550 Seiten (und mehr) Kundus-Untersuchungsausschuss
Ich weiß, meine Leser sind gnädig. Und verzeihen mir, dass ich jetzt nix mache aus dem nunmehr vorliegenden Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zum Luftschlag von Kundus am 4. September 2009. Aus dem 550-Seiten-Konvolut (weitere Dokumente hätten den Drucksachen-Rahmen gesprengt und sollen in den nächsten Tagen elektronisch veröffentlicht werden) einschließlich der Sondervoten der Oppositionsparteien.
Wer ihn lesen mag (das werde ich ja auch noch tun…): Er hat die Drucksachennummer 17/7400 und kann hier heruntergeladen werden.
Wäre der Untersuchungsausschuss vor einem Jahr beendet worden, wäre das gleiche Ergebnis rausgekommen. Was führ eine Verschwendung von Steuer-Geldern!
Wer den Druck von 500 Seiten mit der Anzahl der Volksvertreter multipliziert, dazu die Zeit der Erarbeitung in dutzendfacher teuer bezahlter Abgeordneten- und auch Assistentengehälter hinzufügt und für sonstige Aufwendungen noch etwas extra aufschlägt, der kommt sicher auf Kosten in einer Höhe, mit der man unsere Soldaten am Hindukusch mit so einigem an praktischer, wichtiger und lebensrettender Technik hätte versorgen können.
In kurz: Der Umfang der Ermittlungen zu einem Fall von vor zwei Jahren ist unter aller Sau für ein sog. fortschrittliches Land! Unsere Soldaten haben besseres verdient als ein Land von Daheimgebliebenen, die aus ihren Plüschsesseln in Bundestags-Blau heraus eine Lage zu beurteilen berufen fühlen, in der sich >99% nie befinden werden.
Ermittlungen sind wichtig, ohne Frage. Aber nicht dergestalt.
@ Louis Sch.
da teile ich Ihre Auffassung nicht.
Die Bundestagsdrucksache ist eine ungemein wichtige Fundquelle für all diejenigen, die ein öffentliches Interesse an der Sache haben.
Dabei soll es weniger um Personen gehen sondern um Transparenz in einer Sache, die „die Nation“ über einen längeren Zeitraum „bewegte“.
Für die akribische Arbeit derjenigen, die als Beamte oder Angestellte im Deutschen Bundestag bei der Erstellung des Berichtes mitzuwirken hatten, gilt hier ein Dank.
Ein wichtiges Dokument, welches nachhaltig wirken wird und Eingang in die politische Bildung finden soll. Demokratien zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie Dinge wie diese öffentlich machen und als Bundestagsdrucksache jedem und jeder zugänglich machen. das erleichtert die eigene Urteils- und Meinungsbildung zu einem eminent politischen Vorgang, der sich halt auf den Bundesminister der Verteidigung und seinem Geschäftsbereich bezogen hat. Immerhin waren zwei Minister, ein beamteter Staatssekretär ein Generalinspketuer und Soldaten involviert.
@J. Koenig:
Sehe ich eingeschränkt so. Wie gesagt: „Ermittlungen sind wichtig, ohne Frage. Aber nicht dergestalt.“
Es wird sich eine WINZIGE Zahl Personen das Dokument, man muss eher sagen: den Epos, komplett durchlesen. Und wer das tun wird, diese Behauptung wage ich nach Überfliegen aufzustellen, der wird zu einem großen Teil Dinge lesen, die er 1:1 schon anderswo lesen konnte. Sei es in Protokollen, in den Medien oder anderswo. Denn Reden aller halbwegs „beteiligten“ machen einen offenbar nicht geringen Anteil aus an allen Stellen, die ich aufgeschlagen habe, und werden seitenweise zitiert. Fußnoten hätten es auch getan.
Dieses Werk ist ein Witz. Wie die meisten Dokumente des Bundestags, seit es so viele davon gibt. Früher konnten die Abgeordneten diese noch lesen und sich auf Sitzungen vorbereiten – heute erwartet sie jeden Tag ein ellenlanger Stapel Papier, all die bloß „zu Protokoll gegebenen“ Reden und BT-Drs.: keiner liest mehr irgendwas.
Vor allen Dingen wie oft man sich in der Einleitung auf Pressemeldungen gestützt hat. „Der Spiegel hat berichtet das im ZDF jemand was gesagt hat….“ Ich will hoffen das ich sowas nur in der Einleitung lesen muss.
@ Louis Sch. und JSG
Hier geht es um politische Aufarbeitung … in welcher Form und in welchem Umfang dies geschieht, ist Sache der Parlamentarier.
@Christian
Tja, wenn die Militärs und das BMVg „mauern“, dann muss man sich auf die freie Presse berufen …
JSG
„!…keiner liest mehr irgendwas.“
Dies zu beklagen ist das eine.
Mir ist wichtig, dass es eine Bundestagsdrucksache gibt und der Untersuchungsausschuss, der analog der Strafprozessordnung arbeitet, ein nachzulesendes Ergebnis vorlegte, in dem alle Voten, also auch Voten der parlamentarischen Minderheit, jedermann und jedefrau ausdrucken kann, verlinken kann, versenden kann und damit einen Beitrag für das „politische Bewußtsein“ leistet.
Mir ist es also in diesem Falle weniger wichtig, ob dies nun Mitglieder im Deutschen Bundestag lesen oder nicht. Der Bericht Untersuchungsausschuss als Bundestagsdrucksache ist ein Dokument der Zeitgeschichte in Deutschland. Er findet Eingang in die Auseinandersetzung über das, was „im Krieg“ erlaubt sein kann und was nicht. Dabei kommt nicht mir nicht so sehr auf die Persönlichkeiten an, die entschieden und gehandelt haben. Vielmehr wird der rechtliche und politische Kontext deutlich. Darauf kommt es mir an.
Ich halte die Bürokratiemisantropie der Kommentatoren für unangebracht. Daß der Amtsschimmel gerne wiehert liegt in der Natur aber am Ende kommts drauf an was hinten rauskommt. Das Werk ist ja nicht von Myriaden von Ministerialbeamten erstellt worden sondern von einem harten Ermittlerkern von acht Personen unter Aufsicht von 26 MdPs – den MdPs traue ich zu daß sie den Bericht exakt durchgelesen und das Ergebnis gewissenhaft bestätigt haben, mehr wird da nicht geschehen sein. Sie sind ja MdPs und keine Ermittler..
Der Text ist ein _A_bschluß-_B_ericht, d.h. es ist die finale amtliche Abhandlung.
Nach dem Querlesen von 20-30 Seiten (bin da recht schnell in fünf Minuten durch gewesen) sieht man zwar nichts neues aber dafür hat man jetzt eine abgesegnete zitatwürdige Alternative zu diversen Verschwörungs- und Verschwurbelungstheorie.
Abschlußberichte bringen selten sensationelle Neuheiten. Das sei der 72-Punkte-Regenbogenpresse vorbehalten.
@TW:
Die Maßnahmen im Hinblick auf die Innere Führung sind zumindest mal interessant auf den Fall vom August/September 2010, mit welchem sich der Fakt-Bericht vom 4.10. befasst…
@crass spektakel
„…unter Aufsicht von 26 MdPs – den MdPs traue ich zu daß sie den Bericht exakt durchgelesen und das Ergebnis gewissenhaft bestätigt haben,..“
Da überschätzen Sie diese Damen und Herren aber gewaltig. MdBs stimmen regelmäßig über Gesetze ab, deren z.T. mehrere hundert Seiten starken Texte, die von existentieller Bedeutung für die Zukunft Deutschlands sind, sie in einigen wichtigen Fällen nur Stunden zuvor erhalten haben. Vor laufender Kamera müssen sie dann auch zugeben, dass sie im Grunde nicht wussten, wofür sie im konkreten Fall gestimmt haben. Im Kunduz-Fall dürfte es nicht besser aussehen, zumal kaum einer der Abgeordneten über eine Qualifikation verfügt, die es ihm erlauben würde, sich in solchen Fachdingen kompetent zu äußern.
In der sicherheitspolitischen Diskussion in Deutschland erübrigt sich für mich ab jetzt jeder weitere Kommentar. Dieses Land will belogen werden und bekommt, was es verdient.
Schade, in solchen Fällen würden sich Ermittlungen durch das Militär ähnlich dem Judge Advocate General Corps der US-Streitkräfte wesentlich besser eignen, da dort auch die notwendige Kompetenz zur korrekten Beurteilung des Geschehens zu finden ist. Leider kann eine solche Militärgerichtsbarkeit, ungeschönte Untersuchung und Darstellung der Wahrheit von der Bundeswehr wohl (noch) nicht verlangt werden.
„Dieses Land will belogen werden und bekommt, was es verdient.“
Dito.
Herr Wiegold, warum haben Sie uns dieses Schmuckstück vorenthalten? Nachdem ich mir nun alles angesehen habe, möchte ich Ihnen aufrichtig mein Beileid aussprechen ;-)
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RESTREPO Discussion ONE WORLD BERLIN 2010
Guests: Ottfried Nassauer (BITS), Thomas Wiegold. Moderation: Werner Koep-Kerstin (Humanistische Union)
http://www.youtube.com/watch?v=JpLz6Vq1LWU
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@ MK …
die Militärgerichtsbarkeit wurde hier aus gutem Grund abgeschaft… die gründe dürften bekannt sein. wie problematisch enge Verbindungen von Prozessbeteiligten sind sieht man regelmäßig wenn die Polizei ihre ROE’s mal wieder überschritten hat und keine sinnvolle juristische Aufarbeitung stattfindet.
Zur Klarstellung: Der Parlamentarischer Ausschuss ist auch kein Gericht. die Vergleiche zum JAG sind daher etwas unglücklich. mögliche strafrechtliche Verfehlungen der beteiligten wären auch Sache der zuständigen Staatsanwaltschaften.
@markus
Natürlich ist es bekannt, dass diese Art der Ermittlung und Untersuchung in Deutschland anscheinend verpönt ist, sei es nun wegen der NS-Militärjustiz oder der von ihnen angesprochenen Befangenheit – obwohl hier das Organ zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit mitnichten eine Rolle spielt. In demokratischen Strukturen mit dementsprechenden Kontrollbehörden ist es jedoch durchaus möglich, eine sinnvolle juristische Aufarbeitung der Fakten zu erhalten, wie eben JAG zeigt.
Dieser „Parlamentarische Ausschuss“ ist doch im Prinzip nichts weiter als eine weitere Beschäftigungsmaßnahme für MdB’s, die über militärische Entscheidungen ohne Fachkompetenz urteilen – wohlgemerkt, dass diese in ihrer Partei als „Verteidigungsexperten“ gelten. Parteiengeplänkel war weitestgehend der Grund für diese Veranstaltung, in der sich grüne zweifache Studienabbrecher anmaßen, Soldaten als leichtgläubig hinzustellen. Willkommen in Deutschland.
@MK
Mit verlaub … Sie schreiben großen Unsinn.