Somalias Piraten kehren zurück an Land
Es klingt wie eine bittere Ironie. Die Piraten, die die Gewässer am Horn von Afrika bis weit in den Indischen Ozean hinein unsicher machen, haben auch an Land zugeschlagen: Inzwischen scheint sicher, dass kriminelle Banden, die mit den Seeräubern zusammenhängen, ein britisches Ehepaar in einer Touristenanlage in Kenia überfallen, den Mann getötet und die Frau entführt haben. Officials: English tourist kidnapped by Somali pirates, heißt es bei CNN. (Entsprechende Gerüchte hatte es in den vergangenen Tagen immer wieder gegeben, allerdings keine belegbaren Indizien.)
Eine bittere Ironie ist es deshalb, weil das bei CNN geschilderte Ausweichen der Piraten auf lohnende Ziele an Land den Kreis wieder schließt. Bei einem Besuch in Djibouti vor knapp drei Jahren schilderte mir der – dort residierende – katholische Bischof von Somalia, was die Kriminellen unter anderem auf See trieb: Der Mangel an lohnenden Zielen an Land. Bereits bevor das Piraten-Problem von Somalia aus akut wurde, gab es in den Bürgerkriegswirren des ostafrikanischen Landes eine florierende Entführungsindustrie. Die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen oder Journalisten wurden oft von einer der schwer bewaffnenten Clan-Banden gefangengenommen und erst nach Zahlung eines Lösegeldes wieder freigelassen. In den vergangenen Jahren trauten sich jedoch immer weniger Ausländer nach Somalia – es gab schlicht niemand mehr zum Kidnappen. Die bewaffneten Banden, sagte mir der Bischf damals, verlegten ihren Aktionsraum auf See.
Natürlich ist das nur ein Teil der Erklärung des Phänomens Piraterie (und sicherlich gibt es auch, wenngleich von manchen zum Robin Hood hochstilisiert, den Fischer, der durch ausländische Raubfischerei seine Lebensgrundlage verlor und auf die Seeräuberei auswich). Damit scheint sich der Kreis wieder geschlossen zu haben: organisierte Kriminalität sieht auf die Profitmöglichkeiten, ob zu Land oder zur See.
Zur Piratenbekämpfung wird etwas ähnliches wie die „Lex Gabinia“ benötigt. Ein Gesetz der Römischen Republik aus dem Jahr 67 v. Ch, benannt nach dem Volkstribun Aulus Gabinius. Ziel war die Piratenbekämpfung im Mittelmeer.
Mit dem Feldzug gegen die Piraten wurde der bewährte Feldherr Pompeius beauftragt. Für die Führung dieses Krieg erhielt Pompeius folgende Kräfte und Mittel: Eine Flotte von 500 Schiffen, mit 120.000 Infanteristen, 5000 Reitern und einem Budget von 36 Millionen Denaren. Räumlich umfasste sein Einsatzgebiet alle Küsten des Mittelmeeres in einer Tiefe von 50 Meilen ins Landesinnere.
Nach wenigen Monaten wurde der Feldzug gegen die Piraten des Mittelmeeres erfolgreich beendet.
Aus dem CNN Bericht:
Aber bekämft wird in Somalia nur al-Shabaab.
Genau da liegt der Fehler. Lasst endlich die lokalen Kräfte Somalia wieder in einen halbwegs geordneten Zustand bringen und solche Bandenaktivitäten werden verschwinden. Wenn diee lokalen Kräfte dann radikal-islamisch sind ist das eben so und muss kein Grund für Besorgnis sein. Abschreckung wirkt gegen Staaten – egal von wem sie regiert werden. Abschreckung wirkt nicht gegen Guerrilla.
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Die sind seit gestern offensichtlich auch nach Berlin gelangt und rechtfertigen damit jetzt endlich einen Einsatz der Bundeswehr im Innern auch gegen „Hacker“ und „Raubkopierer“.
@Politikverdruss
Das weiß jeder, der sich mal ernsthaft Gedanken über das Thema gemacht hat. Genauso, warum Ihr Nick bedeutet, dass es nie zur Lösung kommen wird.
@b
„Lasst endlich die lokalen Kräfte Somalia wieder in einen halbwegs geordneten Zustand bringen und solche Bandenaktivitäten werden verschwinden. “
Waren es nicht die lokalen Kräfte, die den aktuellen Zustand herbeigeführt haben? Manche Völker sind eben nicht staatsbildend, was m.E. in Ordnung ist, solange sie ihre Probleme für sich behalten.
„Abschreckung wirkt gegen Staaten – egal von wem sie regiert werden. Abschreckung wirkt nicht gegen Guerrilla.“
Man kann jeden Akteur abschrecken bzw. durch Angst kontrollieren, wenn man seine Verwundbarkeiten kennt und bereit und in der Lage ist, Druck auf sie auszuüben. Die Verwundbarkeiten von Staaten entsprechen nur eher den Instrumenten westlicher Demokratien. Es wäre aber prinzipiell kein Problem, solche Wirkung auch bei nichtstaatlichen Akteuren zu erzielen. Diese sind z.B. an ihrer demographischen Basis äußert empfindlich, und auch ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln oder Wasser ist häufig sehr prekär, weshalb historische Erfolgsbeispiele des Vorgehens gegen solche Akteure u.a. dort angesetzt haben. Da westliche Demokratien solche Verwundbarkeiten aber nicht mehr ansprechen wollen, sind sie in solchen Regionen der Welt vermutlich auch nicht mehr politikfähig und müssen lernen, Piraterie etc. zu ertragen.
Es ist aber noch gar nicht so lange her, dass selbst die VN Repressalien gegen die demographische Basis u.a. von Banden in Somalia erfolgreich praktizierten:
http://www.nytimes.com/2009/04/19/opinion/19long-1.html
Wie Herr Wiegold schon sagte, liegen der somalischen OK offenbar rationale Motive zugrunde, und daher sollte man meinen, dass diese Leute nachgeben, wenn der ihnen bzw. den ihnen wertvollen Dingen zugefügte Schmerz ausreichend groß ist.
Im Gegensatz zur Lage auf See sehe ich in dieser Ausweitung des „Geschäftes“ aber nur wenig Wiederholungspotential im großen Stil. Es ist schlicht zu aufwändig, in ein Nachbarland einzudringen, sich an Wachleuten vorbeizuschiessen, und dann einen langen Heimweg anzutreten.
Ein Überraschungscoup gelingt eben nur, wenn er überrascht.
Vorausgesetzt natürlich, die ROE der Kenianer sind wenig zimperlich.
@Orontes – Waren es nicht die lokalen Kräfte, die den aktuellen Zustand herbeigeführt haben?
Nein, es war die fortwährende Einmischung von aussen. Zuletzt 2006 als nach der Regierungsübernahme durchide ICU zum ersten Mal seit Jahren Friede in Südsomalia herrschte. Die Amis finazierten dann einen Einmarsch der Ethiopier. Als die genug von der Schlachterei hatten finanzierte man eine ugandische „Friedens-„truppe. Geholfen hat man damit niemandem.