Bitte gib mir nur ein Wort

Die heftige Diskussion über das Bundeswehr-Video im Youtube-Kanal der Bundesregierung ist aus Sicht des zuständigen Bundespresseamtes irgendwie nicht nachvollziehbar. Schließlich sei das Video nach nur einem Tag online nur deshalb entfernt worden, weil es nicht der Coporate Identity dieses Youtube-Kanals entsprach, sagt der stellvertetende Regierungssprecher Georg Streiter: Da sind gar keine Worte, das ist übersehen worden.

Interessanterweise fielen die fehlenden Worte gerade dann auf, als sich Oppositionsabgeordnete kritisch zu dem Videoclip äußerten…

(Hier ist er übrigens noch mal zu finden; es scheint, als wolle die Bundesregierung nicht gegen diese – eigentlich illegalen – Uploads auf Youtube vorgehen. So jedenfalls verstehe ich Streiter mit der etwas resignierten Bemerkung, auf Youtube könne man ja nichts verhindern.)

Im Wortlaut und zum Nachhören: Die Erklärungen erst vom Sprecher des Verteidigungsministeriums, Stefan Paris, und dann vom stellvertretenden Regierungssprecher heute vor der Bundespressekonferenz dazu:

Bundeswehr-Video – Bundespressekonferenz 18.11.2011 (mp3)

Das Frage-und-Antwort-Spiel jetzt auch zum Nachlesen:

FRAGE: Herr Paris, gestern gab es eine Stellungnahme des Verteidigungsministeriums zu dem Nachwuchs-Werbevideoclip auf YouTube. Es gab Kritik von einer Abgeordneten der Grünen. Jetzt ist festzustellen, dass der Nachwuchs-Werbevideoclip auf YouTube nicht mehr platziert ist. Haben wir das richtig wahrgenommen? Was ist der Grund für den Sinneswandel, dass das Video jetzt doch heruntergenommen worden ist?

PARIS: Ich möchte zunächst immer darauf hinweisen, dass es sich nicht um einen Nachwuchs-Werbeclip, wie Sie sich ausdrücken, handelt, sondern das ist ein Beitrag des Bundesverteidigungsministeriums bzw. der Bundeswehr zum YouTube-Auftritt der Bundesregierung. Wir hatten den auf Bitten des Bundespresseamtes zur Verfügung gestellt. Er ist dann auch von dort aus online gestellt worden. Insofern geht Ihre Frage jetzt zuständigkeitshalber an den Kollegen Streiter!

SRS STREITER: Das ist ganz leicht zu beantworten: Die Bundesregierung will auf ihrem YouTube-Kanal in Bild und Wort über ihre Arbeit informieren. Wir haben dieses Video zurückgezogen, weil es halt nicht in diese Kategorie fällt, da es darin kein Wort gibt. Das Video hat seinen berechtigten Platz auf den Seiten des Bundesverteidigungsministeriums, weil es realistische Szenen aus dem Alltag der Soldatinnen und Soldaten zeigt. Aber es passte halt nicht 1:1 in die Sprache des YouTube-Channels der Bundesregierung, weil es dabei um Wort und Bild geht und es in diesem Fall kein Wort gab.

ZUSATZFRAGE: Ist der ausschließliche Grund für den Rückzug also, dass es kein Wort in dem Video gibt?

SRS STREITER: Genau. Wir haben das auch bevor Sie jetzt nachfragen, sage ich es Ihnen gleich übersehen und dann einfach gesagt: Wir nehmen es wieder herunter.

FRAGE: Herr Streiter, ich entnehme Ihren Worten, dass die heftige Kritik vonseiten der SPD und der Grünen natürlich gar nichts damit zu tun hatte, dass das Video aus dem YouTube-Kanal entfernt wurde.

SRS STREITER: Gute Frage. Ich würde einmal sagen: Wir sind das Presse- und Informationsamt, bekommen ja auch Informationen und sind halt von außen darauf aufmerksam gemacht worden.

ZUSATZFRAGE: Bedeutet „von außen“ jetzt konkret „diese beiden Oppositionsabgeordneten“?

SRS STREITER: Wir lesen alle Nachrichten.

ZUSATZFRAGE: Ich glaube, dass Sie alle Nachrichten lesen; das ist mir schon klar. Aber Sie beziehen sich ja jetzt darauf, dass es offensichtlich Nachrichten gab, die nicht die Kritik der beiden Abgeordneten beinhalteten und die dazu geführt haben.

SRS STREITER: Nein, das habe ich alles gar nicht gesagt. Es ist einfach so: Wir haben irgendwann bemerkt, dass wir einen Fehler gemacht haben.

FRAGE: Ich habe eine Frage an Herrn Streiter und auch eine an Herrn Paris:

Herr Streiter, teilen Sie denn die Kritik, die von den Abgeordneten Malczak und Arnold geübt worden ist, dass dieses Video sehr militaristisch oder gar gewaltverherrlichend sei?

Herr Paris, wenn dies Szenen aus dem Alltag der Bundeswehr sind, werden Sie dieses Video dann auf die Homepage der Bundeswehr nehmen?

SRS STREITER: Da ich zuerst gefragt wurde, antworte ich gerne zuerst: Nein, die Kritik wird nicht geteilt. Das Video zeigt einfach realistische Szenen aus dem Alltag von Soldatinnen und Soldaten innerhalb von, glaube ich, 1 Minute und 37 Sekunden. Aber es entsprach eben in dieser Form sozusagen nicht der Corporate Identity, wie es so schön auf Neudeutsch heißt, dieses YouTube-Channels der Bundesregierung.

PARIS: Wr haben, wie ich eben sagte, dieses Video für das Bundespresseamt erstellt. Wir werden es meiner Ansicht nach nicht auf den Bundeswehr-Auftritt nehmen, weil es sich um einen Trailer handelt. Wir selbst betreiben YouTube ja durchaus schon erfolgreich seit August des vergangenen Jahres. Wir haben auf dem YouTube-Kanal der Bundeswehr insgesamt 626 YouTube-Clips eingestellt. Das ist eine hohe Zahl und eine Zahl, die auch stetig steigt. Wir haben, um die Zahl einfach einmal zu nennen, seit August letzten Jahres insgesamt 1,8 Millionen Kanalaufrufe und rund 6 Millionen Videoaufrufe zu verzeichnen. Das heißt, jeder Kanalaufrufende schaut sich im Schnitt drei Filme bei uns an.

Wir haben eine Vielzahl von Filmen, die völlig unterschiedlicher Natur sind. Es sind beispielsweise, um auf den Begriff von Herrn Borchers zurückzukommen, nachwuchswerbliche Filme, darstellende Filme, Filme aus dem Einsatzgebiet und Filme über ganz bestimmte Sparten bei der Bundeswehr. Deshalb ist es für uns verzichtbar, diesen Clips jetzt noch hinzuzufügen, weil er, wie gesagt, ein Trailer ist und letztendlich ein vorbereitender Trailer für das ist, was wir in Zukunft auch gegenüber dem Bundespresseamt präsentieren werden. Die Bitte ist ja nicht aufgehoben, sondern wir werden regelmäßig und in zeitlicher Abfolge neue Videoclips für den YouTube-Auftritt der Bundesregierung zur Verfügung stellen, die entweder im Allgemeinen von der Arbeit der Bundeswehr handeln oder die zu ganz bestimmten Anlässen ganz bestimmte Themen YouTube-mäßig aufbereitet für die Bundeswehr darstellen werden. Es ist aber nicht unbedingt notwendig, das jetzt auf die Bundeswehr-Seite zu ziehen.

ZUSATZFRAGE: Herr Paris, hat die Leitung Ihres Hauses eine Meinung zu der Kritik dieser Oppositionsabgeordneten an der ganzen Intonierung dieses Clips?

PARIS: Sie sagten ja eben in Ihrer Frage, dass diese Kritik maßgeblich dahingehe, dass es gewaltverherrlichend sei, dass es irgendwo ähnlich wie ein Ego-Shooter aufgemacht sei. Diese Kritik teilen wir nicht, sondern wir haben uns bemüht, einen Film von 1 Minute und 37 Sekunden zu produzieren, der dem Typischen des YouTube-Auftritts entspricht. Das ist eben eine schnelle Abfolge von Bildern. Das ist eine musikalische Untermalung. Das sind Beiträge, die sich insbesondere durchaus an ein sehr junges Publikum wenden. Die Altersstruktur der Nutzer liegt bei 50 Prozent im Alterssegment unter 25 Jahre und bei 20 Prozent im Segment zwischen 45 bis 55 Jahre. Insofern ist immer irgendwann der Punkt erreicht, an dem sich jeder über das Empfinden beim Anschauen solcher Clips äußern kann.

Wir haben diesen Film eingestellt. Ich habe diesen Film abgenommen. Insofern ist es so, dass wir durchaus zu dem, was wir gemacht haben, stehen und diesen Clip als durchaus geeignet angesehen haben. Aber natürlich ist der Hinweis von Herrn Streiter richtig. Wenn es sich um Wort und Bild handeln soll, werden wir künftig auch Wort liefern.

FRAGE: Herr Streiter, ich wüsste gerne, wie so ein Clip bei Ihnen auf die YouTube-Seite kommt. Gibt es keine freiwillige Filmselbstkontrolle? Gibt es keinen Regisseur, der sich das anschaut? Kann jeder oder jedes Haus wenn ja, ab welcher Hierarchiestufe einen Clip einstellen, Sie schauen sich das an und lesen dann irgendwann in den Nachrichten „Das ist jetzt aber nicht das Gelbe vom Ei“ und sagen „Oh Gott, dann nehmen wir das einmal wieder weg“? Ist das modernes Filmmanagement der Regierung auf YouTube? Welche grundsätzlichen Konsequenzen ziehen Sie aus diesem Fall?

SRS STREITER: Die grundsätzlichen Konsequenzen sind, dass wir einfach noch einmal genauer hinschauen. Das geht ja auch alles ein bisschen schnell. Natürlich kann nicht jeder irgendeinen Film einstellen.

ZURUF: Sondern?

SRS STREITER: Der Film wird angeliefert, begutachtet und technisch auf die Seite gestellt. So ist der Film eben auch auf die Seite gekommen.

ZUSATZFRAGE: Offenbar gibt es so etwas wie eine freiwillige Filmselbstkontrolle, wenn Sie sagen, der Film werde begutachtet. Offenbar sind Ihrer Ansicht nach Fehler bei der Begutachtung gemacht worden. Oder ist der Film nur deswegen von der Seite genommen worden, weil es Kritik gab?

SRS STREITER: Ich sehe das so: Es ist einfach nicht auf das geachtet worden, was ich vorhin ich weiß schon gar nicht mehr, wie man das auf Deutsch sagt als „Corporate Identity“ bezeichnet habe. Es ist einfach etwas übersehen worden und man hat festgestellt: Huch, da sind ja gar keine Worte. Das ist einfach übersehen worden.

ZUSATZFRAGE : Also ist der Film nicht begutachtet worden? Jedem qualifizierten Mitarbeiter wäre ja aufgefallen, dass in dem Clip gar keine Worte enthalten sind.

SRS STREITER: Dem einen fällt es früher auf, dem anderen fällt es später auf. Fehler passieren auch anderswo.

FRAGE: Wenn, wie Herr Paris gerade gesagt hat, vom Verteidigungsministerium auch Wortinhalt geliefert werden kann, würden Sie dann diesen Clip, wenn er mit Wortinhalt versehen wird, gerne wieder auf die Seite nehmen?

SRS STREITER: Dann würden wir ihn uns neu anschauen.

ZUSATZFRAGE: Heißt das, dass es eine Verabredung gibt, diesen Clip neu mit Worten zu versehen?

SRS STREITER: Nein, das hat doch Herr Paris gerade schon gesagt.

PARIS: Um das noch einmal deutlich zu machen: Das ist ein Trailer. Der Trailer ist bewusst so gemacht. Er verzichtet auch auf Wortbeiträge. Insofern ist die Entscheidung, die das Bundespresseamt getroffen hat, völlig nachvollziehbar, weil Wortbeiträge fehlen. Jetzt können Sie aber nicht davon ausgehen, dass wir auf die 100 Sekunden Wortbeiträge drauflegen, sondern wir liefern das ist schon in Auftrag und in der Vorbereitung weitere Filme. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir seit einem Jahr dabei sind, sehr intensiv dieses Format, dieses Social Media zu nutzen. Wir sind ja auch gestern dafür geehrt worden, dass wir uns da sehr bemüht haben.

Insofern werden wir weitere Beiträge in all den Facetten (erstellen), die die Bundeswehr liefert und die Sie auch in diesem 100-Sekunden-Stück dort sind ja viele Bilder zu sehen durchaus sehen können. Gehen Sie einfach einmal davon aus, dass wir quasi zu jedem Bild, das dort in einer kurzen Zeit von ein bis zwei Sekunden gezeigt wird, sicherlich in Wort und Bild noch eine ganze Geschichte erzählen können. Das werden wir tun. Das ist ja ein fortlaufender Prozess.

FRAGE: Jetzt bin ich etwas irritiert. Herr Streiter spricht von Corporate Identity, Wort und Bild. Herr Paris sagt: Der Trailer verzichtet bewusst auf Wort. Das scheint irgendwo ein Absprachemanko zwischen den beiden Häusern gewesen zu sein. Der eine wusste nicht, dass der andere kein Wort will oder umgekehrt.

Zum anderen würde mich eines interessieren: Herr Streiter, das Internet vergisst nichts. An einigen Stellen ist dieses Video wieder aufgetaucht. Es wurde von anderen Usern auf YouTube hochgeladen. Wird die Bundesregierung das so stehen lassen? Oder werden Sie dagegen vorgehen?

SRS STREITER: Wenn Sie sich selber mit YouTube auskennen, werden Sie wissen, dass Sie kaum bzw. gar nicht dagegen vorgehen können. Was wollen Sie eigentlich mehr, als dass ich sage „Wir haben das irrtümlich auf die Seite gestellt“?

ZUSATZ: Es scheint ja ein Grundsatzproblem zu sein.

SRS STREITER: Es ist kein Grundsatzproblem. Da hat halt jemand nicht aufgepasst. Jetzt passen halt noch mehr auf.

PARIS: So ist es. Wir haben das habe ich auch gesagt in diesem Fall auf Wortbeiträge verzichtet. Insofern werden wir in Zukunft nicht mehr darauf verzichten, sodass wir gemeinsam entsprechend den Auftritt der Bundesregierung in Bezug auf YouTube weiter voranbringen werden. Wo ist das Problem?

FRAGE: Ich würde gerne noch einmal die Frage des Kollegen Wiegold aufgreifen. Ich verstehe ja nicht, wie Abläufe innerhalb einer Regierung sind. Wenn das Bundespresseamt ein Ministerium bittet, einen Beitrag zur Darstellung der Corporate Identity der Bundesregierung zu liefern, wird das dann ganz allgemein formuliert oder gibt es bestimmte Kriterien, die dieser Clip erfüllen muss? Ist das zum Beispiel das Kriterium, das auch ein Wortinhalt enthalten sein muss?

SRS STREITER: Es soll jetzt nicht arrogant klingen, aber es ist so ähnlich wie in einer Zeitungsredaktion, wenn Sie jemanden anrufen und sagen: Schreibe mir einmal 30 Zeilen über das Thema. Dann kommen die zurück, Sie stellen sie auf die Seite, und irgendwann stellen Sie fest: Irgendwie war das doch nicht so ganz (das Richtige).

ZUSATZ: Wenn ich etwas dazu sagen darf: Bei uns wird normalerweise der Beitrag geprüft, bevor er auf die Seite gestellt wird.

SRS STREITER: Bei uns auch. Ich habe ja nun gerade schon gesagt, dass er nicht ausreichend geprüft wurde. Mehr kann man doch nicht tun.