geld
Noch ist sie nicht so richtig da, die breite politischeDebatte über die deutschen Veteranen, wie sie Verteidigungsminister Thomas de Maizière fordert. Das hat natürlich damit zu tun, dass dieser Begriff für Kriegsheimkehrer den Deutschen – verständlicherweise – nach wie vor seltsam fremd ist, ein Relikt aus den Zeiten der Weltkriege. Aber vielleicht auch damit, dass es bei der Anerkennung der Leistungen dieser Veteranen eben nicht nur um die bloße Anerkennung geht – sondern auch, ein in diesen Zeiten fast noch sensibleres Thema, ums Geld. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, hat das in seiner Kolumne in der Zeitschrift des katholischen Militärbischofs so ausgedrückt:
Auch der Verteidigungsminister ist zu loben, jedenfalls für seine Initiative zur besseren Wahrnehmung und Unterstützung derer, die unserem Land in Auslandseinsätzen gedient haben. Es ist dringend nötig, ihre Leistungen tiefer als bisher im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. Mir ist dabei die Begrifflichkeit nicht wichtig, aber international spricht man bei Einsatzrückkehrern von Veteranen. Eine gesellschaftliche Würdigung an einem Veteranentag wäre ein erster Schritt und ein deutliches Zeichen ihrer gesellschaftlichen Anerkennung. Das darf allerdings nicht das einzige sein, was Deutschland für seine Veteranen tut.
Auch Deutschland muss sich umfassend und aktiv um seine Einsatzrückkehrer und ihre Angehörigen kümmern, auch lange nach ihrem Einsatz und ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Denn oftmals treten die Folgen ihrer Einsatzbelastung erst Jahre oder gar Jahrzehnte später auf. Sie müssen dann ärztlich betreut, finanziell abgesichert und dauerhaft begleitet werden. Der Dienstherr muss diesen Menschen eine Perspektive aufzeigen und ihnen natürlich auch helfen, das Leben wieder in die stabile Bahnen zu lenken, wenn es nach einem belastenden Einsatz aus den Fugen geraten ist. Die Bundeswehr muss aktiv auf diese Frauen und Männer zugehen. Sie ist verantwortlich für sie. Bisher sind sie meist auf sich allein gestellt. Sie müssen sich vieles erkämpfen, was selbstverständlich sein müsste.
Es freut mich deshalb, dass Verteidigungsminister de Maizière die Forderungen nach Würdigung und Verbesserung der Versorgung unserer Veteranen so zügig aufgenommen hat. Denn es ist unbestritten, dass wir das Thema Veteranen viel zu lange vernachlässigt haben. Andere Länder sind uns da weit voraus. Sie haben eigene Veteranenministerien, die auch über große Budgets verfügen. Dem Veteranenminister der USA stehen 126 Milliarden Dollar für die Betreuung von Veteranen zur Verfügung. Wohlgemerkt, pro Jahr. Natürlich sind die Verhältnisse in den USA völlig andere als in Deutschland, aber die Zahl zeigt doch, welche Bedeutung den Veteranen in den Vereinigten Staaten beigemessen wird und was sie der Gesellschaft wert sind. Da sollten wir nicht zurückstehen. Würden wir nur ein Promille dieser Summe aufbringen, könnten wir rund 100 Millionen Euro hierfür aufwenden. Wie gesagt, das wäre umgerechnet weniger als ein Promille dessen, was die USA aufwenden.
Wir in Deutschland haben in Sachen Veteranen also noch einen weiten Weg vor uns, auch wenn wir in den vergangenen Jahren bereits einige wichtige Schritte getan haben. Das Einsatzversorgungsverbesserungsgesetz ist ein solcher Schritt, weitere sollten nun folgen.
Jetzt schauen wir mal, ob sich die Diskussion eher um den Begriff Veteranen oder um die von Königshaus ins Gespräch gebrachten Millionen dreht…
Nachtrag: Es geht in der Tat nicht nur ums Geld. Sondern auch um Zeichen wie das, das die USA am gestrigen 29. Februar mit dem Nation’s Gratitude Dinner für Irak-Veteranen gesetzt haben.
President Barack Obama leads a toast to Iraq veterans being honored during „A Nation’s Gratitude Dinner,“ hosted by President Obama and First Lady Michelle Obama at the White House Feb. 29, 2012. The dinner included men and women in uniform from all ranks, services, states and backgrounds, representative of the many thousands of Americans who served in Iraq and was an expression of the nation’s gratitude for the achievements and enormous sacrifices of those who served there and of the families who supported them.
President Barack Obama shakes hands with a Marine during „A Nation’s Gratitude Dinner“ hosted by President Barack Obama and First Lady Michelle Obama at the White House on Feb. 29, 2012. The dinner included men and women in uniform from all ranks, services, states and backgrounds, representative of the many thousands of Americans who served in Iraq and was an expression of the nation’s gratitude for the achievements and enormous sacrifices of those who served there and of the families who supported them.
(Fotos via dvidshub.net/Sgt. Mark Fayloga)
In den USA sind die Verhältnisse ja nun auch leicht anders. Wenn ich mich nicht sehr irre, fallen in das genannte Budget neben der Versorgung der Veteranen (Reha, Operationen, usw.) auch die Pensionen, die zu zahlen sind.
Selbstverständlich muss das ganze auch mit Geld unterlegt sein. Aber wie es so schön heist, „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, also müssen auch noch andere, sichtbare Zeichen der Anerkennung folgen. Hier denke ich z.B. an einen Tag der Streitkräfte/Veteranen mit entsprechenden Feierlichkeiten, Auszeichnungen usw.
Grundsätzlich ist die Beobachtung des Wehrbeauftragten schon zutreffend: In den USA haben die Veteranen einen ganz erheblichen Stellenwert.
Mit 23, 5 Millionen ehemaligen Soldaten stellen sie auch zahlenmäßig einen relevanten Teil der Bevölkerung dar, die Veteranenorganisationen sind einflussreich und werden von den Politikern umworben (z. B. von Präsident Obama mit einer Ansprache vor einer Versammlung der „American Legion“: http://www.youtube.com/watch?v=8e36_NHQoVI ).
Das hohe Finanzbudget des Department of Veteran Affairs wird zu einem hohen Anteil (fast 90 %) für Gesundheitsfürsorge ausgegeben. In einem Land ohne gesetzliche Krankenversicherung ist die Aussicht auf lebenslange freie Heilfürsorge (unter bestimmten Voraussetzungen) für sich und die Angehörigen ein gewaltiger Anreiz, Soldat zu werden.
Hierbei sollte aber auch nicht vergessen werden, dass es vor einigen Jahren einen massiven Mangel in der Behandlung der Veteranen gab und dies erst nach Veröffentlichung der Zustände in den Medien zu deutlichen Verbesserungen kam.
Vgl. u.a. http://en.wikipedia.org/wiki/Walter_Reed_Army_Medical_Center_neglect_scandal
und die dort angegebenen Quellen
Unabhängig davon ist der Stellenwert der Veteranen (und der Aktiven) in der Gesellschaft außerordentlich hoch – nur dadurch konnte es nach Publizierung des Skandals dann auch schnell zu Verbesserungen kommen.
Die Argumentation „nur ein Promille“ der US-Veteran-Affairs-Mittel ist wohl rein emotional zu sehen. Richtiger wäre es, aus den 126 Mrd. USD die Kosten herauszurechnen, die Bundeswehrsoldaten auch jetzt schon zusteht (Pension, Heilfürsorge, Berufsförderung) und dann auf die Anzahl der zu Versorgenden zu beziehen (Anhaltspunkt aktive Soldaten: US-Streitkräfte 1,46 Mio., BW: noch 0,2 Mio).
Noch wichtiger wäre es, konkret zu schauen, ob das Dept. of Veteran Affairs sinnvolle Dinge für seine Klienten unternimmt, die die Bundeswehr nachmachen könnte.
„Auch Deutschland muss sich umfassend und aktiv um seine Einsatzrückkehrer und ihre Angehörigen kümmern, auch lange nach ihrem Einsatz und ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Denn oftmals treten die Folgen ihrer Einsatzbelastung erst Jahre oder gar Jahrzehnte später auf. Sie müssen dann ärztlich betreut, finanziell abgesichert und dauerhaft begleitet werden. “
Es wäre m.E. schade, wenn der Begriff „Veteran“ primär mit Versorgungsempfängern assoziiert würde. Natürlich muss man den wenigen Veteranen mit Problemen helfen, aber geschätzte 90% der Veteranen sind keine Opfer, um die man sich kümmern oder sie „dauerhaft begleiten“ muss, sondern überdurchschnittlich belastbare und emotional gereifte Menschen mit Erfahrungen, die kaum ein Zivilist jemals so machen könnte. Als solche können Veteranen diese zivilistisch geprägte Gesellschaft unterstützen, und nicht umgekehrt. Den Vereinnahmungsversuchen der Sozial- und Kümmererindustrie stehe ich sehr skeptisch gegenüber.
Mir scheint es der Versuch, eine Diskussion in die Öffentlichkeit zu tragen, die von anderen Themen ablenkt. Das ist um so beliebter, als die angestoßene Initiative keine Finanzmittel erfordert. Als Zugabe bekommt man dann noch den kleinen Keil geschenkt, den man zwischen den Deutschen Bundeswehrverband und dem am 25.8.2010 gegründeten Bund Deutscher Veteranen treiben kann. Obwohl der Begriff des ganzheitlichen Ansatzes schon genug strapaziert wurde, denke ich, dass die gesellschaftlich wünschenswerte sicherheitspolitische Diskussion und die damit verbundene Diskussion über die Stellung der Bundeswehrangehörigen nur gelingen wird, wenn sie nicht in Teilaspekte zersplittert wird. Erklärtes Ziel der Neuausrichtung der Bundeswehr ist es, dass letztlich alle Soldatinnen und Soldaten in den Einsatz gehen. Dadurch haben wir in wenigen Jahren nur noch Veteranen. Insofern halte ich weder den Verband für sinnvoll, noch andere Zusammenschlüsse, die der Verfolgung von Interessen bestimmter Gruppen dienen, da dadurch die Position DER Interessenvertretung, des DBwV, nur unnötig geschwächt wird. Am 15.3. begeht Deutschland den „Tag der Rückengesundheit“. Wann der Tag des Zaunkönigs ist, weiß ich nicht genau, aber ich habe erhebliche Zweifel, dass so etwas wie ein „Veteranentag“ die Sache weiterbringt. Wichtiger wäre, dass es einen deutlichen Abbau büroratischer Hemmnisse in unseren Verwaltungsverfahren zur Anerkennung von Schädigungen bei Veteranen gibt und trotz latentem Missbrauchsverdacht in unserer Neidgesellschaft die erforderlichen Mittel bereit gestellt werden, um echte Hilfe leisten zu können.
@Orontes
Sehr gut auf den Punkt gebracht. Diese Seite der Medaille wird oftmals viel zu sehr vernachlässigt.
Bin sprachlos …
Mit unserer Regierung aus Moralaposteln, die durch jahrzehnte des Friedens jeglichen bezug zur Realität eines (Bürger)Krieges verloren hat und Soldaten, die erstmal zum Psychater müssen, wenn sie jemanden erschossen haben, können wir es nichteinmal mehr mit der polnischen Feuerwehr aufnehmen. Frankreich wäre sicher noch drin, aber für Polen sehe ich schwarz.
Was unsere „Veteranen“ angeht, und damit meine ich alle Leute die aus dem mil. Dienst ausscheiden, haben diese in Deutschland wesentlich bessere Chancen ins Zivilleben integriert zu werden. Das ist hauptsächlich der verdienst des BFD und der guten zusammenarbeit aus Militär und Wirtschaft. Schule -> Ausbildung -> Soldat+Weiterbildung->Wirtschaft beziehungsweise Schule ->Soldat+Studium/Ausbildung->Wirtschaft.
Das ist im internationalen Vergleich ERSTKLASSIG!
Soviel unterstützung bekommen Amerikaner nicht.
Feiertage, Ehrungen, Selbstbeweihräucherungen.. pfft. . echt, ihr macht hier ein Faß auf.
Soldat sein, ist nun mal ein Beruf. Und wer diesen nur für kostenlosen Zahnersatz macht ist da falsch.
TW, entschuldigen Sie meine harschen Worte, doch dieses Thema wird in der Gesellschaft gerade in die völlig falsche Richtung getrieben. Insbesondere wo nun auch der letzte Politiker auf den Zug „mach was für den PTBS Soldaten, das gibt gute Presse“ aufgesprungen ist.
Mal ein paar Zahlen vom Grossen Bruder
http://www.usgovernmentspending.com/year_spending_2012USbn_13bs1n_303233#usgs302
und immer dran denken, die Amerikaner rechnen Sparen nur vom letzten Budget. Ich empfehle dazu mal einen Vergleich der Zahlen von 2007 (Oben FY -5yrs).
Wenn man bei Veterans aufs plus klickt, kommen die genauen Zahlen.
So sieht es aus, wenn das Parlament der Meinung ist, die Aufgaben sind groesser als das Budget (und dabei das Haushaltsdefizit ausser acht laesst).
http://www.wired.com/dangerroom/2012/03/congress-navy/
Und das sind die Folgen eines Statistik basierten Abbaus, weil nur so verhindert man Klagen
http://hamptonroads.com/2012/03/navy-thinning-forcing-out-thousands-sailors
Und das passiert einem US Veteranen, der kurz vo dem Selbstmord steht, die Veteran Helpline Hotline anruft und diese ihm hilft, er sich aber ungluecklicherweise waehrend seines Anrufs auf oeffentlichem Gelaende befunden hat:
http://www.washingtonpost.com/local/crime/veteran-who-called-suicide-line-offered-counseling-to-avoid-charges/2012/02/27/gIQAOOGNeR_story.html