Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz (2)
Zwei Drei Nachträge zu dem komplexen Gesetzesthema:
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, hat dazu im Deutschlandfunk ausführlich Stellung genommen.
Und für die, die – möglicherweise über den RSS-Reader – nur die Einträge hier, aber nicht die Kommentare verfolgen: Die sind zu dem Thema auch lesenswert.
Dazu aus der heutigen Bundespressekonferenz mit Antworten von Regierungssprecher Steffen Seibert und dem Sprecher des Verteididgungsministeriums, Stefan Paris:
STS SEIBERT: (…) Ein zweiter Punkt war ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen. Dieser geht auf einen Antrag zurück, den die Fraktionen von Union und FDP im Bundestag im Oktober 2010 beschlossen haben. Die Zielsetzung lautet, den im Einsatz versehrten Bundesbediensteten und deren Hinterbliebenen die bestmögliche soziale Absicherung zu gewähren.
Es ist offensichtlich, dass sowohl militärische als auch zivile Einsätze in Konfliktgebieten und in Krisenregionen leider mit besonderen Gefahren für das Personal, das dort eingesetzt ist, verbunden sind. Das wurde uns allen durch Gefechte und Anschläge mit gefallenen und verwundeten deutschen Soldatinnen und Soldaten, die es im vergangenen und auch in diesem Jahr in Afghanistan gegeben hat, auf traurige Weise klargemacht. Ziel ist es nun, die Versorgung von Soldatinnen und Soldaten, aber auch von Zivilbediensteten, also die Versorgung von allen, die bei einer besonderen Auslandsverwendung einen Einsatzunfall erlitten haben, zu verbessern. Der Bund hat als Dienstherr gegenüber diesen Menschen ganz zweifelsohne eine besondere Fürsorgepflicht, und dieser kommt er jetzt mit diesem Gesetzentwurf in angemessener Weise nach.
(…)
FRAGE: Zunächst habe ich eine Lernfrage an Herrn Paris. In dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen steht, auch die Angehörigen sollten stärker unterstützt werden, und die Hinterbliebenen von Zeitsoldaten sollten künftig die gleichen Rechte genießen wie die von Berufssoldaten. Was heißt das konkret? Welche Rechte sind das, die die Hinterbliebenen von Zeitsoldaten momentan noch nicht genießen, künftig aber genießen werden?
PARIS: Es ist einer der zentralen Punkte dieses Gesetzes, dass es die bisherige Rechtslage nur hergab, dass die Berufssoldaten unter die besonderen Versorgungsbegünstigungen fallen. Das wird jetzt auf den Bereich der sogenannten Nicht-Berufssoldaten erweitert. Das sind Zeitsoldaten, das sind Menschen, die im Zivilen Dienst tun, das sind beispielsweise auch solche Personen, die im Bereich der (akustisch unverständlich) und Ähnlichem den Berufssoldaten gleichgestellt werden. Es erfolgt eine Angleichung, sodass ab Inkrafttreten des Gesetzes, ab dem nächsten Jahr, die Regelungen, wie sie bisher für die Berufssoldaten galten, jetzt für die Berufssoldaten verbessert werden, aber insbesondere auch auf den Bereich der von mir gerade genannten Gruppen erweitert werden.
ZUSATZFRAGE: Aber um welche Regeln geht es konkret? Welche Rechte hat der Hinterbliebene von Berufssoldaten heute schon, die bei einem Zeitsoldaten erst künftig greifen werden? Betrifft das die Ausgleichszahlungen, oder was ist es konkret?
PARIS: Es sind die Regelungen, die sich in diesem Gesetz befinden, einmal die Regelungen, die es gibt, und dann die Regelungen, die verbessert worden sind, beispielsweise die Anhebung der Entschädigungszahlung. All diese Dinge gelten in Zukunft auch für die Personen, die nicht den Status des Berufssoldaten haben, sondern eben in andere Gruppen fallen, für die das jetzt angeglichen wird.
ZUSATZFRAGE: Ich habe noch eine Zusatzfrage zur Schwerbehindertenklausel. Bundeswehrverband und SPD fordern, bei einer Weiterverwendung die Prozentzahl des Schädigungsgrades von 50 Prozent auf 30 Prozent abzusenken. Wie steht das Ministerium dazu? Ist es denkbar, dass diesbezüglich noch nachgebessert wird, oder bleibt es bei den 50 Prozent?
PARIS: Herr Seibert sagte bereits, dass die Initiative, die ja im vergangenen Jahr aus dem Parlament kam, seitens der Bundesregierung sehr begrüßt wird. Das Gesetz ist heute vom Kabinett im Entwurf beschlossen worden und geht jetzt in die parlamentarische Beratung. Mir steht es nicht zu, der parlamentarischen Beratung vorzugreifen, ich kann Ihnen aber erläutern, warum diese Grenze nicht auf 30 Prozent abgesenkt wurde, sondern bei 50 Prozent bleibt.
Sie wissen, dass die Gesetze, die ins Kabinett gehen, im Ressortkreis abgestimmt werden. Dort hat es den Hinweis gegeben, dass ein verfassungsrechtliches Problem entsteht, wenn man unter die Grenze von 50 Prozent geht. Das liegt daran, dass Stellen im öffentlichen Dienst nach Art. 33 Abs. 2 GG nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vergeben werden dürfen. Ginge man jetzt von 50 Prozent auf 30 Prozent herunter, würde man gegen diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz verstoßen. Deshalb ist dieses Gesetz zunächst einmal so vorgelegt worden, wie es das Kabinett beschlossen hat. Hierbei wurde eine rechtliche Position eingenommen. Was die parlamentarischen Beratungen dazu ergeben werden, müssen wir abwarten.
FRAGE: Herr Staatssekretär, es gab in dem erwähnten parlamentarischen Beschluss vom vergangenen Jahr, dem meiner Erinnerung nach nicht nur Union und FDP, sondern auch SPD und GRÜNE zugestimmt haben, einige weitere Punkte, die jetzt in diesem Gesetzentwurf nicht aufgegriffen worden sind, zum Beispiel ich sage es einmal untechnisch: die Beweislastumkehr, dass eine Schädigung auf einen Einsatzvorfall zurückgeht. Bei einer posttraumatischen Störung scheint es besonders schwierig zu beweisen, dass diese tatsächlich auf ein Ereignis im Einsatz zurückgeht. Deswegen wollten die Parlamentarier das umkehren. Gilt hier auch, was Sie, Herr Paris, gesagt haben, dass es das Kabinett dem parlamentarischen Verfahren überlassen will, dies möglicherweise noch einzubauen, und liegt es ebenfalls an irgendwelchen verfassungsrechtlichen Gründen, dass die Regierung das nicht schon ihrerseits eingebaut hat?
STS SEIBERT: Einen Moment, Herr Paris. Ich will nur ganz kurz sagen: Sie haben völlig recht. Der Antrag ist von den Fraktionen CDU/CSU und FDP eingebracht worden, hat damals aber breitere Zustimmung gefunden, was im Übrigen ein schönes Zeichen sagen wir: der Verbundenheit zwischen Parlament und Bundeswehr ist. Aber die Antwort sollte en detail von Herrn Paris gegeben werden.
PARIS: Der Antrag ist vom Deutschen Bundestag am 7. Oktober bei Enthaltung der LINKEN beschlossen worden.
Nun zu Ihrer anderen Frage. Gefordert war, dass eine Erleichterung der Nachweispflicht hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs von Wehrdienst und Schädigung aufgenommen werden sollte. Das hat man nicht getan, da es ohnehin bereits genügt, die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs darzustellen. Dieser Grundsatz gilt für das gesamte soziale Entschädigungsrecht, und eine Abweichung nur für die Auslandseinsätze der Bundeswehr konnte sachlich nicht begründet werden. Das ist der Grund, warum man die von Ihnen erwähnte Erleichterung der Nachweispflicht nicht aufgenommen hat. Es gilt aber auch das, was ich gerade gesagt habe: Das ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er ist heute im Kabinett beschlossen worden und unterliegt jetzt natürlich, wie jedes andere Gesetz auch, der parlamentarischen Beratung. Wir werden sehen, wie es zum Abschluss der Beratung aussehen wird. Ob noch Ergänzungen oder Änderungen vorgenommen werden, kann ich nicht beurteilen. Das ist Zukunft.
ZUSATZFRAGE: Es sind jedenfalls das verstehe ich richtig rechtliche Abwägungen und zum Beispiel keine finanziellen Erwägungen gewesen?
PARIS: Nein. Es sind, so wie ich es gerade sagte, rechtliche Erwägungen, ähnlich wie bei der Frage des Beschädigtengrades von 50 Prozent oder 30 Prozent. Man muss ja auch in andere Rechtsbereiche schauen. Ich erwähnte gerade das sogenannte soziale Entschädigungsrecht. Es gibt aber auch für andere Berufssparten eine entsprechende Regelung. Insoweit muss man natürlich auch schauen, dass diese Regelungen kohärent sind und nur dann durchbrochen werden können, wenn dies sachlich begründet ist. Das hat die Bundesregierung nicht gesehen und hat es deshalb auch nicht in diesen Gesetzentwurf aufgenommen.
FRAGE: Herr Paris, habe ich das richtig verstanden: Wenn ein Soldat durch Einsatzverletzungen zu mehr als 50 Prozent schwerbeschädigt ist, dann ist er für den öffentlichen Dienst geeignet, ist er zwischen 30 Prozent und 50 Prozent schwerbeschädigt, dann ist er das nicht, und das soll durch das Grundgesetz erklärt sein? Das heißt: Je geschädigter der Soldat desto geeigneter? Das ist die Logik, warum der Grad der Beschädigung nicht reduziert wurde?
PARIS: Nein, es ist umgekehrt. Es gibt eine bestehende Regelung in Art. 33 GG. Darin geht es um die Frage, wer im öffentlichen Dienst arbeiten kann. Das misst sich an den drei Begriffen, die ich nannte: Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Würde man jetzt diese 50 Prozent auf 40 Prozent oder 30 Prozent, jedenfalls auf eine Prozentzahl darunter, absenken, dann könnte der Vorgabe des Grundgesetzes nicht mehr entsprochen werden und es entstünde ein verfassungsrechtliches Problem. Hätte man eine Absenkung auf 30 Prozent vorgesehen, dann hätte man eine Regelung vorgelegt, die nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Aber es ist natürlich auch Aufgabe des Bundeskabinetts, bei Gesetzesvorlagen darauf zu achten, ob sie verfassungsrechtlich möglich sind bzw. ob sie verfassungswidrig sind. Wenn man in der Abstimmung mit den Ressorts zu dem Ergebnis kommt, dass das nicht möglich ist, dann legt man es auch dem Bundeskabinett nicht so zur Entscheidung vor.
ZUSATZFRAGE: Nur noch einmal zum Verständnis nachgefragt: Das heißt: Ein Soldat, der aus Afghanistan zurückkommt und aufgrund seiner Verwundungen 50 Prozent Schwerbeschädigung ausgewiesen bekommt, wird in den Stand des Berufssoldaten übernommen, ein Soldat, der eine Verletzung hat, die einem 30-prozentigen Beschädigungsgrad entspricht, nicht? Oder ist ein Denkfehler darin enthalten?
PARIS: Nein, das ist ein Denkfehler. Sie sagen: Ein Soldat, der verletzt zurückkommt, wird dann nicht aufgenommen. Sie müssen natürlich immer noch unterscheiden. Ein Berufssoldat, der in Afghanistan ist und dort eine Verletzung erleidet, ist Berufssoldat. Das war er auch schon vorher. Es ist ja nicht so, dass ein Zeitsoldat, der in Afghanistan verletzt wird und zurückkommt, Berufssoldat werden soll. Darum geht es nicht. Sondern es geht sozusagen um die Frage, ab welchem Grad der Verletzung diese Leistungen ausgeschüttet werden.
VORS. LEIFERT: Offenbar bleiben gewisse Restzweifel, die sich vielleicht später bilateral klären lassen.
PARIS: Das machen wir bitte später telefonisch.
ZUSATZFRAGE: Ich habe den Eindruck, dass die Fachpolitiker an eine rückwirkende Geltung vom 1. Januar 2011 gedacht haben. Sehe ich es richtig, dass diese in dem Gesetzentwurf, der heute beschlossen wurde, nicht vorgesehen ist?
PARIS: Nein, das ist meines Wissens nicht vorgesehen, sondern das Gesetz soll ohne Rückwirkung in Kraft treten. Es gibt aber diesen Zeitraum, der deutlich bis 1992 zurückverlegt worden ist, in denen es ja die ersten Fälle gab. Aber eine Rückwirkung auf den 1. Januar 2011 gibt es nicht, sondern es tritt in Kraft und ist dann gültig.
(…)
FRAGE: Es ist klar, dass man das bilateral klären könnte, aber ich habe noch einmal nachgeschaut, weil das meines Erachtens ein sehr wichtiger Punkt ist. Es geht in der Tat darum, dass Menschen, die einen 50-prozentigen Schädigungsgrad haben, Anspruch auf Weiterverwendung im Dienstverhältnis eines Berufssoldaten, in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder in einem unbefristeten Arbeitnehmerverhältnis haben. Das ist der Anspruch. Wer zur Hälfte geschädigt ist, bekommt etwas auf Lebenszeit. Wer nur zu 30 Prozent geschädigt ist, bekommt nichts. Jetzt sagt die Bundesregierung „Weil der nach Eignung und Befähigung dafür nicht taugt“, und das wäre dann grundgesetzwidrig. Das finde ich unlogisch.
PARIS: Ich finde das nicht unlogisch. Also noch einmal, bilden wir einfach einmal den Fall ab: Es gibt einen Soldaten einen Wehrübenden oder einen Zivilisten , der im Einsatz zu Schaden kommt. Dann wird vor dem Hintergrund der Frage festgestellt, ob er einen Anspruch auf Weiterverwendung hat. Dann muss geprüft werden, wie hoch der Grad seiner Einschränkung ist, die er aufgrund dieses Vorfalls im Einsatz erlitten hat. Dieses Gesetz sieht im Entwurf vor: Er hat diesen Anspruch auf Weiterverwendung dann, wenn seine Beeinträchtigung 50 Prozent oder mehr ausmacht. Es wird jetzt gefordert, das könne nicht sein, es sollten 30 Prozent sein.
Ich hatte Ihnen mehrfach gesagt, dass diese Gesetze innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden müssen. Sie müssen immer das ist bei jedem Gesetz so auch an der geltenden Rechtslage und insbesondere an der Verfassungslage gemessen werden. Der entscheidende Artikel, der hierbei ins Spiel kommt, ist der von mir auch eben genannte Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes. Darin ist festgelegt, dass derjenige, der geeignet und befähigt ist sowie auch über eine entsprechende fachliche Leistung verfügt, im öffentlichen Dienst tätig sein kann. Der Verfassungsgeber und auch die dazu ergangene interpretierende Rechtsprechung gehen davon aus, dass jemand, wenn er eine Beschädigung von 50 Prozent erlitten hat und einer dieser drei Punkte ihn dann eben nicht mehr befähigt, im öffentlichen Dienst tätig zu werden, dann nach einem traurigen, schädigenden Ereignis logischerweise auch keinen Anspruch auf eine Weiterverwendung haben kann. Das ist die Logik, die dahinter steckt. Die Logik bedeutet, dass neue Gesetze, die in das parlamentarische Verfahren gebracht werden, daran zu messen sind, ob es entgegenstehende Regelungen oder gegebenenfalls auch verfassungsrechtliche Vorgaben gibt, die zu beachten sind. So wird jedes Gesetz gemacht.
Ich hatte eben, als Herr … fragte, zu der Frage dieser sogenannten Umkehr der Beweislast gesagt: Auch hier ist eine Nichtaufnahme nicht erfolgt, weil man eben unter Bezugnahme auf andere bestehende Regelungen das sogenannte Feld des sozialen Entschädigungsrechtes schauen muss, dass die Regelungen im Gesamtkonzert der deutschen Gesetzeslage auch miteinander kohärent sind. Das ist das, was man bei Gesetzen beachten muss. Dabei ist eben nicht nur die formelle Rechtmäßigkeit von entscheidender Bedeutung, sondern man muss auch schauen, ob das, was man neu machen möchte, gegen bereits bestehende Grundsätze, festgelegt in anderen Gesetzen, verstößt oder ob sich das sollte nicht sein Gesetze widersprechen. Insbesondere hat immer die Frage den höchsten Rang: Ist ein neues Gesetz mit der Verfassung vereinbar?
In der Abstimmung über dieses Gesetz ist von der Bundesregierung gesagt worden: Wir müssen es bei diesen 50 Prozent belassen. Wir können nicht weiter heruntergehen. Wir können nicht auf 40, 35, 30 oder 25 Prozent heruntergehen, weil wir sonst an eine verfassungsrechtliche Grenze kommen, die das Gesetz dann verfassungswidrig machen würde. – Anders kann ich es Ihnen nicht erklären. Jetzt habe ich mein Pulver verschossen; es tut mir leid.
FRAGE: Herr Paris, wenn das denn so stimmt, was Sie sagen, halten Sie das sozusagen auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten und moralischen Gesichtspunkten für richtig? Wenn Sie es nicht für richtig halten, was spräche dann an dieser Stelle gegen eine Grundgesetzänderung?
PARIS: Selbstverständlich halte ich das, was das Bundeskabinett nach einer eingehenden Vorabstimmung im Ressortkreis mit den beteiligten Ressorts insbesondere dem Bundesinnenministerium beschließt, für richtig und auch für moralisch vertretbar. Das Bundeskabinett verabschiedet keine moralisch nicht vertretbaren Gesetzentwürfe.
Darüber hinaus gibt es diesen Art. 33 Abs. 2 das nennt man die althergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums; das ist der ganz alte Begriff, der dahinter steht seit dem Bestehen des Grundgesetzes. Ich hatte eben auch gesagt, dass dieser Artikel immer wieder herangezogen wird, um diese Fragen des öffentlichen Dienstes zu klären. Das ist sozusagen die oberste Klammer, die es dabei gibt. Dieser Grundsatz, der darin steht, ist richtig. Er ist auch gut, weil man eine bestimmte Eignung, eine bestimmte Befähigung und auch eine fachliche Leistungsfähigkeit haben muss. Ansonsten sollte sich der Dienstherr davon verabschieden, jemanden aufzunehmen.
Es geht hier um den Anspruch der Weiterverwendung. Dort sagt man: Die Grenze dessen, bei der jemand noch diesen Anspruch auf Weiterverwendung geltend machen kann, liegt bei 50 Prozent der Beeinträchtigung. Dazu hat man sich entschieden das hat man in diesen Gesetzentwurf hineingeschrieben , weil auch aufgrund der vergangenen Jahre dieser Punkt insbesondere vom Bundesinnenministerium als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen wird. Dem sind wir auch gefolgt.
Wir müssen jetzt sehen die Frage hatte ich schon mehrfach beantwortet , ob der Gesetzgeber diesem Entwurf folgen wird oder ob der Gesetzgeber aus welchem Grund auch immer vielleicht eine andere Regelung treffen wird. Das Bundeskabinett hat heute diesen Entwurf beschlossen. Dieser Entwurf ist durch das Bundesverteidigungsministerium unter Mitwirkung anderer Ressorts, namentlich des Bundesinnenministeriums, vorbereitet worden. Nun geht er in die parlamentarische Beratung. Da stellt sich nicht die Frage der Moral, sondern ich habe Ihnen hier dargelegt, wie das rechtlich zu verstehen ist.
ZUSATZ: Wenn aber jetzt jemand im Dienst im Dienste der Bundesrepublik Deutschland eine psychische Traumatisierung im Auslandseinsatz erleidet, diese Traumatisierung mit 30 oder 40 Prozent quantifiziert wird, diese Traumatisierung aber den Soldaten auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar macht, weil dort 100 Prozent einsatzfähige Arbeitnehmer erwartet und verlangt werden, dann ergibt sich daraus eine moralische Verpflichtung für die Bundeswehr, für den Gesetzgeber, für solche Leute zu sorgen.
PARIS: Mir fällt es sehr, sehr schwer, hier als Sprecher eines Ministeriums über moralische Fragen zu sprechen. Ich glaube, das gehört in einen anderen Bereich.
Noch einmal: Ich habe Ihnen dargestellt, nach welchen Maßstäben Gesetze gemacht werden. Ich will überhaupt nicht abstreiten, dass natürlich auch moralische Fragen dahinter stehen. Aber nichtsdestotrotz hat der Gesetzgeber, dem Vorschlag des Deutschen Bundestages folgend, eine Verbesserung durch das gesamte Gesetz herbeigeführt. Es gibt ja auch noch andere Regelungen in diesem Gesetz finanzielle Ausgleiche usw. , die natürlich auch im Falle dieser Verwundungen zum Tragen kommen. Es geht hier einzig und allein um die Frage des Anspruchs auf Weiterverwendung. Klammern Sie bitte nicht aus, dass es auch noch eine Vielzahl von anderen Regelungen in diesem Gesetz gibt. Diese sind Ihnen auch bekannt.
Deshalb kann ich nur noch einmal betonen: Das Gesetz wurde sehr intensiv erarbeitet. Diese Frage wurde auch sehr, sehr intensiv diskutiert. Aber letztendlich gibt es dann auch nur eine Lösung, die von der Bundesregierung in dieses Gesetz hineingeschrieben wurde. Ich kann noch einmal betonen: Der Gesetzgeber, von dem diese Initiative auch kommt, wird seine Beratungen jetzt aufnehmen und gegebenenfalls zu einem anderen Ergebnis kommen. Das kann ich aber nicht beurteilen. Das liegt in der Zukunft. Ich kann Ihnen nur darlegen, warum diese Regelung mit 50 Prozent und nicht mit 30 Prozent belegt wurde. Das hat einen primär rechtlichen Grund.
FRAGE: Noch einmal für ganz Dumme: 60 Prozent Beschädigung eines Kriegsversehrten heißt Anspruch auf lebenslange oder unbefristete Weiterbeschäftigung. Korrekt?
PARIS: Nein, nicht korrekt, weil Sie dann natürlich wieder unterscheiden müssen, wer denn verletzt worden ist. Wenn ein Zeitsoldat verletzt worden ist, wird er in der Regel nur über den zeitlichen Vertrag weiter beschäftigt, den er hat. Er springt dann ja nicht automatisch in ein lebenslanges Arbeitsverhältnis.
ZUSATZFRAGE: Beim Berufssoldaten Weiterbeschäftigung?
PARIS: Ja, so ist es.
ZUSATZFRAGE: Der gleiche Berufssoldat 40 Prozent beschädigt, keine Weiterbeschäftigungsgarantie?
PARIS: Kein Anspruch darauf.
ZUSATZ: Weil das Grundgesetz sagt: Der Berufssoldat, der zu 40 Prozent beschädigt ist, ist weniger geeignet, befähigt oder fachlich geeignet als der mit 60 Prozent Beschädigung. Das bleibt aber unlogisch.
PARIS: Ich glaube, ich habe versucht, die Unlogik, die Sie sehen, aufzulösen. Wenn Sie das als unlogisch sehen, ist das so. Ich habe Ihnen versucht darzulegen, dass diese Regelung gemessen an dem so hergeleitet worden ist, was das Grundgesetz hergibt und was über eine sehr, sehr lange Zeit (erarbeitet worden ist).
Sie müssen sich vielleicht einmal Folgendes überlegen: Diese Frage richtet sich nicht nur an den Soldatenberuf, sondern diese grundsätzliche Regelung gilt für alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten. Ich räume ein, dass dieses Gesetz besonders deswegen gemacht worden ist, weil es für den Soldatenberuf oder für solche, die mit diesem Beruf besonders im Einsatz in Berührung kommen, bestimmte Verbesserungen in der Einsatzversorgung vorgesehen hat. Ganz klar ist das eine spezielle Gruppe.
Im Übrigen darf man, wenn man solche Gesetze macht, nicht alle anderen Fälle ausblenden. Denken Sie an das Beispiel, nach dem Herr … eben gefragt hatte, wo ich auch sagte: Da ist eine bestimmte Regelung eben nicht in den Entwurf aufgenommen worden, weil dann andere soziale Entschädigungsgesetze, die es ja in Deutschland für eine viel größere Gruppe vielleicht auch für alle gibt, nahezu ein Stück weit ausgehebelt würden. Dann wäre eine ungleiche Behandlung aufgrund verschiedener Gesetze in Bezug auf verschiedene Personengruppen gegeben. Die gibt es immer. Aber sie darf nicht so ungleich sein, dass es nicht mehr vertretbar ist. Daran wird immer gemessen.
Ohne Partei ergreifen zu wollen, möchte ich den Versuch starten, diese scheinbare Unlogik logisch, d.h. dem GG-sinn entsprechend aufzulösen – Am Ende gehe ich noch Kurz auf Sinn und Unsinn des Weiterverwendungsgesetzes ein (vielleicht der interessantere Part):
Der Art. 33 II GG stellt den grundsatz für die Voraussetzungen einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst dar: Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Dieser Grundsatz wird aber auch schon lange (d.h. ohne Einsatzweiterverwendungsgesetz oder Einsatzweiterverwendungsverbesserungsgesetz) an der ein oder andere Stelle durchbrochen, bspw. Beschäftigung von Behinderten/Schwerbeschädigten, Förderung der Frauenquote, etc. D.h. es werden Menschen aus sozialen, moralischen und ethischen (insgesamt also politschen) Gründen beschäftigt (oder bevorzugt behandelt [Frauen]) die nicht ohne weiteres nach Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung einen Posten bekleiden würden. Die Frauen einmal außen vor gelassen: Man hat irgendwann einmal festgelegt, dass ab einer Beschädigung von 50% die sozialen Nachteile und Möglichkeiten auf dem normalen Arbeitmarkt derart eingeschränkt sind, dass der Sozialstaat/ Gesellschaft einspringen müsse, um diese Menschen zu unterstützen und die sozialen Härten abzufedern – Man ermöglicht ihnen eine Beschäftigung (oder ist es letztlich nur ein Einkommen, dass deutlich höher ist als andere Versorgungsleistungen) im öffentlichen Dienst.
Perspektivwechsel: Man hält es also für diejenigen, die nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einen „Anspruch“ auf einen Posten hätten, für hinnehmbar, wenn ein Posten nicht mit ihnen besetzt wird, sondern eben mit jemanden der entsprechend stark beschädigt ist, weil eben nur aufgrund dieser starken Schädigung es sachlich begründbar ist (soziale Härten, ethisch-moralische Verpflichtung), dass man eben dem nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung eigenlich zu nehmenden entsprechend benachteiligt.
Wollte man nun das Niveau des Beschädigungsgrades herabsetzen würde dieser Grundsatz noch massiver eingeschränkt/ belastet und das Leistungsprinzip ausgehölt, als es ohnehin schon wird (Bsp. Frauenquote).
Die Lösung wäre, dass man entweder entsprechende Dienstposten schafft (und auch mit Haushaltmitteln unveränderbar hinterlegt) oder aber diese „Weiterbeschäftigung“ (wie auch immer die aussehen soll – bei entsprechender Menge höre ich die Spieße und Kompaniechefs, bei aller Empathie und Fürsorgeverpflichtung für die Verwundeten, schon stöhnen) einfach streicht und eine „Zurruhesetzung unter Beibelassung der Dienstbezüge“ einführt. Dann können sich die Kameraden ehrenamtlich und freiwillig nach Kräften und vor allem Selbstbestimmung einbringen – sozial abgesichert wären sie ja.
Bei aller Empathie und Verständnis für die Verwundeten und deren Angehörigen, muss man auch sagen dürfen, dass eine Absenkung auf 30 % (man beachte die ziemlich hohe Anzahl der Anspruchsberechtigten) auch und eine entsprechende Weiterverwendungspflicht auf Dauer eine echte starke Belastung für die Truppe wäre. Die letztlich Personalverantwortlichen (spieße, Kompaniechefs) fühlen sich natürlich nicht nur moralisch verpflichtet diese Menschen auch sinnvoll zu beschäftigen – nur womit, da muss man sich richtig gedanken machen. Denn die dann Anspruchsberechtigten möchten wahrscheinlich (und verständlicherweise- wer will schon im Stab oder Amt geparkt werden) in ihren Einheiten verbleiben, diese kennen sie, hier ist das Band zur Bundeswehr – die Kameradschaft und gegenseitige Fürsorge – am stärksten! Wwer will es ihnen verübeln oder verwehren?. Aber wieviele Aufgaben gäbe es denn aber tatsächlich in den am stärksten betroffenen Kampfverbänden oder Sanitätseinrichtungen für die entsprechend beschädigten?!
Ich bin mir nicht sicher, ob über kurz oder lang dann nicht Empathie und Verantwortungsgefühl der Spieße und Kompaniechefs in Resignation und Abgestumpftheit umschlagen werden. es ist zu befürchten, dass nach dem nächsten
oder übernächsten Personalwechsel das Verantwortungsgefühl der Beteiligten ggü. den Beschädigten nicht mehr allzu hoch sein wird. Und dann ist der Betroffene zwar „weiterbeschäftigt“ aber letzlich doch „geparkt“.
Meine Einschätzung: Die Truppe wird mit der Bürde der Verantwortung für die Beschädigten auf Dauer überfordert sein
Ich hoffe ich behalte mit meiner Prognose nicht recht.
So gut das Weiterverwendungsgesetz auch gemeint ist: Letztlich übernimmt wieder einmal die Truppe die Bürde der Verantwortung für die Verwundeten auf sich und nicht die Gesellschaft – der Michel kann sein Gemüt weiterhin beruhigen: „Die Bundeswehr hat die Soldaten in den Einsatz geschickt und jetzt sorgt sie auch für die (selbstverschuldeten) Verwundeten.“
Wenn man sich anschaut wieviele lebensältere Berufssoldaten
aufgrund von Erkrankungen bereits heute „Dienst nach eigenem Ermessen “ leisten, dann käme es auf die relativ wenigen Einsatzversehrten nicht darauf an.
@ichundich
Das nenne ich mal wieder einen Beitrag für Schnappatmer. Wobei ich hier überwiegend Zustimmung vermuten würde. Im politischen Raum allerdings eher die, oft übliche, allergische Reaktion auf Detailwissen.
@Georg:
Den Unterschied macht aber die „gefühlte Verantwortung“; „das Band der Verbundenheit“ der Beteiligten und die daraus erwachsende Belastung für den Einzelnen.
Bei jemanden der „nur“ erkrankt (im Einzelfall sicher auch tragisch), besteht dieses Band nicht so sehr. Derjenige wird dann auch schon mal „geparkt“ ohne das übermäßige moralische Bedenken dagegen stünden.
Relativ wenige?
allein PTBS: seit 1996 2779Px (bundeswehr.de)
+ andere psychische Erkrankungen (BT-Ds 17/4792: bis 2010 1839Px )
und körperlich Verwundete allein ISAF 178Px (BT-Ds 17/4792 Stand: Anfang 2011)
Zahlenspiel:
Bei PTBS sagt man, dass 80% den Umgang mit ihrer Traumatisierung erfolgreich lernen (im Volksmund: geheilt werden), d.h. mind. 555 Soldaten (restliche 20%) sind im „Topf“ der Anspruchsberechtigten + x (mit einer Traumatisierung umgehen können, bedeutet nicht automatisch nicht beschädigt zu sein).
Bei 225.000 Soldaten macht das also 0,25% aus, d.h. auf 400 Soldaten kommt mind. 1 Anspruchsberechtigter. Gleichmäßig auf die Bw verteilt sicherlich nicht übermäßig problematisch.
Hinzu kommen noch diejenigen mit anderen psychischen Problemen und körperlich Verwundete.
Aber bekanntermaßen häufen sich die Fälle nunmal in den kämpfenden Einheiten. Hier ist naturgemäß das Band der Verbundenheit und des Verantwortungsgefühls füreinander auch am stärksten und ich glaube, dass genaus dieser Mechanismus zur Zerreisprobe für diese Einheiten wird, insbesondere wenn man den Faktor „Personalkarussell“ noch berücksichtigt. Wie lange ist es den zuversetzten Soldaten zuzumuten, sich um die „Altlasten“ zu kümmern? Vielleicht bin ich auch nur zu pessimistisch und es entsteht eine gelebte Verantwortungkultur; sprich flächig durchgesetzte, gelebte und massiv geförderte Veteranenkultur. Wünschenswert wäre es.
„Mir fällt es sehr, sehr schwer, hier als Sprecher eines Ministeriums über moralische Fragen zu sprechen. Ich glaube, das gehört in einen anderen Bereich.“
Das ist ja großartig. Erinnert irgendwie an „Sneakers – Die Lautlosen“ von 1992. Da sagt James Earl Jones als NSA-Agent (sinngemäß): „Frieden für jedermann? Wir sind von der NSA, dafür sind wir nicht zuständig.“
@BausC
Bedeutet das jetzt Zustimmung oder Ablehnung?! Wie ist das gemeint ein Beitrag für Schnappatmer? Male ich etwa zu schwarz?
@ichundich
Volle Zustimmung aber ich denke „political incorrect“, insofern gefällt es mir besonders gut.
Kurze Zwischenfrage: Wie ist es denn in anderen Ländern, insbesondere z.B. in den USA?
@ BausC
Quote 400 : 1 ist hinnehmbar. wahrscheinlich ist die Anzahl der BS im Status „schwerbehindert“ bereits heute höher.
@CMS
Grundsätzlich fiel und fällt es jeder Gesellschaft (ob nur postheroisch oder nicht) schwer sich mit den „Schattenseiten“ der Interessendurchsetzung auseinanderzusetzen.
Die USA sind vermutlich nicht das beste Beispiel, an dem man sich orientieren sollte (siehe Vietnamveteranen). Die Niederländer sind dem Vernehmen nach ganz gut aufgestellt.
Letzlich ist es die immer gleiche Frage: Wieviel Geld ist man bereit, in die Hand zu nehmen?
Oder ein bisschen zugespitzter:
Soll ein (mittzwanziger) Soldat, der in einem Auslandseinsatz -sozusagen für Deutschland seine Arsch hingehalten hat – verwundet worden ist, im Rahmen der sozialen Versorungsleistungen ein Leben lang deutlich besser gestellt werden, als ein bspw. Bauarbeiter (Familienvater), der sich 40 Jahre auf dem Bau den Rücken (und sonst noch etwas) kaputt gebuckelt hat – im Übrigen gewissermaßen auch für Deutschland (Steuern, Mehrwert, Wohlstand, Kinder) ???
Ich glaube, dass unsere Gesellschaft für diese Debatte eine für Soldaten unangenehme Antwort parat hat…
@ ichundich | 01. September 2011 – 9:21-
Ich finde Ihre Darstellungen etwas zuviel durcheinander gewirbelt, und das nicht wegen irgendeiner „political correctness“. Ich nehme gern Stellung, und freue mich auf Ihre Replik schon jetzt.
1. Sie kritisieren die „Quotenregelungen“. Das ist ihr gutes Recht und aus politikwissenschaftlicher Sicht haben Sie ein starkes Argument gebracht der Quote wider das Wort zu führen: den Gleichbehandlungsgrundsatz des GG.
Hier gilt es festzuhalten, dass sich Quote nicht auf den Verwendungsgrundsatz nach Eignung, Leistung und Befähigung niederschlagen darf. Letztlich sind die Auführungsbestimmungen so gehalten, dass letztlich nur das Losverfahren zwischen zwei absolut gleich Bewerteten hier durch eine Geschlechterregelung ersetzt würde.
Soweit die Theorie, und die bitte ich nicht unbeachtet zu lassen. Denn Sie macht klar: wird dagegen verstoßen, liegt Rechtsbruch vor. Ob und wie weit er sich nachweisen lässt, ist ein anderes Blatt: okay.
2. Zu den Menschen mit Handicap: Zum einen ist es policy, und für mich ist das im Grundsatz absolut korrekt, Dienstposten beim Staat so auszuschreiben und zu öffnen, dass ein Hinterfragen in Richtung „behindertengerecht oder nicht“ stattfinden kann und soll. Ich halte es für eine gesellschaftlich unheimlich wichtige Aufgabe Menschen mit Handicap einzubinden, wo immer es geht-und das geht.
Etwas Praxis zur Illustration: Natürlich ist es „politisch gewollt“ die erste KpChefin, die erste Frau KpFw, die erste Kommandeurin usw. zu präsentieren. Und sicher ist da auch etwas Zucker im Spiel. Aber meinen Sie wirklich, sich darüber kompetent auslassen zu können, den derzeitigen Chefinnen/ KpFw (w) und später dann Kommandeurinnen vollends die Qualifikation absprechen zu können? Bleiben wir bitte auch in dieser Diskussion mal sachlich und betrachten den Einzelfall.
Zu den Menschen mit Handicap noch einmal: Warum sollte ein Gehörloser Rollstuhlfahrer nicht einen Kassenanschlag im BwDLZ genauso schnell und genauso gut bearbeiten können, wie es ein „vollends gesunder“ Marathonläufer kann? Ich bitte Sie eindringlich, darüber nachzudenken, ob wir nicht besser einen STAN-Schlüssel benötigten, der es a) ermöglicht vom Einsatz her zu denken (denn das „Kassenanschläge in AFG bearbeiten“ kann nun wirklich nur der vollends Gesunde, MG2 in AFG kann ebenfalls nur ein an Seele und Körper vollends Gesunder) und b) unsere Versehrten nicht nur alimentiert, sondern auch weiterhin durch Fordern zu fördern.
Und da fordere ich noch etwas: Der Übergang von den Streitkräften zur Wehrverwaltung muss sich verbessern. D.h.: Die Streitkräfte entlassen den Soldaten zwar, aber die Wehrverwaltung nimmt sie auf, bildet sie aus, verwendet sie weiter (Unter Beachtung des von mir skizzierten STAAN-Schlüssels).
Dazu sei auch mir einmal etwas Polemik gestattet: Schauen wir uns den Personalkörper in den Wehrverwaltungen bitte einmal an, inwiefern hier noch Personal arbeitet, welches Kompetenzen der Soldaten einzuschätzen weiß…ich möchte so unkonkret bleiben, könnte aber auch konkret fragen: wer hat dort noch selbst aktiv gedient? Aber das soll Randnotiz bleiben, ich möchte auch niemanden zu nahe treten.
Sie verweisen auf die hohe Zahl der PTBS-Erkrankungen: Diese sind ja nun nicht automatisch alles Schwerbehinderte auf Lebenszeit, wie Sie auch ausführen. Ich bitte Sie von Ihren zwar differenziert vorgetragenen Einwurf etwas Abstand zu nehmen bzw. zu erkennen, dass es z.B. Georg http://augengeradeaus.net/2011/08/fur-juristen-und-andere-profis-das-einsatzversorgungs-verbesserungsgesetz/#comments genau darum geht:
Wenn einer nicht mehr Soldat sein kann, nicht mehr in der Bundeswehr (gesamt) dienen/ arbeiten kann -was ich bei jemanden, der in AFG einen Treffer kassierte sehr gut nachvollziehen kann-, aber sonst „arbeitsfähig“ ist, adäquat umgeschult werden können muss-Stichwort: BFD unabhängig von der Verwendungszeit bei PTBS Erkrankten, bei Verwundeten und Verletzten z.B.
Ansonsten können wir das ganze gern aber auch mal auf einer „political incorrectnes“-Ebene abhandeln, oder mal klare Worte sprechen: Die Luftwaffenhelferinnen, die Rot Kreuz Schwestern die bei der Wehrmacht dienten, haben mehr Krieg erlebt als die gesamte Nachkriegs-Bundeswehr. Sie waren Frauen, aber wollen Sie deren Leistungen in Frage stellen?
Schauen Sie einmal in die Personalliste der letzten Wehrmachtsübungsplatzkommandaturen an, oder die Personallisten derer, die zum Schluss in den Stäben der Luftgaue (hier vorrangig), der Ämter, usw. dienten und diese in den letzten Tagen auch verteidigten -mehr oder weniger-. Aber auch ein Blick in die „Kampfverbände“ lohnte.
Nun: Wollen Sie diesem hier zusammengefasst erwähnten Personal unterstellen, dass diese nicht aufrecht und tapfer kämpften bzw. den Kampf -hier: ohne Bewertung wofür und ob sinnvoll oder nicht- unterstützen? Das müssten Sie, sollen Ihre Ausführungen bzgl. Frauen und Versehrte Geltungsrang erhalten.
Noch etwas zur Illustration: Soldat (m) Müller 1,68 m groß, 62 kg schwer hat weder 1942, noch 1978 beim Marsch im Gruppenrahmen das MG getragen, konnte es aber bedienen, war evtl. ein sehr guter Nahsicherer und Spähtruppläufer, was ihm evtl auch Beförderungen in höhere Dinstgradgruppen ermöglichte. Warum bitte soll jetzt Soldat (w) Müller, 1,68 groß, 62 kg schwer anders behandelt bzw. betrachtet werden?
Damit zu ihrem Punkt Truppe/ Versehrte:
1. Ich unterstütze Ihre Gedanken bzgl. der Veteranenkultur. Auch wenn es von linker Seite Gegenwind geben wird, so ist doch festzuhalten, dass wir hier über Veteranen reden, die das Recht und die Freiheit (!!!) tapfer verteidigten.
Es ist für mich unverständlich, dass es nicht längst eine Initiative seitens des BMVg gibt, diese Veteranen „kulturell“ einzubinden. Das ist keine Aufgabe des Reservistenverbandes oder des Bundeswehrverbandes. Ich kritisiere das Fehl der Konzepte bzw. bei Vorhandensein:die fehlende Publikation dazu.
2. Werfen Sie mir ruhig fehlende Empathie vor. Aber ich habe da eine klare Ansicht: Der Chef ist dafür verantwortlich seine Einheit -ganz gleich ob er Chef Fallschirmjäger-Kp oder Kommandant Stabsquartier ist- einsatzbereit zu machen und zu halten und das -mit Ausnahme der einzuräumenden „freien“ Zeiten im Rahmen der Einsatznachbereitung- ständig.
Hierzu sollte der Chef die Meßlatte, über die alle seine Soldaten zu springen haben, festlegen können/ dürfen/ müssen an Hand seiner STAN-Aufträge und Gefechts-Vorschriften. Wer darüber springt, ist weiterhin dabei, wer nicht, der muss versetzt werden oder eben auch entlassen werden-so leid mir das in jedem Fall rein menschlich gesehen tun würde.
Aber: Hier muss der Chef natürlich organisatorisch unterstützt werden. Er kann ja schlecht sagen: so Soldat xy jetzt melden Sie sich mal im Heeresamt an Schreibtisch Nummer 145. Dort sitzt ein Oberstleutnant, dem arbeiten Sie ab jetzt zu. Bzw.: So, Soldat xy, jetzt melden Sie sich beim S1 Fw unterschreiben ihre Entlassungspapiere, dann ist Antreten.
Wir wissen beide und wir sehen allein schon an unserem schmalem Diskurs hier, wie umfangreich „vom Einsatz her denken“ Reformen bedingt(e). Nicht nur, aber auch, im Bereich der Einsatznachbereitung für Versehrte.
Stichworte wie höhere Geld- und Sachleistungen für Versehrte, Anpassung des Heilfürsorge-Katalogs, Anpassung der ReHa- und Heimplatz-Sätze gehen einher mit BFD-Anpassung, mehr Stellen für versehrte Soldaten in den Verwaltungen, STAN-Unterlegung der Dienstposten mit Redundanzen für Versehrte/ aber auch schlichtweg: Eltern, last but not least geht es auch einher mit organisatorischen Stichpunkten wie „Großstandorte“ (und hier die Stichpunkte: effektivere Familienbetreuung -mit Arbeitsplatz für die Frau, Kindergarten, Schulen, Wohnraum, das ganze Programm halt-, „Standortsicherheit“, Veteranenorganistion, Reservistenorganisation,usw.), Ausrüstung, Ausbildung. Schwerpunktstaatsanwaltschaft, usw., usw.
Und da bin ich noch längst nicht fertig.
[…]Ich glaube, dass unsere Gesellschaft für diese Debatte eine für Soldaten unangenehme Antwort parat hat…[…]
Wenn wir-womit ich nicht Sie oder mich, sondern die Gesellschaft meine- uns irgendwann wieder einmal sachlich in dieser Republik miteinander auseinandersetzen können, dann würde diese Diskussion schnell an positive Fahrt gewinnen. Der Soldat leistet etwas, was der Maurer nicht leisten muss und umgekehrt. Dazu möchte ich nüchtern feststellen: Können beide nach der Schule für sich entscheiden, was sie machen wollen und können sie sich dafür qualifizieren, dann wird es diese Debatte nicht geben, sondern die gegenseitige Anerkennung „etwas geleistet“ zu haben.
Und wenn ich die Soldatinenn und Soldaten richtig verstanden habe, dann geht es ihnen weniger um das Geld an sich -klar beim „mehr Geld“ ist niemand abgeneigt – das ist eher Bundeswehrverbandsarbeit, die das auch ruhig machen sollen, sondern es geht den Soldaten um die Beantwortung der Frage: Liebes Parlament, ihr schickt uns in den Einsatz -für den ich nur rudimentär Privat-Vorsorge treffen kann, sollte ich sterben im Gegensatz zu Maurern-, wenn ich nicht zurückkomme, was wird mit meiner Familie und wenn ich versehrt zurückkomme: was wird mit mir?
Es wird Zeit, dass die Parlamentarier darauf mal eine Antwort geben und die Herren Seibert und Paris nicht länger derart rumeiern müssen.
Eng am Thema: Der Maurer hat seine Berufsgenossenschaft. Der Soldat hoffentlich bald ein Einsatzversorgungs- und EinsVersVerbG, welches mindestens so leistungsfähig sein wird wie die Berufsgenossenschaft des Maurers.
Fazit: Soldaten, die gar nicht mehr arbeiten können, müssen abgesichert werden.
Soldaten, die eben „nur nicht mehr“ Soldat sein können, müssen für andere Berufe qualifiiert werden.
Da ist nichts anders bei einem Maurer. D.h. im Moment noch: der Maurer ist z.Zt. besser gestellt, wenngleichauch er keine goldenen Wasserhähne in Aussicht gestellt bekommt.
In einem Satz mit zwei Teilen: Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz als Reformpaket, wir haben aber effektheißerisches Clusterfummelei.
@Sachlicher
Dem unfangreichen Posting möchte ich der Übersichtlichkeit halber thematisch getrennt antworten:
1) Stichwort Frauenquote und Behinderte/Schwerbeschädigte
Sollte ich den Eindruck erweckt haben die Leistungen von Frauen (auch in den Streitkräften) und Menschen mit Handicap herabgewürdigt zu haben, möchte ich an dieser Stelle diesen Eindruck mit aller Entschiedenheit korrigieren.
Mein Posting bezog sich lediglich, auf die scheinbare Logik, die der stetig nachfragende Journalist in der gestrigen BPK aufgeworfen hat. Hierzu habe mich eines sehr verkürzten Perspektivwechsels Richtung Sinn- und Zweck der Norm (Art. 33 II GG) und das „geschütztes Rechtsgut“ bedinet. Die Jursiten würden mich für diesen Ausdruck vermutlich foltern – er beschreibt für Nichtjuristen aber ganz gut, dass diese Norm eben nicht den Staat vor schlechten Beamten schützt, sondern dem Bürger einen „Anspruch“ (aua, schon wieder Juristenfolter) auf ein geordnetes, willkürloses Verfahren beim Zugang zu öffentlichen Ämtern einräumt.
Dieser Grundsatz für den Zugang zu öffentlichen Ämtern wird – aus wohl überlegten und begrüßenswerten letztlich aber politischen Gründen – faktisch durchbrochen.
Damit möchte ich in keinster Weise zum Ausdruck bringen, dass Frauen oder Menschen mit Handicap keinerlei Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung besitzen würden!!!
Beide Beispiele sollten mir lediglich als eingängige und vglw. leicht nachvollziehbare, vllt auch plakative Veranschaulichung dienen. Mein Posting war ohnehin schon lang genug.
@ Sachlicher
2.) PTBS- Zahlen
Die von mir verwendeten Zahlen habe ich wohlweislich unter „Zahlenspiel“ gestellt. Ich wollte hiermit anhand des verfügbaren Zahlenmaterials lediglich illustrieren, von welcher Größenordnung wir hier reden.
Und ich gebe Ihnen Recht: Es sind nicht automatisch Schwerbehinderte (d.h. >50% Schädigungsgrad) auf Lebenszeit.
Randnotiz:
Gerade bei den (häufig auch in den Medien vertretenen Fällen) geht es im Kern der Auseinandersetzung um den Fakt: Wenn jemand traumatisiert wurde und erfolgreich behandelt wurde, hat er logischer Weise keinen Anspruch mehr auf Versorgungsleistungen.
Ansonsten verstehe ich nicht genau wovon ich noch abstand nehmen soll?
@Sachlicher
3. mangelnde Empathie/ Auftrag des KpChefs
Da bin ich voll und ganz bei Ihnen!
Deshalb sagte ich auch, es wird auf lange Sicht schwierig sein, die Versehrten, die in IHRE Kompanien verständlicherweise zurückkehren wollen, auch dort zu behalten, ohne ihnen vor den Kopf zu stoßen. Aus rein menschlichen Erwägungen wird sich natürlich der KpChef / Spieß aber den Versehrten besonders annehmen, er will ja nicht als unmenschlich da stehen.
Deshalb glaube ich das hier konkrete Dienstposten (inkl. Haushaltsmittel) mit entsprechender Beschreibung und angemessener Tätigkeit genau für die Versehrten geschaffen werden müssten. Wobei die Kp aber durch die Nichtbesetzung dieser Dienstposten keinerlei Nachteile entstehen dürfen. Un dies erscheint mir aus vielerlei Hinsicht als Wunschtraum.
@ sachlicher
letzter Satz:
Recht haben Sie!!!
Auch wenn man sagen kann, dass die Summe der Einzelmaßnahmen für die Soldaten nun auch wieder nicht allzu schlecht sind.
Mal kurz und ganz pragmatisch: Der Soldat ist doch vor einer Verwundung/Traumatisierung geeignet, befähigt und leistet etwas. Die Verwundung ist also Konsequenz seines Dienstes. Der Staat also verursacht die Beeinträchtigung, kann sie also eigentlich nicht zum Auswahlkriterium in diesem besonderen Fall machen. Der Verweis auf das Gesetz ist mithin vor allem eine Ausrede – eine schlechte noch dazu.
Der Fragesteller in der Bundespressekonferenz hat ja die Absurdität des jetzigen Gesetzentwurfs auf den Punkt gebracht.
50 % Erwerbsgemindert dann Weiterbeschäftigung, 40 % Erwerbsminderung dann Sozialamt. Nachdem wohl die meisten Soldaten die dauerhafte Traumata, seelische Störungen infolge PTBS erlitten haben unter 50 % bleiben, heißt es für sie Sozialamt und Hartz IV.
Mal Butter bei den Fische, wenn ein junger Mann nach einem Motorradunfall querschnittsgelähmt ist, hat er noch eine Chance als Rollstuhlfahrer z.B. beim Krankenhaus an der Pforte oder in der Telefonzentrale beschäftigt zu werden.
Welche Chance hat ein dauerhaft seelisch verletzter Kriegsveteran eine feste Anstellung zu bekommen ? Die meisten Arbeitgeber werden bei PTBS vermutlich abwinken, in die Richtung der dreht mir am Arbeitsplatz u.U. noch durch oder kann jederzeit durch Krankheit ausfallen.
Das meinte der Verteidigungsminister wohl mit der ideellen Anerkennung für den Dienst in den Streitkräften. …Ehre für Deutschland….. Wir.dienen.Deutschland
Wer frägt eigentlich danach, ob Deutschland (der Staat als Ganzes), auch für seine Diener sorgt, wenn sie seine Hilfe dringend brauchen ?
Diese 50 % Grenze hebt nur auf die „Schwerbehindertenregelung“ in den Sozialgesetzbüchern ab. Sie dient nicht der Versorgung Bedürftiger, sondern nur der Erfüllung von Schwerbehindertenbeschäftigungsquoten für die Arbeitgeber !
@ ichundich
Zunächst noch einmal meinen Dank, dass Sie als Betroffener hier und im anderen Thread Stellung bezogen. Das empfand ich als sehr interessant und erhellend.
In einer online-Dikussion entstehen leider oftmals Verständniskonfllikte, die sich nicht unmittelbar vermeiden bzw. gerade rücken lassen. In diesem Kontext bitte ich auch meine „Gegenrede“ hier und hier: http://augengeradeaus.net/2011/08/fur-juristen-und-andere-profis-das-einsatzversorgungs-verbesserungsgesetz/#comments zu sehen.
Zu: ichundich | 01. September 2011 – 14:55
Der Eindruck entstand leider. Insofern ich Ihre Antwort erleichtert zur Kenntnis nehme.
Zu: ichundich | 01. September 2011 – 15:06
Ich empfand Ihre Zahlenillustration von Anfang an sehr stimmig.
Zu: ichundich | 01. September 2011 – 15:13
Exakt das war meine Absicht: Darauf hinzuweisen, dass es auch eines organisatorischen Rahmens bedarf, auch dann für die Umsetzung der neuesten Gesetzesinitiativen.
Zu: ichundich | 01. September 2011 – 15:18
Wie ich es an anderer Stelle schrieb: Ich möchte nichts schlechter reden als es ist. Und völlig richtig suggerieren Sie: Jede Einzelverbesserung ist eine solche und somit positiv und zu begrüßen.