Treffen mit Afghanistans Nord-Allianz in Berlin: Erklärung vom Aspen-Institut

Das Treffen von (vor allem) republikanischen US-Kongressabgeordneten mit Vertretern der afghanischen Nord-Allianz in Berlin am vergangenen Montag hat ziemlich viel Wirbel ausgelöst – vor allem in Afghanistan selbst, deutlich weniger in Deutschland, abgesehen von einem ausführlichen späteren Bericht der Welt: Diese drei mächtigen Afghanen wollen Karzai stürzen.

(Eingeschobener Nachtrag: von der parallelen Konferenz des Aspen-Instituts berichtet Friederike Böge in der FAZ: Nader Nadery, entlassener Kommissar der afghanischen Menschenrechtskommission, hat einen brisanten Bericht über Kriegsverbrechen verfasst.)

Zu dem Treffen und der Berichterstattung erhielt ich heute eine Stellungnahme vom Politikwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Joachim Krause vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Kiel, Mitglied des Vorstands Aspen Institute Deutschland. Ich gebe seine Erklärung hier im Wortlaut wieder (Hervorhebung vom Verfasser):

Es gab tatsächlich zwei völlig unterschiedliche Ereignisse, die vom Aspen Institute Deutschland im Zusammenhang mit Afghanistan kurz hintereinander in Berlin durchgeführt wurden:

1. Am 9. Januar 2012 gab es in Berlin ein Treffen zwischen Abgeordneten des amerikanischen Repräsentantenhauses unter Leitung des Abgeordneten Dana Rohrabacher mit Vertretern der Nordallianz, deren Ergebnis in einer Erklärung festgehalten ist, welche sich auf der Webseite von Rohrabacher findet. Dieses Treffen reflektierte die zunehmende Verunsicherung in Afghanistan wie im Kongress, dass sich die Obama Administration mit den Taliban bilateral auf die wesentlichen Parameter des Abzugs der USA einigen könnte, ohne die anderen Partner dabei angemessen mit einzubeziehen. Sowohl die Nordallianz, wie im übrigen auch die Karzai Regierung, sehen sich in Gefahr, dass sie von den Verhandlungen ausgeschlossen bleiben und dass man über ihren Kopf hinweg Entscheidungen trifft. Ob diese Furcht begründet ist, ist eine andere Frage. Die Karzai Regierung versucht dieser Gefahr im Kontakt mit der US-Administration entgegenzuwirken, die Nordalllianz-Führer versuchen das republikanisch dominierte Repräsentantenhaus dafür zu gewinnen. Das Aspen-Institute hat auf Bitten der Kongressabgeordneten die organisatorische Vorbereitung des Treffens ermöglicht. Das Aspen Institute Deutschland hat eine lange Tradition der Ermöglichung von „unmöglichen Treffen“. Das war wichtig in der Zeit des Kalten Krieges, aber auch heute wird das gemacht. Dabei hat das Aspen Institut die Rolle eines facilitators übernommen, ohne dass es sich mit den Themen inhaltlich auseinandergesetzt oder Stellung genommen hat (verantwortlich war der Direktor des Aspen Institute Deutschlands, Charles King Mallory, IV). Das Treffen war ursprünglich für November 2011 angesetzt, wurde auf Bitten der Bundesregierung verschoben (wegen der Bonn Konferenz) und konnte angesichts der terminlichen Präferenzen der Teilnehmer dann nur am 9.1. stattfinden.

2. Am 10. und 11. Januar 2012 fand ebenfalls in Berlin eine langfristig terminierte internationale Expertenkonferenz in Berlin statt, welche sich mit der Frage befasste, wie angesichts des für Ende 2014 festgesetzten Datums für den Abzug der ISAF-Truppen in Afghanistan und Pakistan erfolgreiche Übergangsstrategien umgesetzt werden können und welche Probleme dabei auftauchen. Diese Konferenz wurde vom Aspen Institute Deutschland in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung organisiert und von der Robert Bosch Stiftung unterstützt. Die Hauptverantwortung für die Planung und Vorbereitung lag bei mir. An der Konferenz nahmen wissenschaftliche Experten sowie Regierungsexperten und Vertreter von NGOs aus Europa, den USA, Pakistan, Afghanistan, Indien und China teil. Es wurden langfristig vorbereitete Papiere vorgestellt, die von der Webseite des Aspen Institute Deutschland herunter geladen werden können. Die Ergebnisse werden in einem angesehenen internationalen Verlag publiziert. An dieser Konferenz nahmen die Vertreter der Nordallianz zu keinem Zeitpunkt teil, einige der amerikanischen Kongressabgeordneten waren als Beobachter zugelassen und haben diese Möglichkeit zeitweise genutzt. Der Abgeordnete Rohrabacher hielt am 10. Januar aus Anlass des Abendessens eine after-dinner-speech, in der er die Teilnehmer der Konferenz über seine Einschätzung der Lage in Afghanistan und über die Ergebnisse des Treffens mit den Vertretern der Nordallianz informierte. Ursprünglich war für diese Rede der amerikanische Botschafter in Pakistan, Munter, vorgesehen. Dieser sah sich aber erheblichen Drucks von Seiten der Karzai-Regierung ausgesetzt, (die nicht zwischen beiden Treffen zu unterscheiden wusste, obwohl sie informiert worden war) und sagte seine Teilnahme daher kurzfristig ab. Von daher hatten wir Rohrabacher gebeten, diese Rolle zu übernehmen, was er auch gerne getan hat. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Steiner, sagte seine Teilnahme ab, um die Beziehungen zur Karzai-Administration nicht unnötig zu belasten, was wir verstehen konnten. Das Auswärtige Amt hat sich dennoch ebenso wie das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit an der Konferenz beteiligt. Ebenso nahm der Sonderbeauftrage der britischen Regierung für Afghanistan und Pakistan, Botschafter Mark Sedwill, an der Konferenz teil. Es gelang im letzten Augenblick auch noch, den Cousin des afghanischen Präsidenten (der ein sozialwissenschaftliches Institut in Kabul leitet) zur Teilnahme an der Konferenz zu gewinnen.

Der Vollständigkeit halber ein Nachtrag: Es gibt dazu auch eine Erklärung der Taliban vom 17. Januar.

Statement of Islamic Emirate regarding the session convened in Berlin under the orders of America
Tuesday, 17 January 2012 17:41

Last Monday, a session was convened in Aspen Institute of Berlin city, Germany, in which a number of infamous warlords from Afghanistan participated.

The session was gathered and financed by high ranking members from the American congress and its purpose was to establish a federal system in Afghanistan through these gunmen.

While Islamic Emirate is exerting its full efforts to tighten and unify Afghanistan even more, the American congressmen are strongly in its opposition regarding which our stance is as follows:

Afghanistan is the common home of all Afghans. Any person paving the way for the disintegration of Afghanistan under the title of a Federal system will be treated as enemies and Islamic Emirate, as the defenders of the borders of the country, will not withhold itself from taking any type of reaction. Everyone knows that the Islamic Emirate has sacrificed thousands of members in Dasht-e-laila for the unification of this nation.
This session which was directly initiated and supervised by known figures from the American congress and incited for by known gunmen is in reality a corruption-spreading crime which seeks to entrap Afghanistan in more strife. Islamic Emirate holds the American occupiers, its congress members and the backers of this session responsible for this mischief and asks them to seize their hands from making such destructive plans.
Americans must learn lessons from their current ignominious defeat in Afghanistan and look for ways to exist from Afghanistan and the region while eliminating all the factors of war instead of adding fuel to them.
Islamic Emirate considers this foreign plan initiated by some proven and hated faces a program for creating fraction amongst the nation and rejects the poisonous propaganda of the enemy which depicts as if Islamic Emirate will be content with having control of a few provinces. We shall not stop our armed Jihad for a single moment as long as the invaders are present on our soil as it would be contradictory to the goals of our decade old Jihad and as long as the occupiers have not been completely gotten rid of, Islamic Emirate shall never consider ceasefire even for a single instance.
Islamic Emirate asks the government of Germany to not become a part of the plan which will rekindle war and bring about more strife but rather it should respect the aspiration of the whole nation instead of the few outcast faces.

Islamic Emirate of Afghanistan