Petraeus will die „Enabler“ behalten – auch im Norden?

Zur Lage in Afghanistan und zu den Aussichten am Hindukusch für die nächsten Jahre hat der bisherige Kommandeur der ISAF-Truppen, der scheidende US-General David Petraeus, in den vergangenen Tagen an vielen Stellen etwas gesagt. Deshalb habe ihn ich heute morgen gezielt gefragt, welche Wichtigkeit der Norden Afghanistans aus Gesamt-ISAF-Perspektive – und nicht nur aus deutscher Truppenstellersicht – hat.

Denn der Norden hat für die internationalen Truppen am Hindukusch eine ganz handfeste logistische Bedeutung: Gut 40 Prozent des Nachschubs organisiert ISAF inzwischen über verschiedene zentralasiatische Republiken, über das so genannte Northern Distribution Network – weil die Route über Pakistan immer wieder Ziel von Angriffen war. Bei einzelnenen Mengenverbrauchsgütern, sagt Petraeus, liege der Anteil des Nachschubs über den Norden sogar deutlich höher: 50 bis 60 Prozent des Treibstoffs für ISAF werden über diese Route ins Land geschafft.

Inzwischen ein Sammlerstück: Die „Commander’s Coin“ von David Petraeus. „You already can find them on ebay“, sagt der General selbstironisch.

Was das für die Struktur des beginnenden Abzugs der amerikanischen Truppen aus Afghanistan bedeutet? Nun sagte der General zwar nicht, dass die USA den Norden vom Abzug ausnehmen würden. Aber seine Richtlinie als noch aktiver Kommandeur sei gewesen, generell so viele wie möglich von den Enablers zu behalten, Truppen, die die Arbeit erst möglich machen: Vor allem Hubschrauber, aber auch Special Operations Forces und zum Teil Einheiten, die afghanische Soldaten und Polizisten ausbilden.

Gerade im Norden seien ja die US-Helikopter wichtig für alle beteiligten Nationen, betonte Petraeus. In der Tat: Ohne die Combat Aviation Brigade der Amerikaner, die Transport von Soldaten, vor allem aber die medizinische Rettungskette (MedEvac) sicherstellen, wären alle anderen in der Region deutlich in ihrer Arbeit behindert. Insbesondere die Deutschen, die als Lead Nation die Führungsverantwortung im Regionalkommando Nord innehaben.

Also: zwar keine direkte Zusage, dass diese wichtigen, wie es im NATO-Slang heißt, assets auch länger im Norden stationiert bleiben– aber schon das Signal, dass Sorgen der Verbündeten angekommen sind. Sicherlich nicht zuletzt wegen des Nachschubs für die eigenen Truppen.

Als wichtigsten Partner für den Nachschub über den Norden bezeichnete Petraeus übrigens Usbekistan, mit dessen Präsident er schon vor längerer Zeit in einem Gespräch Probleme zwischen den USA und dessen Land ausgeräumt habe. 80 Prozent der Lieferungen über die Nordroute durchqueren dieses Land und machen den Grenzübergang Hairatan und die Eisenbahnlinie nach Masar-i-Scharif zu einem der wichtigsten Knotenpunkte. Auch die Deutschen sehen ja mit ihrem Luftumschlagpunkt in Termez Usbekistan als sehr wichtigen Partner – wenn auch bisweilen mit Problemen.

An die Deutschen hatte der bisherige ISAF-Kommandeur für den Norden Afghanistans auch eine nicht-militärische Aufforderung: Die wirtschaftlichen Chancen dieser wichtigen Transitregion seien gewaltig  – vom Handel und Verkehr bis zu den Bodenschätzen. Da sollten sich doch adventure venture capitalists gerade aus Deutschland finden. In manch anderen schwierigen Regionen dieser Welt seien sie doch auch aktiv.

Nachtrag: Es wird ja interessant zu beobachten, wie Petraeus in seiner nächsten Verwendung als CIA-Chef damit umgeht: CIA trains covert units of Afghans to continue the fight against Taliban