Afghanisches Parlament widerspricht weiter Einzeltäter-These
Der Streit um den Hergang des Massakers von Panjwai in der afghanischen Provinz Kandahar am vergangenen Sonntag hält an. Die afghanischen Abgeordneten, die eine Untersuchungskommission entsandt hatten, widersprachen auch am Samstag vehement der Einzeltäter-These. Der Sender ToloNews berichtet:
„About 15 to 20 persons were seen, as well as two helicopters and an aircraft in the sky of the village while the operation took place,“ Shakila Hashimi, the parliamentary member who presented the report, said.
„This brutal action took place with two groups and it had already been planned and deliberated on.“
ISAF und die USA bleiben bislang dabei, dass es sich um einen einzelnen US-Soldaten handelte, der aufgrund von Alholgenuss und psychischer Belastung zum Massenmörder wurde. Er wurde inzwischen in die USA gebracht.
Wenn die USA bei der Einzeltäterthese bleiben dann wird der Mann, nach Meinung von Pat Lang, wohl keine Strafe bekommen sondern in eine Anstalt für psychisch Kranke eingewiesen werden.
Da es wohl kein öffentliches Verfahren mit Befragung der afghanischen Zeugen geben wird, werden die Afghanen bei ihrem jetztigen Auffasung einer Massentat bleiben.
Was das für den Auftrag bedeutet kann sich jeder selbst ausmalen.
Laut der zitierten Meldungen bestand die Kommission jedoch aus Abgeordneten und nicht aus Ermittlern, und die Abgeordneten gründen ihre Bewertung ausschließlich auf Gespräche mit Personen vor Ort und ihre persönliche Meinung. Ich habe aufgrund eigener Erfahrung sowohl mit Gesprächsführung in ähnlichen Situationen als auch mit der Arbeit afghanischer und anderer Stellen eine Vorstellung davon, wie das abgelaufen sein mag und behaupte, dass der afghanische Bericht so nicht ernstzunehmen ist.
Aussagen der Kommission wie „This brutal action …had already been planned and deliberated on“ unterstreichen, dass hier wohl eher eine Mischung aus politischen Interessen und emotionalen Reflexen am Werk war als ernsthaftes Ermittlungsinteresse, denn Belege für diese weitreichende Hypothese werden nicht genannt. Selbst wenn die genannten Beobachtungen (Zahl der beobachteten Personen, Hubschrauber etc.) so zutreffen würden und in einem Zusammenhang zu den Tötungen stehen würden (Hubschrauber- und Flugzeuggeräusche dürften in der Region und insbesondere im Umfeld einer FOB mit SOF-Kräften allgemein nachts nicht ungewöhnlich sein), würden sie trotzdem zu mehreren Hypothesen passen. Ein seriöser Bericht hätte dies erwähnt, statt Empörungsrhetorik zu verbreiten.
Eine forensische Untersuchung würde rasch und zuverlässig belastbare Aussagen z.B. darüber zulassen, wie viele unterschiedliche Schusswaffen verwendet wurden. Es wird Gründe dafür geben, dass von afghanischer Seite eine solche Untersuchung offensichtlich nicht durchgeführt wurde.
@b
„Da es wohl kein öffentliches Verfahren mit Befragung der afghanischen Zeugen geben wird, werden die Afghanen bei ihrem jetztigen Auffasung einer Massentat bleiben.Was das für den Auftrag bedeutet kann sich jeder selbst ausmalen.“
Die Bevölkerung scheint so wie im Kunduz-Fall 2009 mit Masse eher gelassen zu reagieren:
http://www.nytimes.com/2012/03/15/world/asia/disconnect-clear-in-us-bafflement-over-2-afghan-responses.html
Eine Rolle dürfte das aber m.E. nicht mehr spielen, und ISAF ist so oder so am Ende.
Ich denke mal, die Untersuchungen werden die USA schon selbst vornehmen, ansonsten werden sie den Fall nicht unter rechtsstaatlichen Verhaeltnissen führen koennen. Ob die Afghanen diesen Untersuchungen jedoch Vertrauen werden, wage ich dann, angesichts der bereits begonnenen Legendenbildung, jedoch zu bezweifeln.
Die gut verdrahtene Analysten bei Swoop fassen in ihrem Wochenbericht wie folgt zusammen:
Das deckt sich mit der Aussage von TdM zu dem Termin einer neuen Strategie.
Zu dem Vorfall gibt es mittlerweile einen eigenen Wikipedia-Artikel mit reichhaltigem Quellennachweis:
http://en.wikipedia.org/wiki/Panjwai_shooting_spree
Ich will diese Tat jetzt keinesfalls verteidigen, nur frage mich ja schon die ganze Zeit, warum diese Entrüstung usw. nicht auftritt, wenn die Taliban mal wieder ein Massaker anrichten (gabs nicht erst neulich ne IED mit 13 toten Frauen und Kindern? Und wie oft wurden westliche Truppen schon von Moscheen aus beschossen?)…warum regt sich da keiner auf, protestiert und ruft zum Kampf gegen die auf? Wo ist da die Berichterstattung? Ist es jetzt okay wenn die Verbrechen begehen? Dieses Land macht mich nur noch zornig in letzter Zeit….
Dieses Land gehört dahin, wo wir es vorgefunden haben, da andere es schon dort nach bitteren Erfahrungen dort entsorgt haben: Auf der Müllkippe der Zivilisation.
@ ab … heimvorteil.
warum bekommt dynamo von der Presse immer a schellen dasses dampft, aber die annern vereine mit ner verwarnung davon.
welts halt ungerecht.
@AB
„…warum regt sich da keiner auf, protestiert und ruft zum Kampf gegen die auf? Wo ist da die Berichterstattung? Ist es jetzt okay wenn die Verbrechen begehen? Dieses Land macht mich nur noch zornig in letzter Zeit…“
Mit dem Scheitern des Afghanistan-Einsatzes stirbt vielleicht auch der westliche Glaube an die „eine Welt“, in der alle Menschen in Gleichheit vereint mutmaßlich gemeinsamen (d,h. westlichen) Werten folgen und kulturelle Unterschiede rein oberflächlich-folkloristischer Natur sind, seinen verdienten Tod.
@Orontes: „Mit dem Scheitern des Afghanistan-Einsatzes stirbt vielleicht auch der westliche Glaube an die “eine Welt”, in der alle Menschen in Gleichheit vereint mutmaßlich gemeinsamen (d.h. westlichen) Werten folgen . . . “ So billig kommen wir leider nicht davon: ISAF war ja schon der Versuch, das westliche Wertesystem („Pluralität, Toleranz und, ja, auch Menschenrechte“) militärisch durchzusetzen. Das wirklich schmerzhafte an diesem speziellen Scheitern JETZT ist doch aber, dass wir uns im Konflikt mit den Barbaren (Taliban) selbst zu Barbaren gemacht haben. Siehe nur oben AB: „ . . . warum regt sich da keiner auf, protestiert und ruft zum Kampf gegen die auf?“ Damit stellen wir uns selbst auf das gleiche Niveau wie die Taliban.
@Zivi a.D.
„Das wirklich schmerzhafte an diesem speziellen Scheitern JETZT ist doch aber, dass wir uns im Konflikt mit den Barbaren (Taliban) selbst zu Barbaren gemacht haben. …Damit stellen wir uns selbst auf das gleiche Niveau wie die Taliban.“
Die Taliban haben aus einer Situation der Schwäche heraus erfolgreich mehr als zehn Jahren Bekämpfung durch einige der machtvollsten Akteure der Welt standgehalten und werden sich am Ende wohl durchsetzen. Dies ist eine militärische Leistung, die ihres Gleichen sucht, und Paschtunen werden als Resultat dieser Leistung vielleicht auf Jahrhunderte hinaus den Ruf genießen, militärisch so gut wie unbesiegbar zu sein. Die Bundeswehr oder andere NATO-Armeen sind leider weit davon entfernt, das „Niveau der Taliban“ auch nur annähernd zu erreichen, und niemand hat einen verlorenen Krieg nachträglich gewonnen, indem er sich zum moralischen Sieger erklärte. Wir haben Glück, dass diese Niederlage keine totale ist und uns das Versagen von Politik und Bundeswehr die Gelegenheit zum Lernen gibt.
Man kann aus der wahrscheinlichen Niederlage auch die Schlussfolgerung ziehen, dass man offenbar Barbar sein muss, um in solchen Situationen erfolgreich zu sein. Vielleicht fehlen uns ja einige „barbarische“ Eigenschaften wie Durchhaltewillen, Risikofreude, ein positives Verhältnis zum Kampf, Leidensfähigkeit, ein absoluter Ehrbegriff sowie kompromissloser Fanatismus bei der Verteidigung des eigenen Territoriums und Volkes? Und wie können wir uns ggf. so barbarisieren bzw. an das Niveau der Taliban heranführen, dass wir den nächsten Krieg, bei dem es vielleicht um sinnvolle Dinge wie Landesverteidigung geht, nicht verlieren werden?
@Orontes:
„Die Taliban haben aus einer Situation der Schwäche heraus erfolgreich mehr als zehn Jahren Bekämpfung durch einige der machtvollsten Akteure der Welt standgehalten und werden sich am Ende wohl durchsetzen. Dies ist eine militärische Leistung, die ihres Gleichen sucht.“
Zumindest ähnliche Fälle gibt es doch zu hauf: Chlodwig vs. Varus, Amerikaner vs. Briten (Unabhängigkeitskrieg), Briten vs. Afghanen (2x), Franzosen vs. Vietminh, Franzosen vs. FLN, Amerikaner vs. Vietminh, Sowjets vs. Mudschahedin, NATO vs. Taliban). Entscheidend ist eben der Wille. Einen recht guten Überblick gibt Wiliam R. Polk (Aufstand. Widerstand gegen Fremdherrschft: vom amerikanischen Unabhängig-keitskrieg bis zum Irak, Hamburg 2009).
@Memoria
„Entscheidend ist eben der Wille.“
Diese Erkenntnis müsste angesichts der bevorstehenden Niederlage eigentlich eine umfassende Diskussion über die in Afghanistan offenbar gewordenen Schwächen der sicherheitspolitischen Kultur Deutschlands zur Folge haben. Man diskutiert aber lieber über PTBS und „Attraktivität des Dienstes“, so als hätte die Niederlage daran gelegen.
Ich meine: Wir brauchen einen „Almanwali“, analog zum sicherheitspolitisch gerade im Bereich Landesverteidigung so erfolgreichen psychologischen bzw. auf den Willen zielenden Konzept der Paschtunen. Das wäre m.E. viel wichtiger als neue Technik, die ohne menschlichen Willen dahinter nicht von alleine kämpfen kann.
Es gibt aber auch genügend Beispiele, wie man solche Aufstände niederschlägt bzw. Besatzungen durchdrückt.
„Entscheidend ist eben der Wille“
Und das Wissen, das es eben blutig wird. Das muss man akzeptieren oder lässt es eben sein.
„Man diskutiert aber lieber über PTBS und “Attraktivität des Dienstes”, so als hätte die Niederlage daran gelegen.“
Am fehlenden Willen oder hinreichender Brutalität unsererseits hat es ganz bestimmt auch nicht gelegen! Beides haben frühere „Zivilisierungsversuche“ in Afghanistan und auch viele andere Konflikte (Unabhängigkeitskrieg, Vietnam, Algerien etc) nicht vermissen lassen. Geholfen hat es trotzdem nicht. Die Realität ist wohl eher, dass dieses Land grundsätzlich nicht durch christliche Ausländer zu kontrollieren ist. Wie könnte es auch, wenn es doch die Afghanen bisher nicht mal selbst hingekriegt haben – seit mehreren Generationen!
Im übrigen vertrete ich die Auffassung, dass die Vorfälle der letzten Zeit der amerikanischen Regierung eher nützlich als schädlich sind, liefern sie doch dringend nötige Begründungen für den längst beschlossenen Abzug und ersparen einem lästige Debatten über verfehlte Strategien und ähnliches.
Entscheidend ist der Wille? Naja, so lapidar läßt sich das jetzt nicht abfertigen und es ist eine Watsche denen gegenüber, die dort zur Verteidigung UNSERER Interessen ihren Schädel in die Schußbahn gebracht haben. Das Problem ist vielmehr, dass ein konzentrierter Einsatz militärischer Mitel in Afg leider so einfach nicht möglich ist, da die Gegner sich nicht als solche zu erkennen geben und sich zusätzlich noch in einer Menge Zivilisten verschanzen. Will man also eine mil. Operation durchführen, trifft man unweigerlich die Falschen. Und das ist nicht nur aus mil. Sicht, sondern auch aus humaner, zivilisierter Sicht zu vermeiden. Des Weiteren hat die Mehrzahl der Ins. nicht wirklich viel zu verlieren, kann aber im Gegenzug relativ viel gewinnen. Meint politischen und wirtschaftlichen Einfluß in einem der local Clans. Dazu kommen noch Zusagen zur wirtschaftlichen Unterstützung der Hinterbliebenen im Todesfalle und schon braucht sich jemand nicht mehr um das Wohl seiner Familie sorgen und greift deshalb zur Waffe. Der einzige Weg, so er nicht wie in Nordafrika aus dem Inneren der Bevölkerung initiiert wird, ist ein gewaltiger, grausamer militärischer Großangriff ohne Rücksicht auf Unbeteiligte. Das ist, by the way, die Meinung, die mir hier in den USA aus allen Richtungen entgegenschwappt. Egal mit wem ich bisher gesprochen habe, alle sagen, raus aus Afg und dann ein massiver Bombereinsatz, um Zitat:“Die Afghanen in die Steinzeit zurückzubomben, wo sie hingehören.“ Schon erschreckend, zeigt es doch die Hilflosigkeit mit der wir, als vereinte Nationen mit all unsrer hochentwickelten Militärtechnik, einem so asymetrischen Gegner gegenüberstehen. Gehen wir aus Afg. raus, passiert binnen Wochen das Gleiche wie knapp 40 Jahre zuvor. Das ist ein Fakt und wer sich davor verschließt, belügt zumindest sich selbst. (Kleiner Wink mit einem Zaun in Richtung unsrer politischen Prominenz) Ein Zitat aus einem klischeebehafteten typisch amerikanischen Film sagt sehr treffend: „Eine Armee ist kein Skalpel sondern ein Breitschwert.“ Und wenn man dieses erfolgeich einsetzen möchte, dann verursacht das GROSSFLÄCHIGEN Schaden. Klingt abgedroschen und oberflächlig, trifft es jedoch auf den Punkt.
@Orontes + vuesch:
Der eingesetzte Wille ist nunmal abhängig von den Zielen. Auf unserer Seite sind diese minimal (politische Solidarität) – für die Gegenseite fundamental (nationale, kulturelle und religiöse Ehre, Ende der Fremdbestimmung, etc).
Wenn wir im Bereich der Landesverteidigung sind, werden auch wir politisch eine andere Willenstärke aufweisen. Es kommt eben darauf an wie wichtig der Zweck ist.
Das wiederum hat schon Clausewitz versucht zu erklären.
@Roman:
Neben dem Austand in Syrien in den 80er Jahren ist mir kein erfolgreiches Beispiel bekannt (evtl gibt es dort bald eine Wiederholung), daher wäre ich an ihren „genügend Beispielen“ interessiert. Diese sind jedoch eher für die Theoriediskussion interessant, da sie für westliche Gesellschaften nicht anwendbar sind.
Die NATO-Truppen sind in Afghanistan eben doch nicht so beliebt und die Taliban so unbeliebt, wie uns dies unsere Medien versuchen glaubhaft zu machen. Deshalb die unterschiedliche Bewertung der Gewalttaten. Westliche Werte sind nicht östliche Werte und auch keineswegs universal. Jedes Volk bestimmt eben seine Werte, insbesondere was Menschenrechte sind, frei und eigenständig. Dies nennt die UN-Charta das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Es wollen eben die Völker der Welt mehrheitlich nicht an unserem Wesen genesen. Wir wollen sie in ihrer Heimat mit Gewalt vom Schleier befreien, während sie in Europa vor Gericht für den Schleier kämpfen. Es wird Zeit für uns diese Region schnellstens zu verlassen. Insbesondere für die Bundeswehr würden dann enorme dringend benötigte Mittel frei. Nach unterschiedlichen Berechnungen kostet dieser Krieg die Bundesrepublik jährlich 2 bis 4 Milliarden Euro.
Und es wird nachgelegt:
Probe team: Women sexually assaulted before killing in Panjwai
Jetzt geht es auch noch um die Ehre der afhanischen Frauen. Das wird die Stimmung weiter anheizen.
Aber macht es nur um so unglaubwürdiger. Zum Thema, wie schon jemand vor mir geschrieben hat, kann man so einen Aufstand niederschlagen, nur die dann verwendeten MIttel sind nicht vereinbar mit den westlichen Werten. D.h. man weiß es gibt in einem Dorf Aufständische also geht man in das Dorf und erschießt alle Männer.
Spontan zum Thema erfolgreiche Niederschglagung eines Aufstandes ist mir die kurzzeitige Revolution von 1848, die dann son preussischen und österreichsichen Truppen niedergeschlagen wurde eingefallen.
@Zivi a.D.
So war das nicht gemeint. Nur habe ich im Augenblick irgendwie das Gefühl, dass in den Augen der afghanischen Bevölkerung die Taliban die Guten sind und wir die Bösen, und das obwohl, trotz der kulturellen Unterschiede, es meines Wissens nach in keiner Kultur besonders hoch angesehen ist, absichtlich und gezielt Frauen und Kinder anzugreifen und zu töten. Und das ist etwas, was (meines Wissens nach) doch die Taliban ständig tun, nicht wir. Sicher, es kommt vor dass bei ISAF- und OEF-Missionen auch Frauen und Kinder getötet werden, doch passiert das dann denke ich nicht absichtlich. Im Gegensatz eben zu den Taliban. Die nehmen das bewusst in Kauf, bzw tun es absichtlich, schüchtern Dorfbewohner mit Repressalien ein, begehen Morde, hängen Kindern an den Füßen auf, usw. Ich denke es sollte mit jedem kulturellen Hintergrund klar sein wer hier die Barbaren sind. Es gibt immer noch Unterschiede zwischen Krieg (der natürlich hässlich ist) und solcher Barbarei. Wie vor ein paar Jahren, als in Pakistan im Swat-Tal alles drunter und drüber ging. Da haben Dorfbewohner die Waffe in die Hand genommen und sich gegen die Taliban gewehrt. Wir sind irgendwie immer nur die ausländischen Deppen und Mörder, die an allem Schuld sind und nur gut zum Entschädigung zahlen sind.
Augenzeugenberichte über einen angeblichen „zweiten Täter“ oder „mehrere Täter“ tauchen häufig nach schlimmen Verbrechen oder Amokläufen auf.
Auch beim Massaker auf der norwegischen Insel Utoya gab es rasch Augenzeugenberichte über einen zweiten Täter.
So berichtet z.B. die WELT am 24.7.11 :
„Erst zündete er die Bombe, dann schoss der Täter in einem Ferienlager um sich. Einige Überlebende sagen, er habe dabei Hilfe von einem zweiten Schützen gehabt.“
Augenzeugenberichten stimmen in solchen Extremsituationen häufig nicht mit dem realen Tatgeschehen überein. Dies wissen Ermittler in Europa. Es scheint aber möglich, dass in Afghanistan mit solchen Berichten bewusst Stimmung geschürt wird oder eher unbewusst das unbegreifliche Geschehen irgendwie so interpretiert wird, dass es ins Weltbild passt.
@ Memoria
Fangen wir bei Staat vs. Aufständische an:
Die März-Revolution 1848 wurde schon genannt. Es folgen die Niederschlagungen der Putsche und Aufstände innerhalb der Weimarer Republik. Syrien 1980. Berlin 1953 und Prager Frühling 1969 sind auch Beispiele, wobei die Opposition hier auf den Einsatz von Gewalt weitestgehend verzichtet hat. Der Ungarn-Aufstand 1956 ist ebenfalls ein gutes Beispiel, ebenso wie der Algerienkrieg. Die FLN wurde zerschlagen, der Aufstand ist weitestgehend zusammengebrochen. Das Algerien doch unabhängig wurde, hatte weitergehende Gründe. 1970-71 dann der gescheiterte Aufstand der PLO in Jordanien. Daneben kann man den Irak auf aufzählen, gerade bei seinem Umgang mit den Kurden oder eben nach dem zweiten Golfkrieg.
Israel und die Palestinensergebiete sind m.E. ziemlich gute und moderne Beispiele: Erst das Land besetzen, die Besatzung ausbauen und dann Aufstände wie die erste Intifada niederhalten, dennoch aber Kompromisse eingehen müssen. Die zweite Intifada zeigt dann auch, das man hart und gegenüber der Weltöffentlichkeit beharrlich sein muss, um solche Aufstände niederzuschlagen.
Die Beispile zeigen, das es oftmlas blutig zugeht, aber gerade Isreal zeigt uns, wie man den Balanceakt zwischen Härte und auch notwendiger Beachtung der Öffentlichkeit hinbekommen kann. Dazu sind aber gewisse Faktoren, wie Wille, Einigkeit nach der Entscheidung zum Handel usw. notwendig, zudem das Verständnis für lokale Besonderheiten, die uns tlw. völlig fehlen. Besonders Beispielhaft an Israel finde ich die rechtzeitig getroffende Erkenntnis, das man nicht alles besetzen UND DAUERHAFT kontrollieren kann. Man holt sich daher eben nur soviel, wie es eben möglich ist.
@ Alpha, AB
Klar, barbarisch kann es immer gehen. Meine Beispiele zeigen aber auch, das es mit dem massiven Einstz von überlegenen Truppen auch gehen kann, zudem die Mittel der Aufstandsbekämpfung vielseitig sind. Allerdings sollte der Gegner immer im Glauben sein, das wir es erstmeinen, gewillt sind, zu siegen, alles einsetzen was geht.
Ich glabe nicht, daß es um westliche oder östliche Werte geht. Auch afghanische Frauen wollen gerne studieren und Ärztinnen oder Lehrerinnen werden.
Aber Afghanen sind nicht dümmer als andere Völker. Sie sehen, was passiert: Die ISAF ist in ein, zwei Jahren weg. Die Taliban bleiben da. Das ist die Realität. Wer keine Chance auf ein Verlassen des Landes hat, paßt sich dieser Realität an. Gerade wir Deutsche können uns zurückhalten, was Kritik an der Anpassung an barbarische Regime anbelangt.
@ Roman
1848 setzten die Preußen gegen Demonstranten einfach Artillerie ein (deswegen auch der Spitzname von Wilhelm I : Kartätschenprinz).
Und wie die Franzosen die FLN militärisch besiegten, kann man bei Paul Aussaresses nachlesen („Services spéciaux“, eine empfehlenswerte Lektüre).
Das waren aber Methoden, die heute geächtet sind und daher nicht mehr zu Gebote stehen.
Vergessen wird übrigens, dass z. B. die FLN, die heute in den Geschichtsbüchern in der Regel kritiklos als Freiheitsbewegung bezeichnet wird, schwerste Kriegsverbrechen beging, nicht nur an europäischen Zivilisten, sondern auch an Algeriern.
1968 massakrierten Vietcong und nordvietnamesische Armee in Hue Tausende von wehrlosen Zivilisten. Davon spricht aber heute niemand mehr, bekannt sind nur noch die Greueltaten, die von einigen wenigen GIs begangen wurden.
Ähnlich wird das mit Afghanistan laufen: Die Leute werden sich an den Amoklauf von Staff Sgt. Bales erinnern; dass aber Taliban 5-jährige Kinder aufhängten, weil sie – aus welchem Grunde auch immer – einen 1-Dollar-Geldschein in der Hand hielten, wird niemanden mehr interessieren.
„MP Hamidzai Lali, representing Kandahar province and a delegation member, said before the gun attack, US soldiers physically manhandled the two women and later turned their weapons on the helpless residents.“
Von diesen Geschichtenerzählern wäre keiner mehr am Leben, wenn er nicht von ISAF bzw. den Amerikanern beschützt würde. Nicht ISAF wird jedoch die Folgen solcher unverantwortlichen Gerüchteverbreitung tragen, sondern solche Abgeordneten, die mit diesem Verhalten ihre Chance auf Asyl verspielt haben dürften und von denen die meisten nach dem Abzug von ISAF einer traditionellen Enthauptung unterzogen werden dürften, wenn ihnen nicht die Flucht an andere Orte gelingt.
Das kann das Parlament gerne tun.
Das kann aber bei genauerer Betrachtung keinerlei Bindung entwickeln, bei den Kritikern ISAF`s und/ oder der US-Streitkräfte. Begründung:
normativ
Da allgemein von AFG-Einsatzkritikern bestritten wird, dass AFG demokratisch parlamentarisch regiert bzw. die Afghanen durch ihre Parlamentarier demokratisch vertreten werden.
juristisch
Da allgemein von AFG-Einsatzkritikern bestritten wird, dass in AFG Rechtsaatlichkeit herrscht, ist allein schon die Diskussion dieser Forderung nach afghanischer Einbindung bei der AUfklärung dieser Straftat schon wenig mit Sinn belegt.
@ Stefan | 18. März 2012 – 7:06
[…] Dies nennt die UN-Charta das Selbstbestimmungsrecht der Völker. […]
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist eine außenpolitische Idee (ideengeschichtlich eine liberale Idee) vom ehemaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson mit der er nach dem WK I die Auflösung des Kaiserreichs Österreich-Ungarn begründete. Dieses Selbstbestimmungsrecht findet in guter Regelmäßigkeit seine Grenzen beim Begehr diverser Völker auf einen eigenen Staat und stets bei folgendem:
[…]Jedes Volk bestimmt eben seine Werte, insbesondere was Menschenrechte sind, frei und eigenständig.[…]
da die Menschenrechte, zumindest: der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, sowie der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, durchaus als universell für die Mitgliedsstaaten und die darin lebenden Völker anzusehen sind. Mir ist kein Volk bekannt, welches davon -oder in Alternative eines anderen Menschenrechtsregimes- nicht erfasst ist.
Darüber hinaus bin ich nicht bereit mir von irgend jemanden erklären zu lassen, diese Grundlagen gälten für ihn nicht, man dürfe diese bei ihm nicht durchsetzen, weil er ja noch ein wenig Archaik bevorzugt und/oder sich zusätzlich in religiöse/ philosophische oder sonstige Erklärungsmuster zur Legitimierung von Mißachtung der physischen und psychischen Integrität eines jeden Menschen heranzieht.
Und nein: das muss ich auch nicht. Auch wenn ganz klar hier die Beschränkung des Machbaren auf universelle und stete Durchsetzung erkannt werden muss.
@ Sachlicher
Es gibt aber z. B. die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte_im_Islam
der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, welcher fast 60 Staaten der Erde angehören.
In Afghanistan – auch unter der aktuell vom Westen unterstützten Regierung – steht etwa auf den Abfall vom Islam die Todesstrafe. Das wird von den westlichen Staaten auch implizit anerkannt, man schweigt einfach darüber (sozusagen: „Don’t ask, don’t tell“).
@ chickenhawk | 18. März 2012 – 19:47 – –
1. Ihrem Einwurf der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam kann ein Interpretationsfehler inne wohnen. Keineswegs war es Absicht, den Muslimen generelle Nichtakzeptanz der Menschenrechtskonventionen -derer es ja einige gibt- vorzuwerfen. Ich schrieb folglich: […]weil er ja noch ein wenig Archaik bevorzugt und/oder sich zusätzlich in religiöse/ philosophische oder sonstige Erklärungsmuster […]
Daraus bitte ich nicht zu interpretieren, ich meinte hiermit alle bzw. lediglich Muslime.
2. Bzgl. Ihres Einwandes zu AFG, möchte ich darauf hinweisen, dass ICH das nicht akzeptiere, nicht akzeptieren muss, aber meine Durchsetzungskraft wie die anderer (und hier ja durchaus aiuch Staaten und Bündnisse kollektiver Sicherheit) eben beschränkt ist, und das aus unterschiedlichsten Gründen heraus.
Nichts für Ungut, aber ich denke diese Klarstellung verlangte Ihr Post, auch weil Sie @Sachlicher davorsetzten.
@Orontes: So weit völlig einverstanden. Mein Punkt (das habe ich wohl leider nicht deutlich gemacht) geht in eine etwas andere Richtung: Es wäre für mich eine Riesenüberraschung, wenn unsere Mitbürger in Flecktarn nicht in 5, 6 oder 7 Jahren wieder in so einen „Stabilisierungseinsatz“ geschickt werden. Ob das auf dem Balkan oder zwischen den Spaltprodukten der früheren UdSSR, in Afrika, Asien oder im Pazifik sein wird – keine Ahnung. Aber dass dieser Marschbefehl kommen wird, halte ich für sicher. Denn unsere Poltiker sind eher phantasielos: Die greifen sogar dann auf „bewährte Rezepte“ zurück, wenn deren Nutzlosigkeit bewiesen ist. Und dann stehen unsere Leute wieder vor so einem „asymmetrischen“ Problem auf der „ethisch-politisch-oder-wie-auch-immer-zu-umschreibenden“ Ebene (@AB: Der Hinweis auf Ihren Post war nicht als persönliche Unterstellung gemeint, sondern sollte nur zeigen, wie schnell man in dieser Falle sitzt): „Wir“ haben uns da etwas zu vergeben, wenn „unser“ Militär mit der gleichen Skrupellosigkeit vorgeht wie in AFG die Taliban. Das ist schließlich ein Punkt, auf den wir ja auch – zurecht – stolz sind und den wir allenfalls dann relativieren könnten, wenn es tatsächlich um die konkrete Landesverteidigung im engeren Sinne (sprich: Um Sein oder Nichtsein) geht. Was aber lernen wir für diese aus politischen Motiven heraus („. . . moralisch einwandfrei begründet und nur mit UNO-Mandat . . .“) befohlenen Einsätze aus dem Desaster in AFG?