Zeit-Magazin: Vorher/Nachher
Jetzt bin auch ich dazu gekommen, mir das aktuelle Zeit-Magain anzuschauen (unterwegs in Deutschland mit div. Unwägbarkeiten und wackligen Internetverbindungen…): Die Fotografin Herlinde Koelbl hat zehn Bundeswehrsoldaten – interessant: nur Männer – porträtiert und vor allem jeweils vor und nach ihrem Afghanistan-Einsatz interviewt.
Die Erkenntnisse vor allem der Nachher-Interviews sind zum Teil alles andere als schmeichelhaft für die Truppe – weniger Afghanistan und Krieg, mehr die internen Reibereien und bisweilen Fehlentscheidungen machen den Soldaten zu schaffen.
(Da sich ohnehin schon in einem anderen Thread eine lebhafte Diskussion über diese Interviews entwickelt hat, verschiebe ich die bislang aufgelaufenen Kommentare hierher.)
Hat eigentlich schon jemand den aktuellen Zeit Artikel gelesen? Die Vorwürfe eines ehem Zugführers an der militärischen Führung sind ziemlich derb.
Sein Fazit: 2010 haben wir noch gekämpft, 2011 haben wir wieder nur die Schwänze eingezogen.
http://www.zeit.de/2011/49/Afghanistan-Soldat-Foerster/komplettansicht
Was ist zwischen 2010 und 2011 passiert, das man wieder die Rolle rückwärts gemacht hat?
Aus dem ZEIT Artikel:
ZEITmagazin: Dann muss Ihr Frust wirklich tief sitzen…
Mudra: Ich habe diesen Job gerne gemacht, ich bin Soldat aus Leidenschaft. Aber meine Motivation ist gesunken. In diesem Einsatz haben sie es echt geschafft, den Hauptfeldwebel Mudra zu brechen. Ich mache einfach nur noch das, was ich machen muss, und nicht mehr. Weil es einem keiner dankt. Weil alle nur denken, lass ihn reden, er weiß ja eh nicht, was er da erzählt. Wenn Soldaten mich fragen, wieso machen wir das jetzt so und so, dann sage ich nur noch, geht doch zum Zugführer, ich möchte mich mit diesem Scheiß nicht mehr befassen.
Ich habe jetzt die meisten der 10 Soldaten durch und der Tenor war überwiegend der gleiche. Die übergeordnete Führung ist inkompetent. Bei mindestens 2 der 10 Soldaten führt dieser Frust zur Aufgabe des Soldatenberufes. Leider sind das die einsatzerfahrenen Soldaten, welche im Soldatenberuf eigentlich ihre Erfüllung sehen.
Steht es so schlecht um die BW?
Der Unterschied liegt zum Einen in Folgendem:
2010: Leitverband DSO mit Fallschirmjägern und Teilen Gebirgsjägertruppe.
Die haben das getan, was sie als ihren Auftrag verstehen: Kämpfen und Halten.
Lässt sich auch an den Verwundeten- und Gefallenenstatistik des letzten Jahres sehen.
2011: Leitverband 1. PzDiv. Bunter Haufen aus allem, die brav ihr 1. PzDiv-Abzeichen im Camp Spazieren tragen, wo das Tragen der Hosengummis befohlen wird und die sich bei den divisionsfremden Teilen auch den Spitznamen „die Schöne (Anm. d. Verf.: Division)“ verdient hat.
Mit Absicht etwas despektierlich geschrieben, es geht mir hier aber weniger um die Truppen draußen als mehr um die Führung.
@Bang50
nö, Sie haben nichts verpasst………aber die ‚boots-on-the-ground‘-Ebene ist nicht erst seit gestern völlig allein gelassen. Mein o.a. Kommentar hat nur den imho systemischen root-cause plakativ angesprochen.
Ja, es ist so schlecht um die BW bestellt, wie um die NATO, die EU…..etc.
Die Profis sterben aus, bzw. sind nicht mehr gefragt und die web2.0 Arschlöcher vermehren sich wie die Karnickel ;-)
„Die First“ – der Name ist Programm. Wobei ich meine Freude hätte, die 37/10 mal richtig auszulegen, wenn wir schon (wieder) mit Hosengummis anfangen:
Kapitel V „Abzeichen“
533. Alle internen Verbandsabzeichen sind im Einsatz-Fall bzw. bei entsprechender
Alarmstufe von allen Bekleidungsstücken zu entfernen.
Also auch im Einsatzland.
Ja, die Erste! Ein Eierladen hoch zehn, was haben wir gemeckert, Verbesserungen angemahnt, aber was solls, dort wurde und wird das Stabsbingo zelebriert bis zum Feinsten. Gut das es vorbei ist.
Ansonsten, Hut ab vor der Artikelserie! Fallis sind schon sehr speziell, aber sie haben schon Recht, solche Einheiten stellt man nicht zum Objektschutz ab. Und die künftigen Lehrgangsteilnehmer des OLt Kampmann werden sich bestimmt freuen. Ach ist ja egal, sind ja nur angelernte OA, die ja dann eh erst studieren gehen.
Wobei ich sagen muss ich finde die Rolle des OLt Kampmann ehr tragisch. Da wird ein junger Offizier der noch über keinerlei praktische Erfahrung verfügt direkt ins kalte Wasser geworfen. Ausgerechnet in einem Zug der aus Veteranen besteht und schon einen Führer gefunden hat, der sich im Gefecht bewährt hat und zu dem die Soldaten vertrauen gefasst haben. Da kann ein Neuling nur scheitern.
Ich sehe das so. Der OLt Kampmann kann ein guter Mann gewesen sein (leider wird man das jetzt niemals feststellen können). Doch durch so ein Vorgehen hat die BW diesen Mann auf ewig verbrannt und das Vertrauen des Zuges in die Führung nachhaltig zerstört.
Mich hat die Artikelserie wirklich schockiert, wie verantwortungslos die BW mit ihren Leuten umgeht. Das ist dann also der Staatsbürger in Uniform.
@Bang50:
Da die Ausbildung der Offiziere, Feldwebel und Unteroffiziere immer weiter verschult wird, wird dieses Problem ab nächstes Jahr noch weitaus schimmer. Aber die Heeresführung will das nicht wahr haben (siehe Aufstellung FA-/UA-Btle in der neuen Struktur). Selbst 1944 hatten OA’s mehr Truppenerfahrung vor der Leutnantsbeförderung…
All das ist kein Geld-, Wehrverwaltungs- oder Politikproblem, sondern eigener bürokratische Irrsinn der militärischen Führung.
Mal wieder NICHT vom Einsatz her gedacht.
@ Klabautermann
Solche Geschichten im Großen und die ganz vielen im Kleinen auf allen Ebenen lassen schon seit Jahren jeden Glauben an das Ganze vermissen.
@ Bang50
Zustimmung. Jedoch hätte der OLt auch genug Rückrat beweisen können und vor dem Einsatz melden müssen: Ich bin noch nicht gut genug für die Männer, denn anscheinend ist er ja direkt aus der Uni in die Einsatzvorbereitung gegangen. Toll ist übrigens auch, welcher Schwachmaat ihn überhaupt dahin gesetzt und heiß gemacht hat. Wars mal wieder ein Stabsoffizier? Mit dem Verbrennen sehe ich nicht so tragisch, mit dem Einsatz im Buch wird der bestimmt BS, solange er es dann noch will.
@ Memoria
Jain. Obwohl ich ein großer Kritiker dieser Umstellung bin, muss man sagen, dass viele Ausbildungsinhalte deutlich besser rüberkommen, vielfältiger und breiter sind, als es ein Verband es derzeit je leisten könnte (und wollte(bei nicht wenigen Truppengattungen)). Wer hat überhaupt heute noch die Ressourcen (Mun, Personal, Zeit) dafür? Was völlig fehlt, ist die Sozialisation in der Truppe, das Lernen von Klein auf im Verband, soviel Zeit kann eine Schule einfach nicht haben. Zudem ist die zeitliche Umstellung der Ausbildungsinhalte mit einer Uniphase nach 15 Monaten noch dümmer als nach 3 Jahren.
@T.W. ich glaube, der Zeitartikel waere einen eigenen Thread wert.
@Bang50 Den gleichen Eindruck hat man auch, wenn man den Bericht des Wehrbeauftragten liest, und trotzdem ist die Bundeswehr nicht so!
Oral History leidet in der Regel immer daran, dass sie stets subjektiv ist und nie objektiv sein kann.
Ich halte den Olt nicht fuer tragisch, im Gegenteil, lesen Sie sein Interview und ich sehe einen jungen Mann der sein Verhalten und seine Situation in einer beeindruckenden Tiefe reflektiert. Es war sein erster Einsatz! Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
Eine Reflektion, die ich im uebrigen beim Stv vermisse! Man koennte auch sagen, der hat sich irgendwann ganz schoen haengen lassen, was er ja auch selbst freimuetig bekennt. In einem Fallschirmjaeger Environment hatte er dies Verhalten sicher nicht an den Tag gelegt, (weil er es sich nicht getraut haette!) Also scheint er ja eines starken aeusseren Rahmen zu beduerfen, und ist aber nicht selber in der Lage einen solchen zu schaffen bzw aufrechtzuhalten.
@Memoria
Wie wollen Sie denn mit einer Btl internen Ausbildung bundeswehrweit den gleichen Standard fuer alle OA/FA/UA halten, wenn nicht alle Btl in jedem Jahr in den Einsatz gehen?
Das Dilemma mit der Erfahrung werden Sie nie loesen koennen, egal welche Ausb Form Sie waehlen. Die Vorteile der Ausbildung im Btl mit Truppennaehe fuehrt zum Nachteil einer qualitativ nicht vergleichbaren Ausbildung, weil „jeder“ ausbilden darf bzw nur Teile in den Einsatz gehen, waehrend Sie sich umgekehrt den Vorteil einer qualitativ gesicherten Ausbildung mit ggf. zuviel Abstand von der Truppe einkaufen…., das ist aber in jedem Berufsfeld so.
@Roman
Ist es nicht schoen, Soldat zu sein! Spass beiseite,
Loyalitaet, Disziplin usw lassen sich immer leicht von anderen fordern, spannend wird es aber an der eigenen Nase.
Kritik an der uebergeordneten Fuehrung ist deutlich einfacher, als das Verstaendnis und das Eingestaendnis, das bis zum Gruppenfuehrer ALLE zur uebergeordneten Fuehrung gehoeren!
Es ist ein Irrglaube, dass man sich als ‚kleine“ Kampfgemeinschaft aus dem System ausklinken kann…… wohin das fuehrt, kann man m.E. in den Artikeln wunderbar nachvollziehen!
Achja, ich kann mir nicht vorstellen, dass in einer reinen Fallschirmjaegereinheit mit einem entsprechenden Elitebewusstsein irgendjemand eine Einweisung in Hosengummis gebraucht haette bzw beim Hinweis durch den ZgFhr / GrpFhr gemault haette ;-) , aber weil man ja „nur“ bei einer PzDiv ist…..
Zusammengefasst,
ich bin der Autorin dankbar fuer die Artikelserie und ich wuerde gerne noch mehr davon lesen!
@ Marahrens
Viele Aspekte des Soldatenseins sind schön, ich vermisse sie überraschenderweise ziemlich heftig.
Loyalität, Disziplin, Glauben an den Auftrag, Vertrauen usw. sind eng miteinandern verwoben. Wir alle wissen das. Man kann nicht dauerhaft das eine fordern und das andere nicht geben. Ich war glaube ich oft genug nicht loyal meinen Vorgesetzten gegenüber, vielleicht doch, nur auf eine andere Art und Weise. Aber dennoch war es für mich klar, dass die entsprechenden Befehle so gut wie möglich umgesetzt werden. Dennoch hat es jeder schon erlebt, das es solche und solche Befehle gibt, Soldaten haben ein feines Gespür dafür, was wichtig ist und was nicht.
Der Aspekt mit den Hosengummis zieht sich seit Jahren durch die Bw und speziell durch die Erste an sich. Nur irgendwann muss auch die Führungsebene erkennen, das mancher Befehl vielleicht richtig, aber nicht sinnvoll ist. Zumindest nicht, wenn er schlecht vermittelt wird. Damit schwächt man hier in diesem Fall noch mehr die Position des ZgFhr, der diesen Schwachsinn im Gelände durchführen lassen muss.
Die Artikelserie zeigt aber sehr schön auf, wie schnell die Truppe vor Ort zerfallen kann. Die beiden HFw haben sich muckiert, vermutlich oftmals zurecht. Anstatt das Beste aus der Situation zu machen, fehlte ihnen oftmals die Geduld, was aber beide gut reflektieren konnten. Tatsächlich scheint der Zerfall aber sehr deutlich auf die untersten Ebenen angekommen zu sein, so das zwar die HFw behaupten, sie selbst hätten alles im Griff, aber unterhalb ihrer Ebene ging es selber zu wie im Tollhaus.
Und dennoch ist momentan die kleine Kampfgemeinschaft immer was besonderes, sie ist von den Fehlern aller betroffen, sitzt in der Scheiße und muss da draußen den Mist anderer ausbaden. Und dann deutlich andere sorgen, als die Hosengummis. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr Verständnis, wer zur übergeordneten Führung gehört, so nicht haltbar ist, auch nicht so wahr genommen wird. Weder von unten noch von oben. Denn sonst würde die Stabsschiene nicht so handeln wie sie es tut.
…..Loyalität, Disziplin, Glauben an den Auftrag, Vertrauen usw. sind eng miteinandern verwoben…..
Wer hat da noch den Glauben an den Auftrag? Was ist die Konsequenz wenn er fehlt?
Was ist, wenn ihn schon die politische Führung nicht mehr hat? Warum wird die Meldung des Wehrbeauftragten über die fehlende Aufklärung von Vorfällen nicht einmal in diesem Blog angesprochen? Nein man schreibt über Hosengummis aber der eigentliche Skandal sind die beschriebenen militärischen Vorgänge (Auswahl Posten, Stunde im Stillgestanden unter Androhung von Maßnahmen, Beobachten durch den Blimp uvm) Vertrauen in die Führung? Gelächter!
Am 02.11.2011 meldet eine deutsche Zeitung unter Berufung auf geheim eingestufte Analysedossiers der Bundeswehr und der US-Armee, Afghanistan werde nach dem Rückzug des Westens schnell wieder im Chaos versinken.
Ach, das ist ja etwas ganz neues! Weiß das auch Westerwelle? Wenn nicht, wer bereitet ihn auf diese schreckliche Meldung vor? Dabei hatten wir es doch gut gemeint! (Ironie an) Evtl. lernen wir aus unseren Fehlern und machen es dann im Iran besser (Ironie aus)
@ Elahan
Na, ich habe nicht so groß gedacht, sondern mit Glauben an den Auftrag der Teileinheit, der Einheit meinetwegen. Also warum sind diese Männer ausgerechnet hier mit mir an diesem Ort. Ich denke, man kann das sehr wohl abkoppeln von dem großen, wie aufgezeigt, fehlenden Auftrag.
Richtig, wir schreiben hier über Hosengummis, weil sie sinnbildlich für den Verfall dieser Armee stehen. Die Standortwahl des Postens, seine Besetzung, die Angst vor vergiftetem Brot usw. sind schon viel zu weit im inneren Kern einer Armee. Wobei, den Blimp könnte man zu den Hosengummis packen. Ich finde jeder Kdr sollte seinen eigenen Blimp haben, verbunden direkt zum General. Wobei noch eine Software die Handynummer des Soldaten identifizieren muss, damit er unmittelbar angeschissen werden kann:
http://www.youtube.com/watch?v=GUr285kNy-U
Zustimmung, nur wenn das Goße und Ganz keinen Sinn macht und es für jeden offensichtlich wird, tut man sich mit dem Abkoppeln schwer! Denn dann bedeutet Abkoppel verheizen!!
Es ändert aber nichts darun das du oder ich mit deinen Jungs da bist oder warst und du musst einen Sinn für ihr hier sein finden, begründen, warum sie rausfahren. Wir haben das für uns gemacht, für unsere Sicherheit und für die Jungs die nach uns kamen. Wobei, hätte ich gewusst wer kommt, hätte ich mir auch einige Fahrten sparen können.
Das ist die eine Ebene! Soldat! Die andere ist Bürger und da passiert zuwenig!
Da stellte sich zuerst die Frage nach der Legitimität des Einsatzes, wenn sein Ziel nicht mehr erreichbar ist! Der Einsatz von Streitkräften ist nur zu rechtfertigen als ultima ratio, zur Verteidigung und Krisenbewältigung. Die legitime Aufgabe der Soldaten musste es sein, den Frieden zu sichern und zu gestalten. Wenn die nicht möglich ist, muss man die Konsequenzen ziehen! Nicht zuerst als Matrose, Schütze oder Flieger sondern im Besonderen als Vorgesetzter und Bürger! Wo sind die Staatsbürger in, mit und ohne Uniform?
Jain. Leider. Das ist m.E. zu einfach. Es gibt nicht nur schwarz oder weiss. Sicher, am Anfang war unser Mandat klar am Aufbau des Friedens orientiert, ist es immer noch, was aber nicht mehr der Realität entspricht. Ich für mich glaube, und die FschJ haben es m.E.n.auch so gesehen: Wir bekämpfen sie lieber dort als hier bei uns. Sicher, sie haben den Heimvorteil, können mehr Leute vor Ort rekrutieren, stützen ein korruptes Drogenregime und könnten mit dem Geld, was wir dort ausgeben hier jedes Terroropfer 10x entschädigen und nebenbei noch Schulen bauen. Aber lieber lege ich dort ein paar Talibs in einer sinnlosen Mission um, als das mich eines Tages so einer mit meiner Tochter auf dem Rummelplatz wegsprengt. Momentan ist es eben so, das wir eigentlich nur nicht verlieren dürfen. Aber das tun wir. Seit nun wieder einem Jahr, seitdem die Erste federführend ist (oder liegt es am Minister). Seit dem 2014 fest im Raum steht riskieren wir zu wenig, verlieren zu viel.
@ T.W.
Danke! Ich denke mit den Frauen ist das relativ einfach. Sie wollte Jungs von ganz vorn haben und da sind doch Frauen „richtigerweise?“ noch nicht so zahlreich vertreten. Wie dem auch sei, gute Serie, mal die Realität im Widerspruch zu den Hochglanzprospekten der Werber oder den verwirrten autoren diverser Leutnantsbücher. Wie war das auch gleich mit der Inneren Führung? Der Soldat ist einsichtigt und folgt seinem Vorgesetzten aus Überzeugung. Weil alles so richtig ist……
Selbst bei der IDF haben sich ja Frauen in forderster Front nicht etabliert.
Zu der Sache an sich. Ich wollte mich jetzt gar nicht so tief verwickeln lassen in diese Diskussion, da ich momentan noch an der Antwort für Sachlicher arbeite und andere die Vorgänge innerhalb der BW wesentlich besser bewerten können als ich.
Als Außenstehender haben hat mich jedoch die völlige Aufkündigung des Vertrauensverhältnisses wirklich erschrocken. Ich meine bei einer Armee im Einsatz müsste ein solcher Artikel dafür sorgen das allen Offizieren der Kittel (aus Betroffenheit oder Verantwortung) brennt und klar ist, das es kein „weiter so“ geben kann.
Schön, dass jetzt Feldwebeldienstgrade öffentlich an Offizieren herumkritisieren. Auch wenn diese berechtigt erscheint (!), dann gibt es einige andere Möglichkeiten, diese kund zu tun, als in einem Artikel in der Zeit…
@ Husar
Vielleicht weil es keinen anderen Weg gibt? Was ist denn bislang passiert? Nichts! Obwohl ich das an sich nicht dulden könnte, wie der Zug so funktioniert oder eben nicht, so kann ich das Ganze an sich verstehen. Es musste erst zum Drama im Fluss, zur Niederlage am Karfreitag, zum Busanschlag usw. kommen, ehe sich was bewegt. Und ich befürchte, selbst das hier verpufft. Wenn Sie Husar, andere Wege kennen, dann immer her damit.
Und Bang50, diese Aufkündigung beschränkt sich nicht auf die Reihen der Feldwebel.
@ Roman:
Es gibt für jeden immer das erste Mal. Gerade als Offizier in einer Verwendung als Kampftruppenzugführer steht man ständig in der Bütt. Es ist schlicht und ergreifend unfair, sich in einer solchen Art und Weise über Subalternoffiziere zu beschweren. Wenn aus dem Stab der Befehl kommt, dass die Soldaten Hosengummis tragen sollen, dann kann ich als Offizier das ganze auch nur nach unten durchdrücken.
Ich frage mich manchmal, was manche Feldwebel von Offizieren erwarten… Jeder steht das erste Mal auf der Platte und macht Fehler, auch ein frisch beförderter Feldwebel. Ich verstehe es durchaus, wenn man die scheinbar fehlende Führungsstärke bemängelt, aber nicht in dieser Form.
Wenn ich die „Oberen“ kritisieren möchte, dann sollte man sich nicht einen Leutnant/Oberleutnant als eine Art „Stellvertreter“ dafür aussuchen. Und wenn die Herren Feldwebel es stets besser wissen und alles ändern wollen, dann kann ich nur sagen: Jungs, geht ins Gezi und holt euch die Formunterlagen zur Übernahme in die Offizierlaufbahn ab.
Gerade im Militär sollte jeder Dienstgrad wissen, bis wohin „sein“ Horizont gehen sollte…
@Husar
Gerade im Militär sollte jeder Dienstgrad wissen, bis wohin “sein” Horizont gehen sollte…
Das sieht die Innere Führung aber so nicht vor! Der Horizont geht bis da, wohin er geht! Das hängt nicht vom Dienstgrad ab, sondern von Ausbildung, Erfahrung und eigenem Vermögen. Der Dienstgrad hängt von der Bildung ab und die können sie im Einsatz dort lassen, wo sie meinen man könnte sie benötigen! Wenn Vorgesetzte Subalterneoffiziere ohne Erfahrung an die Front schicken können, ist das System krank und wenn Offiziere mit höherer Einsicht die zulassen, machen sie sich schuldig! Verantwortung ist nicht teilbar, aber gerade unsere Neue Elite schiebt sie gerne ab!
……Jungs, geht ins Gezi und holt euch die Formunterlagen zur Übernahme in die Offizierlaufbahn ab…….
Noch sind die Laufbahnen nicht durchlässig! Ausbildung und Bildung wärend der Dienstzeit kann ein Uffz nicht zum Aufstieg verwenden. Wenn er bemerkt wie der Hase läuft hat er die Altergrenzen überschritten (Die seltsamer weis nicht für Personen gilt die von Außen in die Bw kommen). Noch zählt die Bildung vor der Bw Zeit alles!
@ Elahan
! Mehr muss man dazu nicht sagen. Diese beiden HFw wären vmtl. der bessere OLt, zumindest aber der Zugführer. Ein Küken mit Wölfen in den Einsatz zu schicken hat nie Sinn gemacht.
Und Husar sollte genug Systemkenntnis besitzen, dass das Laufbahnsystem der Bw nicht so durchlässig ist, das ein 30 jähriger einsatzerfahrener HFw noch Offizier im Truppendienst werden kann.
Und die Herren Feldwebel erwarten mit Recht, das sie ordentlich geführt, nicht verheizt und ihre Erfahrung respektiert werden. Dann werden sie auch Schwachsinnsbefehle wie den Hosengummi-Erlass befolgen. Diese Aussage „jeder macht mal Fehler“ bedeutet hier, das es Tote und Verletzte in der Realität gibt und kein „alles Ausgangstellung, nochmal.“
Und der OLt hat es doch selbst gesagt, der moralische Verfall beginnt bei den Zugführern und Kompaniechefs, die das System stützen. Dann muss man Markus Maximus auch ins Gesicht sagen, das es Schwachsinn ist und dies begründen.
@Elahan
Das ist schlichtweg falsch. Gerade die Soldatenlaufbahnverordnung sieht den Aufstieg aus der Laufbahn der Unteroffiziere (Feldwebel) in die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes vor. Ich weiss wovon ich spreche, habe das auch hinter mir. Es ist ein harter und steiniger Weg, aber es geht. Der Soldatenberuf duerfte (vllt. neben dem der Polizei) der einzige sein, bei dem der Aufstieg von ganz unten, nach ganz oben funktioniert (die Bildung wird auf Kosten der Bw nachgeholt)! Es gibt einige Generale, viele Oberste und Oberstleutnante die diesen Weg hinter sich haben.
Dass da das Wörtchen „Neckermann-“ vor dem Leutnant nirgendwo fällt, ist ja echt alles.
Interessant, dass da mehr oder weniger Anarchie herrscht und sich Feldwebel hinstellen und gesagt hätten
Ferner, was da für unbeherrschte Leute unterwegs sind, der Stabsgefreite, ist da ja nicht anders, was das zügellose Temperament betrifft.
Ist doch kein Wunder, dass der Oberleutnant zu solchen Leuten nicht hingeht, die blöde Witze nach einer Ansprengung machen und sich sicherlich als ganz Harte geben, da will er sich – ohne Einsatzerfahrung – keine Blöße geben.
Nur irgendwann muss jeder mal seine ersten Schritte machen und da ist ein erfahrener Feldwebel super, wenn er nicht zu überheblich daherkommt, Erfahrung hin oder her.
Ich frage mich grade, wann und wie angehende Offiziere „Fronterfahrung“ erhalten sollen…
Zu meinem Ausspruch mit Bezug zum „Horizont“ des Soldaten: Ich kann mich nicht auf der einen Seite hinstellen und sagen: „Befehl ist Befehl und ich muss Gehorsam leisten“ und Sätze später taktische Maßnahmen des Zugführers in Frage stellen. Wenn die Kameraden wirklich so stumpf sind, wie sie über sich sagen, fehlt ihnen jegliche Einsicht auf Ebenen oberhalb des Zuges. Es kann nicht sein, dass ein befohlener Sammelpunkt mit den Worten „haben wir noch nie gemacht“ über den Haufen gewischt wird. Einsatzerfahrung hin-oder-her. Das sind desavouierende Tendenzen.
Das beste ist wohl, wenn wir in den nächsten Auslandseinsatz nur noch OPs setzen, in denen die HptFw selbstverantwortlich über „ihre“ 10 km² entscheiden können und sie in ihrem Ratschluss möglichst nicht durch irgendwelche operationalen oder strategischen Entscheidungen von Offizieren beeinträchtigt werden, denn die lernen „es“ ja nur im Hörsaal und haben sowieso keine Ahnung.
Der letzte Absatz ist übrigens in *sarkasmus*-Tags gesetzt…
Das Kernproblem wurde von den FwDienstgraden selbst angesprochen:
„Der OLt hat seinen Führungsanspruch nicht durchgesetzt.“
Wenn er darüber reflektiert, wird es ihm auch auffallen – ich kann nicht differenzieren zwischen „jetzt muss ich meinen Anspruch durchsetzen“ und „jetzt passt es gerade nicht“.
Entweder ganz oder gar nicht, zumal ich so meinen Untergebenen auch eine klare Linie gebe, an der sie sich orientieren können. Gebe ich diese nicht konsequent, wird sie ab einer gewissen Zeit permanent überschritten.
@Voodoo
„Wenn er darüber reflektiert, wird es ihm auch auffallen – ich kann nicht differenzieren zwischen “jetzt muss ich meinen Anspruch durchsetzen” und “jetzt passt es gerade nicht”.
Entweder ganz oder gar nicht, zumal ich so meinen Untergebenen auch eine klare Linie gebe, an der sie sich orientieren können.“
Das ist zu einfach! Da koennen Sie sich als Anfaenger nur so herantasten, wie er es gemacht hat! (Es sei denn, Sie sind ein 2m Baer mit einer unheimlichen persoenlichen Autorithaet).
Wenn Sie aber auf Amtsautorithaet angewiesen sind, so wie 99%, muessen Sie auf Vertrauensvorschuss Ihrer Leute bauen, dies bestaetigen und darauf ausbauen.
Sie koennen nur befehlen, was Sie auch durchsetzen koennen…. und Sie muessen danach auch mit den Menschen weiterarbeiten! Das waere irgendwann auf Befehlsverweigerung und Festnahme herausgelaufen, und dann waere Youngster gegen Kampferprobt gespielt worden…
Glauben Sie denn wirklich, dass die „Kampferprobten“ ihn (nach dem was lesen kann) wirklich gelassen haetten?
Ich hatte das oben schon mal geschrieben:
Oral History leidet in der Regel immer daran, dass sie stets subjektiv ist und nie objektiv sein kann. Was man m.E. deutlich merkt, ist das hier der ein oder andere seinen persoenlichen Frust in Nachgang aufschreiben laesst, ohne zu merken, dass er in Teilen selbst dafuer verantwortlich war!
@ Voodoo
Eben! Der OLt hätte sofort hart durchgreifen und im Zweifelsfall für die Ablösung eines „Störfaktors“ sorgen müssen. Klingt bitter, aber wenn es nicht anders geht, gehts nicht anders.
Wenn ich meine Linie fahre und dabei nicht beratungsresistent bin, wenn ich meine Fw mit einbinde und VOR dem Auftrag mal grundlegende Dinge erfrage, die sich als zweckmäßig herausgestellt haben – dann falle ich als Neuling auch nicht auf die Schnauze, weil meine Männer es mir nachsehen, das ich noch keine Einsatzerfahrung habe. Wenn ich mich verhalte, wie das Fähnchen im Winde, verliere ich aber im Gegensatz dazu in astronomisch kurzer Zeit allen Kredit, den man mir eingeräumt hat.
Ein Beispiel: Wenn ich als ZgFhr rausfahre und bis dahin noch nicht weiß, wie und warum man wo im Einsatzland (und zwar losgelöst von der Ausbildung aus MUNSTER, ALTENSTADT oder HAMMELBURG!) einen Sammelraum festlegt, dann habe ich grundsätzlich etwas falschgemacht – offensichtlich hat dort VOR dem Auftrag der Führer nicht mit seinen erfahrenen Unterführen gesprochen, sonst wäre diese peinliche und gefährliche Situation niemals entstanden. Das sage ich als KampftruppenOffz, dem genau das immer wieder eingebleut wurde: „Sprechen sie mit ihren Männern!“ Für Introvertiertheit ist auf dieser Ebene kein Platz um Himmels Willen!
@Voodoo
Sachlich voellig richtig…. aber hier wuerde ich behaupten, dass auch Sie bei der hier geschilderten Grundeinstellung (Kampferprobt gegen Anfaenger) an den Human Factors gescheitert waeren….
Wobei die geschilderten Rahmenbedingungen Fremdunterstellung etc. das nur weiter befoerdern! (Immer unter dem Vorbehalt, dass alles was hier lesbar ist, tatsaechlich
auch der Wahrheit entspricht!)
Ich wuerde aber auch von einem „kampferprobten“ Feldwebeldienstgrad (und machen wir uns nichts vor, die sind nur 4 Jahre im Lebensalter auseinander gewesen) erwarten, dass er das Gespraech mit seinem Vorgesetzten sucht….. und ihn fachlich einweist…..
Die „Kampferprobten“ scheinen mental auch nicht – flexibel – umschalten zu können. Eher fluchen sie über den „Noob“, der alles falsch macht und eine Abreibung braucht, wie z.B. das Vorenthalten der Verpflegung.
so, jetzt will ich meine zwei Cents als langjähriger stiller Mitleser auch mal dazugeben.
Bevor sich hier wieder endlos lange Diskussionen, um die alte Offiziers vs. Unteroffizier bzw. Fallschirmjäger vs. normale Truppe drehen will ich nochmal ein paar Dinge zu den Interviews allgemein anmerken.
Interessant sind eigentlich nur die Aussagen des HFw, des OFw und des Hauptmannes. Die Interviews mit den Mannschaftsdienstgraden sind ganz nett zu lesen, verraten aber nichts neues. Interessant sind die Interviews mit den oben genannten, weil sie doch für mich zumindest ein wenig erschreckend sind. Man muss es ja mal so ausdrücken. Ich habe diese Armee mittlerweile verlassen und war 2009 in Kunduz eingesetzt. Wenn die Aussagen der Feldwebel stimmen hat sich doch imho nichts zum besseren verändert. Ich zumindest hatte in meinem eigenen Bereich damals 2009 das Gefühl, dass man auf dem richtigen Weg ist.
Hin zur einer im Einsatz angepassten Strategie/Taktik. Klar gab es sehr viele unterschiedliche Probleme, aber es war der Wille erkennbar diese zu bewältigen und das von der kleinen Ebene bis nach Oben (zumindest im PRT Kunduz). Wie die Dinge in MES abliefen kann ich nur wenig sagen. Wie sich die Befehlsgebung, oder
einzelne taktische/strategische Aspekte nach den Tanklastern geändert haben kann ich ebenso persönlich nicht sagen.
Um nochmal die Hosengummis zu bemühen, dass gab es 2009 auch schon. Schade das sich da nichts geändert hat. Mir ist schon klar, dass ein Befehl umgesetzt werden muss, auch wenn er einem persönlich nicht für sinnvoll erscheint, aber das im Jahre 2011 sowas immer noch für Gesprächsstoff sorgt, erscheint mir ein wenig seltsam. Ob es an der Stehzeit der einzelnen Kontigent und der dadurch wechselnden Führung liegt kann ich nicht beurteilen. Welche Bedeutung man dem ganzen beimessen sollte erschließt sich mir ebenso nicht so ganz. Sagt dies jetzt etwas über den Einsatz allgemein aus, oder ist das Ganze nur eine interne
Friktion der Befehlsgebenden und den Befehlempfangenden?
Also was lernen wir aus den Interviews:
1. Die Öffentlichkeitsarbeit, wenn man so will, ist doch besser geworden. Zumindest wenn solche Interviews an die Öffentlichkeit kommen. Vor allem die Aussagen des HFw sind sehr interessant und lassen einen kleinen Einblick in die individuelle Gedankenwelt eines Soldaten vor Ort blicken.
2. Trotz dieses Blogs und des Lesens der meisten Artikel über Afghanistan ist die Lage vor Ort doch eine andere als man selbst glaubt. Wenn die subjektiven Eindrücke der Soldaten vor Ort so mit der allgemeinen tatsächlichen Lage übereinstimmen.
Für mich persönlich war immer klar, dass nach den Tanklastern aggressiveres Vorgehen noch schwieriger wird, als es schon davor war. Videos und Medienberichte haben mich da immer wiederlegt. Wenn man jetzt diese Aussage in den Interviews hört fühle ich mich aber doch bestäigt. Patrouille in der AOR fahren und nichts aktiv machen hatten wir alles schonmal.
Ich glaube persönlich, man befindet sich jetzt reduziert auf die Lage, wieder an dem gleichen Punkt wie 2008. Die politische/militärische Führung will kein Risiko eingehen und belässt es bei dem Status Quo. Die Soldaten vor Ort sehen „the real Shit“, bemängeln dies in diversen Lageberichten und die Berichte werden auf dem Weg
nach oben immer mehr beschönigt usw. Also das alte Spiel.
Das Problem ist doch vielmehr, daß wir uns im Jahr 2 nach Oberst Klein befinden.
Politisch ist die Parole „2014“ zum Abzug ausgeben worden und die gesamte Bundeswehrführung versucht nun, sich auf der Zielgeraden ins Ziel zu retten.
Ohne Zwischenfälle, Kopf runter und durch. So wie es jeder Karriereoffizier normalerweise auch macht: Niemals etwas entscheiden, keine Verantwortung übernehmen und alle drei Jahre macht einer die Bürotür auf und befördert einen.
Wir haben vorher schon „gerade genug“ gemacht, um unsere Freunde in Washington nicht allzusehr zu verärgern. Jetzt machen wir gar nichts mehr.
Dies ist leider der Feldwebelschicht nicht mitgeteilt worden, daher die verwirrung ;)
Ansonsten, toll zu lesen. Habe alles durch. Gute Artikel, gute Interviews.
Es ist im Zuggefüge offensichtlich eine Menge aus dem Ruder gelaufen – zum Schaden aller.
Ich erinnere mich noch sehr gut, als vor mehr als einer Dekade ich nach dem alten Ausbildungssystem aus dem Studium gekommen bin und plötzlich einen Zug zu führen hatte. Altes System heißt, ich konnte schon vor dem Studium Erfahrungen als Gruppenführer und stv. Zugführer sammeln – weit mehr Hintergrund, als den jungen Offizieren zu diesem Zeitpunkt heute zur Verfügung steht. Trotzdem hatte ich eine Menge im Studium vergessen und hätte sicher auch böse daneben gegriffen wenn:
Ja – wenn ich nicht einen erfahrenen Oberfeldwebel als Stellvertreter gehabt hätte, der heute Stabsfeldwebel ist. Erfahren, kompetent und loyal – eine perfekte Kombination! Er hat mir bei geschlossenem Zugführerbüro, aber nie vor der Front, eine Menge beigebracht – vieles bevor es in den Graben ging, manches als offenes Feedback hinterher, weil es Dinge zu verbessern galt. Es war für mich eine sehr prägende Phase – bis heute.
Vielleicht sollte der KpFw der beiden UmP sich mal erinnern, was die goldene Schnur auch heißt. Er kann ihnen am besten klar machen, dass sie eine Chance ausgelassen haben: Die einmalige Chance als Portepee einen Offizier zu formen, den man später als Führer haben möchte!
Die Diskussion ob Offiziere oder Portepees die besseren Zugführer sind, ist so alt wie die Bundeswehr. Meiner Ansicht nach wird ein Offizier mit minimaler Erfahrung vorab selten mit einem Portepee konkurrieren können, der sein halbes Berufsleben auf diese Position vorbereitet wurde. Allerdings glaube ich kaum, dass jemand einen KpChef oder BtlKdr haben möchte, der diese Phase der Ausbildung versäumt hat! Es geht nicht darum, dass Offiziere die besseren Zugführer sind, sondern das dieser prägende Erfahrungsabschnitt entscheidend für ihren weiteren Werdegang ist. Um das Erfahrungsdefizit auszugleichen gibt man ihnen eigentlich gute Stellvertreter – nicht das diese sie vor der Front lächerlich machen.
Übrigens könnte ich das auch gleich zwei Ebenen höher erneut anbringen. Der Vergleich BtlKdr Truppendiener und Generalstabsdienst ist auch so alt wie die Bundeswehr. Im Ergebnis meistens analog zum Zugführerbeispiel – möchte ich wirklich keinen Brigade- oder Divisionskommandeur ohne Führungserfahrung auf Btl-Ebene haben.
Anmerkung: Als relativ einsatzunerfahrener Offizier war ich von Mai bis November 2003 mit einer fremden Einheit im Einsatz. Nicht als Batteriechef, ich hatte „nur“ zwei Leute unter mir. Richtig kennengelernt haben wir uns erst im Einsatz. Das halbe Jahr in Afghanistan haben wir trotzdem durchgestanden. Wir waren zwar nur Aufklärungstruppe mit LUNA, also keine Kampftruppe, unser Zusammenhalt innerhalb der Batterie war aber sehr gut.
Klar ist es schwieriger in einer Truppe die ständig im Gefecht steht zu führen, aber wenn es dazu nicht kommt: Warum nochmal sollte ein Offizier Probleme haben?
Für mich hat der Oberleutnant versagt, er hat sich nicht getraut seine Hauptfeldwebel einzubremsen.
Oder: Er war froh sie bei sich zu haben, damit konnte er sie Entscheidungen von sich weg lotsen.
@ Magnus
Die Verpflegung wurde dem ganzen Zug vorenthalten, nicht dem Offizier …..
Bei allem (un-)berechtigtem Kameradenbashing, an dieser Stelle vielleicht auch mal ein Dank an die Offenheit aller Beteiligten und den Mut an diesen Interviews teilzunehmen und sich so mit Ihrer Persönlichkeit zu exponieren – und auch angreifbar zu machen!!!
P.S.: Was sich hier zeigt ist genau das, was ich in Einsatznachbereitungsseminaren als Moderator immer wieder erlebt habe, die größte Belastung ist oft nich der Einsatz selbst, sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen zu den Kameraden auf den unterschiedlichen Dienstgradebenen. Ich weiß nicht, warum wir uns noch nicht ein vernünftiges „Tool“ haben einfallen lassen – bspw. ein Coaching – um dieses noch im Einsatz in den Griff zu bekommen, wäre irgendwie zu schlau, oder?
Kurz mal eine Aussage zur Durchlässigkeit der Laufbahnen. Bis vor kurzen konnte man als Mannschafter oder Unteroffizier nur bis zum 25. Lebensjahr in die Laufbahn des Offizier Truppendienst wechseln, es blieb also nur der unbeliebte Fachdienst, in dem man vom „richtigen“ Offizier nicht anerkannt wird und es auch keine oder kaum Führungsdienstposten gibt sondern eben nur Fachverwendungen. Inzwischen wurde auf das 30. Lebensjahr erhöht. Zumindest da hat man wohl dazu gelernt.
Dieses “Tool” gibt es schon lange bei der Luftwaffe (Natürlich auch bei den Heeresfliegern und den Kameraden der fliegenden Marine) und nun auch bei den Feuerwerkern und nennt sich „Crew Resource Management“ ist so etwas ähnliches wie Menschenführung unter Belastung. Auch die Kapitäne und ihre Co Piloten haben diese Probleme, nur wenn die Fehler machen tut es auch im Heimatland weh (Presse).
Das die „neuen“ ausgetestet werden habe ich bisher eigentlich immer als normal betrachtet. In einem Zug wird es immer mindestens ein Alpha-Tier, einen Kritiker und einen Querulanten geben. Früher oder später wird jeder Vorgesetzte Probleme im Zug haben. Sei es jetzt, dass er sich Kritik anhören muß, seine Befehle nicht (vollumfänglich) befolgt werden, etc.
Wenn jetzt ein ‚frischer‘ OLt in einen gewachsenen Zug gesteckt wird und dann das bisherige Alpha-Tier (Zugführer) ersetzen soll wird es sehr wahrscheinlich zu Reibereien kommen. Da wird auf einmal das Revier des bisherigen Alpha-Tiers verletzt – der später dann wieder Alpha-Tier sein soll/will (OLt. wird versetzt) – und auch der restliche Zug muß sich auf das neue Alpha-Tier umstellen. Der eine ist den Leuten schon bekannt und berechenbar, der andere neu und noch unberechenbar.
In unserer Einheit gibt’s zurzeit das gleiche Problem: da gibt’s den OLt der den Einsatzzug führt und den HFw-(ex)-Zugführer. Da gibt’s zurzeit für mich manchmal die Frage wer den Zug führt: Olt hält sich relativ bedeckt, HFw agiert zurzeit als quasi Zugführer…
Das nächste sind die Qualifikationen und Fähigkeiten.
Ein HFw-Zugführer mußte sich bisher normalerweise hocharbeiten. Früher hat das teilweise ‚jahrzehntelang‘ gedauert (mittlerweile geht das schneller) und lief nur über einige Zwischenstationen (Trupp-, Gruppen-, Zugführer jeweils noch in den Abstufungen als einer-von-vielen, stellv und primär) ab. Da wurde dann dementsprechend Truppenpraxis gesammelt und (hoffentlich) die Spreu vom Weizen getrennt. Von meinen BW-Anfängen kenne ich noch Zugführer o.ä. als alte HFw und deren stellv.’s waren OFw kurz vor Dienstzeitende.
Der Lt/Olt-Zugführer dagegen kommt meist mehr oder weniger frisch vom Studium und Lehrgängen. Da lernt er zwar vielleicht mehr, dafür hat er weniger Truppenerfahrung. Truppenerfahrung hat er meistens nur in ein bis zwei Quartalen gesammelt; i.d.R. einmal als Fahnenjunkie und einmal als Oberfähnrich – davon eines als AGA-Ausbilder.
Zum anderen bekommt der Offizier nicht die niedrige Ausbildung und Tätigkeiten eines normalen Mannschafter/Uffz. Zum Beispiel: gibt’s sehr wenige Offiziere die MKF BCE sind, dementsprechend sehe ich von dieser Seite relativ wenig sinnvolles hinsichtlich Kraftfahrtätigkeiten etc.
Jetzt kommen wir zu
[quote]Für mich hat der Oberleutnant versagt, er hat sich nicht getraut seine Hauptfeldwebel einzubremsen.
Oder: Er war froh sie bei sich zu haben, damit konnte er sie Entscheidungen von sich weg lotsen.[/quote]
Wieweit muß ein Oberleutnant/Vorgesetzter seine HFw/Untergebenen einbremsen und wieweit muß oder darf er sie Entscheidungen treffen lassen.
Soll gelten: „Der Kraftfahrer bedient das Kfz gemäß den Befehlen des Vorgesetzen“ (Gas! Bremse! Links! Rechts! Sperre Vorderachse! Runterschalten!) oder „Der Kraftfahrer führt das Kfz selbstständig“ (Bring mich von A nach B).
Zum Vorenthalten von Verpflegung: Sollte sich ein Vorgesetzter darüber beschweren, dass er keine Verpflegung bekommt, seine Untergebenen aber schon?
Sollte der Vorgesetzte nicht die Hosengummi’s tragen?
[B]Vorbildfunktion?[/B]
Vermisse ich mittlerweile immer mehr. Wenn die Führer sich nicht blicken lassen und die Untergeben noch Überstunden schieben während der Chef schon überpünktlich Dienstschluß macht (umgekehrt geht das nicht) und Vorgesetzte in ‚falschem‘ Anzug rumlaufen ohne ein schlechtes gewissen haben…
Dann kann man schlechte Untergebene anscheißen. Wenn der HG sagt: „Aber der Oberleutnant trägt auch keine Hosengummis.“ ist das zwar keine Entschuldigung aber zumindest ich habe dann irgendwie Gewissensbisse den HG anzuscheißen…
So tief die Interviews auch in die zahlreichen inner- und zwischenmenschlichen Konflikte blicken lassen (bzw. herausgearbeitet wurden von Frau Koelbl), so lese ich doch nur zehn sehr intime „Therapie-Protokolle“ vor und zum Ende des Einsatzes. Und die gehören nicht in die Öffentlichkeit, sondern in das Einsatznachbereitungsseminar.
Ich befürchte, dass hier viel verbrannte Erde hinterlassen wurde – bzw. gerade hinterlassen wird.
@ Stefan H.
Die Sozialisation eines jungen Soldaten ist meiner nach für die weitere Laufbahn absoulut entscheidend. Ich möchte ein Beispiel aus der Luftwaffe nennen. Junge studierte Truppendienstoffiziere kommen als Berufsanfänger in der Funktion „Technischer Offizier“ in ein Geschwader. Am Anfang meinen manche der Jungingenieuren sie können dem technischen Wartungspersonal Instandsetzungspersonal ohne fachliche Autorität alle vorstellbaren sinnvollen und sinnlosen Befehle erteilen. Der übliche Sozialisationsprozess läuft dann so ab, dass die HptFw und StFw den Lt, OLt zeigen wo seine Grenzen sind. Nach kurzer Zeit kann man dann bereits erkennen, wer es zukünftig zu etwas bringen wird. Nämlich derjenige Jung-T.O. der im Verhalten dazu lernt und mit sozialer Kompetenz es zunehmend versteht die täglichen Anforderung zu managen und seine Leute entsprechend deren Fachkompetenz zur Auftragserfüllung einzusetzen. Bildlich gesprochen würde der lernfähige OLt keinen Sammelpunkt an einen Ort befehlen, den der erfahrene Portepee gut begründet ablehnt.
@ Roman 11:45 Uhr
Zitat: „Ich für mich glaube, und die FschJ haben es m.E.n.auch so gesehen: Wir bekämpfen sie lieber dort als hier bei uns. Sicher, sie haben den Heimvorteil, können mehr Leute vor Ort rekrutieren, stützen ein korruptes Drogenregime und könnten mit dem Geld, was wir dort ausgeben hier jedes Terroropfer 10x entschädigen und nebenbei noch Schulen bauen. Aber lieber lege ich dort ein paar Talibs in einer sinnlosen Mission um, als das mich eines Tages so einer mit meiner Tochter auf dem Rummelplatz wegsprengt.“
Ich akzeptiere, dass Sie sich eine vernünftige Begründung, einen „Sinn“ für ihren Auftrag brauchen. Die Gefahr die dabei besteht ist, dass man sich irgend eine Begründung für diesen Einsatz zulegt, egal wie weit sie an den Haaren herbeigezogen ist, Hauptsache man kann selbst daran glauben.
Ich für mich sehe in Deutschland keine Gefährdung durch afghanische oder pakistanische Talibankämpfer, ich sehe auch keine Gefahr durch El Kaida Kämpfer, die in AFG ausgebildet würden, da keine Ausbildungslager mehr vorhanden sind. Nein, wir sind noch dort weil wir, die Deutschen als großer Truppensteller, nur gemeinsam mit den Amerikanern rausgehen können.
@nachdenklich: Negativ.
Unabhängig davon, ob das in der ZEIT geschriebene alles zutrifft oder nicht, vermittelt es dem unbedarften Leser ein Bild von dem, mit was man sich in der BW ab Führungsebene Zug tagtäglich herumschlagen muss:
– fehlende theoretische und praktische Kenntnisse bei seinen Leuten,
– keine Zeit selber darauf einzuwirken,
– Torpedierung jeglicher eigener Initiative durch hirnlose Befehle und deren kosequente Durchsetzung (aber man geht mit der Zeit: früher wurde per Bell der Anzug der Patrouillen kontrolliert wenn es der Generalität langweilig war, heute per UAV etc.),
– hirnlose Rebellionsversuche ganz schlauer Kameraden, die erst – wenn auch mit Banalitäten – über die Grenze gehen und dann die beleidigte Leberwurst spielen, wenn sie die Früchte ihres Tuns ernten (meistens Diszi),
– Ausbaden dieser Rebellionsversuche bzw. der daraus resultierenden Aktionismusbefehle durch alle,
Undsoweiter, undsoweiter, undsoweiter, undsofort.
Und dann soll man Höchstleistungen abliefern, mit 1000 Nebenkriegsschauplätzen.
@ Elahan
Das von Ihnen erwähnte „Tool“ CRM, TRM, MRM ist das falsche Werkzeug.
Das von @Mariner geforderte Werkzeug, wäre die „Supervision“ oder das „Coaching“, vielleicht auch ein „Peer“, der im nachhinein die Situation nocheinmal durchspielen könnte und dem betroffenen Zugführer wertvolle Hinweise gibt.
Das erwähnte „Crew Ressource Management“ findet bei den Führungs- und Entscheidungs- und Arbeitsprozessen von Hochleistungsteams statt. Dies kann eine Cockpitbesatzung, eine Segelcrew im Leistungssegeln, die Besatzung eines Notarztwagens oder ähnliches sein. Dies gilt in der Variante „Team Ressource Management “ auch für Fluglotsen oder Feuerwerker, die ebenfalls im Team arbeiten. In der Variante „Maintenance Ressource Management“ gilt es für alle Beschäftigen in dem technischen Bereich eines fliegenden Verbandes.
Ziel ist es immer menschliche Fehler „Human Factors“ zu vermeiden und die Ereigniskette die zu einem Unfall, Flugzeugabsturz usw. führt, an irgend einer Stelle durch menschliche Aufmerksamkeit rechtzeitig zu unterbrechen.
Sorry, aber „Human Factors“ mag ich bei der Lw mit einem Tool berechnen können, aber mit den Aufgaben und Umständen einer Heeresteileinheit im abgesessenen Einsatz in AFG kann ich mir das nicht vorstellen. Muss eh schon immer lächeln wenn man mir vom „Team“ Luftwaffe vorschwärmt – ich aber durch die Blume erfahre, welch blutige Grabenkämpfe da im Team ausgefochten werden…
Peer wird aktiv betrieben, z.B. durch Debriefings oder einfach dem offenen Gespräch mit den untergebenen Soldaten. Nochmal: Wenn ich da vom ZgFhr lese „Ich hab da Understatement betrieben… Ich bin eher der introvertierte Typ…“, dann muss ich als Chef feststellen: Falscher Mann auf einem wichtigen Posten. Mit Introvertiertheit komme ich nicht weit.
Allerdings ich sehe das so wie Thomsen; wenn ich den neuen Feldwebel Steiner im Zug habe, der mit seiner Rolle nicht klarkommt und dann auf ganz harten Typ macht, kann ich mir jegliche „Soft Skills“ sparen.