Zu wenig Kriegsschiffe für Atalanta?
Angesichts der vorgerückten Stunde nur ein kurzer Hinweis: Der Europäischen Union droht ein Mangel an Kriegsschiffen für ihre Anti-Piraterieoperation Atalanta vor der Küste Somalias. Befürchtet jedenfalls der Vorsitzende des EU-Militärausschusses.
Und: Somalische Piraten haben heute auf die italienische Fregatte Andrea Doria geschossen, knapp vor der somalischen Küste. Angeblich schossen die Italiener zurück, richteten aber keinen Schaden an.
Für die Größe des Gebietes hatten wir schon immer zu wenig Schiffe.
Ich dachte, die „Andrea Doria“ sank 1956. Ob es Glück bringt, eine Fregatte nach einem havarierten Dampfer zu benennen?
Oder nach einem berühmten General/Seeheld? Wir heißen auch Deutschland und sind oft genug untergegangen. Sowohl an Land als auch auf See.
Wir haben nicht nur zu wenige, sondern vor allen Dingen die falschen Einheiten dort. Abgesehen vom „end state“ für das ganze Problem, der nicht addressiert wird; leichter ist erstmal ein „end date“ für die jeweiligen Missionen.
Es wäre viel wünschenswerter, statt für U-Jagd oder Seeziel-FK-Aufgaben konzipierte Einheiten entsprechend mehr Hubschrauberträger, Maritime Patrol Aircraft, Drohnen und für den Schutz vor Piraten optimierte Schiffe (ich meine, es war Malaysia, dass Frachtschiffe als „Hilfskreuzer“ ausgerüstet hat) vor Ort zu haben.
Wunschdenken *off* :)
Andrea Doria ist ein Traditionsname in der Italienischen Marine.
Ein Schlachtschiff, ein Lenkwaffenkreuzer und der derzeit modernste Zerstörer der Flotte trugen/ tragen diesen Namen.
Namenspatron ist ein Genueser Condottiere und Admiral, der erfolgreich gegen Türken und nordafrikanische Piraten(!) kämpfte. Sein Leben ist Gegenstand von Schillers „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“
Neuer Rückschlag für die Marine
Korvette „Braunschweig“ beim Eindocken in Wolgast schwer beschädigt
Die Hiobsbotschaften bei der Marine reißen nicht ab. Nach der bösen Überraschung bei der Dockung der „Gorch Fock“ in
Kiel, ist – wie jetzt erst bekannt wurde – am Donnerstag beim Eindocken eine Korvette schwer beschädigt worden.
Der Werftbesuch bei der P+S Werft in Wolgast wurde zum Fall für den Havariebeauftragten:
Beim Eindocken ist aus noch ungeklärter Ursache ein Dockunterwagen weggesackt. Dabei ist das Schiff mit seinem gesamten Gewicht von rund 1500 Tonnen auf die Pallen (Holzstützen) gesackt. Verletzt wurde dabei zum Glück niemand. Der Kiel wurde um bis zu 20 Zentimeter eingedrückt. Die Marine
bestätigte den Vorfall. Wie lange die Korvette ausfalle, sei noch nicht klar. Das hänge von einer Vermessung des
Rumpfes ab, hieß es beim Flottenkommando. Möglicherweise
betrage der Schaden aber mehrere Millionen Euro.
Die Besatzung wurde darüber informiert, dass der für das nächste Jahr geplante Auslandseinsatz unter der Flagge der UN fraglich ist. Es wäre der erste Einsatz einer deutschen Korvette gewesen.
Die „Braunschweig“ hätte zur Vorbereitung auf diesen Einsatz nach dem Jahreswechsel nach Großbritannien fahren sollen, wo eine abschließende Ausbildung erfolgen sollte. Die „Braunschweig“
ist das erste Schiff einer neuen Klasse von fünf Korvetten, die eigentlich 2007 in Dienst gestellt werden sollten.
Beim Bau der fünf Schiffe traten immer wieder erhebliche Verzögerungen auf. Mängel an der Verarbeitung, den
Klimaanlagen und den Getrieben sorgten für Verzögerungen. Die Mängel waren beim Typschiff „Braunschweig“ jetzt abgearbeitet
worden. Bei der Dockung sollten einige kleinere Reparaturen
am Rumpf erfolgen. Kieler Nachrichten 23.11.2011
@Phillip Runge
Danke für die Info – gibt’s evtl. einen Link?
(Bin heute etwas aus dem aktuellen Geschäft raus; aber das lohnt ja einen eigenen Thread…)
Dafür, dass der Kampf gegen die Piraterie angeblich UND tatsächlich von großer Bedeutung ist für westliche Export-Nationen, tut die Politik herzlich wenig um den Streitkräften zu geben was sie für die Erfüllung dieser Aufgaben brauchen.
Zu wenig Schiffe, da können wir Deutsche doch sicherlich aushelfen, Reserven im Mandat haben wir doch erheblich, oder sind die 1200 Mann Maximalstärke vollkommen aus der Luft gegriffen und es stehen garkeine Schiffe dahinter?
Fuer diese Mission (OAA) wird es nie genug Schiffe geben.
Habe dazu ‚mal einen passenden Vergleich in Bezug auf Groesse des Seegebietes und die Anzahl der Einheiten gehoert:
„Wir versuchen gerade, Deutschland mit 6 Polizeiwagen zu bestreifen.“
Da bringen mE auch 12 Wagen, hier Schiffe, wenig.
Das Problem muss an Land bekaempft werden und dieses ist eine vielschichtige Aufgabe, da mE Somalia NIE wieder in seine Urform (kuenstlich gezogenen Grenzen von anno dazumal) zurueck kann. Die internationale Bereitschaft, dem „failed State“ fundiert zu helfen, tendiert aber, meine ich, fast gegen Null.
Anbei eine kleine Auswahl moeglicher Massnahmen (bei erneutem Auffinden von Motivation und Geld und … ):
– Die Uebergangsregierung (TFG) ist macht -und zahnlos, also Verhandlungen mit Staemmen und Somali-/ Puntland aufnehmen zwecks Ausloten einer moeglichen gemeinsamen Basis
– Somaliland und (besonders) Puntland in ihren Bestrebungen unterstuetzen, die Piraten eigenhaendig (an Land und auf See) zu bekaempfen (UN muss ueber ihren Schatten springen, s.a. voriger Punkt)
– Mandatserweiterung diesbzgl. durch UN
– Austrocknen der internationalen Hintermaenner der Piraterie (in GBR, IND, …)
– Al-Shabaab im Sueden durch Kenia ebenfalls bekaempfen „lassen“ (Zugestaendnis an Kenia)
– gleichzeitiger Aufbau effektiver(er), ziviler Komponenten nach Absprache/ Klaerung Pkt.1
– Unterbinden des „Kuhhandels“ (sofern moeglich) (sued-)europaeischer Staaten mit TFG bzgl. Kauf von Fischereirechten, Muellverklappung, etc.
– keine Rueckkehr zu einer Zentralregierung (Stammes- und Volksgruppengesellschaft)
– …
Dieses sind – stark vereinfacht – die ersten Massnahmen zur Austrocknung der Piraterie.
Die Aufgabe ist fast unloesbar, deswegen moechte dort keiner ‚ran, habe ich das Gefuehl.
Wir versuchen mit der Marineoperation (Erinnerung: Hauptauftrag –> WFP schuetzen), die Symptome zu behandeln, aber nicht die Ursache. Dieses darf man auch den Marinen nicht anlasten, sondern muss dieses auch knallhart von unseren Politikern einfordern.
Das Uebrige tut das VerwGer Koeln dazu, um unserer Marine die Haende zu binden. Laecherlich.
Deutscher Ansatz: Ich sage der Marine, wie es nicht geht!
Wahrscheinlich ist der „Patient“ im strategischen Sinne (noch) nicht wichtig genug.
Wo sollen die von Ihnen geforderten Schiffe denn herkommen?
Klar haben wir noch Fregatten, die (noch) nicht im Einsatz stehen, aber gehen Sie mal davon aus, dass das vor Kurzem oder in Kürze noch der Fall war / sein wird.
Und ein wenig Erholung sei den Besatzungen doch bitte gegönnt.
Übrigens eine Forderung, die der Ministerpräsident von Niedersachsen auch vor gar nicht langer Zeit gestellt hat. Und der offensichtlich nicht die Zeit fand, vor dem Raustrompeten mal in Wilhelmshaven oder Glücksburg anzurufen.
Wie waere es denn, wenn man erstmal Ops Atalanta, TF 150, TF 151 und Ocean Shield erstmal in einem Verband unter einer Fuehrung zusammenzieht. Atalanta ist ausschliesslich unter den spezifischem Interesse der europaeischen Suedstaaten zum Fischereischutz aufgebaut worden.
@ quantum
Ja und nein:
Fuehrung aus einer Hand ist erstrebenswert, wird aber wohl wegen der Gemengelage (Mandate) wohl eine sehr ambitionierte Aufgabe – es sei denn, man schafft es, die Staaten der EU,der NATO und der „Coalition of the willing“ zusammen zu bekommen und einen gemeinsamen Willen (inkl. Mandat) kund zu tun.
So wird man weiterhin mind. 3 TF in unterschiedlich gearteten Operationen finden, da die Tuerkei nur unter NATO-Flagge faehrt, DEU nur unter EU-Flagge teilnimmt (WFP-Schutz, Piraterie offiziell „Nebenprodukt“) und andere nur unter OEF.
Zumindest koordiniert man die Missionen in Bahrain (USNAVCENT), um sich abzustimmen (SHADE-Meetings) – dieses gilt auch fallweise fuer „Einzelfahrer“ wie CHN, IND u.a..
TF 150 faehrt eher Anti-Terror als Anti-Piraten-Einsatz (TF151 und 508).
Auffaellig war 2009, dass sich Norwegen als NATO-only Land an EU-ATALANTA, nicht aber an NATO Ocean-Shield beteiligte.
@TomTom: Danke für diese Klarstellung. Wie heißt es doch so schön: Willst du eine schwimmende Einheit im Einsatz, brauchst du drei. Eine ist in der Einsatzvorbereitung, eine im Einsatz und die dritte in der Nachbereitung …
Aber: Es war der niedersächsische Innenminister. Und der hatte kürzlich zu diesem Thema sogar eine hochkarätig besetzte Tagung in Berlin initiert. Böse Zungen behaupten, er wolle damit von seiner Reform (=Zusammenstreichen) der Wasserschutzpolizei in Niedersachsen ablenken …
@quantum: Wenn man den beteiligten Marineoffizieren glauben darf, funktioniert die Zusammenarbeit zwischen all den internationalen Verbänden und Einheiten auf der Arbeitsebene vor Ort ganz prima!
@Deichpirat
Ich kenne die von Ihnen genannte Formel auch. Wie stellt sich das dann jedoch bei Einheiten wie EGV dar, von der nur wenige Einheiten existieren? Gleiches Problem Flottendienstboote. Haben die dann einen anderen Turnus und mithin kürzere Ruhezeiten nach einem Einsatz?
@Deichpirat: Danke für die Richtigstellung. Hab das aus dem Kopf zitiert.
@dallisfaction: Bei 2 EGVs sind bis jetzt nie beide gleichzeitig im Einsatz gewesen.
Nächstes Jahr werden sie zwar beide parallel zur See fahren, in den Einsatz geht aber nur einer von beiden. Danach steht dann auch wieder bald die Werftzeit an….
Mit dem 3. (sollte er denn kommen) könnte ständig einer für den Einsatz zur Verfügung stehen, auch das aber nur so lange, wie dem keine unvorhergesehenen Instandsetzungen oder Ausbildungserfordernisse im Wege stehen.
Und ja, dieses „Problem“ gibt es auch bei den Flottendienstbooten. Es gibt dann halt gerade keines, das in den Einsatz gehen könnte.
Natürlich kann man aber immer lageabhängig die Ruhezeit reduzieren. Bestimmte (auch im Ausland stattfindende) Ausbildungsanteile sind aber fest terminiert, so dass hier der Spielraum eher gering ist.
Auch deshalb muss eine Planung immer mindestens eines, eher zwei Jahre in die Zukunft gehen.
Und eine Forderung, „mal eben schnell“ weitere Einheiten bereit zu stellen, läuft oft ins Leere.
@TomTom: Der dritte EGV, die „Bonn“ liegt schon recht weit fertig gestellt in Emden.
Der erste Teil der militärischen Fahrmannschaft wird bald dort aufschlagen …
Also hat die Marine bald drei EGV – und die Formel greift auch hier wieder!
Für die „Köln“ und die „Rheinland-Pfalz“ sieht es kaum nach einer Verlängerung aus: Der Flotte fehlt es in einigen Verwendungsbereichen schlicht an Personal. Und die Operation „Heldenklau“ geht auf Dauer nicht mehr gut. Die brauchen die Leute auf anderen Einheiten.
@all
Die Korvetten-bezogenen Kommentare verschiebe ich mal in den neuen Thread zu dem Thema – ich hoffe das ist ok.