„Anderenfalls könnten wir aus der NATO austreten“ (Update: Stellungnahme Ströbele)

Es ist eigentlich ein Randthema, aber kommt heute (und vermutlich auch morgen) in den Medien recht groß raus: Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sieht ganz konkret und in erheblichem Maße eine deutsche Beteiligung am Krieg der NATO gegen Libyen – weil im Stab des zuständigen NATO Joint Forces Command in Neapel, das den Einsatz befehligt, auch deutsche Soldaten sitzen: Bundeswehr indirekt an Libyen-Krieg beteiligt

Nun würden mir ein paar Dinge einfallen, mit denen Deutschland trotz Nicht-Teilnahme tatsächlich in erheblichem Maße an den Aktionen der Allianz gegen Libyen beteiligt ist: An erster Stelle mit der Zustimmung zu diesen Aktionen im NATO-Rat. Ohne das deutsche Ja wäre es nämlich nicht zu diesem Einsatz gekommen.

Dem gegenüber ist dann der Einsatz von – wie ich höre: nicht mal einem Dutzend – Deutschen im NATO-Kommando eine Folge des Auftrags an das Bündnis – für den natürlich die Kommandostruktur genutzt wird. Das ist ja unter anderem Sinn dieser Kommandostruktur. Wenn man das vermeiden möchte, hätte man eben die deutsche Zustimmung zu der Aktion verhindern müssen. Man muss dann nicht gleich so weit gehen wie Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der meint, dann könnte man auch gleich aus der NATO austreten:

Direktlink: http://audioboo.fm/boos/443341-demaiziere_deutsche-im-stab-oup-18-august-2011

Eine Bitte hätt‘ ich noch: Ich finde es gut, wenn die Kommentare jetzt nicht in eine Diskussion über die Person des Abgeordneten Ströbele ausarten.

Update: Das Büro Ströbeles hat am Freitag dazu diese Stellungnahme verbreitet:

Stellungnahme von Christian Ströbele (19.8.2011):

Auf meine Parlamentarische Anfrage hin hat die Bundesregierung nun eingeräumt, dass sie nach Beginn des Libyen-Kriegs  11 deutsche Luftwaffen-Soldatinnen und Soldaten in den neu gebildeten Gefechtsstand jenes italienischen NATO-Hauptquartiers entsandt hat, aus dem der Libyen-Krieg gesteuert wird, die dort u.a. mit der Auswahl der Luftangriffs-Ziele befasst sind.

Mit diesem Einsatz nimmt die Bundeswehr am Libyen-Krieg aktiv teil.
Erst anlässlich dessen Beginns sandte sie die fraglichen Soldaten in den neu geschaffenen Gefechtsstand, beließ also nicht lediglich deutsche Soldaten in einem zuvor begonnenen Einsatz bei einer regulären NATO-Dienststelle dort.
Das widerspricht der offiziellen Haltung sowie allen Verlautbarungen der Bundesregierung und ist mit ihrem Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat nicht zu vereinbaren.
Diese heimliche deutsche Hilfe bei der Zielauswahl in Libyen erinnert an die entsprechende verdeckte Unterstützung des US-Krieges gegen den Irak 2003 durch Agenten des deutschen Geheimdienstes.

Dieser adhoc-Einsatz der Bundeswehr zu konkreten Kriegszwecken ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Denn die Bundesregierung verschwieg ihn gegenüber dem Bundestag. Die Bundesregierung hat noch nicht einmal im gesetzlich möglichen „vereinfachten Zustimmungsverfahren“ versucht, den Deutschen Bundestag zu beteiligen. Sie hätte jedoch nach Verfassung und Gesetz den Bundestag informieren und dessen Zustimmung einholen müssen. Das verlangt das Bundesverfassungsgericht („AWACS-Urteil vom 7.5.2008) und das Parlamentsbeteiligungsgesetz, wenn deutsche Soldaten – wie hier – nicht in „ständigen“, sondern in “ eigens für konkrete bewaffnete Einsätze gebildeten Stäben“ der NATO eingesetzt werden.

Insofern ist die gestrige Bewertung des Bundesverteidigungsministers rechtsirrig, der fragliche Einsatz bedürfe keiner Zustimmung des Bundestages. Unzutreffend ist seine Darstellung, die deutschen Soldaten seien lediglich in schon bestehenden ständigen NATO-Stäben verblieben.
Lenkt die Bundesregierung nicht ein, müßte ggf. erneut das Bundesverfassungsgericht die Rechtslage klarstellen.

Dazu der Hinweis von mir: Es ist ja nicht so ganz klar, inwieweit hier Missverständnisse vorliegen (die ja bisweilen in der Politik auch gezielt eingesetzt werden sollen…) Nach dem, was ich aus dem BMVg höre, handelt es sich bei den elf Deutschen um so genannte Augmentees – Verstärkungskräfte, die planmäßig vorgesehen sind, wenn ein NATO-Stab hochgefahren wird. Insofern ist es dann je nach Sichtweise eben kein eigens für konkrete bewaffnete Einsätze gebildeter Stab. Außerdem seien sie zwar im Bereich Zielauswahl tätig, aber auf der strategischen Ebene, bei der Erstellung des Luftlagebildes, und nicht bei der operativen Tätigkeit der Zielzuweisung.