Tiger & NH90 für Afghanistan: Druck aus der Politik
Die Verzögerungen beim Kampfhubschrauber Tiger und beim Transporthubschrauber NH90, die später als geplant – und dringend benötigt – in den Afghanistan-Einsatz gehen werden, haben auch die Politik aufgeschreckt. Allerdings macht mich die heutige Pressemitteilung der Abgeordneten Bernd Siebert (CDU) und Florian Hahn (CSU) ein klein wenig ratlos:
Es ist absehbar, dass unsere US-Verbündeten ihre Präsenz in Nordafghanistan im nächsten Jahr deutlich ausdünnen werden. Besonders der Verlust von amerikanischen Hubschrauberkapazitäten wird die Bundeswehr beeinträchtigen, wenn bis dahin kein adäquater Ersatz zur Verfügung steht. Unsere Soldaten benötigen deshalb zeitnah eine eigene nationale Alternative. Vorrangig sind hier die Medevac-Version des NH 90 zum 1. Quartal 2013 und die Feuerunterstützung durch den Kampfhubschrauber Tiger zum 4. Quartal 2012 in Betracht zu ziehen.
Zwingende Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Fortsetzung des deutschen Engagements bei ISAF ist die Fähigkeit zur medizinischen Evakuierung aus der Luft. Zusätzlich ist die Anwesenheit des Tigers und seine überlegene Waffenwirkung militärisch sinnvoll. Auch der psychologische Effekt der Präsenz von Kampfhubschraubern kann zur Deeskalation von gefährlichen Lagen beitragen und damit unsere Soldaten schützen.
Beide Seiten, Industrie und Verteidigungsministerium, haben sich in den letzten Wochen in konstruktiver Weise um eine Lösung bemüht. Erfreulich war, dass gegenseitige Schuldzuweisungen unterblieben sind und eine sachgerechte Entscheidung angestrebt wurde. Entscheidend bleibt für uns, dass unseren Soldaten in Afghanistan keine sicherheitsrelevante Lücke entsteht. Daher erscheint es verantwortbar, auf eine funktionierende Option abzustellen und eine „Goldrandlösung“ zu verwerfen.
Mit der Lagefeststellung haben die beiden Unionsabgeordneten sicher recht. Aber ich hab‘ noch nicht ganz verstanden, was die funktionierende Option gegenüber der Goldrandlösung ist. Ich hab‘ daraufhin mal nachgefragt: Wenn alle technischen und logistischen Voraussetzungen erfüllt seien, so die Antwort, sollte die Truppe – insbesondere beim Tiger – das Training bis zum Jahresende intensivieren, um die Piloten mit ihren Maschinen schnellstmöglich an den Hindukusch zu bekommen.
Nun hatte ich gestern schon auf die Auskunft verwiesen, dass nach offiziellen Angaben nach (!) Zulauf der neuen Tiger-Version noch drei Monate Ausbildung erforderlich sind. An der Stelle setzen Siebert und Hahn wohl an. Andererseits, höre ich aus dem Heer, werden die Maschinen doch – verspätet – im Herbst/Winter geliefert. Und das sei, witterungsbedingt, ohnehin eine schwierige Zeit für Flugausbildung…
(Und, diese Wahrnehmung ist bestimmt nur meiner flapsigen Art geschuldet: Der Satz Erfreulich war, dass gegenseitige Schuldzuweisungen unterblieben sind und eine sachgerechte Entscheidung angestrebt wurde könnte auch heißen: gut, dass die Bundeswehr die Lieferverzögerungen der Industrie ohne großes Klagen hinnimmt?)
@J.H., @all:
Und nicht nur „im tiefesten Frieden in der Heimat“ sieht es in Sachen HEMS und SAR sehr bitter aus, sondern schon längst und wohl b.a.w. auch in AFG im Bereich PR, MEDEVAC und CASEVAC und ebenso bei den Auslandseinsätzen unserer Kameraden Marineflieger (…. dank Eurocopter, weil schlichtweg nicht vertragstreu und lieferfähig).
Diesen SOS-Schrei hat selbst der StS Wolf verstanden. Nur die offenbaren Folgerungen, dass das der von den Marineflieger favorisierte den MH92 „Superhawk“ aus politischen Gründen nicht einmal geleast werden, um keine zweite Logistikschiene aufbauen zu müssen, ist nicht mehr nachvollziehbar, geht es doch um Menschenleben!
Im Übrigen ist das Argument mit der „zweiten Logistikschiene“ nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Verantwortlichen (Beschaffer und Haushälter) keine Ahnung von ihrem eigenen Job haben!
Wenn ein EADS-LUH 72A Lakota (345 an der Zahl) per BWI-PPP-Vertrag mit Sikorsky und einem technisch und logistisch „rundum Sorglospaket“ in den USA ohne den Aufbau einer „militärischen Logistikschiene“ versorgt werden kann, dann wird das Sikorsky bzw. United Technologies für sein eigenes Produkt und für die paar MH92 Superhawk bei der deutschen Marine auch gerade noch schaffen und Rheinmetall sowie RUAG (Wessling) stehen längst als Deutsche Subcontractor Gewehr bei Fuss.
Das vermeintliche politische Argument ist meines Erachtens deshalb nicht anderes als ein längst durchschaubarer Protektionismus des BMVg gegenüber dem Haus & Hoflieferanten (wie auch bei den ca. 10 benötigten MEDEVAC- und CASEVAC- sowie ARH- und AH-fähigen SOF-LUH bestens bekannt und obwohl in Sachen BWI-PPP-Vertrag durch sehr ähnliche Konstellationen geprägt)!
@Vtg-Amtmann:
„ebenso bei den Auslandseinsätzen unserer Kameraden Marineflieger (…. dank Eurocopter, weil schlichtweg nicht vertragstreu und lieferfähig).“
Widerspruch: es gibt zum MH90 keinen Kaufvertrag – also kann EC auch nicht vertragsuntreu sein.
Zu den Forderungen der Marine: Zu Beginn des NH90-Hypes ließ sich die Marine überzeugen, dass ein MH90 SeaKing und SeaLynx ersetzen kann.
Mehr als 10 Jahre später merkt man, dass das – wie überaschend – nicht wirklich zweckmäßig ist und fordert den S-92. Darauf hätte man aber auch schon vor Jahren mit nem Revell-Katalog kommen können.
Ist das jetzt die Schuld von ECD???
Wenn schon Kritik an ECD, dann an den richtigen Stellen.
@Memoria:
Wort- und vertragsgetreu haben Sie absolut recht, insofern wurde meinerseits etwas „lax“ formuliert. Aber bleiben wir bei den Fakten, zunächst ist die Marine auf den Hype MH90 aufgesprungen und die Beschaffer sowie die Haushälter waren mit einem Vertrag zurückhaltend bzw. abwartend- Dann erlebte die Marine das Drama beim TTH, die Verzögerungen bei der Entwicklung des MH90 und man beobachtete auch sehr kritisch die ersten Einführungen des NFH bei unseren Verbündeten (Anfang 2010). Spätestens dann bekam man entgültig kalte Füsse und oponierte massiv gegen den MH90. Im September 2010 liefen ja dann auch die ersten Interessensbekundungsverfahren für alternative Marinehubschrauberlösungen durch das BWB. Wieso hat hierbei Eurocopter andere Txpen angeboten als eben den MH90, um dem S92 und dem AW101 Paroli zu bieten?