Der Landarzt trägt bald Uniform

Ups, da bin ich mit der Überschrift wieder übers Ziel hinausgeschossen. Aber etwas was Wahres ist schon dran, wie ich heute in einem Pressegespräch mit dem Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Ingo Patschke, lernen konnte: Wie bisher schon – und nach der Bundeswehrreform noch mehr – muss die Sanität den Spagat zwischen Einsatz- und Inlandsversorgung meistern – und die Präsenz von Truppenärzten auch da hinbekommen, wo es personell sehr eng wird. Denn ein Minimum von drei Ärzten und zwei Zahnärzten, rechnet Patschke vor, ist eigentlich erforderlich – weil es nicht nur Auslandsinsätze für diese Ärzte gibt, sondern auch Dinge wie Urlaub, Krankheit und natürlich auch Schwangerschaft. Meine Kräfte werden definitiv nicht reichen, sagt Patschke. Trotz der geplanten Aufstockung der Dienstposten für Ärzte von 2.500 auf 3.000.

Das führt dazu, dass vor allem in kleineren Standorten nicht wirtschaftlich eine Sanitätsversorgung stationiert werden kann – andererseits ist eine Fahrt zum Arzt von mehr als 30 Kilometern nicht nur unsinnig, sondern auch den Soldaten nicht zumutbar. Einer der möglichen Auswege: An solchen kleineren Standorten, gerade in dünn besiedelten Gebieten auf dem Land, fehlt es auch an einer ärztlichen Versorgung für die Zivilbevölkerung. Warum deshalb nicht, so eine Überlegung, einen Kassenarztsitz für Bundeswehr-Ärzte etablieren – die dann als Truppenärzte da sind, aber sich auch an der zivilen ärztlichen Versorgung beteiligen (und auf diesem Weg zum Teil finanziert werden)? Einen comprehensive approach, den ganzheitlichen Ansatz, auch im Inland nennt das der Sanitäts-Inspekteur. Die Verhandlungen  mit den Kassenärztlichen Vereinigungen laufen schon.

Ansonsten ist natürlich auch der Sanitätsdienst – wie alle Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche – mitten in der Neustrukturierung. Künftig wird er bedienen können (und müssen)

3 Einsatzlazarette (Container und fest in Gebäuden installiert)

6 Rettungszentren und 6 Rettungszentren leicht

1 mobiles Einsatzrettungszentrum (MERZ) auf einem Einsatzgruppenversorger und

12 Sanitätsrettungsstaffeln, sehr nah an der Truppe, für die Verwundetenversorgung

Der Einsatz, das betont der Inspekteur, ist die Hauptaufgabe des Sanitätsdienstes, und die habe sich gerade bei Auslandsmissionen in den vergangenen Jahren ziemlich massiv gewandelt. Nicht zuletzt durch eine bessere Ausbildung der Ersthelfer in der Kampftruppe – die rettbaren Soldaten können tatsächlich gerettet werden. Soll heißen: Wer zu Zeiten des Koreakrieges eine Verwundung nicht überlebt hätte, kann heute dank der Hilfe der Erstretter am Leben erhalten werden. Was in der Folge bedeutet, dass die Ärzte und Sanitäter Soldaten mit deutlich schwereren Verwundungen auf den OP-Tisch gelegt bekommen.

In der künftigen Struktur auch noch bemerkenswert: Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser, die  mit der Versorgung auch der Zivilbevölkerung teilweise in Konkurrenz zu zivilen Kliniken stehen, sollen sich auf das Label Notfallversorgung konzentrieren. Nicht auf den Hüftein- und -ausbau, der durchaus Geld bringt, oder Brustimplantate, sagt der Sanitätsinspekteur. Allerdings, auch das eine geplante Neuerung, soll es auch an diesen – letzten – staatlichen Krankenhäusern zugehen wie im wirklichen Leben: Wollen sie konkurrenzfähig sein, darf eine Stelle nach Kündigung einer OP-Schwester nicht bis zur Neubesetzung sechs Monate vakant bleiben. Sondern muss sofort nachbesetzt werden. Und sei es vorübergehend mit einem Zeitarbeitsvertrag.

Die Diskussion über das Selbstverständnis der Angehörigen des Sanitätsdienstes, angefacht durch ein Urteil, das auch ihnen ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung zubilligt, beschäftigt natürlich auch den Inspekteur. Anders als früher müsse die Truppe auch die Ärzte und Sanitäter ausbilden zum Überleben. Und die Debatte, wie viel Soldat ein Arzt ist, sagt Patschke, ist auch für mich eine Baustelle.