Was ISAF gar nicht mag: Bewertung auf Grund der eigenen Erfolgsmeldungen
Ein wesentlicher Grundsatz, den Pressesprecher und Öffentlichkeitsarbeiter früh lernen, lautet: Was du sagst, muss wahr sein – aber du musst nicht alles sagen, was du weisst. Das ist aus Sicht einer Institution (wie auch eines Unternehmens) nachvollziehbar, kann aber auch nach hinten losgehen.
Wie jetzt bei ISAF. Das Afghan Analysts Network hat sich die Pressemitteilungen der internationalen Schutztruppe über einen längeren Zeitraum vorgenommen und mal die Erfolgsmeldungen ausgewertet. Dabei kamen sie zu der Einschätzung, dass die Einsätze nicht gar so erfolgreich sind, wie ISAF sie darstellt.
Das wiederum gefällt, verständlicherweise, der internationalen Schutztruppe nicht. Die wehrt sich jetzt mit dem Hinweis, in ihren offiziellen Mitteilungen stehe doch gar nicht alles, was die Soldaten mit ihren Operationen erreicht hätten:
A flaw in the “analysis of press releases” is the lack of data in this report. When associated with the broad spectrum of combat operations and particularly special operations activities, it does not automatically result in a press release. Public disclosure, even after the fact, may result in compromise of sensitive information. Release of information in insurgent warfare is not always made public, so studies based on the use of press releases can be both incomplete and problematic.
Ach so. Der methodische Fehler ist also, den Mitteilungen zu vertrauen. Nun kann ich ja verstehen, dass in einer Situation wie in Afghanistan nicht alles öffentlich gemacht werden kann. Aber am Hindukusch sieht sich die internationale Gemeinschaft – nicht nur, aber auch – einem PR-Krieg gegenüber: winning hearts and minds ist ein wichtiges Ziel. Dann ist es ein bisschen dünn zu sagen, wir machen doch viel mehr als wir öffentlich mitteilen. Worauf, wenn nicht auf die eigenen Erfolgsmeldungen von ISAF soll sich denn eine Überprüfung der Aussage stützen, die Truppe agiere erfolgreich? Auf die PR der Taliban?
(Die Kings of War bringen es auf den Punkt: We should instead disbelieve in their own chain of public reporting as a method of gaining any understanding of the conflict whatsoever, since we couldn’t possibly understand the conflict from what they say.)
ISAF an Medien: „Bitte glaubt unseren Meldungen nicht!“
Das die Meldungen in ihrer derzeitigen Form nicht aussagekräftig sind haben ja selbst schon erfahren Strategieanalysten wie Andrew Cordesman beklagt.
@T.Wiegold
Wissen Sie was aus dem „Afghanistan NGO Security Office“ geworden ist? Das hatte immer die aussagekräftigsten Zahlen über Anschläge etc. ist aber seit Mitte Juli offline (www.afgnso.org). Seitdem finde ich auch keine Pressemeldungen von denen mehr. Hat ISAF da die Hand im Spiel gehabt oder wer hat die zugemacht? Die haben ja auch für deutsche NGOs gearbeitet.
@b: Wo lesen sie bitte heraus, dass ISAF das gesagt hätte? So sinnentstellend zu verkürzen und das Ganze dann auch noch als wörtliche Rede erscheinen zu lassen, ist übelste BILD-Methodik.
@geilenkirchner, @ b
ups. Darf ich vorbeugend zur Mäßigung aufrufen?
wg. ANSO: In der Tat, ist merkwürdig. Da kenne ich aber auch die Hintergründe nicht.
OT
Merkwürdig – habe ich Deutschland noch nichts drüber gelesen.
German chow hall poisons soldiers in Afghanistan
Weiss jemand etwas näheres?
Aber ja, hier: http://bit.ly/ovmJdL
Guckst Du : http://tinyurl.com/6jxm4kg
@T.Wiegold @StFwdR – Danke
—
Zu ANSO – ich habe mal zusammengestellt was ich gefunden habe: What Happened To The Afghanistan NGO Safety Office?
Im wahrsten Sinne des Wortes: Scheiße ;)
Werden die Zutaten in Marmal eigentlich aus DE eingeflogen oder lokal eingekauft?
AAN’s Antwort auf die ISAF Entgegnung:
Analysing ISAF Press Releases – AAN Responds to ISAF’s Response
Ich denke, man muß die angestossene Debate über die Glaubwürdigkeit von offiziellen Pressestatements seitens – in diesem Falle ISAF – ernst nehmen. Hier ist noch viel Raum zur Diskussion.
Die zugrundeliegende Frage finde ich vielmehr als, was denkt denn das AAN, wie sie die Meldungen und Effektivität von ISAF evaluieren will?
Zur Evaluation brauchen sie aussagekräftige Indikatoren, sinnvolle Analyseverfahren und die notwendigen Hintergrundinformationen, um die Analyseergebnisse einem reality check zu unterziehen.
Zu den Indikatoren muss ich sagen, dass eine ISAF-Pressemeldung lediglich Ausfallzahlen, manchmal beteiligte Truppen und nur grobe geographische Einordnungen bietet. Auf dieser Basis kann nicht mal klar unterschieden werden, ob die Operation durch SF/SOF oder andere Truppen durchgeführt wurde, ob sie initiativ war oder wo sich nach Raum und Zeit cluster von Aktivitäten zeigen, bzw. wer hier eigentlich die Initiative oder Offensive hat. Selbst aus den Berichten nach Gefechtshandlungen lässt sich das nicht alles ablesen, aber die werden ja nicht veröffentlicht, da sie eingestuft sind.
Die unzureichenden Indikatoren, die maßgeblich quantitativ und nicht qualitativ sind, wurden dann durch AAN einer, notgedrungen quantitavien Analyse unterzogen. 0,22 getötete INS im AOR KUNDUZ? Die Aussagekraft dieser Analyse liegt ebenfalls bei 0,22%! Wenn es nur 50 INS in dem AOR gäbe, wäre das verdammt gut, wären die 0,22 Getöteten tatsächlich Führungspersonal ebenfalls, und zugegeben in Pressestatements ist sehr oft von „INS leader“ die Rede. Gehörten die alle zum Haqqani-Netzwerk, wäre das ebenfalls viel wirkungsvoller, als wären das lokale INS. Dummerweise wissen wir das alles nicht. Ein oder zwei zusätzliche Informationen drehen das Ergebnis der „Analyse“ um 360°, so ambivalent ist die qualitative Aussage.
Wenn man also einen qualitativen Hintergrund zum AOR hat, kann man auch quantitaive Daten aus unzureichender Quelle einigermaßen einordnen, ohne diesen Hintergrund ist das alles scientific wild ass guessing. Eben dieser Hintergrund ist aber eingestuft und wird in einer idealen Welt auch nicht an das AAN herausgegeben. Wenn also das FGG2 meldet, der eine getötete INS leader gestern abend habe größere Auswirkungen als die fünfzehn letzte Woche, so wird AAN das mangels Zugang zu den Aufklärungsdaten nicht evaluieren, sondern schlicht hinnehmen müssen.
Zusammenfassung:
Der Erkenntnisgewinn der AAN Analyse und der ISAF Reaktion darauf ist lediglich, dass ISAF seine strategische Kommunikation insbesondere in die Entsendestaaten der ISAF-Truppen verbessern, verstärken und mit Details anreichern muss, aber selbst dann auf Basis dieser Daten keine qualitativ aussagekräftige Analyse zur Evaluierung der Effektivität von ISAF herauskäme. Etwas anderes zu behaupten wäre unseriös.
Das richtet sich gar nicht gegen AAN im Ganzen. Im Einzelfall und wenn sie Zugang zu den notwendigenHintergründen durch persönlichen Zugang oder Berichten haben, kommen sie zu guten Ergebnissen. In diesem Fall sehe ich das persönlich aber anders.
ANSO gibts immernoch – die sind jetzt nur anders organisiert und Teil eines weltweiten International NGO-Safety Office (INSO). Siehe auch http://www.eisf.eu/resources/library/INSO%20launch.pdf
Die Webseite ist umgezogen nach http://ngosafety.org/ aber derzeit noch im Entstehen. Die Berichte (Biweeklies und Quarterlies) gibts weiterhin, nur momentan noch nicht auf der Website.