Kauft deutsch! Abgerechnet wird in Franken.
Zum Ende dieser Haushaltswoche des Bundestages mit der ersten Beratung des Etats für das kommende Jahr kann man ja mal in die Details der veranschlagten Ausgaben werfen. Und da fällt, gerade im Nachgang zu dem angestrebten Dialog des Verteidigungsministers mit der Industrie, eine interessante Einzelheit auf – beim Nächstbereich-Flugabwehrsystem Mantis, zu dem ja in dieser Woche auch schon was zu lesen war.
Die deutsche Rüstungsindustrie, heißt es immer wieder, muss mit verlässlichen Aufträgen rechnen können – um die gewünschten Kernfähigkeiten in Deutschland zu erhalten. So weit, so gut. Und unter diesem Aspekt kann es ja nicht schlecht sein, wenn die Bundeswehr ein Waffensystem bei einem großen deutschen Systemhaus dieser Industrie bestellt.
Zum Beispiel das erwähnte System Mantis, das dafür gedacht ist, deutsche Feldlager im Auslandseinsatz vor Angriffen mit Raketen und Mörsern zu schützen (und das nun später kommt und nicht in den Afghanistan-Einsatz geht, aber das ist ein anderes Thema). Interessant ist dann aber, wenn in den Detailangaben des Verteidigungsetats (wie ich höre), genau für dieses System zusätzliche Kosten wegen Währungsanpassung veranschlagt werden. In Höhe von 18 Millionen Euro.
Währungsanpassung? Das kennen wir doch sonst nur bei Material, das z.B. in den USA bestellt wird? Wegen Dollarkurs und so?
Im Fall Mantis ist die Erklärung recht einfach. Rheinmetall ist zwar ein großes deutsches Systemhaus der Rüstungsindustrie. Doch die Flugabwehr ist die Domäne der Rheinmetall Air Defence AG – vielleicht erinnert sich mancher noch an den alten Namen dieses Unternehmens: Oerlikon-Contraves. Und die sitzen, schon immer, in Zürich. Wo in harten Franken abgerechnet wird. Damit erklärt sich auch ganz logisch, warum die – scheinbare – Bestellung bei einer deutschen Unternehmensgruppe mit der Gefahr von Mehrkosten durch Währungsschwankungen verbunden ist. Der Franken hat ja in jüngster Zeit im Vergleich zum Euro massiv zugelegt, was den Schweizern selbst schon nicht mehr recht ist (inzwischen haben sie die Notbremse gezogen).
Nun scheinen 18 Millionen Euro angesichts der Milliarden, die im Verteidigungshaushalt stecken, eine eher kleine Summe. Das mag sein – aber man könnte auch einen Blick in den Teil der Haushaltsplanung werfen, in dem die Vorhaben aufgeführt sind, die mangels Finanzen auf die lange Bank geschoben werden (müssen).
Da findet sich, auch das höre ich, zum Beipiel ein genau 18-Millionen Euro umfassender Posten: Die geplante Beschaffung von ein paar Tausend Gewehren G36 in der Version Kurz Basis, geeignet z.b. für Kraftahrer und Schützenpanzer-Besatzung in Afghanistan. (Die genauen Zahlen spielen hier mal aus Sicherheitsgründen keine Rolle.) Diese 18 Millionen fehlen derzeit, deshalb ist die Beschaffung aufgeschoben. Es gibt noch ein paar andere Posten in dieser Liste, die man mit 18 Millionen zumindest zum Teil kaufen könnte. Wie ein paar Tausend Bildverstärker (BiV)Brillen leicht, die so genannte Lucie. Oder ein paar Tausend Nachtsehbrillen für Kraftfahrer. Alles Dinge, sagen mir die Experten, die man in den derzeitigen Auslandseinsätzen schon gerne hätte.
(Ehe mir jetzt jemand vorwirft, da würde ich Äpfel und Birnen vergleichen: Sowohl Mantis einerseits als auch G36k und die Nachtsichtbrillen gehören alle zum Haushaltskapitel Feldzeugmaterial.)
Aber gegen die Haushaltssystematik ist nur schwer anzukommen. Es soll da ja auch noch einen anderen wunden Punkt geben, nämlich im Munitionstitel die geplante Schaffung von intelligenten Bomben für die Luftwaffe (vorgesehen) und bestimmte Mengen/Sorten Handwaffen-Munition (erst mal nicht vorgesehen). Aber da, auch das ist zu hören, werden die Bundestagsabgeordneten mit ihrem Budgetrecht möglicherweise noch dran drehen.
Kraftfahrer sollen jetzt das G36k bekommen? Die sollten doch ursprünglich alle MP7 kriegen – wann ist das denn gestoppt worden?
@Juergen
An der Stelle sind meine Infos nicht ganz so trennscharf… Vielleicht weiß da jemand hier genauer Bescheid.
Genau an die MP-7 dachte ich auch gerade. Vielleicht ist die Reichweite der MP-7 dann doch nicht ausreichend für Afghanistan?
Ich verstehe den Punkt nicht richtig. Warum ist es ein Problem, dass eine Firma mit Sitz in Deutschland eine Tochter mit Sitz in einem anderen Land hat?
Für die Währungsschwankungen kann die Firma schließlich nichts. Wäre der Franken gerade auf Talfahrt, hätte man es vielleicht 18 Mio. billiger bekommen. Darüber hätte sich dann sicherlich niemand beschwert…
Doch ja, aber: sie ist nicht „flächendeckend“ eingeführt, sprich es haben nur einzelne Soldaten diese Waffe dabei. Der Austausch von Magazinen „wenn´s mal eng wird“ fällt somit schon mal aus. Und was noch hinzu kommt, sind die Nachteile der kleinen Kaliber, sprich aussenballistische Einflüsse etc. Die MP7 ist eine sehr gute Waffe, ein G36k für viele Truppenteile, wie z.B. Sanität aber die bessere Wahl. Nur haben die bis dato nie eine Chance auf diese Waffen gehabt, das sie nur bei Feldjägern und Spezialkräften eingeführt war.
Apropos: Evtl. sind das auch die Waffen aus einer Ausschreibung für eine Unterstützungswaffe, kurz / Karabiner (oder so ähnlich) bei den Feldjägern? Das beisst sich aber dann mit der Aussage, sie wären für Afghanistan.
Da sind schon sehr eigentümlich begabte Verhandler auf Seiten der Bundeswehr am Werk.
Welcher deutsche Unternehmer würde den einen Aufschlag bezahlen, weil die (inländische) Firma bei der er einkauft im Ausland produziert?
Noch dazu wenn er der einzige Kunde für die Ware ist?
@Hannes
Ist eine mögliche Sichtweise. Dann aber dürften die Unternehmen nicht darauf pochen, dass sie als deutsche Firmen zum Erhalt der nationalen Kernfähigkeiten beitragen?
Wir müssen drei Dinge auseinander halten:
Die MP7 ist für „nichtkämpfendes“ Personal in den regulären Truppenteilen vorgesehen, Das heisst für die Fahrer die stets im Fahrzeug bleiben und deshalb sehr beengt sind. Die Waffe ist nur für den Fall vorgesehen, dass das Fahrzeug wegen Gefechtsschäden ausfällt und der Fahrer das Fahrzeug verlassen muss.
Für alle Soldaten die absitzen oder zumindest selten absitzen, ist das G36 vorgesehen. Leider hat die BW die größte Anzahl von G36 in der „langen“ Variante. Da dies natürlich wenig zweckmässig für den Schützentrupp in einem engen Fahrzeug ist, geht man eben den Weg zum G36K. Interessant dabei ist der Aspekt, das Sturmgewehre nur eine relativ kurze Haltbarkeit in Kriegsgebieten aufweisen. Es wird einfach wesentlich mehr mit der Waffe geschossen als am Schießsstand in der Heimat. Die Amerikaner vermerken inzwischen die Schußanzahl ihrer Waffen und tauschen diese dann aus. Dies führt dazu das wirklich erstaunlich große Kontingente an M4 geordert werden müssen. Hier wäre also die Frage interessant ob die G36 der Soldaten in Afg. inzwischen schlicht „durchgeschossen sind“? Wäre das der Fall, würde hier die BW grob fahrlässig mit den Leben ihrer Soldaten umgehen.
Die dezentrale Beschaffung einer „Unterstützungswaffe kurze Reichweite für Feldjäger/KSK“. Dieser Titel soll anscheinend verschleiern das es sich um ein normales Sturmgewehr handelt und die Feldjäger bzw. das KSK das G36 nicht mehr als zeitgemäß erachten. Für diese Beschaffung haben sich alle deutschen Schmieden beworben. SIG Sauer mit ihrem SIG516 und die junge Firma Schmeisser mit ihrem Solid 2 sowie HK mit ihrem HK416.
@T.Wiegold
Das Argument „Erhalt der nationalen Kernfähigkeiten“ ist zweifellos unscharf.
Dennoch ist es egal, wo (geografisch) eine Firma mit Sitz in Deutschland („deutsche Firma“) ihre Produktion ansiedelt. Selbst der Ort des Know-How ist egal, solange die Mutter Zugriff hat. Und da kann man Rheinmetall zutrauen, dass das so ist.
Das (anteilige) Ansiedeln des Währungsrisiko beim Beschaffer ist allerdings eine andere Frage. Das hat aber nichts mit Rheinmetall zu tun.
@ Bang50
Danke, sie haben das präzisiert, was ich ausdrücken wollte. Es hat sich, zumindest war das die Erfahrung in meinem Ktgt, gezeigt, dass das „lange“ G36 einfach viel zu sperrig ist. Man kann mit ihm einfach nicht vernünftig arbeiten, wenn man „voll aufgerödelt“ ist. Zusätzlich kommt die von ihnen beschriebene Enge in Fahrzeugen wie DINGO oder SPz. Eine kompakte Waffe, wie die 416 z.B., ist da schon eher angesagter, das konnten wir unter anderem auch bei den norwegischen Kameraden begutachten. Daher hoffe ich, man verschiebt die Beschaffung der Präzisionsbomben für die Lw und macht die 18 Mio. Euro für diesen Posten frei – das wäre bitter nötig.
@Voodoo
Ich hatte nicht ohne Grund auf das Haushaltskapitel Feldzeugmaterial verwiesen – da stehen nämlich die G36 drin. Die Präzisionsbomben dagegen im Kapitel Munition – ein einfaches Verschieben ist da nicht so ohne weiteres möglich.
Ups, das hatte ich falsch gelesen dann… Dann haben sich meine Hoffnungen ja schon erledigt.