Übergabe in Verantwortung, aber schnell!
Ich kann mich irren, und es gibt bestimmt Kundigere als mich, die mich da bitte korrigieren: Mir war gar nicht bewusst, dass die Bundeswehr die Sicherheitsverantwortung in Masar-i-Scharif hat. Sicher, da gibt es das deutsch geführte ISAF-Regionalkommando Nord, die riesige – überwiegend deutsche – Nachschubbasis Camp Marmal und den Flugplatz, der von deutschen Kräften gesichert wird. Aber die Verantwortung dafür wird vermutlich nicht übergeben. Und für die Stadt selbst gibt’s ein schwedisches PRT… Zudem ist ISAF bereits jetzt bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, als hätten die Afghanen da keine Verantwortung. Siehe die Vorgänge am 1. April.
Deswegen ist mir nicht so ganz klar, was Außenminister Guido Westerwelle meint, wenn er von der Übergabe der Sicherheitsverantwortung von deutschen Soldaten an afghanische Sicherheitskräfte spricht und das ausdrücklich auf Masar-i-Scharif bezieht. Aber wie gesagt, es gibt Kundigere als mich. Kann ja bitte mal einer erklären.
Nachtrag: Interessanter Blick des Afghanistan Analysts Network auf die Provinz Balkh, Provinzhauptstadt Masar-i-Scharif: Balkh province, under Governor Atta, is relatively well ‘functioning’. Many of the expectations in the governor are met considerably well, as compared to other provinces. Atta is a strong man. Atta rules a province as if it were a little state inside the state.
*Hust* Es gibt auch Kundigere als den Aussenminister… *Hust*
Aber btt: Evtl. hat man das mittlerweile auch vom PRT aufs RC gelegt, unsinnig wäre das nicht. Aber ich bin ebenfalls noch auf Ihrem Sachstand.
Zitiere ausnahmsweise zu dem Rückzugsgetose SPON, Gebauer:
„Die Motive in Berlin und Washington sind in der Afghanistan Frage recht ähnlich und haben doch mit der Lage im Land wenig zu tun. Hierzulande wie in den USA ist die Mission in Afghanistan in der Bevölkerung mehr als unbeliebt. Hier wie dort lehnen rund zwei Drittel der Menschen in Umfragen eine Fortsetzung des Engagements ab. Obama gerät zudem finanziell massiv unter Druck, da die Kontingente in Afghanistan Milliarden kosten. Viele US-Amerikaner mögen nach der Tötung des Terror-Fürsten Osama Bin Laden mittlerweile den Sinn der Mission nicht mehr erkennen. In Deutschland sind es weniger die Kosten, doch eine Weiterführung der Mission gegen den öffentlichen Willen will kaum ein Politiker noch verantworten.“
Man könnte auch glatt auf die Idee kommen, SPON mag den AM nicht:
„Für Westerwelle, der nach seinem dramatischen Ende als FDP-Vorsitzender und Vizekanzler immer noch mehr als angeschlagen scheint, geht es in Sachen Afghanistan auch noch um eines seiner zentralen außenpolitischen Ziele. Energisch, manchmal gar gegen den fachlichen Rat aus seinem Haus und dem der Militärs, hatte er sich seit Amtsantritt für die sogenannte Abzugsperspektive raus aus Afghanistan eingesetzt und dies direkt mit seinem Namen verbunden. Gelingt es nun tatsächlich, zumindest symbolisch einige hundert Bundeswehrsoldaten aus dem neuen Mandat für die Truppe, das im Frühjahr 2012 neu formuliert werden muss, rauszustreichen, wäre diese ein persönlicher Erfolg.“
War bis Ende Januar 2011 in AFG in einem OMLT. Zu dieser Zeit war der Battle Space Owner nicht nur für MeS, sondern z.B. auch für die Provinz BALKH aber auch JOWJZAN das schwedisch geführte PRT MeS. Kann mir eigentlich nícht vorstellen, dass man den PRT Kommandeur im Camp Northern Light von diesem Auftrag entbunden hat. Gibt einen alten Grundsatz beim Militär: Denken, drücken, sprechen. Westerwelle sollte vielleicht nochmal Rücksprache mit seinen Beratern halten und sich die Fakten briefen lassen, bevor er mit solchen Aussagen an die Öffentlichkeit geht.
Muss man über die beratungsresistente Peinlichkeit an der Spitze des Außenministeriums wirklich noch diskutieren?
Spätestens seitdem man unbedingt in den UN-Sicherheitsrat wollte, um sich dann dort zu enthalten, hat sich jegliche weitere Diskussion erübrigt.
Wo wir schon bei Fragen über Herrn Westerwelle sind: Ist eigentlich an dem Gerücht etwas dran, dass unser Guido bei einem Besuch in Afghanistan von einem afghanischen Gesprächspartner zum abendlichen „Bacha-Bazi“ eingeladen wurde und er sich erstmal kultursensibel, in offensichtlicher totaler Ahnungslosigkeit, freundlich für die Einladung bedankte?
Soviel zur Sachkunde unseres Außenministers …
Ich frage mich allerdings, warum so was ausgerechnet Herrn Westerwelle mutmaßlich angeboten wird. Und wenn die Geschichte erfunden ist: Warum wird sie ausgerechnet Herrn Westerwelle angedichtet?
@Sun Tsu – Sie haben offensichtlich etwas gegen Regierungsangehörige die die Meinung des Volkes vertreten. Was its falsch daran? Die Meinung des Volkes?
@ b | 22. Juni 2011 – 22:32
@Sun Tsu – Sie haben offensichtlich etwas gegen Regierungsangehörige die die Meinung des Volkes vertreten. Was its falsch daran? Die Meinung des Volkes?
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Aus guten Gründen haben wir uns für das Prinzip der parlamentarischen Demokratie entschieden, weil es eben doch Zeit, Ressource und Professionalität braucht, um die Staatsgeschäfte zu erledigen. Abgeordnete sind als Vertreter des ganzen Volkes weder an Aufträge noch an Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Dieses Prinzip hat sich bewährt – trotz all der Fehler und Unzulänglichkeiten im Detail.
Eine Herrschaftsform, in der die Macht direkt dauernd vom Volk in Abstimmungen oder demoskopischen Umfragen ausgeübt wird, ohne das man Parlamentarier „dazwischen schaltet“, hat sich als nicht funktionierend herausgestellt.
Fangen nun aber diese gewählten Volksvertreter an, sich aus populistischen bzw. wahltaktischen Gründen dauernd der Demoskopie zu unterwerfen, wird das dem Land nachhaltig schaden. Die eh schon gegebene Kurzfristorientierung von Entscheidungen aufgrund der vierjährigen Wahlperioden würde nochmals verkürzt und nachhaltiges Denken ginge vollkommen verloren.
Gerade Außen- und Sicherheitspolitik ist ein hoch komplexes Thema, bei dem sich selbst Parlamentarier mit ihrer relativ kurzen Einarbeitungszeit oft schwer tun. Auf diesem Feld erfolgreiche Nationen haben nicht ohne Grund traditionsreiche Kaderschmieden für den diplomatischen und sicherheitspolitischen Nachwuchs.
Hier könnte die Bundeswehr mit ausscheidenden Offizieren durchaus einen Personalkörper stellen, auf den man mit weitergehenden Ausbildungen aufbauen könnte.
Aber das ist ja nicht gewollt…
@jugendoffizier: sorry, aber auf dieses Humankapital aus der Truppe, welches sich oft die letzten drei Jahre auf den Ausstieg in eine zivile Existenz vorbereitet und oft als Soldat nur noch Fachbesucher ist, sollten wir beim Gedanken an Elitenbildung möglichst verzichten. Einzelne immer natürlich ausgenommen. Es ist mithin erschreckend, wer da mit welcher Attitüde auf den Arbeitsmarkt zutorkelt und sich dann oft ziemlich wundert, wie hoch manche Trauben hängen. Obwohl ich den Nutzen gewisser militärischer Erfahrungen und Vorbilder (eher die schlechten) nicht abstreiten kann und will. Was in Deutschland fehlt, ist Wehrwille und der Wille, aufzustreben und auf diesem Weg etwas in der Sache voranzubringen (und nicht nur die eigene Beaoldungs- oder Vergütungsgruppe)!
Zum Thema: die Schwesterwelle ist nur noch peinlich und brüstet sich auch noch in kleineren Zirkeln damit, dass er ja weiter den Ton bei der Politik der FDP in der Außenwirkung angebe. Wenn die Demographie ihnen nicht endlich den Rest gibt, muss es wohl der Wähler tun. Früher war die APO weit links. Zeiten ändern sich und ein Bumdestag ohme FDP wäre neu, aber nicht so schlimm. Inkompetenz auf diesem Niveau braucht unser Land nicht.
Off-Topic: TW in bester Stimmung bei Zivilveranstaltung gesichtet.
http://www.flickr.com/photos/grimmeonlineaward/5842129182/in/photostream/
Links: Kopfbedeckung absetzen!
Soweit ich mich entsinne ist die Verantwortung für MeS (noch) bei ISAF, allerdings sollte für MeS wie auch einige andere Distrikte wg der hohen Sicherheit und Stabilität (mal wertfrei ohne die Berücksichtigung der letzten Vorfälle) die Übergabe an die Afghanen prototypisch erfolgen… die ruhigsten Distrikte zuerst, so dass sich ISAF auf die Unruheherde konzentrieren kann.
In der Tranche 1 und 2 werden wir noch gar keine Auswirkungen in Bezug auf die Sicherheitslage haben. M-e-S ist ohnehin schon in fester Hand der ANA und der ANP. Das zuständige PRT MES (SWE) ist nur noch sog. Battlespaceowner und kann in dieser riesigen Stadt ohnehin nichts mehr ausrichten. Viel wichtiger sind die Governance (Regiegrungshandeln) und Development Anteile bei denen wir alle vom Aussenminister aber auch von Herrn Niebel eine Aussage erwarten.
Erst Tranche 3 und 4 werden dann wirklich interessant, wenn es in das Kernland der Taleban im Norden geht – da helfen uns dann auch unsere ahnungslosen Politiker nicht weiter. Also der richtige Transition Spaß kommt erst noch und zwar in einer Lage, wo wir unsere Truppe im Jahr 2012 / 2013 schon reduziert haben.
Ich finde das gut wie reflexartig sowas wieder aufs politische Tablett gehoben wird, sobald Obama sich dahingehend äußert. Wenn die Amis das schon machen dann machen wir das auch, dann brauchen wir uns wenigstens nicht mit dem Für und Wider befassen und ggf. sogar ein heißes Eisen anpacken.
Jetzt wäre die Möglichkeit, das informationspolitische Desaster seit 2002 hinsichtlich ISAF wenigstens ein bißchen glattzuziehen, indem die Öffentlichkeit breitgefächert mit Zahlen, Daten und Fakten gefüttert wird. Wobei es grad ja in Mode ist, sowas nachträglich als VS zu deklarieren.
Und genau diese Einzelnen sollten wir uns suchen! Es geht ja um Elitenbildung und nicht um Egalisierung. Daher trifft mich Ihr Hinweis auch nicht wirklich.
Oder wie schrieb schon Kafka:
Die Krähen behaupten, eine einzige Krähe könne den Himmel zerstören; das ist zweifellos, beweist aber nichts gegen den Himmel, denn Himmel bedeutet eben: Unmöglichkeit von Krähen.
@ jugendoffizier
Gibt es doch schon http://www.baks.org …
Fritz2010, sehr guter Beitrag!!!
„Transition“… viele nutzen das Wort ohne zu wissen, was dahinter steckt. Leider auch hier in ISAF Land.
Erstmal legt GIRoA fest, wo und wann es in Transition geht (die angesprochenen „Tranches“). Und was dann?? Ich kenne zumindest keinen Plan oder Verfahren, was passieren soll wenn „Transition“ beginnt. Es gibt auch keine „ribbon cutting ceremony“ oder so… aber vielleicht kommt noch einer auf die Idee und Guido darf ein Band durchschneiden.
Da uns keine Gebiete gehören, können wir auch nichts übergeben und die Übergabe der Verantwortung an die ANSF erfolgt ja auch nicht erst während der Transition, sondern bereits jetzt soweit es eben geht.
Ich denke mal dass es eher ein „Zeichen“ ist, dass GIRoA nun die offizielle Verantwortung für die Sicherheit übernimmt und nicht mehr.
Dass das alles im Rahmen der Reduzierung von ISAF passiert macht auch Sinn, bedeutet aber nicht dass sich ISAF völlig zurückgezogen hat und nicht mehr eingreifen kann.
Die Anzahl und die Fähigkeiten von ISAF wird sich bestimmt im nächsten Jahr verändern und noch mehr auf die Stärkung der ANSF ausgerichtet sein. So ein wenig von Obamas „weniger Kampf, mehr Unterstützung“ wird sich in der neuen Struktur widerspiegeln.
Und ja…. Guido hat nicht genug Ahnung um über Transition frei reden zu könnnen und leider hört er nicht auf sein Resort oder auf uns. Aber jeder blamiert sich so gut er kann!
Interessantes zur Lageentwicklung und -bewertung vom BMVg:
http://faz-community.faz.net/blogs/sicherheit/archive/2011/06/24/14-von-40-000.aspx
Erstmals seit Jahren ein leichter Rückgang bei den Sicherheitsvorfällen.
Eine rein quantitative Betrachtung ist n.m.E. jedoch wenig aussagekräftig.
Einige wenige Aktionen wie im Mai 2011 könnten die Debatte in DEU erheblich intensivieren – und trotzdem wäre die Zahl der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle (SRZ) gesunken. Die quantitativ/metrische Betrachtung wurde auch in Vietnam herangezogen, um die – vermeintliche – Lageverbesserung zu belegen (siehe „None so Blind“ von George W. Allen).
Die Bewertung unterscheidet sich zudem erheblich vom Tenor von GenMaj Fritz und anderen („INS stehen mit dem Rücken zur Wand… Anschläge als Verzweiflungstaten“):
„Die OMF bleiben grundsätzlich im gesamten Anschlagsspektrum handlungsfähig.“
@jetflyer: Wäre interessant ihre Meinung hierzu zu kennen.