Demnächst wieder: Marine-Tanker nach Somalia

Das umfangreiche Paket des Reformbegleitgesetzes für die Bundeswehr, das war mir bei meinem ersten Bericht dazu schon klar, enthält noch viele Details, die erst bei intensiver Betrachtung auffallen. Eine Einzelheit, die für den Einsatz der Marine am Horn von Afrika wichtig ist, habe ich glatt übersehen (und bin erst durch den Bericht der Kollegen der Wilhelmshavener Zeitung drauf gestoßen): Teil des Pakets ist eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes – die künftig wieder den Einsatz der deutschen Marine-Tanker fernab der deutschen Küsten ermöglicht. Zum Beispiel im Anti-Piraterie-Einsatz am Horn von Afrika.

Die Tanker fahren nämlich mit ziviler Besatzung – ein Relikt aus den Zeiten des Kalten Krieges, als diese Mannschaften dann nicht auf Truppenstärken angerechnet wurden (und angesichts einer verkleinerten Bundeswehr ist kaum damit zu rechnen, dass das geändert wird). Damit unterliegen diese Crews aber auch dem Arbeitszeitgesetz für zivile Arbeitnehmer, und so sind die anfallenden Wochenarbeitszeiten begrenzt, Ausnahmen zudem eingeschränkt durch eine EU-Richtlinie. Die vorgeschriebenen freien Tage lassen sich zwar in der Deutschen Bucht realisieren, nicht aber vor Somalia. Als Konsequenz konnten in jüngster Zeit bereits eingeplante Tanker-Missionen zur Versorgung internationaler Verbände, aber auch der Deutschen Marine schlicht nicht durchgeführt werden.

Betriebsstofftransporter Spessart bei der Übung Northern Coasts 2011 (Foto: Bundeswehr/Björn Wilke via flickr unter CC-Lizenz)

Das Reformbegleitgesetz sieht deshalb eine Neuregelung im Arbeitszeitgesetz vor:

Das Bundesministerium der Verteidigung kann in seinem Geschäftsbereich durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für besondere Tätigkeiten der Arbeitnehmer bei den Streitkräften Abweichungen von in diesem Gesetz oder von in den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen geregelten Arbeitszeitgrenzen und -beschränkungen festlegen. Die Abweichungen müssen aus zwingenden Gründen erforderlich sein und es muss eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet werden.

Was das im Detail bedeutet, steht in der Begründung:

Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den Streitkräften gilt das Arbeitszeitgesetz, auch wenn diese Beschäftigten auf Seeschiffen der Marine eingesetzt werden. Denn das Seemannsgesetz mit seinen flexibleren Arbeitszeitregelungen findet nur für Kauffahrteischiffe (Handelsschiffe) Anwendung. Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes tragen besonderen Tätigkeiten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Streitkräfte nicht in jedem Fall Rechnung. So hat sich gezeigt, dass etwa bei der Teilnahme von zivilen Beschäftigten der Marine an Mandatseinsätzen oder diesen vergleichbaren Einsätzen im Ausland oder auf See die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes aufgrund der Rahmenbedingungen dieser Einsätze eine vollumfängliche Erfüllung der internationalen und europäischen Bündnisverpflichtungen beeinträchtigen können. Damit Deutschland insbesondere diesen Verpflichtungen nachkommen kann, ist es zwingend notwendig, von den bestehenden arbeitszeitrechtlichen Vorgaben abweichen zu können. Die Verordnungsermächtigung in § 15 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Streitkräfte ist nicht ausreichend. Sie setzt für das Überschreiten von Arbeitszeitgrenzen zwingende Gründe der Verteidigung voraus. Die geschilderten Einsätze werden von dieser Tatbestandsvoraussetzung nicht erfasst. Durch die neue Vorschrift wird das Bundesministerium für Verteidigung ermächtigt, in seinem Geschäftsbereich und mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eine Rechtsverordnung zu erlassen, die spezifiziert, bei welchen Tätigkeiten der Streitkräfte und in welchem Umfang Abweichungen von den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes und den auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen, unter Gewährleistung der größtmöglichen Sicherheit und des größtmöglichen Gesundheitsschutzes der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zwingend erforderlich sind. Dabei wird von einer europarechtlichen Ausnahmebestimmung der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, auf deren Anwendungsbereich die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung verweist, Gebrauch gemacht. Anders als § 15 Absatz 3 Arbeitszeitgesetz enthält die Vorschrift lediglich eine Ermächtigung, von den geltenden arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen abweichende Arbeitszeiten festzulegen. Eine Ermächtigung, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Leistung der abweichenden Arbeitszeiten auch tatsächlich zu verpflichten, wie dies ausnahmsweise aus zwingenden Gründen der Verteidigung möglich wäre, enthält sie nicht. Die Verordnung gibt daher lediglich den erweiterten rechtlichen Rahmen vor. Die konkrete Arbeitszeitfestlegung erfolgt wie auch sonst im Rahmen der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes durch die Tarifvertragsparteien, die Betriebspartner oder die Arbeitsvertragsparteien.

Allerdings…. kostet das ein bisschen was:

Die Rechtsverordnung aufgrund der Ermächtigungsnorm in Artikel 15, die Abweichungen von Beschränkungen der Arbeitszeit zulässt, wird zu Mehrausgaben in Höhe von 4 Mio. Euro jährlich, bis 2015 insgesamt zu 16 Mio. Euro führen.