MedEvac unter Beschuss: So sieht das aus
Im kommenden Jahr soll die Bundeswehr mit dem neuen Hubschrauber NH-90 selbst zur Rettung verwundeter Soldaten in Nordafghanistan beitragen – bislang gewährleisten vor allem die 15 amerikanischen MedEvac(Medical Evacuation)-Hubschrauber im RC North die Operationsmöglichkeiten von ISAF in dieser Region: Ohne gesicherte MedEvac-Fähigkeiten nur begrenzter Einsatz.
Wie knapp solche Rettungseinsätze in der Praxis werden können, hat (mal wieder) die AP-Fotografin Anja Niedringhaus dokumentiert – diesmal nicht nur mit ihren Bildern, sondern auch in der Beschreibung eines Dustoff-Fluges, bei dem es knapp wurde: ‘If we’re going to crash, I don’t want to see it’: Riding an Army helicopter in Afghanistan. Die Fotos dazu kann ich aus urheberrechtlichen Gründen hier leider nicht zeigen, aber hier sind sie anzuschauen.
Die interessante Frage wird ja im kommenden Jahr: Ziehen die USA MedEvac-Helikopter aus dem Norden ab? Und wenn ja, wie viele? Die vier deutschen NH-90 – ein Rettungshubschrauber, einmal Begleitschutz, zwei Maschinen in Reserve – werden nicht 15 Dustoff-Blackhawk ersetzen können.
Doppelte optische Täuschung: Dieses Foto von der Informations-Lehrübung Nord im vergangenen Jahr zeigt keinen echten MedEvac-NH-90-Hubschrauber – das Rote Kreuz wurde nur zur Übung aufgeklebt. Und natürlich stürzt er nicht ab, sondern verschwindet nur hinter einem Baum.
Nachtrag: Auf der Facebook-Seite von Augen geradeaus! gab es dazu einen Kommentar, den ich in dem Zusammenhang für wichtig halte:
Die zeitgerechte Beschaffung der notwendigen NH90 ist das Eine. Genauso wichtig ist eine Anpassung der rechtlichen Grundlagen für den Einsatz in einer Hot oder Red Zone.Bisher fliegen wir nach Friedensbedingungen und das schliesst schlicht die Einsätze auf dem Gefechtsfeld aus.
OT: Die Fotos von Anja Niedringhaus sind erstklassig! Die gute Frau versteht ihr Handwerk Momente einzufangen und, wie in diesem Fall, Betroffenheit zu erzeugen.
Ein beeindruckender Bericht, der so sicherlich im Rahmen des Afghanistaneinsatzes der Bundeswehr nicht möglich gewesen wäre. Unsere amerikanischen Freunde werden m.E. keine Medevac-Hubschrauber abziehen, so lange amerikanische Soldatinnen und Soldaten dort kämpfen. Die Zahlen, die dort für die Medevac-Kapazität genannt werden, gelten im übrigen auch für die Kampfhubschrauber. Der geplante Ansatz von TIGERn ist dagegen wohl eher auf die mediale Wirkung gerichtet. Die Kräfteplanung reicht bei weitem in allen Bereichen des Hubschraubereinsatzes nicht aus. Es fehlt im politischen Raum die Bereitschaft zur Konsequenz: Der Einsatz ist nicht Aufgabe des BMVg allein. Die erforderlichen Mittel bereitzustellen ist Staatsaufgabe. Das rechtliche Problem im Zusammenhang mit hot-evacuation sehe ich in diesem Zusammenhang nicht recht. Vielleicht kann das noch näher erläutert werden.
„… fliegen wir nach Friedensbedingungen und das schliesst schlicht die Einsätze auf dem Gefechtsfeld aus.“
Mal abgesehen, dass das gegenwärtige deutsche fliegende Gerät für Einsätze in Hot Zones im Moment nicht geeignet ist, liegt aber auch in dieser Aussage irgendwo ein anderes Problem.
Alle sind im Einsatz, der Fallschirmjäger und Panzergrenadier gleichermaßen wie der Heeresflieger. Letzterer nimmt aber Friedensbedingungen für sich in Anspruch. Ich gebe zu, die einzelnen Vorschriften nicht zu kennen, habe aber Zweifel, ob es sich dabei tatsächlich immer um gesetzliche Bestimmungen handelt. Ich habe vielmehr den Verdacht, dass es sich häufig um selbstgemachte Regelungen handelt, die man ggf. auch ändern oder einfach außer Kraft setzen könnte.
Bestimmend sollte der Einsatzgedanke und der Wille zur Erfüllung des Auftrags sein. Richtig ist aber, dass dies nicht dem einzelnen Piloten oder Kommandeur überlassen bleiben kann sondern einer Führunsentscheidung auf anderer Ebene bedarf.
Leicht OT – Gilles Dorronsoro mit einer neuen Carnegie Studie über die Lage in Afghanistan.
Afghanistan: The Impossible Transition
– der Osten ist weitgehend an die Taliban verloren gegangen
– die afghanischen Einheiten sind nicht (alleine) einsatzfähig und werden wohl auch kaum werden
– einzige Chance sind ernsthafte Gespräche mit den Taliban um die in eine politische Koalition in Kabul einzubinden
– Pakistan muss eingebunden werden
Washington spricht zwar mit einigen Taliban, will aber zugleich permanente Basen in Afghanistan denen die Taliban nie zustimmen werden. Zugleich verärgert man Pakistan was ein Einigung noch schwieriger macht.
Uff, da hat Anja aber noch mal Glück gehabt.
Der Schuss in den Blackhawk hätte auch auch leicht mehr Schaden verursachen können.
Anja ist eine großartige Fotografin und ich freue mich, dass sie weiterhin solch hervorragende Bilder aus Afghanistan liefern wird.
Wie gesagt… wer einmal mit ihr auf Patrouille war, wird ihre ruhige und besonnene Art so schnell nicht vergessen.
Nur dass das kein Lobesthread für Anja ist, sondern einer über MedEvac. Und wenn ich da wieder von vier Maschinen lese, bekomme ich Kopfschmerzen. Kehren wir also zurück zum Flickenteppich von vor der Ankunft der Amerikanern? Lässt man die Schweden in MeS und übernimmt den Raum KDZ, damit wenigstens ansatzweise alle PRT abgedeckt werden? Gehen die CHs raus und werden die NHs dann auch als Touristenbomber genutzt?
“… fliegen wir nach Friedensbedingungen und das schliesst schlicht die Einsätze auf dem Gefechtsfeld aus…”
Das stimmt so nicht! Mittlerweile wird der Einsatzflugbetrieb in AFG rechtlich klar vom heimatlichen Friedensflugbetrieb getrennt. Es gibt dabei die Stufen 1 bis 3, in denen die zu Friedenszeiten geltenden Vorschriften schrittweise außer Kraft gesetzt werden. Bei ‚Forward Air MedEvac‘ (also Primär-Rettung, übrigens nicht zu verwechseln mit MedEvac, also Sekundär-Rettung, was die deutschen CH-53 z.Zt. durchführen) kommt die Stufe 3 zum Tragen.
Der wievielte Artikel ist das jetzt über MedEvac? Hat sich seit dem ersten irgendetwas verändert? Nein. Wir haben immernoch kein Konzept eines geeigneten Helikopters, der widerstandsfähig genug ist um mitten in einer Kampfzone zu landen. Es sei denn der NH-90 kann noch vernünftig fliegen, wenn man ihn mit entsprechenden Modulen versehen hat.
Wenn mir einer sagt, dass das machbar ist und der Vogel mit etwas Glück noch fliegt, wenn gerade eine Garbe AK-Feuer oder besser noch DSchK reingegangen ist, dann bin ich still. Es bringt uns aber nichts, wenn ich aus einem MedEvac Fall einen neuen mache^^
Solche Helikopter müssen halt härter im Nehmen sein…
(1) Deutschland verfuegt m.E. ueber eine Seh- und Denkschwaeche, was mit Hubschraubern in den Streitkraeften zu tun sei. UN: Kongo, Darfur, Suedsudan und ueberall werden Utility Helicopter sowie Attack Helicopter benoetigt, siehe auch unlaengst Cote Ivory. Oder ISAF, die US-Amerikaner stellen mit der 4th CAB mehr als 100 assets in ganz AFG, und der letzte Blick nach Libyien, Briten und Franzosen, ich hoere jetzt auf.
(2) Was macht die Bw? Die Bw-Reform wird nicht genutzt, um den Wert der Hubis strukturell zukunftstraechtig zu verankern, nichts von joint concepts, nichts von joint helicopter command. TSK-Clausewitze verzetteln sich stattdessen im sogenannten Faehigkeitstransfer (CH zur Lw und NH zum Heer) oder traeumen von ganz grossen Koffern, die niemand wirklich barucht.
(3) Eine saubere konzeptionelle Basis fehlt: Kein Wunder bei nach wie vor TSK-Fuerstentuemelei, trotz FueS. Das weitere Rettungsgeschaeft sowie Special Forces Einsaetze sind neben Schwerpunktbildungen durch Infantrieverbringungen zielfuehrend, weniger Kistenfliegen.
(4) Dennoch ist es richtig, auch „nur“ vier NH90 als Forward AirMedevac Helis und vier TIGER einzubringen. Jedes Lfz ist besser als keins. The art of the possible. Friedensflugbetrieb ist kein wirkliches Hemmnis.
Es wird so viel ueber die Friedensflugbestimmungen diskutiert, was bedeuten diese eigentlich? Gibt es Kriegsflugbestimmungen?
Tja, in anderen Armeen ja, bei uns wurden sie wohl noch nicht ausgearbeitet :-D
Im Grunde wären das Abweichungen von den zivilen Luftfahrbestimmungen, z.B. ab wieviel Sicht man fliegen darf, wie hoch die Wolkendecke mindestens sein muss, ob man Nachts fliegen darf etc. etc.
… und für die Einsatzbereitschaft der Luftfahrzeuge nicht ganz unerheblich, verlängerte oder gar ausgesetzte Inspektionsintervalle, verringerter Inspektionsumfang, erleichterte Reparatur nach Gefechtsschäden da andere Maßstäbe angesetzt werden, leichteres „modifizieren“ der Luftfahrzeuge und der funktionalen Ausrüstung (analog zu dem Problem Umbau von Fahrzeugen und TÜV) und der damit verbundene evtl. geringere Bedarf an Ersatzteilen und an Personal.
Da sind offensichtlich viele Gerüchte im Umlauf: Auch die amerikanischen Hubschrauber sind nicht so viel besser gehärtet als unsere. Wer den o.a. Bericht der amerikanischen Journalistin gelesen hat, der wird die Aussage des Piloten, nachdem er den Treffer in Augenschein genommen hatte, noch im Gedächtnis haben: “ that was pretty close“.
Hinsichtlich der sogenannten „Kriegsflugbestimmungen“ gilt, auch die Verbündeten haben das nicht. Im Gegenteil, die Wetterminima bei denen Amerikaner in Afghanistan starten liegen über denen der Deutschen! Lediglich bei Nacht besteht, wegen der überlegenen modernen Ausrüstung der Maschinen ein Vorteil. ( Geld lässt grüßen )
Und völlig unverständlich ist mir der Beitrag..“…besser als gar nichts“. Der Kräfteansatz der Heeresflieger ist entscheidend für die Wirksamkeit im Einsatz und den Schutz unserer Bodentruppen. Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen : “ eine Kompanie Infantrie ist besser als keine“. Das macht wenig Sinn! Kräfte und Mittel müssen sich am Auftrag ausrichten. Weder richten sie mit 2+2 Tigern in Afghanistan etwas aus, noch mit 40 ‚Tigern als Gesamtbestand in der Bundeswehr.
Friedensflugbetrieb bedeutet, dass maximale Sicherheit für die Besatzung und Passagiere. Es hat für den Einsatz in AFG keinen bedeutenden Nachteil. Eine bessere Nachtsichfähigkeit und Hinderniswarnung wäre ein Muss aber der Einsatz sollte ja wenig Kosten/Ausgaben verursachen. Das wäre unangenehm für unsere Politiker und das wollen wir doch nicht denn die müssen gerade die Gläubiger retten!
Mehr Dustoff Fotos von Kevin Frayer – link
Weiß denn hier wirklich jemand, was „Friedensflugbetriebsbestimmungen“ bedeutet?
Wenn ich die Kommentare dazu lese, bezweifele ich das.
Es bedeutet nichts anderes, als das ALLE Vorschriften hinsichtlich des Flugbetriebes genau so gelten, wie in Deutschland (eben im „Friedensflugbetrieb“).
Egal, ob es „Flugdienst-und Ruhezeiten“ sind (Piloten DÜRFEN nach Vorschriftenlage (die in Anlehnung an zivile Gesetze und Verordnungen erstellt wurde, von denen die Bundeswehr ausdrücklich ausgenommen ist) nur bestimmte Stunden pro Tag „Arbeiten“-und noch weniger Stunden wirklich fliegen, weil Vor-und Nachbereitung dazu gezählt werden), Transport von Soldaten mit Kampfmitteln (die i.d.R. besonderen Bestimmungen unterliegen-je nachdem kann es ein „Transport gefährlicher Güter“ sein, der eine besondere und aktuell zu haltende Ausbildung der Piloten und Bordtechniker erfordert), bis hin zu den anzuwendenden Verfahren…..
Piloten DÜRFEN eigentlich nur das, was in den Vorschriften erwähnt wird….
Jede Landung in Afghanistan muss also EIGENTLICH genauso geflogen werden, wie jede Landung in Deutschland….
DAS sind die sogenannten „Friedensflugbetriebsbestimmungen“ (bzw. ein Teil davon)…
Fliegerisch sind „Friedensflugbestimmungen“ relativ leicht zu umgehen, auszusetzen, zu ändern und zu erweitern.
Das eigentliche Problem ist eher technisch-logistisch, weil das System der Bundeswehr da nur die Zustände „Frieden“ und „totaler Krieg“ (frei nach: die Rote Armee bricht durch die Norddeutsche Tiefebene) kennt. Selbst wenn für Afghanistan das BMVg die Vorschriften für Krise und Krieg freigibt, bleibt noch ein ganz reales Problem: Gefechtsschadeninstandsetzung an Lfz hat in den letzten Jahren niemanden interessiert. Und ein vernünftiges Konzept für den NH-90 dürfte es daher kaum geben. Davon einmal abgesehen, hat dessen Kompositbauweise ohnehin den Nachteil, dass sich Einschüsse nicht ganz so einfach wie bei Metallhubschraubern beseitigen lassen.
Und leider kann man an Lfz nicht einfach mal irgendwie „herumbasteln“, da die Dinger bei Fehlern nicht irgendwo stehenbleiben, sondern auch abstürzen könnten.